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Neue
romanische Handschriften aus dem Zisterzienserstift Rein*
Friedrich Simader
Lange Zeit waren nur einige
wenige illuminierte romanische Codices aus dem 1129 gegründeten steirischen
Zisterzienserstift Rein bei Graz bekannt: das berühmte "Reiner Musterbuch",
Cvp. 507, und die damit zusammenhängenden Handschriften Cvp. 609, 858 und 2499,
die alle in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien verwahrt werden[1]. Von den noch im Stift befindlichen
Handschriften sind zwar durch den Katalog von A. Weis[2] einige als verziert ausgewiesen,
publiziert wurden aber bislang nur Beispiele der Ausstattung des 1172 (?)
datierten Cod. 94[3]. Vor kurzem hat nun P. Wind[4] eine ganze Reihe zumeist
illuminierter Handschriften des 12. Jahrhunderts, die sich heute außerhalb der
Zisterze befinden, nach Rein lokalisiert. Der Großteil der neu eingeordneten
Handschriften liegt in zwei Bibliotheken, deren "Beschreibende
Verzeichnisse" unter anderem helfen, sich einen ersten Überblick über den
Buchschmuck zu verschaffen: Die Codices 4/1, 4/2, 17, 62, 159 (fol. 112r-193r),
261, 309 und 341 der Stiftsbibliothek der Augustiner-Chorherren im steirischen
Vorau[5] sind laut Wind[6]
in Rein entstanden und wurden zum Teil noch unter Propst Bernhard I.
(1185-1202) erworben, andere stammen aus dem Nachlaß des 1202 verstorbenen
Pfarrers Ulrich von Hartberg, der möglicherweise aufgrund seiner Zugehörigkeit
zur Hofgeistlichkeit der Traungauer[7] über eine größere Zahl von Büchern
verfügen konnte. Mehrere der neu eingeordneten Stücke finden sich auch in der
ÖNB: Cvp. 1041, 1066 und 851 kamen 1806 aus der Salzburger Dombibliothek[8]
nach Wien, Cvp. 707 und 870, die sich schon 1576 in der Hofbibliothek befanden,
tragen spätmittelalterliche Reiner Einbände[9] und wurden vielleicht deshalb von
Wind jenen Reiner Handschriften zugeordnet, die im 16. Jahrhundert durch
bibliophile Humanisten nach Wien gelangten[10].
Die Zahl der Handschriften, die
im späten 15. Jahrhundert oder am Beginn des 16. Jahrhunderts noch in Rein
gebunden wurden, 1576 aber schon in der Wiener Hofbibliothek nachweisbar sind,
ist noch wesentlich größer als bisher angenommen. In seinem Katalog hat H. J.
Hermann auf die Zusammengehörigkeit der Stempeleinbände von Cvp. 679, 1042 (10.
Jhdt.) und 1637 verwiesen; aufgrund des Buchschmucks und eines mutmaßlich mit
Heiligenkreuz zu verbindenden annalistischen Nachtrags in Cvp. 679 vermutete er
eine Entstehung in der niederösterreichischen Zisterze[11].
Vor allem durch den charakteristischen Stempel mit der Aufschrift "W. A.
1502" ist aber sichergestellt, daß diese Bände einer Bindeperiode des
beginnenden 16. Jahrhunderts unter Abt Wolfgang von Rein (1481-1515) zuzuordnen
sind[12].
Die älteste illuminierte
Handschrift dieser Gruppe ist Cvp. 1637, von Hermann mit Fragezeichen
Heiligenkreuz zugeordnet und an den Anfang des 13. Jahrhunderts datiert[13].
Buchschmuck und Schrift deuten aber auf eine frühere Entstehung: die
Knollenblätter der kleinen Rankeninitiale auf fol. 1r (Abb. 1) lassen sich mit
dem um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen Vorauer Cod. 4/1[14]
oder mit Cod. 16 in Rein[15]
vergleichen, und da die Verwendung von blauen und grünen Hintergründen bereits
in der Frühphase der Reiner Buchmalerei anzutreffen ist - z.B. in dem um
zwischen 1147 und 1164 datierbaren Cvp. 1041[16],
fol. 1v -, dürfte es sich um eine süddeutsch beeinflußte Reiner Arbeit um
1150/60 handeln.
Etwa der gleichen Zeit gehört
auch Cvp. 1631 an, der ebenfalls einen spätmittelalterlichen Reiner
Stempeleinband trägt und seit 1576 in Hofbibliothek nachweisbar ist[17].
Unter den von Hermann beschriebenen Initialen zeigt jene auf fol. 1v (Abb. 2)
Verbindungen zu den derzeit bekannten Reiner Handschriften;
Vergleichsmöglichkeiten ergeben sich ganz allgemein durch die Art, wie die
relativ breite Ranke um den gespaltenen Stamm der Initiale geführt wird, und durch
die waagrechten, mit kleinen Kreisen besetzten Leisten, die den Buchstaben oben
und unten abschließen - derartiges findet man im Cvp. 1066 (fol. Iv)[18],
der nach Wind ca. in den 60er Jahren des 12. Jahrhunderts entstanden ist, und
im 1172 (?) datierten Cod. 94 (fol. 10v)[19]
der Reiner Stiftsbibliothek; für die Blätter mit gekräuseltem Kontur sind
allerdings gegenwärtig keine Parallelen in Reiner Codices nachzuweisen.
Etwas mehr Anhaltspunkte bietet
der ebenfalls bescheiden ausgestattete Cvp. 560, dessen mittelalterliche
Provenienz unbekannt ist. Der bis fol. 144 dem 12. Jahrhundert angehörende Teil
der Handschrift[20] besitzt auf
der Versoseite des Vorsatzblattes und auf fol. 109v (Abb. 3) rot gezeichnete
Rankeninitialen auf blauem und grünem Grund; die erste Initiale L ist durch
Abreibung beschädigt und zeigt lappige oder kleine dreiteilige Blattmotive der
Ranken, die zweite eine unbeholfen durch den Stamm eines gespaltenen I geführte
Ranke mit ebenfalls meist dreiteiligen kleinen Blättern. Für die Entstehung der
Handschrift in Rein spricht einerseits die Farbgebung der Initialen - die
Initiale auf fol. 109v ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit fol. 1v von Cvp.
1041[21]
-, vor allem aber die Schrift: besonders die Überschriften (Abb. 3) erinnern an
die breite, starke Brechungen aufweisende Minuskel des Reiner Hauptschreibers,
dessen Tätigkeit sich nach O. Wonisch anhand von Urkunden von der Mitte der
50er Jahre bis zum Jahre 1202 nachweisen läßt[22]. Auch besitzt die Handschrift eine
auffällige Rubrizierung, die sie z.B. mit den Reiner Handschriften Cvp. 1041,
1066, 851 und 870 verbindet: die Satzanfänge sind von Seite zu Seite
abwechselnd mit roten oder gelben Stricheln betont, ein Schema, das meist
konsequent durchgehalten wird[23].
Damit läßt sich Cvp. 560 als Arbeit des Reiner Skriptoriums einordnen, die dem
Buchschmuck nach im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts entstanden ist.
Vertreten die bislang
vorgestellten Handschriften Nebenströmungen des Reiner Buchschmucks, die im
einzelnen - vor allem bei Cvp. 1066, 1631 und dem Reiner Cod. 94 - noch einer
näheren Untersuchung bedürfen, so gehören die folgenden einer Richtung an, die
sich die gesamte zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts beobachten läßt[24].
Cvp. 810 aus Rein[25]
besitzt zum Textbeginn auf fol. 1v eine rot gezeichnete Rankeninitiale (Abb. 4)
mit sich auffächernden, teilweise mit geperlten Mittelrippen versehenen
Blättern, deren Enden entweder umgestülpt oder ins Profil gedreht werden. Damit
schließt die Initiale stilistisch an jene der Zierseite (fol. 11v)[26]
des Cvp. 1041 an, dieselben Blattformen sind aber auch z.B. in Cvp. 851 (fol.
2v)[27]
und 870 (fol. 1v) zu finden. Eine weitere Gemeinsamkeit mit Cvp. 1041 (fol.
65r) ergibt sich durch eine rote gespaltene Silhouetteninitiale auf fol. 81r,
die durch ihre Struktur und ihren Bogendekor vergleichbar ist.
Eng verwandt, aber vermutlich
etwas später entstanden ist Cvp. 1045, der seit dem frühen 17. Jahrhundert in
der Hofbibliothek nachweisbar ist[28].
Sein Buchschmuck besteht aus einer rot gezeichneten Rankeninitiale auf blauem und
grünem Grund (fol. 5r - Abb. 5) und zwei blau/grün gespaltenen
Silhouetteninitialen Q mit rotem Bogendekor im Binnenfeld (fol. 36v, 109v).
Aufgrund von Farbigkeit und einzelnen Details ist die Rankeninitiale
unmittelbar neben Cvp. 851, 850 und den Cod. 820 (fol. 8v)[29] der Universitätsbibliothek Graz zu
stellen; so besitzen Cvp. 851 (fol. 2v)[30]
und die Grazer Handschrift ebenfalls geperlte Spaltfüllungen, und in letzterer
ist auch das schon in Cvp. 1041 (fol. 11v)[31]
verwendete Motiv der die Ranken umgreifenden Blattenden und Seitenknospen
anzutreffen. Einen Anhaltspunkt zur Datierung dieser Gruppe bietet der Grazer
Codex, da Bernhard, der Seckauer Bibliothekar und spätere Propst von Vorau
(1185-1202), auf fol. Ir die Lagenformel des Codex einfügte[32].
Die somit vor 1185 entstandene Handschrift ist vermutlich das Ergebnis der
Zusammenarbeit von einem Seckauer Schreiber und einem Reiner Buchmaler, doch
ist die Entstehungsgeschichte des Codex noch nicht eindeutig geklärt[33].
Eine ähnliche Fragestellung
ergibt sich bei Cod. 319 der Oberösterreichischen Landesbibliothek in Linz, der
aus dem 1784 aufgelassenen Zisterzienserkloster Baumgartenberg (OÖ.) stammt.
Die Handschrift besitzt einige größere rote Silhouetteninitialen mit
Bogendekor, der z.B. jenem in Cvp. 810 (fol. 81r) entspricht, und dazu drei in
Rot gezeichnete Rankeninitialen (fol. 2r Q mit einem von einer Spange
strangulierten Drachen als Cauda, fol. 4r A, fol. 41r D - Abb. 6), die
stilistisch den vorher genannten Handschriften angehören. Ob die im Bibliothekskatalog
vom Anfang des 13. Jahrhunderts verzeichnete Handschrift[34] importiert wurde oder in
Baumgartenberg entstanden ist, ist noch ungeklärt; da die Schrift keine
Beziehung zu den Schreibern um den Reiner Skriptoriumsleiter zeigt, könnte auch
hier eine Zusammenarbeit zwischen einem Reiner Buchmaler und einheimischen
Schreibern erfolgt sein. Eine weitere Verbindung zwischen Rein und
Baumgartenberg ergibt sich vermutlich durch den Schreiber Rudigerus, der sich
im Kolophon des aus Baumgartenberg stammenden Cvp. 696 auf fol. 209v nennt[35]
und in Cvp. 1024 (Provenienz Salzburg, Dombibliothek), im Cod. 64 des
Zisterzienserstifts Wilhering[36]
sowie in den aus Baumgartenberg stammenden Cod. 483 und 485 der OÖLB in Linz
nachweisbar ist[37].
Neben den Verbindungen zu weiteren
Zisterzen und umliegenden Klöstern bestanden auch Kontakte Reins mit den
Skriptorien Salzburgs[38].
Besonders das Domstift, dessen Eigenproduktion von illuminierten Handschriften
um die Mitte des 12. Jahrhunderts stark anwuchs[39],
erhielt Handschriften aus Rein[40]:
Entgegen dem sonst z.B. bei Admont[41]
oder Biburg[42] zu
beobachtenden Brauch, von ihm gestiftete, auswärts erzeugte Handschriften in
den jeweiligen Klöstern zu belassen, ließ Erzbischof Eberhard I. (1147-1164)
Cvp. 1041 für das Domstift herstellen, und bei dem ebenfalls für das Domstift
bestimmten Cvp. 1066 arbeitete laut Wind ein Salzburger Schreiber mit Reiner
Mönchen zusammen[43]. Weitere
von Wind genannte Reiner Handschriften aus der Salzburger Dombibliothek sind
Clm 15822 der Bayerischen Staatsbibliothek in München und Cvp. 851, die dort
allerdings nicht vor dem 15. Jahrhundert nachgewiesen werden können. Mit Cvp.
771 läßt sich ein zusätzlicher Reiner Codex benennen, der sich vermutlich schon
um 1200 in der Salzburger Dombibliothek befunden hat[44].
Die Ausstattung der Handschrift besteht am Textbeginn aus einer blau-grün
gespaltenen Silhouetteninitiale mit rotem Bogendekor (fol. 1v - Abb. 7),
stilistisch vergleichbar mit Cvp. 1045 (fol. 109v), und zwei weiteren
dreizeiligen roten Silhouetteninitialen mit Profil- und Herzblättern (fol. 14v)
und Bogendekor (fol. 38r). Nachträglich am unteren Blattrand eingefügt wurden
Skizzen: auf fol. 4v unten der Kopf eines Mönches, fol. 14r eine Büste (Abb. 8)
und fol. 15v ein Vogel. Diese, Ende des 12. Jahrhunderts oder um 1200 eingefügt[45],
setzen einen gewandten Zeichner voraus, und da ein solcher - was Darstellungen
der menschlichen Figur betrifft - in Rein zu dieser Zeit nicht nachweisbar ist
(vgl. Cvp. 1066, fol. Iv) [46], dürften
sie bereits von einem Salzburger stammen.
Alle bisher vorgestellten
Handschriften sind noch im 12. Jahrhundert entstanden, und es läßt sich
gegenwärtig keine weitere illuminierte Handschrift der ÖNB aus diesem Zeitraum
dem steirischen Skriptorium zuordnen. Cvp. 792, der von Hermann mit Fragezeichen
als Reiner Handschrift vom Ende des 12. Jahrhunderts katalogisiert wurde[47],
ist wohl früher, aber sicher nicht in Rein entstanden. Falls der im
Initialschmuck südwestdeutsch beeinflußte Codex[48]
aus einem Skriptorium des heutigen Österreich stammt, kommt am ehesten das
Benediktinerkloster St. Lambrecht in der Steiermark in Frage, da z.B. der dort
um 1160 entstandene Cod. 1046 der UB Graz[49]
eine stilistisch verwandte Initiale (fol. 1r) besitzt[50].
Nach Rein zu lokalisieren ist
hingegen Cvp. 679 vom Anfang des 13. Jahrhunderts, der, wie oben erwähnt, dort
gebunden wurde[51]. Die
Handschrift besitzt zwei bereits mehrmals publizierte Rankeninitialen[52] auf fol. 2r und 104v; erstere zeigt
bei den Rankenblättern, wenn auch deutlich vergröbert, noch das Formenvokabular
älterer Reiner Handschriften (vgl. Abb. 4 und 5), nur erweitert durch
Blattappliken am Mittelbalken und das Motiv der von einem Kreis ausstrahlenden
Blätter. Bei der von anderer Hand stammenden Initiale am Beginn der etwas
später geschriebenen Homilie (fol. 104v-109v)[53]
ergeben sich dagegen durch Blattformen und -motive - z.B. das dreiteilige
Blattmotiv in der Mitte oben oder die die Ranken umgreifenden Blätter -
Verbindungen zu den Initialen des Musteralphabets im Cvp. 507 (fol. 4r, 5r).
Dem älteren Teil von Cvp. 679 läßt sich mit Cvp. 2400 eine Handschrift
Heiligenkreuzer Provenienz[54]
an die Seite stellen, deren einzige Rankeninitiale auf fol. 1v (Abb. 9) mit
jener auf fol. 2r von Cvp. 679 engstens verwandt ist: Vergleichbar sind der
schmutzig-ockerfarbene Hintergrund und vor allem die etwas nachlässig
gezeichneten Blattformen mit den umgestülpten dreiteiligen, gepunkteten
Blattenden. Weitere Verbindungen zu Reiner Handschriften ergeben sich durch die
Silhouetteninitialen. So ist der Buchstabenkörper teilweise in aufeinanderfolgende
gekrümmte Keilformen aufgelöst (z.B. fol. 35v, 45v), ein Motiv, das in
abgeschwächter Form auch bei den Ziermaiuskeln auf fol. 1r des Reiner
Musterbuches verwendet ist. Im Cvp. 936 aus Rein[55],
dessen Ausstattung nur aus Silhouetteninitialen (Abb. 10) besteht, findet man
schließlich auf fol. 55v das mehrfach auftretende Motiv dreier tropfenförmiger
Blätter (?) als Abschluß von Ausläufern (fol. z.B. 2r, 11r) identisch
wiedergegeben, und ebenso Besatzmotive wie gekräuselte Blätter, die durch
geperlte Stege mit außen angesetzten waagrechten Strichen (fol. 2r - vgl. Abb.
10)[56]
verbunden sind[57]. Aufgrund
dieser Übereinstimmungen ist anzunehmen, daß Cvp. 2400 in Rein entstanden ist
und erst später nach Heiligenkreuz gelangte, zumal in den Heiligenkreuzer
Handschriften aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts keine Parallelen für den
Buchschmuck nachzuweisen sind. Für Cvp. 936, der Cvp. 679 inhaltlich ergänzt[58],
lassen sich keine für Rein gesicherten Vergleichsbeispiele beibringen.
Die genannten Handschriften sind
auch für den Buchschmuck von Cvp. 507 von Bedeutung, da sie Motive enthalten,
die sich ebenso bei den Ziermajuskeln (fol. 1r) und Silhouetteninitialen (fol.
4r-6v) des Musterbuches feststellen lassen und so die wiederholt bezweifelte
Gleichzeitigkeit[59] der drei
Musteralphabete belegen; zwar sieht man an den Überschneidungen von Ranken- und
Silhouetteninitialen auf fol. 5r und 6r, daß letztere später eingefügt wurden,
doch handelt es sich lediglich um einen späteren Arbeitsgang. In der jüngeren
Literatur ist für die Handschrift vor allem von M. Roland eine Datierung um
1220/30 vorgeschlagen worden, die sich auf eine behauptete Abhängigkeit der
Rankeninitialen von der Heiligenkreuzer Buchmalerei um 1225 stützt[60].
Die Verbindungen zu Cvp. 1180 und den anderen zum Vergleich genannten
Handschriften[61] beschränken
sich allerdings auf gitterartig schraffierte Spaltfüllungen; weder sind dort
die aus drei Blättern bestehenden Rankenabschlüsse - zwei Blätter sind zur
Seite gebogen, dahinter steht ein weiteres aufrecht - noch die dreiteiligen
Blätter mit den zwei markanten punktförmigen Ausnehmungen nachweisbar, die mit
Varianten den Grundbestand an Blattmotiven des Musteralphabets und der übrigen
Rankeninitialen des Codex bilden. Auch bei den Silhouetteninitialen sind keine
Übereinstimmungen zu erkennen, die für die Mitarbeit eines Heiligenkreuzer
Malers oder Heiligenkreuzer Einfluß sprächen[62].
Die Datierung des gesamten Codex ergibt sich somit, wie schon von Hermann
begründet, aus den Papst- und Kaiserreihen, die eine Entstehung im 2. Jahrzehnt
des 13. Jahrhunderts nahelegen. Wenig später sind dann die damit
zusammenhängenden Cvp. 609, 858 und 2499 anzusetzen[63].
An diese Gruppe läßt sich eine
weitere Handschrift der ÖNB anschließen. Cvp. 1799**, ein für den Gebrauch in
einem Zisterzienserkloster bestimmtes Antiphonar[64],
ist mit zahlreichen Initialen geschmückt - neben den überwiegenden
Rankeninitialen finden sich auch einige mit frühen Fleuronneé-Formen
(Kräuselblatt, Spiralfäden etc. ), so daß eine Entstehung im 2. Viertel des 13.
Jahrhunderts anzunehmen ist. Dafür spricht auch der figürliche Schmuck der
Initialen; die Figur des stehenden, eine Initiale haltenden Petrus (fol. 145v)[65]
etwa zeigt mit dem enganliegenden, teilweise zu steifen Röhren ausgebildeten
Gewand und den hart umgebrochenen, spitz endenden Faltenmotiven ganz allgemein
stilistische Merkmale des genannten Zeitraums[66].
Von besonderem Interesse sind die
zum Großteil auf mehrfarbigem Grund gezeichneten Rankeninitialen der
Handschrift. Sie wiederholen weitgehend das oben angedeutete Formenrepertoire
der Rankeninitialen des Musteralphabets in Cvp. 507 (fol. 4r-6v), erweitert
durch große Blattappliken, die meist Spangen ersetzen (z.B. fol. 1v, 24v, 69v,
101v), und verschiedene Spaltfüllungen (Kreise, Seilmuster, Stufenband etc.).
Bei mehreren Initialen ist darüber hinaus zu sehen, daß Buchstaben dieses
Alphabets in Cvp. 1799** vorbildlich waren, aber abgewandelt wurden. Bei der
Initiale Q auf fol. 150[67]
zum Beispiel wird die Cauda nicht wie im Musterbuch (fol. 6r)[68]
durch einen Drachen, sondern durch den heiligen Laurentius ersetzt, und trotz
einiger kleiner Abweichungen und der teilweise fehlenden Spangen stimmt der
Verlauf der Ranken mit dem Musterbuchstaben weitgehend überein. Weitere derart
variierte Formen des Musteralphabets mit nur teilweise übereinstimmenden
Buchstabenpartien bilden C (fol. 1r), E (fol. 45r), U (fol. 52r), L (55v), D
(fol. 93r), F (fol. 131r), M (fol. 135r), D (fol. 182v) und O (fol. 212v),
wobei auffällt, daß allfällige Vögel in Cvp. 1799** nie wiedergegeben werden.
Auch bei der mit dem Musterbuch (fol. 6v) nahezu identischen Initiale T (fol.
48v) fehlen die beiden auf dem Querbalken hockenden Vierfüßler; nur bei dem N
auf fol. 162r (Abb. 11) hat sich der Zeichner bemüht, auch die beiden Drachen
der Vorlage (Cvp. 507, fol. 5v - Abb. 12) entsprechend wiederzugeben. Der am
einfachsten strukturierte Buchstabe des Musteralphabets hingegen, das I (Cvp.
507, fol. 5r - Abb. 13), wird im Antiphonar auch am genauesten nachgeahmt: auf
fol. 5r erweitert um Blätter an den Initialenden, auf fol. 191r als völlig
übereinstimmende Kopie (Abb. 14).
Bei einer figürlichen Darstellung
der Handschrift ergibt sich ebenso eine Verbindung zum Reiner Musterbuch: Die
große Initiale H zum Weihnachtsfest (fol. 17v)[69]
zeigt im Binnenfeld oben die Geburt Christi, unten die Verkündigung an die
Hirten mit zwei auf ihren Hinterläufen stehenden, von einem Bäumchen fressenden
Ziegen - die höher plazierte knickt einen Ast in die Richtung der zweiten, ein
Motiv, das sich identisch in der thematisch passenden Darstellung der Viehzucht
im Musterbuch auf fol. 1v wiederfindet[70];
der Zeichner ging sogar soweit, den teilweise vom schlafenden Hirten verdeckten
Widder zu übernehmen, war sich aber, wie seine Lösung zeigt, über dessen
räumliche Disposition nicht völlig im Klaren.
Cvp. 1799** ist somit der erste
konkrete Beleg dafür, daß das Reiner Musterbuch auch als solches verwendet
wurde, und daher ist anzunehmen, daß das Antiphonar in Rein selbst entstanden
ist und dann dort, wie seine Ergänzungen zeigen, bis ins 15. Jahrhundert
verwendet wurde. Es ist die jüngste illuminierte Handschrift in der ÖNB, die
sich gegenwärtig der romanischen Buchmalerei der steirischen Zisterze zuordnen
läßt. Über die Beziehung zu Cvp. 507 hinaus ist das Antiphonar vermutlich auch
für die Geschichte des Reiner Bibliothekswesens von Bedeutung, da es ein
bislang unbeachtetes Verzeichnis von Büchern enthält; es wurde wohl Ende des
13. Jahrhunderts auf fol. 249v auf dem später beschnittenen linken Seitenrand
von einem Schreiber eingetragen und wird hier abschließend in provisorischer
Transkription wiedergegeben. Unter den zumindest 17 Codices überwiegen Werke
philosophischen und medizinischen Inhalts, vermutlich Lehrbücher, die getrennt
von der eigentlichen Klosterbibliothek aufbewahrt wurden. Eine eindeutige
Identifizierung mit erhaltenen Reiner Handschriften war bei keinem Stück
möglich:
"...
f...g de f... inprimis / ... lumina super quattuor
libros sen/tentiarum scripta post hos methaca
(metafisica ?) / ... gssa (?)
littera. Item in alio volumine / idem methaca (metafisica ?) cum quibusdam aliis /
minoribus libris philosophiae. Item liber / ethicorum cum aliis libris
philosophiae. Item / ms (minus
?) liber ethicorum in uno volumine./ Item commentum ethicorum in uno vol/umine.
Item veteres artes. Item dominus / Albertus super librum de
animalibus. Item / excerpta aril
(articuli ?) cum quibusdam aliis utili/bus in uno volumine. Item excerpta /
philosophiae et sacre pagine et iuris ca/nonici in uno volumine. Item thi/meus platonis cum commento. Item / serapionem in uno volumine et item / serapionem in
alio volumine. Item de / sectionibus medicinarum in uno / volumine. Item
tabulas sallerni/tanas. Item unum volumen in quo / continentur quam plurime
practice / medicinarum. Item unum volumen / (in ?) quo continetur pot' (positione ?) spere trac/tatus
algorismus et positiones et canones / astrolabium tabule /astrologie summa
geometrie / (et ?) perspectiva. Item dominus Albertus / super multos
libros philosophiae."
* Dieser Aufsatz ist ein Nebenprodukt des
FWF-Projektes "Romanische Buchmalerei in Oberösterreich", geleitet
von Frau Prof. Dr. Martina Pippal (Institut für Kunstgeschichte, Wien) - Zur
früh- und hochmittelalterlichen Buchmalerei Österreichs ist im Internet eine Datenbank
des Verfassers verfügbar:
"http://mailbox.univie.ac.at/Friedrich.Simader/hssdata.htm". - Für
die komfortablen Arbeitsbedingungen in den Sammlungen danke ich Herrn
Univ.-Prof. Dr. Ernst Gamillscheg und seinen Mitarbeitern (ÖNB), Herrn Dr.
Rudolf Lindpointner (Oberösterreichische Landesbibliothek Linz) und Pater
Christian Brandstätter (Stiftsbibliothek Wilhering). Für Anregungen und
Korrekturen bin ich besonders meinem Kollegen Dr. Andreas Fingernagel (ÖNB) zu
Dank verpflichtet.
[1] Zusammengestellt von H. J. Hermann, Die
deutschen romanischen Handschriften (Beschreibendes Verzeichnis der
illuminierten Handschriften in Österreich VIII/2), Leipzig 1926, Nr. 231-234.
[2] A. Weis, Handschriften-Verzeichniss der
Stifts-Bibliothek zu Reun, in: Die Handschriftenverzeichnisse der
Cistercienser-Stifte (Xenia Bernardina II/1), Wien 1891, 1-114.
[3] M. Mairold, Die datierten Handschriften in
der Steiermark außerhalb der Universitätsbibliothek Graz bis zum Jahre 1600
(Katalog der datierten Handschriften in lateinischer Schrift in Österreich
VII), Text- und Tafelband, Wien 1988, Nr. 179, Abb. 32, 33. - Abhilfe werden
hier hoffentlich von Dr. Helga Hensle-Wlasak (Graz) betriebene
Forschungsarbeiten zur steirischen Buchmalerei der Romanik schaffen, die
allerdings derzeit aus finanziellen Gründen ruhen müssen. - Laut M. Mairold,
Die Bibliothek und ihre Kostbarkeiten, in: Stift Rein 1129-1979, Rein 1979, 536
besitzen zehn Codices des 12. und vier des 13. Jahrhnuderts Rankeninitialen.
[4] P. Wind, Reiner Handschriften des 12. Jahrhunderts
in Bibliotheken anderer Klöster und Stifte, in: Zeitschrift des Historischen
Vereines für Steiermark 89/90 (1998/99), 31-56 (erschienen im August 2000).
[5] P. Buberl, Die illuminierten Handschriften
in der Steiermark, Teil 1: Die Stiftsbibliotheken zu Admont und Vorau
(Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich IV),
Leipzig 1911 - P. Fank, Catalogus Voraviensis. Codices manuscripti bibliothecae
canoniae in Vorau, Graz 1936.
[6] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 32-40.
[7] O. Wonisch, Über das Urkundenwesen der
Traungauer, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 22 (1926),
142, vermutet zumindest eine solche. Der Aufsatz über Ulrich von F. Hutz, Flos
cleri marcet - Ulricus dictus, in: Jahresbericht 1993/94 des BG/BRG und BORG
Hartberg, Hartberg 1994, 20f., war mir nicht zugänglich.
[8] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 43-48.
[9] Zu Cvp. 707 siehe Hermann, Handschriften,
1926 (zit. Anm. 1),
Nr. 134. Der Einband ist beschrieben von O. Mazal, Buchbinder Kaiser Friedrichs
III., in: Gutenberg-Jahrbuch 40 (1965), 363f., Abb. 1: die Stempel Mazal Nr. 1,
Nr. 3, Nr. 7 und Nr. 9 finden sich in der Auswahl an Stempelabreibungen bei G.
Laurin, Blindgedruckte Einzelstempelbände des XV. und XVI. Jahrhunderts im
Zisterzienserstift Rein bei Graz, in: Festschrift Julius Franz Schütz (Hrsg. B.
Sutter), Graz-Köln 1954, 10-30, Abb. 7; Mazal Nr. 4 wird z.B. in Rein auf den
Codices 70 und 59 verwendet (Laurin, Abb. 1 und 4). Der von F. Unterkircher,
Die Bibliothek Friedrichs III., in: Ausstellungskatalog Friedrich III.
Kaiserresidenz Wiener Neustadt, Wiener Neustadt 1966, 221f. zum Vergleich
genannte Cvp. 3517 (2. Hälfte 15. Jhdt.) wurde ebenfalls in Rein gebunden (vgl.
die Stempel Mazal Nr. 1 = Laurin, Abb. 7 [Devise]; Mazal, Nr. 5; Laurin, Abb. 7
[Drache im Quadrat]; die kleine dreiteilige Blüte findet sich auch an VD und HD
des unten behandelten Cvp. 1631).
Zu Cvp. 870 siehe
Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1),
Nr. 244. Die Gliederung der Einbanddeckel durch Streicheisenlinien ist
vergleichbar mit dem HD von Cvp. 3517 oder dem unten besprochenen Cvp. 810.
[10] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 54.
[11] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
224 - Tatsächlich in Heiligenkreuz entstanden sind dagegen folgende, bislang
nur als "österreichisch" eingeordnete Handschriften der ÖNB: Cvp.
1580, fol. 99r-189v (Hermann, Nr. 147), um 1175/1200, besitzt fol. 99r eine
Initiale von gleicher Hand wie Cod. 33 (fol. 124v) in Heiligenkreuz; Cvp. 719
(Hermann, Nr. 179, Fig. 160), um 1200, hängt stilistisch mit dem
Heiligenkreuzer Cod. 12 zusammen, und Cvp. 2503, um 1175/1200, hängt durch die
Rankenausläufer an Majuskeln und Silhouetteninitialen (z.B. fol. 2v, 7r, 32v)
u.a. mit dem Heiligenkreuzer Cod. 186 (fol. 31r) zusammen. In die beiden
erstgenannten Handschriften hat ein späterer Benützer in Heiligenkreuz bärtige
Profilmasken und Kreuze eingetragen (Cvp. 719, fol. 4v, 7r etc. - Cvp. 1580,
fol. 112v etc.), wodurch die Heiligenkreuzer Provenienz gesichert ist (vgl.
Cvp. 398 [Hermann, Nr. 128], fol. 38v und 43v, oder Cvp. 416 [Hermann, Nr.
159], fol. 3v etc.). - Zu den Vergleichshandschriften in Heiligenkreuz und Wien
siehe A. Fingernagel, Die Heiligenkreuzer Buchmalerei von den Anfängen bis
"um 1200", Diss. phil. (masch.), Wien 1985.
[12] Vgl. Weis, Reun, 1891 (zit. Anm. 2), 4, und Laurin, Rein, 1954 (zit. Anm. 9), 20f.
[13] Von den bei Hermann beschriebenen Stempeln
ist bei Laurin, Rein, 1954 (zit. Anm. 9),
Abb. 7 nur der Drache im Quadrat abgebildet; der Rundstempel mit der Versalie M
wird auch am VD von Cvp. 679 verwendet.
[14] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4),
33f., Abb. 1.
[15] Vgl. fol. 24r - zur Handschrift Wind, Rein,
1999 (zit. Anm. 4),
33f.
[16] Die Handschrift wurde laut Eintrag auf fol.
1v vom Salzburger Erzbischof Eberhard I. (reg. 1147-1164) gestiftet. - Wind,
Rein, 1999 (zit. Anm. 4),
44, Abb. 10 - Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr. 77.
[17] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
255 - Der Einband trägt folgende Stempel: am VD Mazal, Buchbinder, 1965 (zit.
Anm. 9),
Nr. 5 (Kreuzblüte) und Nr. 7 (Ranke) sowie Laurin, Rein, 1954 (zit. Anm. 9), Abb.
7 (Kreuzblüte rechts oben); am HD Mazal Nr. 5, eine kleine dreiteilige Blüte
(vgl. Cvp. 3517) und einen Drachen in Mandelform (Laurin, Abb. 7, Mitte links).
[18] Vgl. Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), Abb. 11.
[19] Vgl. Mairold, Steiermark, 1988 (zit. Anm. 3), Abb. 32.
[20] Cvp. 560: I+158+I*
Bll., 230 x 135 mm. Einband des
15. Jahrhunderts: hellbraunes Leder über Holzdeckeln, drei Doppelbünde, ehemals
eine Schließe; am VD Spuren von fünf Buckeln, an den Ecken des HD Spuren von
dreieckigen Beschlägen sowie eines runden Beschlages in der Mitte zur Aufnahme
der Schließe. Auf fol. 158v Blotius-Signatur N 4170. Inhalt: Gesta et passiones
apostolorum (Iv-144v), Passio sancti Matthaei apostoli (fol. 145r-158r, 1. Hälfte 13. Jhdt.; auf fol. 145r eine
unspezifische grüne Initiale C mit roten Blattmotiven im ocker bemalten
Binnenfeld).
[21] Vgl. Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), Abb. 10.
[22]
Wonisch, Urkundenwesen, 1926 (zit. Anm. 7), 67f., 77f.
[23] Vgl. auch die unten Rein zugeordneten Cvp.
810, 771, 1024 und 1045.
[24] Die im folgenden beschriebenen Eigenheiten
des Buchschmucks begegnen - in unterschiedlichen Varianten - laut Wind, Rein,
1999 (zit. Anm. 4), 35 Anm. 44, allein in 11 Handschriften der Reiner
Bibliothek (Cod. 12, 20, 23, 35, 45, 46, 50, 51, 53, 59 und 85), die entweder
Ranken- und/oder Silhouetteninitialen enthalten.
[25] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
241 - der hier beschriebene Einband trägt unter anderem die Stempel Nr. 4
(Rosette) bei Mazal, Buchbinder, 1965 (zit. Anm. 9), und den doppelköpfigen
Adler in der Raute bei Laurin, Rein, 1954 (zit. Anm. 9), Abb. 7, links oben.
[26] Vgl. Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm.
1),
Fig. 77.
[27] Vgl. Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), Abb. 12.
[28] Cvp. 1045: II+143+II* Bll. (Pap. u. Perg.),
235 x 155 mm; weißer Pappband (Van-Swieten), Wien 1752; auf fol. 1v die Nr. 71
von Tengnagel. Inhalt: Giselbertus Autissiodorensis, Commentarius in Threnos
Jeremiae. Die mittelalterliche Provenienz ist unbekannt.
[29] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 42 und Abb. 8. Eine Farbabbildung bei H. Zotter, U.
Bergner und K. Lenger, Steirische Buchmalerei. Die romanischen Miniaturen. Teil
1: Seckau: Farb-CD-ROM, Graz 1999.
[30] Vgl. Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), Abb. 12.
[31] Vgl. Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm.
1),
Fig. 77.
[32] Vgl. A. Kern, Die Handschriften der
Universitätsbibliothek Graz (Handschriftenverzeichnisse Österreichischer
Bibliotheken, Steiermark Bd. 2), Wien 1956, 58. Die Lagenformel ist auf fol. 1r
nochmals eingetragen. - Bereits Wonisch, Urkundenwesen, 1926 (zit. Anm. 7), 142, hat darauf verwiesen, daß es sich bei dem auf
fol. Iv genannten Schreiber Bernhard (" ... Ab fr. Bernhardo s. Marie in
Seccove conscriptum ...") nicht um den gleichnamigen Seckauer Bibliothekar
handelt.
[33] Wie oben - Entgegen Wind, Rein, 1999 (zit.
Anm. 4),
42, sind in den aus Seckau stammenden Cod. 760 und 835 der UB Graz keine
weiteren Belege einer Zusammenarbeit zwischen Rein und Seckau zu sehen: Cod.
835 zeigt im Buchschmuck keine besondere Beziehung zu Reiner Handschriften, und
Cod. 760 hängt ikonographisch mit dem inhaltsgleichen Cod. 292 der
Stiftsbibliothek Admont zusammen. Vermutlich ist eine der Handschriften direkt
von der anderen abhängig - vgl. die Abbildungen der Grazer Handschriften bei
Zotter, Seckau, 1999 (zit. Anm. 28). Zur Admonter Handschrift siehe Buberl, Steiermark,
1911 (zit. Anm. 5), Nr. 28.
[34] H. Paulhart, Mittelalterliche
Bibliothekskataloge Österreichs, Bd. V: Oberösterreich, Wien 1971, 15 und 17.
[35] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
109. - Durch einen nachgetragenen Traditionsvermerk auf fol. 209v, der einen
Abt Hermann von Baumgartenberg nennt, ist die Handschrift spätestens 1190 zu
datieren: Hermann I. regierte von 1157-1170, Hermann II. 1170-1190 - vgl. F. X.
Pritz, Geschichte des Cistercienser-Stiftes Baumgartenberg, in: Archiv für
Kunde österreichischer Geschichtsquellen 12 (1854), 52. 1207 bis 1232 ist ein
Abt namens Rudiger nachweisbar.
[36] Von Rudigerus wurden fol. 1r-52r
geschrieben; dieser unverzierte Teil, der auf fol. 52r/v Wilheringer
Besitzvermerke trägt, unterscheidet sich in Linierung und Zeilenzahl vom Rest
der Handschrift und wurde mit diesem erst später zusammengebunden. Der von
Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4),
52, beobachtete Einfluß des fränkischen Zisterzienserstiftes Heilsbronn auf
Wilheringer Handschriften, speziell Cod. 40, ist anhand der genannten
Vergleiche nicht nachvollziehbar. Ebenfalls unklar bleibt, inwieweit der in
Lambach entstandene Cod. 94 als Zeuge einer Zusammenarbeit zwischen Wilhering
und Baumgartenberg in Betracht kommt.
[37] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 52
nennt neben den ersten drei Handschriften auch Cvp. 769, doch dieser ist erst
im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts in Baumgartenberg entstanden und sicher
nicht von Rudigerus geschrieben. Für dessen Herkunft aus Rein spricht neben der
Verwandtschaft der Schrift auch die gerade für Reiner Handschriften typische
Rubrizierung mit roten und gelben Satzstricheln, wie sie in Cvp. 696 und 1024
verwendet ist; da Cvp. 1024 zudem aus der Salzburger Dombibliothek stammt,
könnte er ein weiterer Zeuge der unten kurz angesprochenen engen Verbindung
zwischen Rein und dem Domstift sein. Schließlich ist auch nicht auszuschließen,
daß der von Rudiger geschriebene Teil des Wilheringer Cod. 64 aus dem
Mutterkloster kam. - Die Schrift von im Benediktinerkloster Garsten (OÖ.)
ausgestatteten Codices - z.B. Cvp. 655 (fol. 1r-166v) sowie Cod. 451 und 462
der OÖLB in Linz - ist so eng verwandt, daß hier Zeugen einer Zusammenarbeit der
beiden oberösterreichischen Klöster sichtbar werden könnten.
[38] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 43-50.
[39] Zur Salzburger Buchmalerei vgl. M. Pippal,
Vom 10. Jahrhundert bis zum Ende des Hochmittelalters: die Skriptorien der
kirchlichen Institutionen in der Stadt Salzburg (Domstift, Benediktinerstift
St. Peter, Petersfrauen), in: H. Fillitz (Hrsg.), Geschichte der bildenden
Kunst in Österreich, Bd. 1, Früh- und Hochmittelalter, München - New York 1998,
461-479, Kat.-Nr. 196-222. - Unbeachtet blieb bislang die Ausstattung des
ältesten Teils von Cvp. 434 (fol. 16-81, fol. 18 und 36 wurden im 14. Jhdt.
hinzugebunden), entstanden im Salzburger Domstift, der aus 12 teilweise
figürlichen roten Rankeninitialen K zu den einzelnen Monaten besteht und
stilistisch um die Mitte des 12. Jahrhunderts anzusetzen ist (den Rankenstil
vgl. z.B. mit Cvp. 383): fol. 17v (auf braunem und blauem Grund), 23v (tw. auf
hellblauem Grund), 28r (mit zwei Vögeln), 33v (ein von der Spange strangulierter
Drache ersetzt unteren Balken), 38r (Jüngling ersetzt unteren Balken), 44r, 49v
(Jüngling ersetzt beide Balken), 54r, 59r (zwei Drachen), 64r (Hase, Vogel),
69r, 75v (ein von der Spange strangulierter Hund ersetzt unteren Balken).
[40] Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4),
44-48.
[41] Cod. 36 und 52 der Admonter Stiftsbibliothek
wurden von Eberhard Admont gestiftet und dort angefertigt, dazu zuletzt P.
Wind, Aus der Schreibschule von St. Peter vom Anfang des 11. Jahrhunderts bis
Anfang des 14. Jahrhunderts, in: Ausstellungskatalog "Hl. Rupert von
Salzburg 696-1996", Salzburg 1996, 378.
[42] Der 2° Cod. ms. 11 der
Universitätsbibliothek München wurde 1163 von Eberhard seinem früheren Kloster
Biburg (Bayern) gestiftet und ebenfalls vor Ort hergestellt - vgl. E. Klemm,
München, 1980, zu Nr. 21 (Clm 14735); auch die ÖNB besitzt mit Cvp. 716
(Hermann, Handschriften, 1926, Nr. 178) eine bislang unbekannte Biburger
Handschrift aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, die teilweise von derselben
Hand ausgestattet wurde wie Clm 14375: vgl. z.B. fol. 24v mit Klemm, Abb. 33;
mit den mit Pinsel ausgeführten Initialen ist jene auf fol. 86v von Cvp. 878
(Hermann, Nr. 161) verwandt, der vielleicht ebenso in Biburg entstanden ist.
[43] Aufgrund dieser Beziehungen ist denkbar, daß
Rein aus Salzburg Bücher entlehnte - so wären vielleicht die Übereinstimmungen
der Grundrisse in Cvp. 609 zu Adamnans "De locis sanctis" mit dem
karolingischen Cvp. 458, der zumindest im 15. Jahrhundert schon im Domstift war,
zu erklären - vgl. H. Fillitz (Hrsg.), Geschichte der bildenden Kunst in
Österreich, Bd. 1, Früh- und Hochmittelalter, München - New York 1998, Nr. 14
(F. Simader).
[44] Vorsignatur Salisb.
105. I+97 Bll., 280 x 185 mm. Einband:
Leder mit Streicheisenlinien über Holzdeckeln, Salzburg 1433; am VD oben
Titelschild von Holveld (Signaturschildchen verloren). Inhalt: Bernardus
Claravallensis, Sermones in Cantica canticorum LI-LXXXII.
[45] Auf fol. 89r findet sich noch der Kopf eines
Bischofs von anderer, späterer Hand.
[46] Vgl. Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), Abb. 11.
[47] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
187, Fig. 169, 170. - Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 31 Anm. 2, bezweifelt die Reiner Entstehung.
[48] Vgl. A. Butz (Bearb.), Die romanischen
Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Katalog der
illuminierten Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 2,
Teil 2: Verschiedene Provenienzen), Stuttgart 1987, Nr. 60 (HB II 47) und 61
(HB II 51), Abb. 245f.
[49] M. Mairold, Sankt Lambrechter
Blindstempeleinbände, in: Gutenberg-Jahrbuch 68 (1993), 300, mit älterer
Literatur. - Zuletzt Wind, Rein, 1999 (zit. Anm. 4), 41, der offenbar eine
"Integration" der Handschrift in die Seckauer Bibliothek annimmt;
tatsächlich kam die Handschrift aus St. Lambrecht nach Graz.
[50] Vgl. die Abbildung bei Zotter, Seckau, 1999
(zit. Anm. 28); die Handschrift hier wohl irrtümlich aufgenommen.
[51] Von den bei Hermann, Handschriften, 1926
(zit. Anm. 1),
Nr. 224 beschriebenen Stempeln ist nur der kleine Blütenstempel bei Laurin,
Rein, 1954 (zit. Anm. 9),
Abb. 7, rechts unten abgebildet; die Gliederung von VD und HD ist im Typus mit
Cod. 34 in Rein vergleichbar - siehe Laurin, Abb. 5; der Rundstempel mit der
Versalie M wird auch am VD von Cvp. 1637 verwendet.
[52] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Fig.
202 und 203. - F. Walliser, Cistercienser Buchkunst - Heiligenkreuzer
Skriptorium in seinem ersten Jahrhundert 1133-1230, Heiligenkreuz-Wien 1969,
36f., Abb. 60 und 61; alle von Walliser einem "Zeichner 9"
zugeschriebenen Arbeiten stammen von verschiedenen Händen. - N. Golob,
Twelth-Century Cistercian Manuscripts. The Sitticum Collection. Lubljana 1996, 120, Fig. 133.
[53] Die Blätter der letzten Lage (fol. 105-109)
sind im Gegensatz zu den vorhergehenden mit Silberstift liniert, wurden also
nachträglich hinzugefügt.
[54] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
229. Heiligenkreuzer Besitzvermerke des 14. und 15. Jahrhunderts finden sich
auf fol. 129v.
[55] Am VD des schlecht erhaltenen Einbands ist
noch ein Stempel, ein Drache im Quadrat, zu erkennen, identisch mit dem ersten
Stempel links oben bei Laurin, Rein, 1954 (zit. Anm. 9), Abb. 7 - Hermann,
Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1),
Nr. 246.
[56] Vgl. auch Cvp. 507, fol. 5r,
Silhouetteninitiale F.
[57] Weitere Übereinstimmungen bestehen in der Verwendung
von gestielten Perlen und Wellenranken - vgl. Cvp. 2400, fol. 2r, mit Cvp. 936,
fol. 1v.
[58] Cvp. 936 enthält den ersten, Cvp. 679 den
zweiten Teil des Levitikus-Kommentars von Radulfus Flaviacensis.
[59] P. J. H. Vermeeren, Über den Kodex 507 der
Österreichischen Nationalbibliothek, Den Haag 1956, 9 und 30. - R. Kroos,
Buchmalerei, in: Ausstellungskatalog "Die Zeit der Staufer" -
Geschichte-Kunst-Kultur, Bd. 1, Stuttgart 1977, Nr. 746. - F. Unterkircher
(Kommentar), Reiner Musterbuch, Faksimile-Ausgabe im Originalformat des
Musterbuches aus Codex Vindobonensis 507 der Österreichischen
Nationalbibliothek (Codices selecti LXIV), Graz 1979, 35.
[60] M. Roland, Zur Buchkunst in Österreich vom
8. bis ins 14. Jahrhundert, in: E. Irblich (Hrsg.), Ausstellungskatalog:
"Thesaurus Austriacus" - Europas Glanz im Spiegel der Buchkunst,
Handschriften und Kunstalben von 800 bis 1600, Wien 1996, Nr. 8 (hier sogar mit
der Lokalisierung "Heiligenkreuz und Rein"), und über weite Strecken
wortgleich derselbe, in: Buchmalerei der Zisterzienser. Kulturelle Schätze aus
sechs Jahrhunderten. Katalog zur Ausstellung "Libri cistercienses" im
Ordensmuseum Abtei Kamp, Stuttgart 1998, Nr. 8 (mit Lit. zum Inhalt). Der im
vorherigen Artikel behauptete Einfluß von Heiligenkreuz auf die Miniaturen des
Reiner Musterbuches ist hier zu Recht revidiert. - Die Spätdatierung und die
Ableitung des Stils übernimmt W. Telesko, in: H. Fillitz (Hrsg.), Geschichte
der bildenden Kunst in Österreich, Bd. 1, Früh- und Hochmittelalter, München -
New York 1998, Nr. 258 (mit Lit.).
[61] Cod. 20 der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz
und die zu Cvp. 1180 gehörenden Cod. 37/1, 37/2 und 38 samt dem Einzelblatt
1703/7 der Universitätsbibliothek Graz. - Abbildungen bei Hermann,
Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr. 226, Fig. 205-208, und Walliser, Heiligenkreuz,
1969 (zit. Anm. 51), Abb. 77-83.
[62] Charakteristisch sind in Cvp. 1180 gestielte
Knospen als Besatz von Ziermajuskeln und Silhouetteninitialen (vgl. z.B. fol.
119v/220r), ein Motiv, das in keiner Reiner Handschrift nachweisbar ist.
[63] Vgl. Anm. 1 - Zur Chronologie der
Handschriften zuletzt E. Klemm, Die Illuminierten Handschriften des 13.
Jahrhunderts deutscher Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek (Katalog
der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München
IV), Text- und Tafelband, Wiesbaden 1998, zu Nr. 105 (S. 123).
[64] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Nr.
257, Fig. 229-234 - Die Bestimmung für ein Zisterzienserkloster geht aus einem
vorangestellten Brief von Bernhard von Clairvaux auf fol. I hervor - vgl. M. Huglo, Les
Tonaires. Inventaire, Analyse,
Comparaison, Paris 1971, 362. - Die mittelalterliche Provenienz der Handschrift
mit der Vorsignatur "Suppl. 263" ist unbekannt; nach freundlicher
Mitteilung von Dr. István Németh (ÖNB) wurde sie 1846 aus dem Besitz des Wiener
Antiquars Franz Goldhann erworben; der Stempel des Sammlers (FG) ist in der
Handschrift nicht nachweisbar.
[65] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Fig.
231.
[66] Vgl. z.B. Melk, Stiftsbibliothek, Cod. 295,
fol. 85r, um 1230 - Abbildung und Analyse des Stils bei A. Fingernagel, Die Anfänge
der gotischen Buchmalerei in Österreich, in: Gotik in Slowenien. Vom Werden des
Kulturraums zwischen Alpen, Pannonien und Adria. Vorträge des internationalen
Symposiums Ljubljana, Narodna galerija, 20.-22. Oktober 1994 (Hrsg. J. Höfler),
Ljubljana 1995, 366, Abb. 8.
[67] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Fig.
232.
[68] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Taf.
XLI/2.
[69] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1), Fig.
230.
[70] Hermann, Handschriften, 1926 (zit. Anm. 1),
Tafel XXXIX/2.