Der Waldrapp
Historische Quellen
zusammengestellt von
Martin ROLAND
Version 0/0: 2021 Juni 16
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Heute ist die Identifizierung von Conrad Gesners Waldrapp, Corvus sylvaticus mit dem
Schopfibis, Geronticus (Comatibis) eremita L., durch W(alter) Rothschild, E(rnst) Hartert, O(tto)
Kleinschmidt, Comatibis eremita (Linn.), a European bird, in: Novitates Zoologicae 4 (1897), S.
371377, bes. S. 375, weitgehend unbestrittenen.
Die hier vorliegende Quellensammlung hat das Ziel, die bisher bekannten Quellen
zusammenzustellen, die den Waldrapp behandeln, diese gegebenenfalls zu ergänzen und den
Quellenkorpus auf historisch-hilfswissenschaftlich fundierter Basis kritisch zu bewerten. Dabei
kann man den Streit zwischen André Schenker und Armin Landmann nicht ausblenden (siehe
Mehrfach zitierte Literatur), bei dem es ganz zentral auch darum ging, ob und wie historische
Quellen zu bewerten sind und ob ihnen Beweiskraft zugebilligt werden kann, dass der Waldrapp
in Europa heimisch war.
Als Außenstehender kann ich von meinem dem (kunst-)historischen Fach behaupten, dass
die Fülle der Belege, selbst wenn jeder einzelne mit Problemen behaftet sein mag, ein
Beiseiteschieben, wie Landmann, Belege, 2017, passim, bes. S. 24, es vorführt, nicht
gerechtfertigt. Einem Nicht-Ornithologen steht es aber keineswegs zu, aus den hier
vorgeführten historischen Fakten, Schlüsse zu ziehen, die die Gegenwart betreffen. Auch die
Frage, warum der Waldrapp aus Europa verschwand, kann nicht beantwortet werden. Die
Quellen belegen bloß, dass er verschwand.
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A: Ordnung der Quellen
Die Quellen sind chronologisch angeordnet. Der Fokus liegt auf Quellen vom Mittelalter bis zum
Jahr 1600. Frühere Quellen sind zwar aufgenommen, der Autor kann aber keine
wissenschaftliche Kompetenz bei der Beurteilung beanspruchen, spätere Belege wurden nur in
Ausnahmefällen aufgenommen.
Die Quellen gliedern sich zudem nach ihrer Beschaffenheit.
Bei den ältesten Belegen handelt es sich um Knochenfunde. Diese können dem Waldrapp
zumeist sicher zugeschrieben werden. Die Probleme dieser Quellengattung liegen in der
mitunter unsicheren Funddokumentation.
Bildquellen sind bei den altägyptischen Beispielen der Frühzeit und ab dem späten
15. Jahrhundert in vielen Fällen ausreichend klar. Viele Darstellungen sind ungenau und
erlauben keine eindeutige Zuordnung. Sie haben jedoch den Vorteil, keine Absicht in Bezug auf
die Darstellung eines spezifischen Vogels zu verfolgen. Sie sind also unbefangen.
Konrad Gesner verfolgt ab 1555 das Ziel, alle Vögel ins Bild zu setzen. Wenn er nicht über
ausreichend Informationen verfügt, verzichtet er trotzdem weder auf die Text- noch auf die
Bildbotschaft. Bei Quellen, die folglich ausdrücklich einen Waldrapp darstellen wollen, ist eine
sehr sorgfältige Quellenkritik angebracht. Für die ornithologische Beratung dabei danke ich
Bernhard Gönner, dessen sehr kritischer Blick jedenfalls jede emotionale
Freundschaftszuschreibung verunmöglichte.
Bei Textquellen ist einerseits das oben gesagte zu berücksichtigen. Andererseits fokussieren
viele Textquellen gar nicht auf den Waldrapp, sondern berichten aus einer ganz anderen
Perspektive. Wenn etwa besondere Ereignisse, die sich an einen Ort zugetragen haben,
berichtet werden, und in diesem Zusammenhang von Waldrappen die Rede ist, kommt der
Quelle hohe Glaubwürdigkeit zu. Dasselbe gilt für Abrechnungen.
Diese Quellengattung hat freilich mit lexikalischen Problemen zu kämpfen, denn da Bilder
fehlen muss erst erwiesen werden, ob tatsächlich der uns interessierende Vogel gemeint ist.
Die Quellen sind in unterschiedlichen Sprachen abgefasst und verwenden ein breites Spektrum
an Begriffen: Steinrabe ([1441]/1471 Kloster Baumburg, 1521 Augsburg); Waldrapp
(Überlingen 1481, Turner 1544), Klausrabe (1504 Graz und Salzburg), Porphyr (1521
Augsburg).
Bei Gesner (ab 1555) werden die drei deutschen Bezeichnungen (Waldrapp, Steinrapp,
Clausrapp) zusammengeführt und neu Corneille de mer (Cornix marinus / Meerkrähe) als in
Lothringen (also Frankreich) übliche Bezeichnung genannt, während er am Lago maggiore
Meerrabe (Corvus marinus) genannt werde. Für Italien wird auch noch die Bezeichnungen
Corvo spilato (Corvo depilis / Kahlrabe) genannt. Die entspricht dem auch im ungarischen
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bezeugten (fekete) tarvarjú (schwarzer Kahl- oder Bunt-Rabe siehe bei 1550 / 1590 bzw.
1561). Dass sich hier viele Zuordnungsprobleme auftun ist Gesner durchaus bewusst, eine
definitive Lösung kann er jedoch nicht anbieten.
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B: Ornithologische Angaben zum Waldrapp
Die folgenden Angaben primär nach Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 1218.
Geronticus eremita
Der Vogel gehört der Familie der Ibisse und Löffler (Threskiornithidas) an, und innerhalb dieser
nicht den Löfflern sondern den Ibissen. Innerhalb der Gattung Geronticus gibt es zwei Arten,
den Waldrapp und den Glattnackenrapp (Geronticus calvus), der in Südafrika beheimatet ist. Er
konnte daher in der für die Quellensammlung relevanten Epoche keine Rolle spielen. Sie sind
jedoch sowohl genetisch nahe verwandt als auch durch die Tatsache verbunden, dass sie
Felsen und Klippen bewohnen.
Die historischen Waldrappe Mitteleuropas waren Zugvögel. Die verbindet sie mit der heutigen
„Ostpopulation“ (Türkei, ...) und unterscheidet sie von den Tieren, die in Marokko überlebt
haben. Zentrum der Ostpopulation war Birecik / Bêrecûk (Bêrecûg), der Name des Waldrapps
auf Türkisch ist Kelaynak, auf Kurdisch Kêlhenek (Keçelaynak).
Erwachsene Vögel sind ca. 75 cm groß. Das Gefieder ist schwarz mit metallisch grünem und
purpurfarbenem Glanz. Der Kopf und die Kehle sind unbefiedert. Die Nackenfedern (Schopf)
sind lanzettförmig und stark verlängert. Die Augen haben eine orangerote, zur Pupille hin heller
werdende Iris. Der Augenliederrand leuchtet kirschrot. Der Schnabel ist lang, sanft nach unten
gebogen und hat korallenrote Farbe. Die Beine sind für Schreitvögel relativ kurz und schmutzig
rot. Es gibt keine spezifischen Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Tieren, die
männlichen sind etwas größer.
Jugendliche Vögel haben einen stark befiederten Kopf und Kehle. Diese sind zuerst bräunlich-
cremeweiß gestreift, später einfarbig dunkel grün-grau. Die Nackenfedern sind noch nicht stark
ausgeprägt. Die Gestalt gleicht sich den Erwachsenen im zweiten bis dritten Lebensjahr an.
Im Flug strecken sie den Hals nach vorne. Die Füße ragen, anders als beim Sichler nicht über
das Schwanzende hinaus. Sowohl Einzel- als auch Formationsflug (V-Form) können beobachtet
werden (Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 23f.).
Nestbau, Brutplätze
Die Nester werden aus Gras, Reisern und Stroh in Höhlungen und Nischen unzugänglicher
Felswände der Gebirge und Steilküsten gebaut (Pfannhauser, Tierknochenfunde 1986, S. 89f.).
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Nahrungssuche und Nahrung
Waldrappe suchen ihre Nahrung in Steppen, Stränden, Wiesen und Sümpfen. Sie besteht aus
Würmern, Insekten, Lurchen und kleinen Reptilien (Pfannhauser, Tierknochenfunde 1986, S.
90).
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C-1 bis zum Ende der Antike
Am weitesten zurückverfolgen lassen sich Knochenfunde, eine Quellengattungen, die in letzter
Zeit verstärkt in den Fokus rückte. Die ältesten Bildzeugnisse sind umstritten. Ein
bemerkenswerter Schwerpunkt bildet die altägyptische Kultur, in der der Waldrapp als
Hieroglyphe für „Akh“ diente.
Anders als bei mittelalterlichen Quellen kann bei den Knochenfunden und den Quellen aus
Ägypten nur eine Auswahl geboten werden.
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14,000.00012,000.000 vor Christus (Mittleres Miozän)
Knochenfund
Funde aus Sansan (Département Gers, Südwestfrankreich)
Der bisher als ältester Knochenfund eines Vogels der Gattung Geronticus stammt aus
Südwestfrankreich und wird als Geronticus perplexus geführt.
Jacques Cheneval, L'avifaune de Sansan, in: Léonard Ginsburg (Hg.), La faune miocène de
Sansan (Gers) et son environment, Mémoires du Muséum National d'Histoire Naturelle
(Paris) 183 (2000), S. 321388;
Jiři Mlíkovský, Cenozoic Birds of the World (Part 1: Europe), Prag 2002, S. 93f.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
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ca. 2,600.000 vor Christus (ausgehendes Pliozän/Pleistozän)
Knochenfund
Fundkomplex „Almenara 1“ („Casablanca 1“) in der Provinz Castellón (Spanien)
Bei Grabungen zwischen 1999 und 2005 wurden über 50 Waldrappknochen gefunden, was auf
eine andauernde und dichte Besiedlung deutet.
Fragen der Datierung spielen im hier behandelten Kontext bloß eine untergeordnete Rolle.
Mitunter werden die Funde auch deutlich später angesetzt: 1,800.000 vor Christus.
Sánchez Marco, Presence, 1996, S. 560561;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 54;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
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ca. 2,500.000 vor Christus (ausgehendes Pliozän/Pleistozän)
Knochenfund
Rabat (Marokko), Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine: Funde
aus Ahl al Oughlam bei Casablanca (Marokko)
Die Knochenfunde aus dem aufgelassenen
Sandsteinbruch können der Gattung
Geronticus zugeordnet werden. Auf Grund der
bis heute existierenden Population in Marokko
sind Beziehungen zum Waldrapp
wahrscheinlich.
cile Mourer-Chauviré, Denis Geraads, The
Upper Pliocene Avifauna of Ahl al Oughlam,
Morocco. Systematics and Biogeography, in:
Records of the Australian Museum 62 (2010),
S. 157184, bes. S. 165167 mit Abbildung
auf S. 170.
http://ibis-
chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-
des-ibis-chauves.html
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ca. 1,850.000 vor Christus (spätes Pliozän)
Knochenfund
Sofia / София, Национален природонаучен музей / National Museum of Natural
History: Funde aus Sliwniza (Bulgarien)
1993 wurde ein Knochen (Proximal
carpometacarpus sinistra) eines erwachsenen
Vogels bei Sliwniza (Сливница: nordwestlich von
Sofia 42.48 N, 23.05 E) in einer eingestürzten
Höhle eines felsigen Hügels (jetzt ein Steinbruch)
gefunden. Auf Grund des Fundkontexts ergibt sich
eine Datierung in die Spätphase des mittleren
Villafranchium (MN 17), wie Nikolay Spassov
mitteilte (Bloev, S. 49).
Die Merkmale zeigen große Übereinstimmungen
aber auch Abweichungen (Geronticus balcanicus
sp. n.). Zumindest kann es als sicher gelten, dass
ein dem Waldrapp nahe artverwandtes Tier
damals in Bulgarien lebte.
Fragen der Datierung spielen in dem hier
relevanten Zusammenhang keine zentrale Rolle.
Zlatozar Bloev, Presence of the Bald Ibises (Geronticus Wagler, 1832) (Threskionithidae-Aves)
in the Late Pliocene of Bulgaria, in: Geologica Balcanica 28 (1998), S. 4552, bes. S. 47
51;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 8.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
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1,600.0001,300.000 vor Christus (Ende des frühen Pleistozän)
Knochenfund
Florenz / Firenze, Università di Studi, Dipartimento di Scienze della Terra, und Turin
Torino, Università di Studi, Museo di Geologia e Paleontologia: Funde aus der Cave Pirro
(Cava Dell’Erba) in Apricena (Provinz Puglia Italien)
Die Materialien wurden 1969 entdeckt. Im Fundkomplex wurden auch Steinwerkzeuge
festgestellt, die nach den AutorInnEn die ältesten Spuren des Menschen in Europa darstellen
(Bedetti, Pavia, S. 31f.).
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 96;
Claudia Bedetti, Marco Pavia, Early Pleistocene birds from Pirro Nord (Puglia, southern Italy), in:
Palaeontographica, Abteilung A: Palaeozoology Stratigraphy 298 (2013), S. 3153, bes.
S. 33.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
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1,300.0001,000.000 vor Christus (Pleistozän)
Knochenfund
Funde aus der Sierra de Quibas in Abanilla (Murcia, Spanien)
Einer der 22 Vogelknochen, die in der Karsthöhle gefunden
wurden, kann dem Waldrapp (Geronticus eremita) zugeordnet
werden.
P. Montoya, M. T. Alberdi, A. M. Blázquez, L. J. Barbadillo, P.
Fumanal, J. van der Made, J. M. Marín, A. Molina, J. Morales,
X. Murelaga, E. Peñalver, F. Robles, A. Ruiz Bustos, A.
Sánchez, B. Sanchiz, D. Soria, Z. Szyndlar, La fauna del
Pleistoceno Inferior de la Sierra de Quibas (Abanilla, Murcia),
in: Estudios geológicos 55 (1999), S. 127161, bes. S. 139f.;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 126.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-
ibis-chauves.html
14
um 500.000 (mittleres Pleistozän)
Knochenfund
Rom / Roma, Università La Sapienza, Dipartimento di Scienze della Terra, Museo: Funde
aus einer Höhle in Spinagallo (bei Syracus / Sizilien)
Die Datierung der Knochenfunde in der in felsiger Umgebung gelegenen Höhle beruht auf der
Bestimmung von Mammutknochen. Es konnte im Fundkontext kein menschliches Einwirken
festgestellt werden.
Marco Pavia, The Middle Pleistocene Avifauna of Spinagallo Cave (Sicily, Italy): Preliminary
Report, in: S. L. Olson, P. Wellnhofer, C. Mourer-Chauvire, D. W. Steadman, L. D. Martin,
(Hgg), Avian Paleontology at the close of the 20th Century. Proceedings of the Fourth
International Meeting of the Society of Avian Paleontology and Evolution, Smithsonian
Contribution to Paleobiology 89 (1999), S. 125127;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 35.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
15
70.00030.000 vor Christus bzw. 12.0008000 vor Christus
Knochenfund
Funde aus Haua Fteah (Cyrenaica Libyen)
Knochen des Geronticus eremita stammen aus Schicht XXXVIIIXXV (70.00030.000 vor
Christus) bzw. aus Schicht XVXI (Phase D: 12.0008000 vor Christus) in der Karsthöhle. Die
dem Menschen zugeordneten Funde werden der Kultur der Ibéromaurusien zugeordnet
(25.00010.000 vor Christus).
K(evin) C. MacDonald, The Avifauna of the Haua Fteah (Libya), in: ArcheoZoologia 9 (1998), S.
83101;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 100f.;
Katerina Douka, Zenobia Jacobs, Christine Lane, Rainer Grün, Lucy Farr, Chris Hunt, Robyn H.
Inglis, Tim Reynolds, Paul Albert, Maxime Aubert, Victoria Cullen, Evan Hill, Leslie
Kinsley, Richard G. Roberts, Emma L. Tomlinson, Sabine Wulf, Graeme Barker, The
chronostratigraphy of the Haua Fteah cave (Cyrenaica, northeast Libya), in: Journal of
Human Evolution 66 (2014), S. 3063 (zur Datierung).
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
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ca. 55.000 vor Christus (Marine isotope stage 3)
Knochenfund
Funde aus Gorham‘s Cave (Gibraltar)
In der Höhle Gorham's Cave in Gibraltar wurden neben dem späten Nachweis von
Neandertalern auch Knochen von Waldrappen gefunden.
Fragen der Datierung (jedenfalls letzte Eiszeit/Kaltzeit) spielen für den hier relevanten
Zusammenhang keine übergeordnete Rolle. Auch deutlich jüngere Ansetzungen (ca. 25.000
20.000 vor Christus) wurden vorgeschlagen.
Clive Finlayson, Francisco Giles Pacheco, Joaqn Rodríguez-Vidal, Darren A. Fa, José María
Gutierrez López, Antonio Santiago Pérez, Geraldine Finlayson, Ethel Allue, Javier Baena
Preysler, Isabel Cáceres, José S. Carrión, Yolanda Fernández Jalvo, Christopher P.
Gleed-Owen, Francisco J. Jimenez Espejo, Pilar López, José Antonio López Sáez, José
Antonio Riquelme Cantal, Antonio Sánchez Marco, Francisco Giles Guzman, Kimberly
Brown, Noemí Fuentes, Claire A. Valarino, Antonio Villalpando, Christopher B. Stringer,
Francisca Martinez Ruiz, Tatsuhiko Sakamoto, Late survival of Neanderthals at the
southernmost extreme of Europe, in: Nature 443 (2006), S. 850853 (zum Fund);
Sánchez, Evidence, 2006, S. 105110, bes. S. 106;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 59f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69;
Joaquín Rodríguez-Vidala, Geraldine Finlayson, Clive Finlayson, Juan J. Negro, Luis M.
Cáceres, Darren A. Fa, José S. Carrión, Undrowning a lost world The Marine Isotope
Stage 3 landscape of Gibraltar, in: Geomorphology 2013, S. 105114, bes. S. 110f.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
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10.0009000 vor Christus (frühes Präkeramisches Neolithikum A [PPNA])
Bildquelle
Flachreliefs am Pfeiler 43 der Anlage D des Fundkomplexes am Göbekli Tepe / Xirabreşk
(Südosttürkei)
Die archäologische Fundstätte, bei der es sich jedenfalls nicht um eine Siedlung handelt,
sondern um ein Bergheiligtum, liegt 15 Kilometer nordöstlich der südostanatolischen Stadt Urfa
(Şanlıurfa). Die Anlage des Heiligtums erfolgte im 10. Jahrhundert vor Christus (frühes
Präkeramisches Neolithikum A [PPNA]) also mit dem Ende der Eiszeit. So monumentale Reste
müssen von Menschen stammen, die über eine ortsgebundene und verlässliche
Nahrungsversorgung (Ackerbau?) verfügten. Zur Anlage und späteren Nutzungen siehe auch
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6bekli_Tepe.
Der Dekor der Kultstätte ist stark von Tierdarstellungen geprägt. Ibis-artige Vögel treten an
verschiedenen Stellen auf. Die Darstellungen von Pfeiler 43, der der Anlage D des
Grundbestandes angehört, zeigen neben einem zentralen Geier mit Ei, der Tod aber auch
Leben bringt, und einem sehr großen Skorpion, auch „Ibis-artige Vögel“, die die Verbindung zu
einer Darstellung eines Knochens bilden (rechts oben), was in Bezug zur Funktion des Ortes als
Gedenkstätte gebracht wird.
Vergleichbare Vögel finden sich auf einem Pfeiler der Anlage C, die ebenfalls dem
Grundbestand angehöret und dessen Hauptmotiv ein Wildschwein ist.
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Eine mögliche ornithologische Bestimmung als Waldrapp bzw. Akh-Vogel (siehe die
metaphysische Bedeutung des Waldrapps im Alten Ägypten) ist freilich auf Grund der
schematischen Darstellung, die charakteristische Details (Schopf bzw. schmaler gebogener
Schnabel) weitgehend ausspart, nicht möglich. Vergleiche zu diesem Befund auch die folgende
Quelle aus Spanien.
Dass die archäologische Fundstätte jedoch bloß 100 Kilometer von Birecik entfernt liegt, jenem
Ort, dessen Waldrapp-Kolonie berühmt ist/war, ist andererseits doch bemerkenswert, zumal die
zweite zeitnahe Bildquelle (siehe unten: 10.0005000 vor Christus (Neolithikum)) in Südspanien
sich ebenfalls in vergleichsweiser Nähe zur Westpopulation des Waldrapps befindet, die in
Marokko bei heute überlebte.
Klaus Schmidt, Von besonderen und heiligen Vögeln, in: Frank Falkenstein, Sabine Schade-
Lindig, Andrea Zeeb-Lanz (Hgg.), Kumpf, Kalotte, Pfeilschaftglätter. Zwei Leben für die
Archäologie. Gedenkschrift für Annemarie Häuser und Helmut Spatz (Studia Honoria 27]),
Rahden 2008, S. 253260;
Klaus Schmidt, Göbekli Tepe the Stone Age Sanctuaries. New results of ongoing excavations
with a special focus on sculptures and high reliefs, in: Documenta Praehistorica 37 (2010),
S. 239256;
Lee Claire, Oliver Dietrich, Julia Gresky, Jens Notroff, Joris Peters. Nadja Pöllath, Ritual
Practices and Conflict Migration at Early Neolithic Körtik Tepe and Göbekli Tepe, Upper
Mesopotamia: A Mimetic Theoretical Approach, in: Ian Hoddler (Hg.), Violence and the
Sacred in the Ancient Near East, Cambridge 2019, S. 96128, ab S. 105 zu Göbekli Tepe,
S. 114 zum Waldrapp (Geronticus eremita).
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10.0005000 vor Christus (Neolithikum)
Bildquelle
Benalup (Cádiz), Höhle von El Tajo de las Figuras
Die Felsenmalereien in der
Höhle von El Tajo de las Figuras
in Benalup aus neolithischer
bzw. chalkolitischer Zeit zeigen
eine reiche Vogelwelt.
Die vier Darstellungen von als
Ibis-Vögel identifizierten
Malereien sind jedoch (trotz des
mitunter dargestellten schmalen
und leicht gebogenen
Schnabels) bei Weitem nicht
spezifisch genug, um sie als
Waldrappe identifizieren zu
können. Vergleiche zu diesem
Befund auch die vorherige
Quelle aus der Südosttürkei.
Dieser Befund wird auch
dadurch nicht aufgehoben, dass
Knochenfunde belegen, dass Waldrappe
auf der Iberischen Halbinsel vorkamen.
Henri Breuil, M(Iiles) C(rawford) Burkitt,
Rock paintings of Southern Andalusia. A
description of a Neolithic and Copper Age
art group, Oxford 1929, S. 17, S. 21, Fig.
17/8, Fig. 20/5;
Sánchez Marco, Presence, 1996, S. 560
561;
Sánchez, Evidence, 2006, S. 106f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69f.
Daniel Rojas Pichardo, Fauna extincta en
la Provincia de Cádiz, Editorial Circulo Rojo
2019 (Link), S. 31f., 42, 133135.
20
21
96007000/6500 vor Christus (frühe Mittelsteinzeit) oder später
Knochenfund
Solothurn, Städtische Museum: Funde bei der Ruine Balm bei Günsberg (Kanton
Solothurn Schweiz)
120150 Meter östlich der Ruine
Balm bei Günsberg unter einer
mächtigen, überhängenden
Felswand („Balmfluh“) wurden
Knochen mehrerer Waldrapp-
Individuen gefunden. Es handelt
sich um drei Oberschnäbel, ein
Unterschnabel, eine
Gehirnschädelbasis, zwei Paare
von Coracoiden, ein Humerus und
andere Teile.
Beim Ort des Fundes handelt es
sich um eine frühmesolithische
Azilien-Station. Viele spätere
Verunklärungen der Fundsituation
durch Dachs und ähnliche
Einwirkungen machen eine
definitive Zuordnung der Waldrapp-Fundknochen in den ursprünglichen Fundzusammenhang
jedoch unmöglich.
Bei dem Knochenfund aus der Schweiz handelt es sich um den ältesten Beleg des Waldrapps
aus Mitteleuropa.
Th. Schweizer, Prähistorisch-archäologische Statistik des Kantons Solothurn 13. Folge, 1939,
in: Jahrbuch für solothurnische Geschichte 13 (1940), S. 210218 (zur Fundsituation);
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 85f. (mit Abb.);
René Wyss, Betrachtungen zum Mesolithikum der Schweiz, in: G. Bersu, W. Dehn (Hg.), Bericht
über den V. Internationalen Kongress für Vor- und Frühgeschichte, Hamburg vom 24. bis
30. August 1958, Berlin 1961, S. 865869, bes. S. 868;
Gerhard Geiger, Die Umwelt späteiszeitlicher Kulturen des südlichen Ober- und Hochrheins, in:
Das Markgräflerland 26 (1964), S. 6585, bes. S. 75;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 14f.;
Hölzinger, Waldrapp, 1988, S. 5767, bes. S. 57 (Bezug auf den Waldrapp);
22
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 60f.
23
ca. 40003400 vor Christus
Knochenfund
Maadi (südlich von Kairo)
Die Fundstädte ist der Maadi-Kultur zuzurechnen. Der Knochenfund lässt sich nicht ganz
eindeutig bestimmen, es bleibt also wie beim Fund aus Balm (siehe 96007000/6500 vor
Christus (frühe Mittelsteinzeit) oder später) eine Unsicherheit. Der Waldrapp (Akh-Vogel /
Hieroglyphe siehe 3100400 vor Christus) wurde nicht, wie etwa der heilige Ibis, mumifiziert,
daher gibt es in Ägypten aus späterer Zeit (bisher noch) keine Funde von Überresten, sondern
bloß Darstellungen.
Joachim Boessneck, Vogelknochenfunde aus dem alten Ägypten, in: Annalen des
Naturhistorischen Museums in Wien, Serie B, 88/89 (1986), S. 323344, bes. S. 331,
337f.;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.1731, bes. S. 21;
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 10.
24
ca. 4000 bis 3022 vor Christus (0. Dynastie)
Bildquelle
Vermeidliche Felsinschriften beim heutigen Dorf El-Khawy
John Coleman Darnell
veröffentlicht die
Felsinschriften beim heutigen
Dorf El-Khawy (60 km südlich
von Luxor), die in die
Frühphase der „Dynastie 0“ (ca.
40003022 vor Christus) datiert
werden.
Auf Grund der Monumentalität
und der damit verbundenen
Sichtbarkeit sind die
Darstellungen als frühe
Schriftzeugnisse jedoch höchst
ungewöhnlich.
Im mittleren Bereich sind drei
Vögel dargestellt. Der mittlere
zeigt vielleicht einen Schopf,
freilich ist der Schnabel kurz,
was eine Identifikation mit dem
Waldrapp bzw. mit dem Akh-
Vogel, der späteren
Hieroglyphe (Gardiner, G25),
unwahrscheinlich macht.
Zudem ist unklar, ob der vermeintliche Schopf nicht (wie bei den benachbarten
Vogeldarstellungen) als hintere Kontur des Halses zu interpretieren ist.
Darnell, S. 58, diskutiert die Frage, ob die Vogel-Bilder eine Aussage haben oder bloß Natur
darstellen und neigt zu ersterer These, denn der Storch (die beiden Vögel, die den angeblichen
„Crested Ibis“ flankieren, einsprächen der Ba-Hieroglyphe: vgl. Jiří Janák, Saddle-Billed Stork
[Ba-Bird], 2014: LINK Identifikation mit Gardiner, G29), habe ebenso wie das Akh-Zeichen
eine Bedeutung im Jenseits-Glauben der alten Ägypter. Die Argumentation erscheint freilich
nicht zwingend.
25
Überzeugender ist der
Vergleich mit den
Hieroglyphentäfelchen aus dem
Grab U-j in Abydos, bei denen
sich auf vergleichbar stark
stilisiertem Niveau Vögel
finden (siehe bei ca. 3300 vor
Christus (Naqada IIIA1)).
Insgesamt erscheint die Identifikation der hier behandelten Vogeldarstellungen mit dem
Waldrapp (Akh-Vogel) unwahrscheinlich.
Darnell, Inscriptions, 2017, S. 4964, bes. S. 5254, 56f.
26
ca. 3500 vor Christus (Naqada IIIA)
Bildquelle
Zeichnung auf einer Tonscherbe aus Hierakonpolis, Grabungsabschnitt HK 25
Bei der Fundstelle in Hierakonpolis
handelt es sich nach Hikade, Pyke,
OʾNeill, S. 175177, um Abfall aus
einem Lebensmittel erzeugenden
Betrieb (Brauerei?) aus der Periode
Naquada IIIA. Park, S. 103, datiert
ca. 3500 vor Christus.
Der Vogel wurde nachträglich auf
die bereits zerbrochene Keramik
geritzt (Hikade, S. 23f.).
Der lange, vorne gebogene schmale
Schnabel, der trotz der Flüchtigkeit
der Darstellung klar zu erkennende
Schopf und die allgemeine
Physionomie lassen die
Identifikation mit einem Waldrapp
durchaus möglich erscheinen.
Rosalind Park zieht aus der Darstellung sehr weitreichende Schlüsse, die auf Bedeutungen
beruhen, die dann der Hieroglyphe (G25) zugeordnet sind (siehe bei 3100400 vor Christus).
Ob es sich freilich um „Text“ handelt, ist keineswegs erwiesen. Eher wird man Pyke und
Coleman folgen, die andere, eher akzidentell entstandene Bilder als Vergleiche heranziehen,
was zu der Vermutung passen könnte, bei der Fundstelle handle es sich um Abfälle eines
Gewerbebetriebes.
Pyke, Colman, Bird, 2006, S. 6;
Thomas Hikade, Gillian Pyke, DʼArne OʾNeill, Excavations at Hierakonpolis HK29B and HK25
The campaigns of 2005/06, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts
Abteilung Kairo 64 [2008], S. 153188, bes. S. 175177);
Natur und Kunst, 1995
Alfred Auer, Eva Irblich (Hgg.), Natur und Kunst. Handschriften und Alben aus der Ambraser
Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (15291595), Wien 1995.
Park, Decan, 2008, passim;
27
Thomas Hikade, Origins of monumental architecture. Recent excavations at Hierakonpolis
HK29B and HK 25, in: Renée F. Friedman, Peter N. Fiske (Hgg.), Egypt at its Origins 3.
The Third International Colloquium on Predynastic and Early Dynastic Egypt, The British
Museum, London, 27
th
July1
st
August 2008, Löwen [u. a.] 2011, S. 81107, bes. S. 23f.
28
ca. 3300 vor Christus (Naqada IIIA1)
Bildquelle
Abydos, Grab U-j, Hieroglyphentäfelchen
Die über 150 Täfelchen aus
dem (Königs-)Grab U-j aus
Abydos gehören zu den
ältesten Schriftzeugnissen aus
Ägypten (zur Datierung siehe
Leeman, S. 3).
Die Täfelchen 130135 zeigen
Vögel, die alle als Waldrappe
(Northern Bald Ibis / Crested
Ibis) als Bild-/Schrift-
/Tonwertzeichen interpretiert
wurden. Die Deutung der Darstellungen ist freilich umstritten.
Bei den Vogel-Darstellungen der Täfelchen handelt es sich zusammen mit den Felsinschriften
von El-Khawy (siehe bei ca. 4000 bis 3022 vor Christus (0. Dynastie)) vielleicht um die ältesten
von Menschen geschaffene Darstellungen des Waldrapps, bei denen die Identifikation als
(halbwegs) plausibel gelten kann. Die (über-)deutlicheren Nackenfedern, die langen Beine
zusammen mit der (freilich bloß in zwei Fällen) deutlich verlängerten (schmalen) Form der
Schnäbel und der Tradition der Akh-Hieroglyphe (siehe 3100400 vor Christus) ergeben ein
Geflecht an Indizien. Janák deutet den Vogel hingegen als „Secretary bird“ (Sagittarius
serpentarius), der freilich nicht als Hieroglyphe Verwendung fand. Zuletzt identifizierte Leeman
die Vögel wieder als „Crested ibis“.
Ray, Understanding, 1999, S. 16f.;
Jochen Kahl, Die frühen Schriftzeugnisse aus dem Grab U-j in Ummel-Qaab, in: Chronique
d’Égypte 78 (2003), S. 112135 (ohne Erwähnung der Akh-Hieroglyphe);
Pyke, Colman, Bird, 2006, S. 6;
Natur und Kunst, 1995
Alfred Auer, Eva Irblich (Hgg.), Natur und Kunst. Handschriften und Alben aus der Ambraser
Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (15291595), Wien 1995.
Park, Decan, 2008, passim (mit sehr weitreichenden Spekulationen);
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.1731, bes. S. 22;
29
Ilona Regulski, The Origins and Early Development of Writing in Egypt, Online-Publikation
(2015): Link (ohne Erwähnung der Akh-Hieroglyphe);
Darnell, Inscriptions, 2017, S. 4964, bes. S. 53f., 57f.
Diane Leeman, Abydos Tomb U-j of Predynastic Egypt: Netzpublikation 2018: Link, S. 9, 23.
https://www.historyofinformation.com/detail.php?id=3428.
30
3100400 vor Christus
Akh-Hieroglyphe (Gardiner G25)
Zur Entwicklung der
Hieroglyphenschrift siehe die
frühen Täfelchen aus dem Grab
des U-j (siehe bei ca. 3300 vor
Christus (Naqada IIIA1)), bei
denen Zeichen, die der
späteren Akh-Hieroglyphe
ähnlich sind, bereits
vorkommen. In der
Hieroglyphenliste von Alan
Gardiner (LINK) als G25
geführt, wobei „G“ Vogelmotive
bezeichnet.
Der im alten Ägypten verehrte Ibis (Heiliger Ibis) hat, wie Kumerloeve zu Recht betont, keinen
Schopf (keine Nackenfedern). Kumerloeve weist aber auf Darstellungen von Ibis-artigen Vögeln
hin, die Nackenfedern / Nackenkamm eindeutig zeigen (S. 210214 [Abb. 1120]) und
identifiziert diese mit dem in Europa Waldrapp genannten Vogel (Northern Bald Ibis / Crested
Ibis). Der Federschmuck auf Kopf/Nacken sowie der lange schmale und gebogene Schnabel
ermöglichen die Unterscheidung von anderen Vogeldarstellungen / -hieroglyphen (für eine
Übersicht der Vogel-Hieroglyphen siehe hier).
Das metallisch-glänzende des Gefieders des Waldrapps spielt durchaus eine Rolle, die
Hieroglyphe bedeutet (unter anderem auch) „scheinend“ (Kumerloeve, S. 211, Abb. 15). Als Teil
der „Seele“ gehört Akh (Ach – Link / Link) zentral zur altägyptischen Jenseitsvorstellung. Er
spielt daher in den sogenannten Pyramiden-Texten eine durchaus bedeutende Rolle (vgl.
James P. Allen, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, Atlanta 2005: LINK). Die entsprechende
Hieroglyphe kommt daher auch häufig vor. Warum ein real existierender Vogel als
Schriftzeichen / Hieroglyphe für diese Vorstellung diente, ist trotz verschiedener Vermutungen
unklar.
Bemerkenswert ist, dass es zwei unterschiedliche Ausformungen des Bildzeichens gibt: mit
einem Nackenkamm und mit vom Hinterkopf abstehenden Federn.
31
Zur Hieroglyphe und ihrer Bedeutung
Keimer, Interprétation, 1954, S. 237250;
Florence Dunn Friedman, On the Meaning of Akh (3H) in Egyptian Mortuary Texts, Dissertation
Walham 1981, passim, bes. S. 2628, 6063;
Kumerloeve, Kenntnis, 1983, S. 197234;
Patrick F. Houlihan, The Birds of the Ancient Egypt, Warminster 1986 (auch: Kairo 1988), S. 26
32;
Ray, Understanding, 1999, S. 97;
Janák, Waldrapp, 2007, S. 129132;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 38;
Hoda Abd allah Kandil, The Function and Symbolism of the Akh in Ancient Egypt, Online
Publikation 2012, Link;
Janák, Northern Bald Ibis, 2013, S. 19;
Janák, Akh, 2013, S. 19.
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 3f., 614, 21f.
32
31002700 vor Christus
Bildquelle
Paris, Louvre, Département des Antiquités égyptiennes, E 21717: Stele aus Abydos
Die Datierung der Stele folgt
den Angaben der
Museumsdatenbank.
Diese Stele steht als
Beispiel für eine große
Gruppe von Funeral-
Monumenten für Frauen,
deren Titel die Hieroglyphe
G25 (Akh) in der Form eines
mehrere Hieroglyphen
vereinenden Monogramms
beinhalten. Im hier
vorgestellten Fall „spirit
seeker“.
Der Federschopf ist deutlich
dargestellt, die Verwendung
als Hieroglyphe sichert zudem
trotz der summarischen Darstellung
die Bedeutung des Dargestellten
ab. Damit werden die hier
vorgestellten Zeugnisse zu frühen
Belegen, dass der Waldrapp
eindeutig als Hieroglyphe verwendet
wird.
Kelly nennt zahlreiche weitere
Beispiele. Besonders klar
erkennbare Darstellungen bei Stela
20 (Bd. 2, S. 1), 137 (Bd. 2, S. 79),
139 (Bd. 2, S. 80), 161f. (Bd. 2, S.
86f.], 211 (Bd. 2, S. 98) und 218
(Bd. 2, S. 102).
33
Susan A. Kelly, Identifying the Women of Early Dynastic Egypt: An Analysis if the Wonmen’s
Funerary Stelae/Slabs from Abu Rawash, Helwan, and Abydos, Sidney, Macquarie
University 2016 (Link), Bd. 1, S. 71f., Bd. 2, S. 93 (Stela 193).
https://collections.louvre.fr/en/ark:/53355/cl010005783
34
nicht nach ca. 2740 vor Christus
Bildquelle
Kairo, Ägyptisches Museum, JdE 33.895 [CG 57107]: Türpfosten von König Chasechemui
(Khasekhemwy) aus dem Horus-Tempel in Hierakonpolis / Nekhen (Oberägypten)
Der Pfosten von König Chasechemui
(Khasekhemwy) besteht aus grünem Quarzstein
und stammt aus dem südöstlichen Teil des
Tempels. Die zeitliche Ansetzung ist durch die
inschriftliche Nennung des Königs, der bis um
2740 vor Christus regierte, abgesichert.
Der inschriftliche Text enthält, wenn ich recht
sehe, auch eine Akh-Hieroglyphe (G25). Der
Vogel zeigt den zu einem kompakten
Nackenkamm zusammengefassten Schopffedern,
die häufig bei der Verwendung als Schriftzeichen
auftreten.
Wenn die Identifikation der Hieroglyphe stimmt,
dann ist der hier vorgestellte Stein ein frühes
Zeugnis für deren Auftreten.
Die Inschrift ist etwas älter als
die im folgenden Eintrag
behandelten Darstellungen des
Waldrapps, die ebenfalls aus
Hierakonpolis stammen und
offensichtlich nicht als
Schriftzeichen (Hieroglyphen)
zu deuten sind.
Aus Hierakonpolis sind somit
beide Bedeutungsebenen, die
Waldrapp-Darstellungen im
Alten Ägypten haben können
als Bild eines Naturdings und
als Hieroglyphe, die zudem eine
35
metaphysische Bedeutungsebene hat erhalten.
Quibell, Green, Hierakonpolis, 1900/1902, Bd. 2, S. 47f. und Taf. 58;
Bussmann, Provinztempel, 2010, Bd. 1, S. 163, Bd. 2, Abb. 4.24.
36
ca. 26862181 vor Christus
Bildquelle
London, Petrie Museum, UC 14.864: „Zaubermesser“ und UC 14.863: Scheibe (Paneel)
bei Objekte aus dem Horus-tempel in Hierakonpolis / Nakhen (Oberägypten)
Im Kontext von Tier- und
Vogeldarstellungen auf den
Elfenbeinobjekten aus
Hierakonpolis ist auch der
Waldrapp dargestellt. Die
Darstellungen sind
vergleichsweise naturnah.
Obacht ist jedoch darauf zu
legen, dass der Waldrapp von
Vögeln unterschieden wird, die
ähnlichen Kopfschmuck zeigen,
jedoch bloß über einen kurzen
Schnabel verfügen (Sagittarius
serpentarius, Secretary bird).
Die Darstellungen auf dem
„Zaubermesser“ bzw. auf dem
Paneel scheinen am ehesten für den Waldrapp zu
sprechen (vgl. Pyke und Colman, Park sowie
Janák). Bussmann identifiziert den Vogel des
Zaubermessers“ jedoch als „Kranich (?)“, die Vögel
des Paneels differenziert er nicht.
Der Waldrapp hat in den hier vorliegenden
Darstellungen keine Verbindung zu den
metaphysischen Konnotationen, die mit der Akh-
Hieroglyphe verbunden sind.
Der zweite Teil des Tierdefilées des
„Zaubermessers“ wird in Kairo im Ägyptischen
Museum, CG 14.706 (JE 32.170), aufbewahrt und
zeigt keine hier relevanten Darstellungen.
37
Quibell, Green, Hierakonpolis,
1900/1902, Bd. 1, Tafel 6 (Fig.
6: Photo), Tafel 16 (Fig. 1 und
4: Nachzeichnungen); Bd. 2, S.
36 (zu pl. VI,6) und S. 37 (zu pl.
XVI,1), Tafel 32;
Pyke, Colman, Bird, 2006, S. 6;
Natur und Kunst, 1995
Alfred Auer, Eva Irblich (Hgg.),
Natur und Kunst. Handschriften
und Alben aus der Ambraser
Sammlung Erzherzog
Ferdinands II. (15291595),
Wien 1995.
Park, Decan, 2008, S. 103111;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.1731, bes. S. 22.
Bussmann, Provinztempel, 2010, zum „Zaubermesser Bd. 1, S. XXXIX, 245, 527, Bd. 2, S. 96
(Abb. 5.76 [H2146]); zum Paneel Bd. 1, S. XL, S. 248, 530, Bd. 2, S. 102 (Abb. 5.105 [H 2183]);
Darnell, Inscriptions, 2017, S. 4964, bes. S. 57f.
38
ca. 26132181 vor Christus
Bildquelle
Kairo, Ägyptisches Museum, Relieffragment: Vogellauf mit Akh-Vogel
Das Fragment eines Kalksteinreliefs könnte einen
Waldrapp (Akh-Vogel) zeigen, der von einem
Menschen (König) in der Hand gehalten wird. (Der
Konjunktiv ist notwendig, da der Schnabel, der für
eine Bestimmung unabdingbar berücksichtigt
werden muss, bloß in minimalen Spuren erhalten
ist.)
Dargestellt ist der sogenannte „Vogellauf“ eine
rituelle Handlung bei der der König mit dem Akh-
Vogel (der Figur eines solchen) zu einer Gottheit
läuft.
Die vom Ägyptischen Museum angegebene
Datierung widerspricht den Angaben, die älteste
Darstellung des Vogellaufes stelle Königin
Hatschepsut (14791458 vor Christus) in der
Hathor-Kapelle ihres Totentempels in Deir el-Bahari
(nördlich von Theben) dar.
Janák, 2020, S. 92f., geht davon aus, dass beim Vogellauf nicht ein realer Vogel gehalten
wurde, sondern ein Abbild des (wie Janák meint damals vielleicht gar nicht mehr in Ägypten
heimischen) Waldrapps.
Zum Vogellauf (ohne des hier vorgestellten Reliefs):
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.1731, bes. S. 27;
Jiří Janák, Running with Images. Ritualised Script in the Vogellauf, Rudderlauf and Vasenlauf,
in: Profane Landscapes, Sacred Spaces, Equinox eBooks Publishing April 2020, S. 89
96;
http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=lexikond&id=050703220243
(nennt 16 Darstellungen des Vogellaufes).
https://egypt-museum.com/post/165192398791/relief-fragment-of-an-akh-bird-limestone (ohne
Angabe einer Inventarnummer geposted am 10. September 2017)
39
25042347 vor Christus (5. Dynastie)
Bildquelle
Leiden, Rijksmuseum van Oudheden, F 1904/3.1-b: Mastaba des Hetepherakhti aus
Saqqara (südlich von Kairo)
Auf der Mastaba des Hetepherakhti (Hetepherachet,
Hetepherachty, Hetepherachti, Hetepherakhet,
Hetepherakhty, Hetep-her-akhti) aus Saqqara sind
vergleichsweise naturnah gestaltete Akh-Zeichen zu
sehen (Teilansicht 022407; Detailphoto KE 16609)
Vergleichbar sind, ebenfalls aus der 5. Dynastie
(25042347 vor Christus), die Mastaba des Akhet-
hotep (Akhethetep) aus Saqqara (Louvre, E 10958 A:
24532380 vor Christus) oder jene des Seshathotep
(Seshathetep) in Giza (Digital Giza, G 5150).
Kumerloeve, Kenntnis, 1983, S. 197234, bes. S. 210,
212;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.1731, bes. S. 23f.;
Janák, Northern Bald Ibis, 2013, S. 6.
40
https://nickyvandebeek.com/projects/hetepherakhty/
41
um 2430 vor Christus (Mitte 5. Dynastie)
Bildquelle
Boston, Museum of Fine Arts, Acc.-Nr. 37.606a: Diadem aus Giza, Mastaba G 7143 B
Das zerbrochene und stark
beschädigte Diadem aus
vergoldetem Kupfer wurde 1927
im hölzernen Sarkophag der
Grabkammer im Bereich des
Schädels gefunden. Dunham,
S. 24, publiziert ein Photo vor
den Restaurierungsarbeiten.
Das Schmuckstück wird von
zwei einander zugewandten
Waldrappen bekrönt, deren
Schnäbel sich kreuzen.
Pigmentreste erlauben Dunham
eine sehr bunte Rekonstruktion
der beiden Vögel (rot und grün)
(siehe Abb. auf S. 24). Die
Datierung in die Mitte der 5.
Dynastie folgt Dunham, S. 23.
Ein weiteres Diadem befindet
sich im Ägyptischen Museum in
Kairo. Es ist aus massivem
Gold gefertigt und stammt
ebenfalls aus Giza. Es wurde in
der ungestörten Grabkammer
einer Frau gefunden und wird
von Dunham an das Ende der
4. oder den Beginn der 5.
Dynastie datiert (Dunham, S.
42
26f. mit Abb. und http://giza.fas.harvard.edu/objects/54879/full/).
Dunham, S. 27f., geht wegen der Fragilität der Diademe davon aus, dass es sich bei den
Stücken nicht um den Kopfschmuck handelt, den lebende Personen trugen, sondern im reine
Funeralobjekte.
Dows Dunham, An Egyptian Diadem of the Old Kingdom, in: Bulletin of the Museum of Fine Arts
44 (1946), S. 2329;
Egyptian Art in the Age oft he Pyramids, Jewelery in the Old Kingdom, New York Metropolitan
Museum of Art 1999, S. 304 (Patricia Rigault: die Autorin nennt ein weiteres Beispiel in
Leipzig, Ägyptisches Museum, 2500, aus Mastaba G 208 in Giza [Ende 5. Dynastie]);
Stephanie Joan Harris, Decoding Ancient Egyptian Diadems: Symbolism and iconography as a
means of interpreting feminine identity, University of South Africa 2018 (LINK), S. 135140
(Diadem in Kairo), S. 140144 (in Leipzig), S. 144148 (in Boston);
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 10.
https://collections.mfa.org/objects/147991; http://giza.fas.harvard.edu/objects/16146/full/.
43
19911802 vor Christus (12. Dynastie)
Bildquelle
Mastaba von Hesu-wer (Hsw / Khesu-wer) in Kom el-Hisn (Nildelta)
Die Grabkammer wird in die
Regierungszeit Amanemhet III.
(18601814 vor Christus)
datiert.
Janák behandelt eine
Darstellung, die viele Vögel
zeigt, die was er besonders
hervorhebt eben nicht als
Schriftzeichen sondern als
Darstellung der Vögel zu
verstehen ist.
David P. Silverman, The Tomb
Chamber of Hsw the Elder,
Winota Lake 1988, Tafel 31, 34;
Faiza Mahmoud Sakr, New Foundation Deposits of Kom el-Hisn, in: Studien zur
Altägyptischen Kultur 22 (2005), S. 349355;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.1731, bes. S. 2427;
Janák, Northern Bald Ibis, 2013, S. 6.
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 10.
44
12951069 vor Christus (19./20.Dynastie)
Bildquelle
Chicago, University, Oriental Institute, Reg.-Nr. E14287: Stele aus Luxor, Medinet Habu
(Oberägypten)
Die Stele, die 1929 ergraben wurde, zeigt nicht
nur beispielhaft eine Akh-Hieroglyphe, sondern
hat auch das Akh-Werden von Verwandten zum
Darstellungsinhalt: Sethmose bringt seinem
(verstorbenen und zu einem Akh-gewordenen)
Bruder Nakht Opfer, um vor Gefahr und Krankheit
geschützt zu werden.
Die Hieroglyphen-Darstellung ist durchaus dem
Naturvorbild ähnlich.
Virginia Rimmer Herrmann, J. David Schloen
(Hgg.), In Remembrance of Me. Feasting with the
Dead in the Ancient Middle East, Chicago 2014,
S. 131 (Emily Teeter).
https://oi-idb.uchicago.edu/id/9c29ecec-a1de-
417b-b8c8-ee71f24a5e9e (mit Bibliographie)
45
924890 vor Christus (22. Dynastie)
Bildquelle
Brüssel, Musées Royaux d’Art et d’Histoire, E.06.309: Mumienbrett des Penmaat
Das Mumienbrett in Brüssel
stammt aus Luxor, wohl Deir el-
Bahari.
Die Darstellung ist, abgesehen
von den Farben, durchaus
eindeutig. Der lange gebogene
Schnabel, der Federbusch am
Hinterkopf und die allgemeinen
Proportionen stimmen mit dem
Waldrapp überein. Die
Farbigkeit, vor allem der
orangerote Federbusch kann
mit dem Naturvorbild nicht in
Verbindung gebracht werden.
David Nunn, A Palaeography of
Polychrome Hieroglyphs: Netzpublikation 2020: https://www.phrp.be/Palaeography.php:
bei „G25: crested ibis“
https://www.carmentis.be:443/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection
&objectId=82940
46
764406 vor Christus
Knochenfund
Lyon, Muséum d’Histoire naturelle: Funde aus der Grotte Bodine in Labastide-de-Virac
(Departement of Ardèche Frankreich)
Die Knochenfunde aus einer
Kalksteinwand über dem Fluss
Ardèche im Süden Frankreichs
sind die ersten Knochenfunde
eines Waldrapps aus
Frankreich. Sie stammen
wahrscheinlich von einem
Individuum.
Cécile Mourer-Chauviré, Michel
Philippe, Stéphane Guillard,
Marcel Meyssonnier, Presence
of the Northem Bald Ibis
Geronticus eremita (L.) during
the Holocene in the Ardeche
valley, southem France, in: Ibis
148 (2006), S. 820823;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70.
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
47
570526 vor Christus (26. Dynastie, Pharao Amasis II.)
Bildquelle
Leiden, Rijksmuseum van Oudheden, AM 107: Naos aus Sa el-Hagar / Sais
(Unterägypten), linke Seite, II.7
Marco Zecchi, S, 31, betont,
dass nach seiner Ansicht die
hier vorliegende Darstellung
das einzige Beispiel für eine
Darstellung des Waldrapps, der
bei den Alten Ägyptern als Akh-
Vogel auch über die Funktion
als Hieroglyphenzeichen
hinausgehende metaphysische
Bedeutung hatte, aus dieser
späten Periode der ägyptischen
Geschichte sei.
Dem sind die Darstellungen am
Horustempel in Edfu
entgegenzustellen (siehe bei
nach 237 vor Christus), die
freilich, trotz der detaillierten
Darstellung, Schriftzeichen sind.
Marco Zecchi, The Naos of Amasis. A
monument for the reawakening of
Osiris (Palma: Papers on Archeology of
the Leiden Museum of Antiquities 20),
Leiden 2019, passim, bes. S. 17
(Seitenansicht), 30f., 52
(Strichzeichnung), 122.
48
432370 vor Christus
Bildquelle
London, British Museum, 1841,B.2012: Silbermünze aus Stymphalus (Achaea)
Die Identifikation, die DesFayes
vorschlägt, die legendären
Stymphalídes órnithes der
Münze mit dem Waldrapp
gleichzusetzen, wird durch das
Münzbild nur bedingt gestützt,
das als als Kopf und Nacken
eines „crested water-bird“
beschrieben wird.
Alle in Stymphalus geprägten
und im British Museum vorhandenen Münzen, von denen viele Vogelbüsten zeigen (siehe
HIER), machen zwar verständlich, warum DesFayes an den Waldrapp dachte (mitunter Schopf
bzw. Nackenschopf, mitunter schmaler, mitunter gebogener Schnabel), eine Identifikation
erscheint jedoch trotzdem höchst problematisch.
Reginals Stuart Poole (Hg.), Catalogue of Greek Coins: Percy Gardner, Peleonnesus (excluding
Corinth), London 1867, S. 199 und Tafel XXXVII, 1;
Michael DesFayes, Evidence for the ancient presence of Bald Ibis, Geronticus eremita, in
Greece, in: Bulletin of the British Ornithologists' Club 107 (1987), S. 9394.
https://www.britishmuseum.org/collection/object/C_1841-B-2012 (Museumsdatenbank)
49
nach 237 vor Christus
Bildquelle
Edfu, Horustempel
Der dem lokalen Horus-Gott
geweihte Tempel in Edfu
(Oberägypten) wurde 237 vor
Christus gegründet. Die Akh-
Hieroglyphe zeigt die
physischen Merkmale des
Waldrapps sehr klar.
Als Erstinformation zur
Tempelanlage in Edfu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tempel_von_Edfu;
Serra, Surrounding, 2012, online.
50
145135 vor Christus
Bildquelle
Mosaikfußboden der Therme des Hauses des Neptun in Itálica (Santiponce bei Sevilla,
Provinz Andalusien)
Die Stadt Itálica wurde 206 vor
Christus gegründet. In
zahlreichen Häusern finden sich
gut erhaltene Mosaikfußböden.
Die Rahmenleiste des hier
relevanten, 1970/73
freigelegten Mosaikfeldes zeigt
nackte Krieger mit erigierten
Penissen im Kampf mit
Krokodilen und Waldrappen,
wobei die Vögel offenbar
vielfach siegreich sind.
Auch auf Grund der Krokodile
ist ein deutlicher Ägypten-
Bezug bei der Ikonographie der
Ausstattung feststellbar. Dass in
diesem Zusammenhang
Waldrappe so prominent
auftreten, ist bemerkenswert.
In der Casa de los Pájaros
befindet sich ebenfalls ein
Bodenmosaik. Die Felder sind
mit Vogeldarstellungen gefüllt. Auch dort ist ein Waldrapp abgebildet, das Mosaikfeld ist freilich
stark beschädigt.
51
Antonio Blanco Freijeiro, Jos
María Luzn Nogu, El mosaico
de Neptuno en Itlica, Sevilla
1974;
Sánchez, Evidence, 2006, S.
105110, bes. S. 107.
https://artsandculture.google.com/asset/mosaico-de-neptuno/hQFBjgC0bA5sSw.
52
53
um 60/70
Textquelle: Naturkundliche (ornithologische) Beobachtungen
Plinius der Ältere, Historia naturalis
Plinius schließt Liber X, cap. 58/134, so ab: Visam in alpibus ab se peculiarem Aegypti et ibim
Egnatius Calvinus praefectus earum prodidit.“ (online z. B.: Link). Egnatius Calvinus, Präfekt
in den Alpen, hat berichtet, er habe dort sogar den in Ägypten heimischen Ibis beobachtet (Link;
englische Übersetzung: Link).
Die Glaubwürdigkeit des Plinius und der von ihm behaupteten Quelle werden von Strohl, S.
508f., und Faoro, S. 108, mit gewichtigen Argumenten in Frage gestellt. Zudem sind die
Möglichkeiten der Identifikation sehr beschränkt, da über den Vogel, den der Präfekt der Alpen
gesehen haben soll, keine Angaben gemacht werden außer dass er dem ägyptischen Ibis
entspräche.
Schon im Jahr 1555 kannte Gesner diese Stelle (für Details zu Gesner siehe unten unter
1555/1557): Auf S. 546 steht das KapitelDe avibus quarum nomina incipiunt ab I. littera: De
Ibide. (Link), das Zitat folgt auf S. 547. Freilich verband Gesner diesen Hinweis eben nicht mit
dem Waldrapp, den er bei den ab S. 320 behandelten Raben (De corvo) auf S. 370f. beschreibt
(Link).
Die Passage lautet bei Gesner (S. 547):
Visam in alpibus ab se peculiarem Aegypti ibim, M. Egnatius Calvinus praefectus earum
prodidit, Plinius. Scio ego in alpibus reperiri avem, quam nostri ciconiam nigram appellant: quam
tamen ibin esse rostrum rectum non sinit. Ut neque corvus sylvaticus alpina avis nigra ibis esse
mihi videtur, quanquam rostro adunco, quod alia quaedam non respondeant.
Ibes Aegypti duplici genere distinguuntur. Sunt enim aliae candidae, aliae nigrae. Candidae
apud Pelusium tantum non sunt, cum in reliqua tota Aegypto habeantur. Nigrae contra apud
Pelusium tantum, in caetera Aegypto nullae, Aristoteles, Plinius, et Solinus. Rostrum non
rectum, sed aduncum (προσωπον έπίπον, Herodotus) vel obliquum ibidi tribuunt Plinius et
Pausanias. Stymphalides aves magnitudine grues aequant, sed ibibus sunt similes, rostra
tamen habent firmiora, et non ut ibes obliqua, Pausanias in Arcadicis.
Die entsprechende Passage ist in der deutschen Ausgabe von 1557 auf fol. 160v deutlich
verändert. Unter anderem fehlt das Plinius-Zitat. Gesner bestreitet dort zudem, dass der
behandelte Ibis und der Waldrapp identisch seien:
In Alpen findt man einen vogel, so ein schwartzer Storck genennt, welcher doch von wa
e
gen
seines graden schnabels nit ein Ibis kan genennt werden. Wie auch der Waldrapp nit der
54
schwartz Ibis seyn mag, ob er gleych wol einen krumben schnabel hat, darumb daß er im in
übrigen stucken nit a
e
nlich ist.
Die Stelle bei Plinius wirft viele Fragen auf, die hier nicht geklärt werden können. Vor allem
muss offenbleiben, was Gesner genau über das Plinius-Zitat und die Identifizierung ägyptischer
Ibis-Vögel mit dem Waldrapp dachte, und ob er seine Meinung nicht (mehrmals?) änderte.
Davon unabhängig ist jedoch, dass aus Plinius kein Beweis für die Existenz (oder die Nicht-
Existenz) des Waldrapps im 1. Jahrhundert vor Christus in Mitteleuropa (im Gebiet der Alpen)
abgeleitet werden kann.
Zum Text zum Beispiel: Plinius Secundus, Gaius, Historia naturalis, Naturkunde, lateinisch
deutsch, 10: Zoologie: Vögel, herausgegeben und übersetzt von Roderich König in
Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler, Düsseldorf 2. Aufl. 2007, S. 94f.
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 544f.;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 507538, bes. S. 508f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 17;
Hölzinger, Waldrapp, 1988, S. 6466 (hält Plinius für glaubwürdig);
Davide Faoro, Praefectus, procurator, praeses. Genesi delle cariche presidiali equestri nell'Alto
Impero Romano, Mailand, Florenz 2011 (https://www.academia.edu/1026374), S. 108;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64.
55
350/400
Knochenfund
Spätrömische Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl
In den Jahren 1976/79 wurden Grabungen in Sponeck durchgeführt. Eine
Fundmassierung ist in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts festzustellen,
Einzelfunde sind bis ins 6. Jahrhundert dokumentiert. Münzfunde reichen
bis ca. 380/90 (dazu im Detail Overbeck). Die mittelalterliche Burg wurde
(an etwas anderer Stelle) ab 13. Jahrhundert errichtet und störte somit den
antiken Bestand nicht. Eine für die hier behandelte Detailfrage unerhebliche
Ergänzung der Bewertung der Funde wurde von Uwe Gross 2012
vorgenommen.
Die Tierknochenfunde (32.328 Stück; 25.438 bestimmt) wurden von
Pfannhauser untersucht. Es handelt sich dabei vor allem um Küchenabfälle
in ungestörtem Fundkontext der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. 92,4%
davon stammen von Haustieren, 7,4% von Wildsäugetieren, nur 33
Knochen von wildlebenden Vögeln (Seeadler, Kranich, Waldrapp: 2 Stück).
Pfannhauser ist sich der Bedeutung des Fundes für die spezifische
Forschungsgeschichte zum Waldrapp durchaus bewusst, kann daher nicht
als vollkommen neutral eingestuft werden. Nicht ganz schlüssig ist die
Annahme, der Waldrapp hätte in den steilen Felspartien unterhalb der Befestigung genistet.
Wäre dies der Fall, dann wäre mehr Fundmaterial zu erwarten. Dass er im 4. Jahrhundert so
wie die anderen Wildvögel als gelegentliche Jagdbeute der Ernährung der Soldaten diente,
darf aber als gesichert gelten.
Wo sich die Funde jetzt befinden, ist für mich derzeit nicht feststellbar. Eventuell in
Freiburg/Breisgau, Museum für Ur- und Frühgeschichte.
Zu Quellen aus dem nahegelegenen Breisach siehe bei 1191 (Überlieferung 1587) und 1593.
Roksanda M. Swoboda, Gemarkung Jechtingen, Kreis Emmendingen, in: Fundberichte Baden-
Württemberg 4 (1979: Link), S. 316343;
Bernhard Overbeck, Die Fundmünzen der Burg Sponeck, Gemarkung Jechtingen, Kreis
Emmendingen, in: ebendort, S. 204213;
Roksanda M. Swoboda, Die spätrömische Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl (Münchner
Beiträge zur Vor- u. Frühgeschichte 36), München 1986 (Eine Rezension hier: Link);
56
Reinhard Pfannhauser, Tierknochenfunde aus der spätrömischen Anlage auf der Burg Sponeck
bei Jechtingen, Kreis Emmendingen, Dissertation München, Tierärztliche Fakultät Ludwig-
Maximilians-Universität 1980, passim (zum Fund) bzw. S. 10, 33, 8992, Tafel 4 (zum
Waldrapp: Coracoid in zwei Ansichten);
Hölzinger, Waldrapp, 1988, passim;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64.
Uwe Gross, Zum Fundmaterial der spätrömischen Befestigung Sponeck einige Ergänzungen
und Korrekturen, in: Niklot Krohn (Hg.), Grosso Modo : Quellen und Funde aus Spätantike
und Mittelalter. Festschrift für Gerhard Fingerlin, Weinstadt 2012, S. 2537.
57
C-2 Mittelalter bis ca. 1500
Der Waldrapp fehlt bei Friedrich II., De Arte Venandi cum Avibus, und bei Albertus Magnus, De
animalibus (in dem 114 fliegende Tiere aufgezählt sind), also den beiden zentralen
ornithologischen Werken des Mittelalters.
Im Cod. Pal. lat. 1071, einer süditalienischen Handschrift, die 1258/66 entstand, in der
Biblioteca Vaticana (Rom, Città del Vaitcano: Katalogisat und Bibliographie [BAV], Katalogisat
[UB, Heidelberg] und Digitalisat) kommt der Waldrapp auch nicht in den sehr differenzierten
Randillustrationen vor.
Es nimmt daher nicht Wunder, dass die Quellenlage während dieser Zeitspanne prekär ist. Die
möglichen Bildquellen sind, ganz der Kunstauffassung der Periode entsprechend, wenig an
einem konkreten Naturvorbild orientiert. Selbst wenn mit einzelnen Motiven Verbindungslinien
zu real existierenden Vögeln evoziert werden, Naturbeobachtung im wissenschaftlichen Sinn ist
nicht das Ziel der Künstler. Erst im 15. Jahrhundert ändert sich das Bild und auf zwei
niederbayerischen Tafelbildern sind Waldrappe eindeutig erkennbar.
58
800/825
Bildquelle
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Fab. 1: Liber viventium: Evangelistar aus Kloster Pfäfers
Der Codex ist mit ganzseitigen Zierseiten zu den
Evangelien und gemalten Bogenstellungen reich
ausgestattet und überliefert die
Evangelienperikopen in der Ordnung des
Kirchenjahres. Ab ca. 830 wurden in die Rahmen
Nekrologeintragungen (daher der Name) und
andere für die Abtei wichtige Dinge
(Verzeichnisse) eingetragen.
Die Bildzierseite zum Markusevangelium (p. 52)
zeigt, wie die anderen derartigen Seiten auch, als
Zwickelfüllung oberhalb von Bogenstellungen
zwei Vögel. Die hier dargestellten werden
mitunter als Waldrappe identifiziert.
Der eindeutig „pro-Waldrapp“-geprägte Text von
Tschirky beruft sich auf Prof. Dr. Heini Hediger,
früherer Direktor des Zürcher Zoos, der „beim
ersten Blick (erkannte), dass es sich bei diesen
Vögeln um Waldrappen handelt“. Eine
Begründung bleiben Hedinger und Tschirky
jedoch schuldig.
Die Zierseite zu Matthäus (p. 4) hat an der
Stelle, die auf p. 52 angeblich Waldrappe zeigt,
eindeutig erkennbar Pfaue. Bei Lukas (p. 94)
sind ebenso klar erkennbare Hähne abgebildet.
Die Vögel bei Johannes (p. 144) sind nicht
gleichartig (links wohl eine Ente).
Dass zumindest teilweise erkennbare Vögel
dargestellt werden sollten, kann daher auch für
p. 52 angenommen werden. Der Kopf zeigt
keinerlei Zierrat, der für einen adulten
(erwachsenen) Waldrapp typisch ist, und auch
59
die Kahlheit des Kopfes wird nicht mit darstellerischen Mitteln betont. Der lange Hals könnte für
einen Sichler oder eine andere Ibis-Art sprechen, die freilich nördlich der Alpen nicht heimisch
sind. Gegen einen Reiher sprechen die zu kurzen Beine und die schwarz changierende Farbe.
Der rote, recht schmale, erkennbar gebogene Schnabel verbleibt als einziges charakteristisches
Merkmal, das für einen Waldrapp spricht.
Die Zusammenschau dieser Elemente reichen mit dem Gesamtcharakter der
Vogeldarstellungen in diesem frühmittelalterlichen Codex und der Wahrscheinlichkeit, dass in
der Gegend Waldrappen lebten, um eine Identifizierung möglich erscheinen zu lassen. Bernhard
Gönner bleibt skeptischer in Bezug auf diese Möglichkeit als der Autor, der die Möglichkeiten
der Zeit, die stark auf Charakteristisches fokussieren, betont. Wenn der Waldrapp als
Nahrungsquelle diente, wie dies vielfach belegt ist, dann könnten dem Maler Jungvögel (ohne
Kopfschmuck) eher vertraut gewesen sein als erwachsene Tiere.
Zur Handschrift: http://e-codices.ch/de/list/one/ssg/fab0001 (Digitalisat und Beschreibung):
Jurot Romain (unter Mitarbeit von Rudolf Gamper), Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers
im Stiftsarchiv St. Gallen, Dietikon-Zürich 2002 (Studia Fabariensia; 3), S. 8183.
Josef Tschirky, Der Waldrapp im Liber Viventium. Die abenteuerlich-tragische Geschichte des
wundersamen Vogels, in: Terra plana 2005, S. 38;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
60
um 1135
Bildquelle
Aulnay (Département Charente-Maritime), Saint-Pierre, Kapitell im Langhaus
Vergleichbar dem Kapitell aus
der Wartburg siehe den
folgenden Eintrag finden sich
in Aulnay Vögel mit langen
verschlungenen Hälsen (Link).
Eine eindeutige Identifikation ist
nicht möglich und, da die
Wiedergabe der Nackenfedern
fehlt, noch unwahrscheinlicher
als im Beispiel aus Thüringen.
Die Datierung beruht auf der
Tatsache, dass der romanische Ausbau der Kirche nach der Besitzübertragung an das
Domkapitel von Poitiers, die 1122 erfolgte, begann.
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70.
61
3. Viertel 12. Jahrhundert
Bildquelle
Eisenach, Wartburg, Landgrafenhaus, Erdgeschoß, Kapitell der Mittelstütze im Rittersaal
(ehem. Küche)
Das Kapitell wurde 1902 erneuert, Voss, S. 27,
publiziert neben den Nachzeichnungen auch ein
Photo des Zustandes vor der Erneuerung. Es belegt,
dass die Nachbildung für unsere (nicht
stilgeschichtlich, sondern ikonographisch orientierten)
Interessen ausreichend ähnlich mit dem
ursprünglichen Stein ist.
May weist bei den Vögeln mit den langen
verschlungenen Hälsen auf den angedeuteten
Nackenschopf, auf den bis auf den Nacken kahler
Kopf, auf den relativ langen, nach unten gekrümmter
Schnabel, auf den kurzen Schwanz und auf die relativ
langen (angewinkelten) Läufe hin. Er ordnet diese
Merkmale einem Ibis zu und weist darauf hin, dass als
einziger Vertreter dieser
Familie der Waldrapp in Frage
käme. Anders als beim oben
behandelten Liber viventium
aus Pfäfers finden sich auf der
Wartburg allerding keine
anderen mit realen Vögeln
identifizierbare Darstellungen.
Bernhard Gönner verweist
darauf, dass der Steinmetz die
Oberfläche des Kopfes (kahl)
von jener des Halses
unterschieden hat. Auch der
gebogene Schnabel könnte als
Indiz für eine Identifizierung als Waldrapp gewertet werden, ebenso wie die Tatsache, dass
noch im 17. Jahrhundert in Thüringen Waldrappe nachweisbar sind (siehe 16031662 (wohl um
1632/33)). Man könne auch negativ argumentieren: Die Identifikation mit Kranich, Storch und
62
Reiher ist wegen der geraden Schnäbel dieser Vögel auszuschließen, für einen Schwan ist der
Schnabel jedenfalls zu lang.
Trotzdem bleibt kaum mehr als eine vage Möglichkeit, dass hier dem Künstler ein Waldrapp vor
Augen gestanden sein könnte. Für die „Kommentierte Artenliste der Vögel Thüringens“ von Fred
Rost und Herbert Grimm reichte das 2004 freilich aus, den Waldrapp aufzunehmen.
Georg Voss, Die Wartburg (Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Großherzogtum Sachsen-
Weimar-Eisenach, Amtsgerichtsbezirk Eisenach), Jena 1917 (online), S. 2729;
Karl Nothnagel, Adlerkapitell, in Reallexikon deutscher Kunst, Bd. 1 (1933), Sp. 180187
(online) (ohne Bezug zum Waldrapp);
Mey, Zeugnisse, 1997, S. 317;
Fred Rost, Herbert Grimm, Kommentierte Artenliste der Vögel Thüringens, in: Anzeiger des
Vereins Thüringer Ornithologen 5 (2004), Sonderheft, S. 378, bes. S. 25;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 66.
Eine gute Abbildung des Kapitels in seinem heutigen (erneuerten) Zustand:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wartburg_Rittersaal_-
_Mittels%C3%A4ule_2_Kapitell.jpg.
63
1191 (Überlieferung 1587)
Textquelle (chronikal)
Straßburg / Strassbourg, Stadtarchiv Archives de la Ville, Daniel Specklin, Collectaneen
(Specklini collectanea in usum Chronici Argentinensis)
Auf fol. 73 (S. 218 der Edition) steht:
Anno 1191 baute herr Berthold V. von Zäringen zu Breisach, nachdem er die kirche vollendet
hatte, den grossen thurm im schloss. Denn als kaiser Friedrich starb, nahm er solches zu seinen
handen, baut es vest, wie andere orte mehr: denn sie stets krieg hatten ums herzogthum
Schwaben, auch wider die Burgunder. In diesem thurm halten sich die waldrappen. Daran
steht gehauen: Hanc dux Bertoldus portam struxisse notatur / A quo pro fraude Burgundia
depopulatur. Er liess auch den tiefen brunnen durch den felsen machen.
Die Nachricht ist in den Collectaneen des in Straßburg lebenden Festungsbaumeisters Daniel
Specklin (15361589) überliefert, die 1587 gedruckt hätten werden sollen, was jedoch
unterblieb. Weder die Quellen des Manuskripts des 16. Jahrhunderts sind bekannt, noch ist
dieses selbst erhalten.
Andererseits sind Waldrappen in Breisach bezeugt und die Inschrift ist bruchstückhaft erhalten.
Sie kann jedoch keinesfalls 1191 entstanden sein, sondern erst nach 1198; vergleiche Gabriele
Weber, „Hanc Dux Berchtoldus …“ Zur Wiederauffindung eines zähringischen
Inschriftenfragments von der Breisacher Burg, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 21
1992, S. 5254; zur historischen Situation Thomas Zotz, Eine kurze Geschichte der Zähringer,
in: Mittelalter. Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins 23 (2018), S. 110118, bes. S.
115117.
Dass in Breisach im späten 16. Jahrhundert Waldrappen nachweisbar sind, belegt Zierotin
(siehe bei 1593). So wie die Formulierung bei Specklin klingt, könnte sie sich sehr wohl auf in
Gefangenschaft lebende Waldrappe beziehen, die nicht um 1200 lebten, sondern zur
Lebenszeit des Kompilators.
Rodolphe Reuss, Les collectanées de Daniel Specklin, architecte de la Ville de Strassbourg, in:
Bulletin de la Société pour la conservation des monuments historiques d'Alsace 13 (1888),
S. 157360, bes. S. 218.
64
1238 um (Bericht nicht vor 1538)
Textquelle (chronikal)
Entdeckung der Therme Pfäfers bei Bad Ragaz
Zur Entdeckung der Therme Pfäfers in der Taminaschlucht bei Bad Ragaz wird von einem Jäger
berichtet, der in das Tobel gestiegen sei, um Waldrappe auszunehmen.
Die Überlieferung dieses Ereignisses taucht zuerst bei Tschudi im Jahr 1538 auf: S. 60:
Porrò thermae Favarianae intra trecentos annos [also um 1238] repertae sunt per venatorem
quendam, qui ex familia sua Vogler vocatus fuit; hic insecutus pullos corvorum sylvestrium,
pervenit in invium desertum, descendensque in profundum montium hiatum, invenit aquas
calidas. Est aut dominium illarum thermarum abbatis Favariani.
Der Text ist auch in der ebenfalls 1538 erschienenen deutschen Fassung auf fol. hIVvf.
enthalten:
Das warm bad zu
o
Pfa
e
vers ist erst innert drühundert jaren durch einen ja
e
ger erfunden, hat von
geschlecht der Vogler geheyssen, der was jungen Waldrappen in das ruch unwandelbar tobel
nachgestigen etc.
Werner Vogler stellte die Quellen zur Geschichte des Bades 1986 umfassend zusammen.
Neben für uns unerheblichen archivalischen Quellen aus dem 14. und 15. Jahrhundert ist als
älteste erzählende Quelle zum Bad Felix Hemmerlis (Malleolus) Traktat De balneis naturalibus
hic et alibi constitutis (vor 1459) zu nennen (vgl. Vogler, S. 519f.), in dem freilich weder Jäger
noch Waldrappe erwähnt werden.
Die Waldrappe treten zuerst bei Tschudi auf. Zehn Jahre nach Tschudi wird der Bericht, leicht
modifiziert bei Stumpf (siehe bei 1548) wiederholt, foll. 322v323r: 10. Buch, 23. Kapitel.
Bei Gesner (siehe bei 1555/1557), S. 337, steht der Bericht erstmals im ornithologischen
Zusammenhang: [die Waldrappen] Fabarias thermas repertas aiunt.
Die Episode von den Waldrappen und der Entdeckung der Quellen auch bei Johann Guler von
Weineck, Raetia, das ist außführliche und wahrhaffte Beschreibung der dreyen loblichen
Grawen Bündten und anderer Retischen Völcker, Zürich 1616 (Link), fol. 81rv, erwähnt.
Die Gründungserzählung wird bei Augustin Stöcklin ausgebaut, der 1630 erstmals Jäger des
Abtes nennt, welche den Familien Vils und Thuli aus Vilters entstammten würden.
Der geschilderte Vorgang deutet auf die Erfahrungen des 16. Jahrhunderts. Da es keinerlei
historische Absicherung der Entstehung des Bades in Pfäfers im 13. Jahrhundert gibt, ist der
Quellenwert für diese Zeit gering (nicht vorhanden).
65
Text mit Erwähnung der Waldrappen:
Aegidius Tschudi, De prisca ac vera Alpina Rhaetia, cum caetero Alpinarum gentium tractu,
nobilis ac erudita ex optimis quibusque ac probatissimis autoribus descriptio, Basel 1538
(VD 16 T 2155), S. 60;
Gilg Tschudi, Die uralt varhafftig alpisch Rhetia sampt dem tract der anderen alpgebirgen nach
Plinii Ptolemei Strabonis auch anderen welt- unf gschichtscheybern warer anzeygung,
Basel 1538 (VD 16, T 2153), fol. hIVvf.; detto VD 16, T2154, Basel 1560, fol. h IVvf.
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 539;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 510512;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Werner Vogler, Zur frühen Geschichte des Pfäferser Bades, in: Ursus Brunold, Lothar Deplazes
(Hgg.), Geschichte und Kultur Churrätiens, Festschrift für Pater Iso Müller OSB zu seinem
85. Geburtstag, Disentis 1986, S. 515541, bes. S. 515517;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
66
1400, um (nicht nach 1415)
Knochenfund
Olten, Historisches Museum: Archäologische Funde aus der Alt-Wartburg bei Olten
Die Knochen wurden 1966 in der Südostecke innerhalb des Wohnturms, Schicht K, gefunden.
Der Ausgräber Werner Meyer datierte diese Schicht um 1400. Als spätestes Datum steht 1415
fest, damals wurde die Burg zerstört und der Boden mit einer dicken Schuttschicht bedeckt.
Die Tierknochen des Fundkomplexes sind als Speisereste zu interpretieren. Die darunter
befindlichen Waldrapp-Knochen stammen alle von einem Individuum. Häsler gibt die
Schnabellänge mit mindestens 15 cm an.
Dieser Knochenfund gilt zu Recht als der entscheidende Beleg für die Existenz des Waldrapps
im 15. Jahrhundert im mitteleuropäischen Raum. Er bildet gleichsam die reale Grundlage, die
schriftlichen Quellen und die uneindeutigen Bildquellen zu beurteilen.
Stephan Häsler, Erster sicher datierbarer Skelettfund des Waldrapps Geronticus eremita aus
der Schweiz, in: Ornithologischer Beobachter 74 (1977), S. 30;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
Online-Inventar der Kantonalen Denkmalpflege Aargau:
http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=24954.
67
1441
Textquelle (archivalische)
München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, KL Baumburg 42: Rechnungsbuch
(Ausgabenbuch) des Klosters Baumburg 14411453
Hinweise auf den Waldrapp zum Jahr 1441. Die derzeit verfügbaren Angaben zu diesem Beleg
(siehe den Brief von Frau Weinberger) sind zu ungenau, um in der Quelle den Ort, an dem der
Waldrapp genannt sein soll, zu finden. Bei einem grundsätzlich ähnlichen Fall aus Baumburg
(1471; siehe 1471) sind die Angaben präziser und haben sich als korrekt erwiesen.
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Waldrapp ;
https://beutelwolf-blog.de/portrait-waldrapp;
Brief von Elisabeth Weinberger, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv vom 8. Dezember
2020.
68
1455, ca.
Bildquelle
Waidhofen an der Thaya (Niederösterreich), Stadtarchiv, Cod. 1: Stadtbuch
Das Stadtbuch von Waidhofen an der
Thaya enthält Aufzeichnungen, die für die
Stadt wichtige Rechtsgeschäfte festhält
und so der Rechtssicherheit dienen sollen.
Die Erstanlage eines derartigen Corpus
muss noch im späten 14. Jahrhundert
erfolgt sein, die hier vorliegende Abschrift
erfolgte um 1455 und wurde einige Jahre
weitergeführt.
Das Stadtbuch beginnt auf fol. 2r mit einer
großen Initiale H(ie), die aus einem Schaft
besteht, dessen Form an Notarssignete
erinnert, und einem Bogen, der als Vogel
gestaltet ist.
Seit dem Jahr 1971 wird der dargestellte
Vogel mit dem Waldrapp in Verbindung
gebracht. Wie bei einigen anderen mittelalterlichen Bildquellen (Liber viventium aus Pfäfers:
siehe bei 800/825), Kapitell aus Aulnay (siehe bei um 1135) und von der Wartburg (siehe bei 3.
Viertel 12. Jahrhundert) sind die Hälse extrem verlängert. Dies ist offensichtlich dem
gestalterischen Wollen geschuldet, eine Naturähnlichkeit wird nicht angestrebt. Der lange
gebogene Schnabel und der Kopfschmuck belegen freilich, dass der Künstler nicht bloß
irgendeinen beliebigen Vogel wiedergeben wollte, sondern dass er charakteristische Motive in
seine Darstellung einbaute. Der Kopfschmuck mit seinen „Augen“ erinnert stark an einen Pfau.
Der lange, dünne, im vorderen Bereich gebogene Schnabel ist jedoch keineswegs mit einem
Pfau zu verbinden. Vielmehr fehlt das zentrale und charakteristische Merkmal, das bei
Darstellungen von Pfauen im Mittelalter immer vorkommt, die langen Schwanzfedern, die der
Vogel zu einem Rad anordnen kann.
Dieses Beispiel verdeutlicht auf exemplarischer Weise wie vielschichtig die Interpretation
mittelalterlicher Bildquellen sein kann.
69
Otto H. Stowasser, Das Stadtbuch von Waidhofen an der Thaya. Mit einer Einleitung über die
privatrechtlichen Stadtbücher des Wiener Rechtskreises, in: Jahrbuch für Landeskunde
von Niederösterreich N. F. 15/16 (1916/17); S. 1116;
Eduard Führer, 600 Jahre Waidhofner Stadtbuch (13831484), in: Das Waldviertel 32 = 43
(1983), Folge 7/8/9, S. 160169;
Helmut Hutter, Wie kam der Waldrapp nach Waidhofen?, in: Museum für alle 7 (2004), S. 811;
Franz Fischer, Schätze aus dem Waidhofner Stadtarchiv, in: Online-Fassung der
Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN), 24. April 2019 (Ausgabe Waidhofen an der
Thaya): LINK.
https://manuscripta.at/hs_detail.php?ID=45890 (mit Digitalisat, Bibliographie und allen
relevanten Angaben).
70
1471
Textquelle (archivalische)
München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, KL. Baumburg 43, Rechnungsbuch des
Klosters Baumburg 14711474
Auf fol. 23r Erwähnung eines Steinraben.
Der Begriff Steinrabe wird dann vor allem bei Cordus (siehe bei 1561 (recte wohl nicht nach
1544)) für den Waldrapp verwendet.
Für einen weiteren Beleg aus Baumburg siehe oben bei 1441.
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Waldrapp;
https://beutelwolf-blog.de/portrait-waldrapp
71
4. Viertel 15. Jahrhundert
Bildquelle
Bayerische Staatsgemäldesammlung (BSGS), Inv.-Nr. 1468: ausgestellt in: Burghausen,
Staatsgalerie in der Burg Burghausen: Tafel des Rottenbucher Altars mit Christus und
den schlafenden Jüngern am Ölberg
Killermann führt diese Quelle in die
Waldrapp-Forschung ein und gibt an
„Schleißheim, Gemäldegalerie,
Heiland in der Todesangst“. Die
Nachzeichnung Killermanns (1912,
S. 275) stimmt mit einem Detail
rechts unten der hier behandelten
Tafel überein. Killermann behandelt
zwei Gemälde (siehe auch den
folgenden Eintrag) und lässt den/die
LeserIn bei vielen Angaben im
Unklaren, auf welches der beiden
sie sich beziehen. Korrekt ist aber,
dass auf beiden ein sehr ähnlich
dargestellter Vogel zu sehen ist, der
aus heutiger Sicht als junger
Waldrapp zu identifizieren ist.
Zum Werkkomplex
Der aus dem oberbayerischen Augustiner-Chorherrenstift Rottenbuch stammende „Rottenbuch
Altar“ (zu zugehörigen Stücken in bayerischem Staatsbesitz siehe HIER, weitere bei Statnik, S.
136145, deren Kenntnis dieser Ludwig Meyer dankt) und der aus dem Benediktinerkloster Attel
bei/in Wasserburg stammende „Atteler Altar“ (zu zugehörigen Stücken siehe HIER) sind nahe
verwandt und wurden zuletzt von Björn Statnik ausführlich behandelt. Viele von ihm behandelte
Fragen der Händescheidung und die wohl kaum zutreffende Zuweisung des Werkkomplexes an
einen Sigmund Gleismüller können hier außer Betracht bleiben. Wichtig ist, dass es sich um
eine niederbayerische Werkgruppe handelt, die hohe Qualität, ein sehr starkes Interesse Mode
und reale Gegenstände darzustellen und die Fähigkeit vereint, die Oberflächen differenziert
darzustellen.
Weitere Merkmale sind steinsichtige Architekturmotive und sehr oberflächengetreue Steinböden
einerseits und detailliert ausgeführte weite Landschaften mit Vordergründen mit streumusterartig
72
gestalteten, aus Bestandteilen realer Pflanzen zusammengesetzten Wiesengründen
andererseits.
Für die hier verhandelte Fragestellung sind jene Tafeln zentral, die diese Wiesenflächen mit
Vögeln beleben (andere Tiere vor allem im Mittelgrund [zum Beispiel Hirsche in Schrägansicht
vgl. Statnik, Taf. XXI] scheinen auf druckgraphischen Vorlagen zu beruhen). Die Vögel sind
ornithologisch bestimmbar und treten bei der Taufe Christi aus Attel (BSGS, Inv.-Nr. 2620:
Flussseeschwalbe, Kiebitz, Stieglitz [Distelfink] vgl. Statnik, S. 26f.) und bei der hier
behandelten Tafel (Waldrapp, Distelfink, Elster und Wiedehopf Killermann, 1912) auf. Statnik
widmet diesem Phänomen einen eigenen (nicht immer überzeugenden) Abschnitt (S. 2732), in
dem er sehr zu Recht oberitalienische Anregungen namhaft macht (Giovannino deʹ Grassi,
Pisanello [Werkstatt Zuschreibungsprobleme sind hier irrelevant] ein Schwarzstorch im
Louvre in Paris als Beispiel genannt: LINK), deren Salzburger Rezeption ab den 1420er Jahren
er aber übergeht (dazu Gerhard Schmidt, Egerton Ms. 1121 und die Salzburger Buchmalerei um
1430, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 39 [1986], S. 4157; Reprint in: derselbe,
Malerei der Gotik. Fixpunkte und Ausblicke, Graz 2005, Bd. 1, S. 401418). Statniks These, die
Vögel seien von einem eigenen Werkstattmitglied gemalt worden (S. 32, 62f.), erscheint
abwegig, denn das Interesse erkennbare Objekte (Pflanzen, Modedetails, Architektur, …)
oberflächensensualistisch darzustellen, ist ein Grundprinzip der Werkgruppe.
Mit guten Gründen kann Statnik die hier relevante Gruppe in Landshut verorten (S. 176f.). Als
Datierung sind Fixpunkte vorhanden: Einerseits die Rezeption von Schongauer Stichen (für die
Ölberg-Szene vgl. HIER), die eine Entstehung vor dem 4. Viertel des 15. Jahrhunderts
ausschließen, und andererseits der sich um 1500 deutlich wandelnde Zeitstil. Die Datierung in
das 4. Viertel des 15. Jahrhunderts ist gut abgesichert.
Zum Waldrapp
Die Ölbergszene des Rottenbucher Altars zeigt in einem durchaus prominenten Rasenstück
rechts vorne, das dicht mit
Pflanzen bewachsen ist, einen
Vogel, den Killermann als
schwarzes, rabenartiges,
verhältnismäßig großes Tier mit
roten Beinen und einem roten,
krummen Schnabel“ beschreibt.
„Die Mähne fehlt oder
verschwindet in dem dunklen
Hintergrunde“. 1911 identifiziert
Killermann den Vogel als
73
Waldrapp (Geronticus eremita L), den er treffend wie folgt beschreibt: „Der Vogel ist — kurz
geschildert im Allgemeinen etwas größer als eine Haushenne, hat schwarzes ins Grüne
schillerndes Gefieder, auf dem Nacken einen steifen Federbusch oder mähnenartigen Schopf.
Was ihn noch besonders auszeichnet, das sind die schmutzig roten Beine und der ebenso
gefärbte, lange und Ibis-ähnlich gebogene Schnabel. Der Kopf ist klein, gelb und im Alter nackt;
die Augen besitzen eine orangerote Iris.“
Die Identifikation widerruft er freilich ein Jahr später wieder und identifiziert den Vogel nun mit
der rotschnäbeligen Alpenkrähe (Pyrrhocorax graculus L). Killermann zieht zudem in Betracht,
dass „vielleicht auch der Maler die Charaktere beider Vögel vermengt [hat].“ Damit spricht er ein
entscheidendes methodisches Desiderat an. Die heute betriebene, an einer wissenschaftlichen
Klassifizierung interessierte Naturbeobachtung und die Naturbeobachtung von Malern des
Spätmittelalters sind grundverschieden. Dem hier tätigen Maler geht es bei der Wiedergabe von
Pflanzen und Tieren zwar um mehr als die Festlegung, dass eine Szene im Freien spielt,
Klassifikation war nicht sein Ding. Er möchte Natur wiedererkennbar und für das Publikum
erlebbar darstellen und hat dazu auch die malerischen Fähigkeiten.
Diese Fähigkeiten zur Naturdarstellung ermöglichen es Bernhard Gönner zumindest die
Identifikation des dargestellten Vogels mit einer Alpenkrähe auszuschließen. Dafür sind der
Hals, der Schnabel (zumindest doppelt so lang wie der Kopf) und auch die Beine viel zu lang
wiedergegeben.
Für den Waldrapp sprechen der allgemeine Körperbau, das schwarze Gefieder, die roten Beine
und der rote Schnabel. Dass dieser deutlich gebogen und schmal dargestellt wird, ist als
charakteristisches Merkmal zu werten, das eine Identifikation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
zulässt, obwohl der Kopfschmuck und der kahle Kopf der erwachsenen Waldrappe fehlen. Für
Statnik, S. 32 (und S. 216), ist zweifelsfrei ein jugendlicher Waldrapp dargestellt. Dass es sich
dabei um das erste zuverlässliche Bildzeugnis handelt, thematisiert Statnik jedoch in keiner
Weise. Auch Fritz und Janák, gehen davon aus, dass der Künstler einen realen Waldrapp als
Vorbild vor Augen hatte. Ihn als Vertreter von Tod und Jenseits zu interpretieren, wie Fritz und
Janák dies vorschlagen, ist jedoch verfehlt.
Die hier behandelte Bildquelle ist die erste, die eine eindeutige Identifikation mit hoher
Plausibilität ermöglicht. Dass sie an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit steht, ist
bezeichnend.
Killermann, Waldrapp, 1909/10, S. 371375 <noch einsehen>;
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 274f.;
74
Alfred Stange, Malerei der Gotik 10: Salzburg, Bayern und Tirol in der Zeit von 1400 bis 1500,
Berlin 1960 (Reprint 1969), S. 120f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 18;
Björn Statnik, Sigmund Gleismüller. Hofkünstler der Reichen Herzoge zu Landshut, Petersberg
2009, S. 9, 32, 99, 132155 (dazu auf S. 279 ein Rekonstruktionsversuch des
Originalzustands der derzeit acht bekannten Tafeln), 176f., 183;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65;
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 8.
75
4. Viertel 15. Jahrhundert
Bildquelle
München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. MA 3738: Tafel mit Katharina und
Barbara
Das Gemälde wird von Killermann gemeinsam mit der zuvor
behandelten Tafel in die Waldrapp-Forschung eingeführt.
Die dargestellten Heiligen, die Feststellung, die Tafel
stamme aus Wasserburg am Inn, und der sehr ähnlich der
Tafel aus dem Rottenbucher Altar (siehe oben) dargestellte
Waldrapp ermöglichen die Identifikation.
Der hier behandelten Tafel gehört eine zweite zu (Inv.-Nr.
MA 3739), die Margarethe und Dorothea darstellt. Beide
waren nicht sichtbar im barocken Hochaltar der
Stadtpfarrkirche St. Jakob in Wasserburg verbaut und
wurden 1879 gefunden (Statnik, S. 214). Wie bereits bei der
zuvor behandelten Tafel ausgeführt, bilden ein extrem
ausgeprägtes Modebewusstsein, detaillierte Wiesengründe
sowie steinsichtige Architektur und besonders
oberflächensensualistisch gestaltete Steinfußböden (diese
beiden beim zweiten Bild) Merkmale, die eine
niederbayerische, wohl in Burghausen zu verortende
Werkgruppe auszeichnen (zu dieser siehe oben). Während Stange, eine der beiden hier
behandelten Tafeln sogar dem Hauptmeister des „Atteler Altares“ zuordnet, behandelt Statnik
die Tafeln, wie mir scheint zu Unrecht, bloß nebenbei (S. 214217).
Statnik bemerkt sehr zu Recht, dass beide Tafeln, die hier behandelt werden, aus
kompositorischen Gründen rechte Flügel von hochrechteckigen Retabeln gewesen sein
müssen. Er schlägt zwei gleichzeitig entstandene Altäre für die beiden Seitenkapellen der
Wasserburger Pfarrkirche vor. Dass die Kirche ursprünglich zum Kloster Attel gehörte, ergänzt
die Verbindungen, die aufgezeigt wurden.
Im Wiesengrund ist ganz links unten im Eck der hier relevante Waldrapp dargestellt, unten
zentral ist eine Elster zu sehen, die mit dem Schnabel das Schriftband, das die heilige Katharina
bezeichnet, berührt. Auf Barbaras Schriftband sitzt ein Frosch. Die beiden Bäume, die
76
Weinrebe, die sich zwischen
ihnen aufspannt und das
Ehrentuch hinter den Heiligen
gleichsam in die Natur fortsetzt,
sowie der ganze Hortus
conclusus sind ebenfalls mit gut
erkennbaren Vögeln bevölkert.
Statnik bestimmt Stieglitz,
Wanderfalke, Rotkehlchen und
Zeisig und bemerkt sehr zu
Recht, dass die Vögel keiner
symbolisch zu deutenden
Ideologie folgen. Er bewertet dies jedoch wie mir scheint irrig als Mangel und nicht als
Ausdruck der Fähigkeit des Malers, Naturphänomene wirklichkeitsgetreu abzubilden. Diese
Fertigkeit wurde vom Publikum sehr geschätzt, keinesfalls nur in den Niederlanden, wo dieses
Phänomen zu einem Grundprinzip der Altniederländischen Malerei zählt, sondern auch in
Bayern und an vielen anderen Orten.
Die Darstellung des Waldrapps entspricht weitgehend jener auf der zuvor behandelten Tafel des
Rottenbucher Altars (siehe daher für diese Aspekte dort). Bernhard Gönner bestätigt auch in
diesem Fall, dass es sich um einen Jungvogel handelt, für den der leicht graue Kopf
charakteristisch ist.
Die beiden zusammengehörigen Waldrapp-Darstellungen der hier behandelten
niederbayerischen Werkstätte sind die bisher ältesten Beispiele, die den Waldrapp jeweils ein
jugendliches Exemplar so naturgetreu abbilden, dass eine Zuordnung mit ausreichender
Sicherheit möglich ist.
Killermann, Waldrapp, 1909/10, S. 371375 <noch einsehen>;
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 274f.;
Alfred Stange, Malerei der Gotik 10: Salzburg, Bayern und Tirol in der Zeit von 1400 bis 1500,
Berlin 1960 (Reprint 1969), S. 113;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 18;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 323, hat das Gemälde geprüft und bestätigt die revidierte
Meinung Killermanns von 1912, es handle sich dabei um eine Alpenkrähe;
Björn Statnik, Sigmund Gleismüller. Hofkünstler der Reichen Herzoge zu Landshut, Petersberg
2009, S. 214217;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64f.
77
Herzlichen Dank an Herrn Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum für die
umfassende Beantwortung einer Anfrage.
78
1481 März (Überlieferung: 1580)
Textquelle (narrative)
Überlingen, Stadtarchiv, Reutlinger Kollektaneen, Bd. 13, pp. 15109: Cronik und
verzaichniß etlicher fürnemer geschichten von Lienhard Wintersulger und Conrad Zetler
Die Chronik aus Überlingen umfasst die Jahre 14551498. Ab dem Jahr 1470 erfolgt der Bericht
offenbar parallel zu den Ereignissen. Bis 1480 ist Bürgermeister Lienhard Wintersulger für den
Inhalt verantwortlich, dann bis 1498 Stadtschreiber Conrad Zetler, bei dem der Schwerpunkt auf
Wetterphänomenen liegt. Alle Angaben zur Quelle finden sich bei:
http://www.geschichtsquellen.de/werk/5289.
Auf S. 127 der Edition wird zum Jahr 1481 ein ungewöhnliches Witterungsereignis geschildert:
... Und aber im Mertzen fieng es an zu schneyen und wayet ostwind fast kalt und fiel si ain
großer schnee als in dem winter je und beleibe bis zu mitten Mertzen und was so kalt, das alle
ding gefrürend. Und erfroren und hungers sturben die vögl, groß und klain, und wurden so
äntenloß [schwach], das man sie mit den henden fieng. Item zu mitten Mertzen vor und nach
fieng man sovil vögel, die auch hungers sturben, das es ain jeglich mensch billich erbarmt
haben solt. Man fieng auch waldtrappen mit den henden one allen zeug, verrechter [lahm]
äntenlößer und ander seltsam geflügl, die gest waren an der ort (sic!). (...)
Der Charakter der Quelle ist vollkommen unverdächtig, die Überlieferung ist allerdings spät: der
Codex endet actum montag den 11. Januar 1580 von mir Jacob Reutlinger, gerichtsschreiber.
Trotzdem kann der Quelle hoher historischer Wert beigemessen werden.
Über Wetterphänomene in der Region sind wir zumindest ansatzweise informiert, da Fritz
Klemm, Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Südwestdeutschland bis
1700, Offenbach am Main 1979, S. 9f., Belege tabellarisch zusammengestellt hat. Zu 1481
kennt Klemm keine Daten, Überlingen kommt zum Jahr 1491 vor (S. 10). Dass 1491 einen
besonders langen und kalten Winter hatte, ist auch andernorts nachweisbar (siehe auch S. 12
und 15).
Parallel zur ersten belastbaren Bildquelle (siehe die beiden vorherigen Einträge) sind die
Eintragungen Conrad Zetlers zu Wetterphänomenen in Überlingen das erste chronikale
Zeugnis, dass mit hoher historischer Zuverlässlichkeit von einem Vogel berichtet, der Waldrapp
genannt wird. Da mit dieser Bezeichnung die genauen Beobachtungen Conrad Gesners (siehe
bei 1555/1557) verbunden sind, besteht kein Grund, den Bericht aus Überlingen zu bezweifeln.
79
Ph(ilipp) Ruppert, Konstanzer Beiträge zur badischen Geschichte. Altes und Neues, Konstanz
1888, Abschnitt VI: Ein Ueberlinger Chronist des fünfzehnten Jahrhunderts, S. 96132;
bes. S. 127;
Robert Lauterborn, Faunistische Beobachtungen aus dem Gebiete des Oberrheins und des
Bodensees, 10. Reihe, in: Mitteilungen des Badischen Landesvereins für Naturkunde und
Naturschutz N.F.4 (1940), S. 217228 und 249252 bes. S. 224f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65;
Landmann, Bestandsschutz, 2015, S. 172f. (ungerechtfertigt kritisch);
Schenker, Replik, 2017, S. 130.
80
1490
Bildquelle
Hrastovlje / Cristoglie / Chrästeirach (Halbinsel Istrien, Slowenien), Dreifaltigkeitskirche
oberhalb des Ortes, Freskenausstattung des Johannes (Janez / Ivan) de Kastua (aus
Kastav).
Die Fresken der Kirche wurden
1490 vollendet und 1949
wiederentdeckt. Tomo
(Thomas) Vrhovic aus Kubed
beauftragte den Maler, wie eine
Inschrift belegt: Hoc opus fierit
(wohl für fieri?) fecit Tomic
Vrchovich de [Cubitum],
magister Johannes de Castua
pinxit. (zit. nach Iskrić;
Korrekturvorschläge MR)
Die Freskenausstattung zeigt viele Vögel.
Der präsumtive Waldrapp ist Teil des Zuges
der Heiligen Drei Könige an der Nordwand
der Kirche und befindet sich zwischen zwei
Männern (Perco / Tout, S. 82f.).
Gewisse Elemente des Körperbaus erinnern
an den Waldrapp. Zu nennen sind der lange
Schnabel, die roten, teilweise gefiederten,
freilich zu kurzen Beine und die an den
Füßen erkennbar wiedergegebenen Krallen,
die die Zehenstellung (drei nach vorne, eine
nach hinten) zeigen. Der gegen die
Gefiederrichtung aufgebogene Federkomplex
im hinteren Bereich hat jedoch keine
Entsprechung beim realen Waldrapp und
wird auch in keiner historischen Quelle
thematisiert.
81
Die Existenz von Waldrappen an der Adria ist in Schriftquellen belegt. Erstmals berichtet
Gesner, 1555 (in der lateinischen Ausgabe), S. 337: (...) in Istria circa promontorium Polae, ubi
homine per funem demisso per rupes nidis eximuntur.
Im Slowenischen gibt es für den Waldrapp nach Perco und Tout, S. 81, einen eigenen Begriff,
klavžar“, entsprechend den in Österreich verbreiteten Begriff „Klausrabe“. Zudem ist Klavžar
ein gar nicht seltener Familienname in Slowenien.
Trotzdem muss das Fresko nach derzeit zu überprüfendem Stand aus der Quellensammlung
ausgeschieden werden. Die Identifikation des dargestellten Vogels mit einem Waldrapp war
stark von den Interessen der Waldrapp-Forschung (Wiederansiedelung) geprägt. Die
Abweichungen der Formen sind jedoch bedeutend. Dass ein besonders betonter,
charakteristischer Federbusch keinerlei Parallelen bei realen Waldrappen hat, schließt eine
Identifikation aus.
Die malerische Ausstattung der Kirche kann virtuell besichtigt werden:
https://www.burger.si/Obala/index.html#Hrastovlje; http://www.istria-
culture.com/de/allerheiligenkirche-in-hrastovlje-i13; die beiden Männer mit dem Vogel in
der Mitte an der Nordwand im unteren Bereich des Zuges der Heiligen drei Könige mittig.
Fabio Perco, Paul Tout, Notes on recent discoveries regarding the presence of the northern bald
ibis Geronticus eremita in the upper Adriatic region, in: Acrocephalus. 22 (106/107), 2001,
S. 8187, bes. S. 82f.;
Brane Koren, Poizkusni klateži obiskali Slovenij, in: Svet ptic 02‘ 06 (Februar 2006), S. 24f.:
Koren erwähnt auch das Wappen einer Adelsfamilie Elio aus Koper, das einen
Waldrapp zeigte, macht aber keine nachverfolgbaren Angaben. Zum Wappen der
Familie Elio siehe: Giovanni Radossi con la collaborazione di Salvator Žitko, Monumenta
heraldica Iustinopolitana. Stemmi di rettori, di famiglie notabili, di vescovi e della città di
Capodistria, Rovigno, Triest 2003, S. 168172. Radossi bezeichnet den Vogel im Wappen
als „cicogna“ (Storch) oder „gru“ (Kranich). Der Vogel des Wappens wird bei
https://it.qaz.wiki/wiki/Northern_bald_ibis hingegen als Waldrapp identifiziert (mit weiteren
Hinweisen). Eine Beurteilung ohne Kenntnis der Blasonierung eines zu vermutenden
Wappenbriefes für die Familie ist nicht möglich;
Saša Iskrić, Ibis redibis nunquam peribis. A Story of Caves, Latin Grammar Tricks, Egyptian
God, Frescoes, and a Bird, Webpublikation 2014: Link.
Ich danke Saša Iskrić für viele wichtige Hinweise.
82
C-3 ab 1500 bis ins 17. Jahrhundert
Das 16. Jahrhundert ist zweifellos die Zeitspanne, aus der die dichteste und eindeutigste
Quellenbasis zum Waldrapp existiert. Sowohl Bild-Textquellen mit naturkundlichem
Schwerpunkt als auch solche, die ganz andere Ziele verfolgen (zum Beispiel Wappenbriefe:
siehe bei 1531 Oktober 12, 1536 Oktober 8, 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31), 1554 Juli 9) sind
zu nennen.
Auch Quellen, die nur auf die Darstellung fokussieren sind auf Grund der nun schon von den
Künstlern bewusst angestrebten Naturähnlichkeit wesentlich eindeutiger als Kunstwerke älterer
Zeit.
Bei den Textquellen ist einerseits auf die Vielfältigkeit der Benennung hinzuweisen (Waldrapp,
Klausrapp, Steinrapp) aber andererseits auch auf die dichte Quellenbasis zu den Waldrapp-
Kolonien in Graz und Salzburg.
Trotz aller, durchaus berechtigter Vorbehalte bleibt der Liber avium des Conrad Gesner (siehe
bei 1555/1557) mit seinem illustrierten Abschnitt zum Waldrapp die zentrale Quelle schlechthin.
83
1504 März 16
Textquelle (archivalische)
Wien, Hofkammerarchiv, Gedenkbuch (GB) 13
Auf fol. 281v wird ein Schriftstück in das
Gedenkbuch eingetragen, mit dem Kaiser
Maximilian I. (reg. 14861519) seinen Vizedom
beauftragt ein Haus in Graz zu erwerben, weil dort
Waldrappe nisten.
An Leonnhardten von Ernnaw, vitzthumb in Steyr
von wegen etlich rabenneste unnder der stainwannt
beym Huebhaws zu Grätz.
Wir Maximilian etc. embieten unnserem getrewen
lieben Leonhardt von Ernaw, unnserem rate unnd
vitzthumb in Steyr unnser gnad unnd alles gut. Wir
emphelhen daz du den garten bey unnserem
huebhaws zu Gräcz unnder der stainwandt, da
die klawsraben aus ziehen [ausfliegen] und
Micheln Fleyschackher unnserem burger daselbs zu
Grätz zugehorn soll, von den nutzen unnd rennten,
so du von unnseren wegen einnymbst, zu unnsern hannden kauffest. Auch denselben
klausraben mer gestell in die beruert stainbant [Steinwand], sovil der die notturfft erfordert,
machen lassest unnd darinn nichts verziehest. Das solle, was sich in raittung erfinden wurdet,
dir alles kunfftigelichn etc.
Datum Augsburg, am 16. marcii
anno etc. im vierdtn. (Beigefügt:
volgt mer fo(l) 291 ca(pitulo)
ulti(m)o)
Offensichtlich ist, dass die
Obsorge um Vögel, die
Klausraben genannt werden,
die auch im Titel genannte
Hauptrolle bei diesem
Grundstücksgeschäft spielen.
Welche Funktion die Vögel
84
freilich für den Kaiser spielten, wird nicht ausgeführt. Das Interesse an einer ornithologischen
Besonderheit, die bekannten jagdlichen Interessen des Herrschers und vielleicht sogar die
Bedürfnisse seiner Küche werden eine Rolle gespielt haben.
An dem Ort befinden sich, wie Popelka und Hable beobachteten, auch heute noch künstlich
geschaffene Bruthöhlen. Das Hubhaus, das damals auch die Münzpräge beherbergte, war Teil
der heutigen Liegenschaft Sackstraße 16. Popelka verweist auf die letzte Nachricht zu den
Klausraben aus dem Jahr 1566 (1566).
Der Verweis scheint sich auf folgenden Eintrag
(allerdings auf fol. 292v) zu beziehen:
An Leonnhardtn von Ernnaw vitzthumb in Steyr
etlicher einsetz oder gruebl halbn, so er zu vischen
(?) machen sol.
Getrewer lieber, wir emphelhen dir ernnstlichen unnd
wellen, daz du unns von den nutzen unnd rennten, so
du von unnsren wegen einnymbst bey zweinzig clain
einsetz oder grubl umb unnser stat Gratz und vildan
(?) allennthalben, wo es am fuglichisten sein mag
unnd da sich die raiger unnd anntfogl am liebsten
aufhalten, zu unnser valckhenwayds zuerichten unnd
mit phallen und mit grundl zimlicher weys besetzen
lassesst und watz du also ausgeben etc. Datum
Augspurg am XXVII marcii anno etc. quarto.
Der Bezug scheint die Obsorge um Vögel zu sein, mit
den Waldrappen hat der Eintrag nichts zu tun.
Die archivalische Quelle aus Graz kann auch deswegen hohen Wert beanspruchen, weil sie Teil
einer vergleichsweisen dichten Überlieferung zum Brutplatz am Grazer Schlossberg gehört (die
nächste Quelle von 1528; siehe bei 1528, Jänner 1, Graz). Am zweiten gut belegten Brutplatz,
am Mönchsberg in Salzburg, beginnt die Quellenüberlieferung ebenfalls 1504 (siehe den
folgenden Eintrag).
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64;
Hable, Waldrapp, 1994, S. 114;
RI XIV 4/1, Nr. 18.401 = Regesta imperii 14,4: Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter
Maximilian I., 14931519 ; Bd. 4: Teil 1, Maximilian I. 15021504, bearbeitet von Hermann
85
Wiesflecker, Ingeborg Wiesflecker-Friedhuber und Manfred Hollegger, unter Mitwirkung
von Christa Beer, Wien 2002, S. 445;
Robert Büchner, Schattenseiten der höfischen Jagd: Maximilians übertriebene Wildhege und
schonungslose Greifvogelvernichtung, in: Maximilian I. (14591519). Wahrnehmung
Übersetzung Gender, Innsbrucker historische Studien 27, 2011, S, 411439, bes. S.
423f. (kurze Erwähnung);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67f.;
Peter Laukhardt, Großes Buch des Schloßbergs, in Vorbereitung.
Reinhart Bachofen, Wilhelm Hoffer, Jagdgeschichte Steiermarks, 4 Bände, Graz 19271931.
(wohl besonders Band 3). Noch prüfen
Ich danke Markus Gneiß für die Hilfe bei der Recherche.
86
1504 Juni 3
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat, Catenichl 4 (1504)
Auf fol. 14v steht eine
Verordnung Leonhards von
Keutschach, Erzbischof von
Salzburg (reg. 14951519), die
das Schießen von Raigern
(= Reiher zur Identifikation
vergleiche Jacob und Wilhelm
Grimm, Deutsches Wörterbuch,
Bd. 14 [1893], Sp. 656661)
und Klausraben verbietet.
Wir Leonhard etc. tun allen und
jeden zu kund und wissen, das unns anlanget, wie sich ettlich die jungen Raiger und
Klawsraben zu schiessen understeen, das unns nicht gemaint ist, und emphelhen darauf
allen und yeden ernstlich und wellen bei vermeidung unserer Straff und Ungnad, daß sich furan
nyemandt meer understee weder Raiger noch Klawsraben zeschiessen, sonnder solches
vermeiden, dann welh hieruber, daß sy soches teten, betreten wurden, darauf wir dann
kuntschaft bestellet haben, dieselben wolten wir darumb ungestraffr nicht lassen, darnach wisse
sich ain yeder zerichten und vor schaden zu verhuetten. Urkund des briefs mit unsern
furgedenckhten secreto geben zu Salzburg an Montag nach der heiligen Drivaltigkait anno
Domini etc. im vierden.
Reiher und ein Vogel, der Klausrabe genannt wird, sollen vor dem Abschuss geschützt werden.
Da der Klausrabe in Salzburg im Folgenden gut, eindeutig und dicht belegt ist, und die ihm
zugeordneten Eigenschaften mit dem Gesner’schen Waldrapp übereinstimmen (siehe bei
1555/1557), der zudem auch die Bezeichnung „Klausrapp“ nennt, besteht kein Zweifel an der
Existenz eines entsprechenden Tieres und der Identifikation mit dem hier behandelten Vogel,
dem Waldrapp.
Der hier vorliegende Band versammelt Texte aus der Kanzlei. Dabei handelt es sich keineswegs
um die endgültige, zum öffentlichen Aushang bestimmte Form der Schriftstücke (zur
Vervielfältigung siehe bei 1558, März 11 [zu 1559], 1578 März 28 und 1584 April 10).
Entsprechende Ausfertigungen sind weder im Bestand Erzstift“:
https://www.monasterium.net/mom/AT-HHStA/SbgE/fond; noch im Bestand „Domkapitel“:
87
https://www.monasterium.net/mom/AT-HHStA/SbgDK/fond in Wien, Haus-, Hof- und
Staatsarchiv (HHStA), nachweisbar, ebenso wenig in den Beständen Erzstift“:
https://www.monasterium.net/mom/DE-BayHStA/HUSalzburgErzstift/fond oder „Domkapitel:
https://www.monasterium.net/mom/DE-BayHStA/SalzburgDomkapitel/fond des Bayerischen
Hauptstaatsarchivs in München.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1531, 1558, März 11, 1578 März 28 und 1584 April 10
sind bekannt (siehe jeweils dort).
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 24;
Klein, Nachrichten, 1958, S. 62 (nur Hinweis auf Moewes);
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 66f.;
Gruber, Storchennester, 2019: Link (bloß Erwähnung).
Herzlichen Dank für das Wiederauffinden und die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger
Landesarchiv.
88
Anfang 16. Jh.
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Geheimes Archiv XXVI 1 1/2: Undatiertes Rechnungsbuch
Fol. 215r: Necessaria distributa pro necessatate
curie et extraordinoria.
Pro absumptio(ne) corvorum klawsraben: s. 10,
d. 12
Klein interpretiert den hier abgerechneten
Vorgang als das Ausnehmen der Jungvögel aus
den Nestern. Dass absumptio“ jedoch diese
Bedeutung hat, ist zumindest nicht eindeutig.
Conrad Gesner (siehe bei 1555/1557) verwendet
das wesentlich eindeutigere Verb „eximo“ (in der
deutschen Fassung: „ausnehmen“) um diesen
Vorgang zu bezeichnen. Zu diesem Vorgang
siehe ausführlich bei Stumpf (siehe bei 1548),
wo auch ältere Quellen, die diesen Vorgang
beschreiben, genannt werden.
In dem sprachlich zwischen lateinisch und deutsch schwankenden Eintragungen dieses
Rechnungsbuches aus der erzbischöflichen Verwaltung Salzburgs werden vor und nach dem
hier behandelten Eintrag sowohl Dienstleistungen vor allem aber auch Sachausgaben, zumeist
sehr kleine Beträge, verzeichnet.
Weitere Rechnungsbücher, die Waldrappe erwähnen, sind aus Kloster Baumburg (siehe bei
1441 und 1471) und aus Stift St. Peter in Salzburg (siehe bei 1524, 1532 und 1544) bekannt
(ausführlich Angaben beim Eintrag aus dem Jahr 1524).
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Herzlichen Dank für das Wiederauffinden und die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger
Landesarchiv.
89
1508, vor
Bildquelle
Murrhardt (Württemberg), Stadtkirche (ehem. Klosterkirche), Westwand des nördlichen
Querschiffs, Grabstein von Abt Lorenz Gaul von Murrhardt
Die Grabplatte des Abtes Lorenz Gaul (reg. 15011508 Infos
HIER) wurde, wie das Katalogisat im Band der Deutschen
Inschriften belegt, noch zu Lebzeiten des Abtes angefertigt. Für
das Todesjahr wurde bei der Umschrift ein Platz ausgespart,
der später nicht ganz ausgefüllt wurde. Zudem ist das
Zahlzeichen v deutlich anders gestaltet ist als die übrigen v der
Umschrift.
Ob das Wappen, das auf seiner Grabplatte zu sehen ist (LINK)
und einen schwarzen Vogel zeigt, vielleicht als Waldrapp
gedeutet werden kann, bedarf weiterer Studien. Die
Identifikation als Schnepfe (Deutsche Inschriften) erscheint
jedoch unwahrscheinlich. Bernhard Gönner denkt am ehesten
an einen Schwarzstorch.
Die Schwäbisch-Gmünder Familie Gul führt ein ähnliches
Wappen wie der Murrhardter Abt. Um welchen Vogel es sich
handelt, ist jedoch auch in diesem Fall nicht bekannt.
Aus heutiger Einschätzung muss der dargestellte Vogel aus dem Quellenkorpus zum Waldrapp
ausgeschieden werden. Eine weitere Quelle aus dem Kloster Murrhardt (siehe bei 15801620)
ist ebenfalls nicht stichhaltig.
Deutsche Inschriften (Online): http://www.inschriften.net: Deutsche Inschriften, Band 37: Rems-
Murr-Kreis (1994), Nr. 99 (Harald Drös und Gerhard Fritz);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65.
90
1521 (1518/1524)
Textquelle (lexikalische)
Johann Pinicianus, Ex promptuario vocabulorum variarum rerum vocabula ad puerorum
usum collecta (Promptuarium vocabulorum, Ausz), Augsburg 1521 (VD 16, P 2864):
Digitalisat
Im Abschnitt „De aviario, Von dem
vogelhauser und kobel“ (fol. XIIr-XIIv) wird auf
der ersten Seite auch „porphirio – stainrapp“
aufgeführt. Während der Steinrabe schon aus
Baumburg (wohl 1441, sicher 1471) bekannt
und bei Cordus und Gesner belegt ist, wird
diese Benennung hier mit der (höchst
problematischen) lateinischen Bezeichnung
Porphirio kombiniert. Ob vielleicht ein als
schwarz bekannter Stein bewusst einem
volkssprachlichen Begriff, der Stein
thematisiert, beigegeben wurde, kann
vermutet aber nicht bewiesen werden.
Bei Pinicianus könnte wohl das Purpurhuhn
(Porphyrio porphyrio) gemeint sein, das
freilich nördlich der Alpen nicht vorkommt.
Diese Gleichsetzung ist zwar hier durchaus
plausibel, für die Baumburger Quelle ist sie jedenfalls auszuschließen.
Porphirio wird, wenn man Whitman glauben, darf in seiner englischen Form felofor für eine
water-fowl verwendet (Charles Huntington Whitman, The birds of Old English literature, Urbana
1898 [Wiederabdruck aus: The Journal of Germanic Philology 2, 1898, S. 149198], S. 28f.).
Zum Purpurhuhn vergleiche vor allem Springer, De avium natura, 2007, S. 195f. Gesner,
Vogelbůch, 1557, foll. 190v191r, kennt den Vogel (Purpurvogel Porphyrio Telamon) aus der
Provence.
In der Erstausgabe der Vollversion des Textes (Promptuarium vocabulorum, Augsburg 1516
VD 16 P 2862), steht in Kapitel 9, Aviarium, auf Blatt CIIr folgender Eintrag: Porphirio. Avis, cui
crura oblonga et rostrum rubent, morsu bibit. In der Ausgabe Augsburg 1524 (VD 16, P 2863),
wurde auf fol. 14r dem Eintrag die deutsche Übersetzung beigefügt: Porphirio. Avis, cui crura
oblonga et rostrum rubent, morsu bibit. Stairapp.
91
Der Wortbestand porphirio stainrapp
kommt wenn ich recht sehe erstmals in
einem anonymen Druck aus dem Jahr 1518
vor: Ex probatissimis authoribus variarum
rerum vocabula pro iuventute scholastica
breviter, sed commodissime collecta,
Augsburg 1518 (VD 16, E 4699), fol. 13v.
Auch in der Ausgabe von 1521 (VD 16, P
2864), fol. 12r; 1522/23 (VD 16, P 2865), fol.
12r; 1528 (VD 16 P 2866), fol. 12r; 1530 (VD
16, P 2867), fol. 12r; 1532 (VD 16, P 2868),
fol. 12r; 1545 (VD 16, P 2872), fol. 13r; 1545
(VD 16, P 2882), fol. 13r.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376.
92
1524
Textquelle (archivalische)
Salzburg, St. Peter, Stiftsarchiv, Hs. A 629: Abteirechnungen 15231534
Auf fol. 55v des Rechnungsbuches wird vermerkt:
Item den hausgnossen von 7 Chlausraben abzunemmen: 23 d. (Pfennige).
Das Rechnungsbuch ist eine vollkommen unverdächtige Quelle, in der Ausgaben des Klosters
in chronologischer Reihenfolge enthalten sind. Der/die LeserIn erfährt, dass „Hausgenossen“,
also ein weltlicher Dienstleister des Klosters (zum Begriff vergleiche den Eintrag im Deutschen
Rechtswörterbuch: LINK), eine Tätigkeit, das „Abnehmen“ an sieben Klausraben verrichtet
haben. Man kann davon ausgehen, dass in der Wand über dem Kloster St. Peter Waldrappen
nisteten und Jungvögel, die für den Verzehr bestimmt waren, aus den Nestern aushoben
wurden. Dass dies gebräuchlich war, beschreibt Johannes Stumpf (siehe bei 1548), wo auch
weitere Quellen (ab 1504) genannt werden.
1532 (siehe 1532) wurde ein nahezu identischer Betrag an Trinkgeld bezahlt, die Tätigkeit wird
nicht benannt, bloß „pro Chlausraben“ wird angegeben. Ende Mai 1544 (zur jahreszeitlichen
Bestimmung siehe 1544) werden erneut 24 Pfennige an Trinkgeld bezahlt, diesmal für drei
Klausraben. Ob dieses doch vereinzelte Auftreten bedeutet, dass in den anderen Jahren keine
Waldrappe im Felsen oberhalb des Klosters nisteten, ob in den anderen Jahren die Nester,
obwohl die Vögel nisteten, nicht ausgenommen wurden, oder ob die Jungvögel auch in den
anderen Jahren aus den Nestern genommen wurden und bloß die Kosten dafür nicht
verzeichnet wurden, muss unbeantwortet bleiben.
Rechnungsbücher, die Waldrappe verzeichnen, sind auch aus Kloster Baumburg (siehe bei
1441 und 1471), dort als „Steinraben“ bezeichnet, und aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts
(siehe Anfang 16. Jh.), bekannt. Dieses Rechnungsbuch stammt, wie die Klosterrechnungen
von St. Peter, aus Salzburg, gehört jedoch zur Buchführung der Erzbischöfe. Dort wird für „pro
absumptione“ der Klausraben der (deutlich höhere) Betrag von 10 Schillingen und 12 Pfennigen
verzeichnet. Ob „absumptio“ und „abnehmen“ dasselbe bedeuten, kann vermutet werden, eine
Unsicherheit bleibt jedoch.
Weitere ähnlich lautende Belege sind aus den Jahren 1532 und 1544 überliefert (siehe jeweils
dort).
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63 (mit abweichender Signatur).
93
Ich danke der Stiftsbibliothekarin Sonja Führer für freundliche Nachschau und die Korrekturen
und Herrn Stiftsarchivar Gerald Hirtner für die großzügige Hilfe.
94
1528, Jänner 1, Graz
Textquelle (archivalische)
Wien, Hofkammerarchiv, Gedenkbuch (GB) 31
Auf fol. 7v wird ein Grundgeschäft in Graz verzeichnet: Am 1. Jänner 1528 verschreibt Kaiser
Ferdinand I. mit einer in der Graz ausgestellten Urkunde dem Freiherrn Sigmund von
Dietrichstein und dessen männlichen Leibeserben das landesfürstliche Hubamtshaus im Sack
(Hubhaus in der Sackstraße) mit dem Vorbehalte des Heimfalles beim Absterben des
Mannesstammes der Dietrichstein, und zugleich den Schaidgaden in diesem Hause: wenn wir
zu Grätz münzen lassen wollten, daß wir den Werkgaden zu solchem unsern Hause frei haben
und brauchen sollen.
Mit dem Verkauf ist eine besondere Verpflichtung verbunden: dass er und sein menlich leibs
erben sollen auch die Clausraben so ir wonung bei demselben hauss am Slosperg haben
wie bisher von den inhabern beru
e
rtes haus bescheen hayen, und diesselben nicht beschedign
oder vertreibn lassn (zitiert vor allem nach Laukhardt vgl. auch Albert von Muchar, Geschichte
des Herzogthums Steiermark, Bd. 8 [Graz 1867], S. 365, wo die entsprechende Stelle so lautet:
er und seine Leibenserben die sogenannten Klausraben, welche ihre Wohnung bei
demselben Hause am Schloßberge haben, wie von den Inhaber bisher beobachtet
worden ist, hegen und dieselben nicht beschädigen oder verderben lassen.).
Nach der Auflösung der Münze überließ König Ferdinand 1528 das Hubhaus Siegmund von
Dietrichstein. Das Grundstück, heute eine Hälfte des Palais Herberstein (Sackstraße 16), reicht
bis zum Felsen des Schlossberges. Die Fakten stimmen also alle gut zueinander, sind daher
sehr glaubwürdig.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 30;
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86 (Erwähnung);
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 321;
Peter Laukhardt, Großes Buch des Schloßbergs, in Vorbereitung.
Den Hinweis auf den Aufbewahrungsort verdanke ich Peter Laukhardt, dem dafür sehr herzlich
gedankt sei. Das Gedenkbuch 31 liegt derzeit (Dezember 2020) noch nicht digital vor.
95
Nicht bei Georg Göth, Urkunden-Regesten für die Geschichte von Steiermark vom Jahre 1252
bis zum Jahre 1580, in: Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark 14 (1866), S.
188203.
96
1531
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat-Catenichl 15a (1530/31)
Auf fol. 128rv ist ein Mandat von Matthäus Lang
von Wellenburg, Erzbischof von Salzburg (reg.
15191540) überliefert:
Verbott die Clawssraben nit aus der wenndt oder
sonnst mit den handtrorn (Handrohr = tragbare
Feuerwaffe) zu verjagen:
Der hochwirdigst Fürst und Herr Herr Matheus der
heyligen römischen Kirchen Cardinall,
Ertzbischows zu Salzburg, Legat des Stuels zu
Rom etc. sst hiemit menigklich anzaigen:
Nachdem sein fürstlich gnad glawblich bericht ist,
daß durch das püchsenschiessen so in den
hewsern, in der Trägassen, Kirchgassen und
enthalb (?) der prugkh täglich geschicht, die
Klawßraben von iren stennden geschregckht
und verjagt werden, daß darauf sein fürstlich gnad
ernnstlich bevelhen und gepotten hat, daß sich
hinfuran nyemandts, er sey geystlich, weltlich,
hofgesind, bu
e
rger oder Innwonner, hochs oder
nyders stannds, nyemandts außgenommen,
unnderstee, in der Trägassen, Kirchgassen, noch
ennhalb der prugkh und sondlich ausserhalb der
Stat Salzburg am Munichperg und Rietenburg aus
puchssen und vill weniger in die wannd des
Münichpergs zu schyessen, alles bey vermeydung
seiner fürstlichen gnaden swären straff unnd
ungnad. Dann wurd yemanndts solh gebot
verachtten, darauf ir furstlich gnad' sonnder
aufsehen zu haben verordnnet hat, der wirdet von
irer furstlichen gnaden wegen nach ungnaden
darumb gestrafft werden, darnach wisse sich
menigklich zu richten. Diser ding sein drey
geschryben und mit dem Sekret verferttigt worden.
97
Die Abschrift des Mandats des Landesherrn ist von seiner Stellung innerhalb des Bandes nach
Auskunft von Hubert Schopf wohl nicht dem Jahr 1530, sondern dem Folgejahr 1531
zuzuordnen.
Bei den Ortsangaben ist zwischen den Orten zu unterscheiden, von denen geschossen wird
Getreidegasse, Siegmund Haffner-Gasse, jenseits der Brücke und vor allem außerhalb der
Stadt am Mönchsberg und (in) Rietenburg (Teil der heutigen Stadt Salzburg zwischen Nonntal,
Leopoldskroner Moor, Maxglan, Gneis und Altstadt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Riedenburg_(Salzburg)) und jenen Orten, von denen die Vögel
durch das Schießen aufgeschreckt werden. Deutlich wird, dass es nicht um das Erlegen der
Waldrappen geht, sondern dass verhindert werden soll, dass (durch den Lärm?) die Tiere
aufgescheucht (geschreckht und verjagt) werden.
Stennde werden als Aufenthaltsort genannt, die sich in die Wand des Münichpergs befinden,
denn das dorthin Feuern wird unter besondere Strafe gestellt. Bereits 1504 hat Kaiser
Maximilian I. befohlen, dass in Graz unter der Steinwand des Schlossberges mer gestell
errichtet werden sollen. Ob freilich Stennden solche Gestelle oder bloß den Aufenthaltsort der
Vögel meint, ist nicht sicher.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1558, März 11, 1578 März 28 und 1584
April 10 sind bekannt (siehe jeweils dort).
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, Bd. 26, S. 298 und Bd. 27, S. 470f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25f.;
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 87;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67;
Gruber, Storchennester, 2019: Link (bloß Erwähnung: wohl irrig „1530“).
Herzlichen Dank für das Wiederauffinden und die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger
Landesarchiv.
98
1531 Oktober 12
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Braunau am Inn, Bezirksmuseum Herzogsburg, I 64 2: König Ferdinand I. verleiht den
Gebrüdern Wolfgang, Hans und Jörg Staininger einen Steinraben als Wappen.
Wir Ferdinand von Gottes
genaden römischer Kunig zu
allen zeiten merer des Reichs in
Germanien, zu Hungern,
Behem, Dalmacien, Croacien
unnd Slavonien etc. kunig,
infannt in Hispanien, ertzherzog
zu Osterreich, hertzog zu
Burgundi, zu Brabannt, zu Steir,
zu Kernndten, zu Crain,
marggrave zu Mechern etc., zu
Lutzemburg, in Ober- unnd
Niderslesien, zu Wirtemberg unnd
Tegkh hertzog, furst zu Schwaben,
gefurster grave zu Habspurg, zu
Tyrol, zu Phirt, zu Kiburg unnd Görtz
etc., lanndtgrave in Ellsass,
marggrave des Heiligen Romischen
Reichs zu Burgaw, Ober- unnd
Niderlausitz, herr auf der Windischen
Margkh, zu Portenaw und zu Salins
etc.
bekhennen offentlich mit disem
brieve unnd thun khundt
allermenigelich, das wir guetlich
angesehen unnd wargenomen haben
die erberkait, redlichait, guet sitten,
tugennt unnd vernunfft, damit
unnsere unnd des reichs lieben getrewen Wolffganng, Hanns unnd Jörg die Stainninger
gebrueder vor unns beruembt sein, auch dazue die getrewen diennst, die sy sich gegen unns
unnd dem heiligen römischen reich unndertheniglich unnd guetwillig erbieten, auch wol thuen
mögen unnd sollen, unnd darumb mit wolbedachtem muet, guetem rat unnd rechter wissen
99
denselben Wolffganngen, Hannsen und Jörgen den Stainingern gebruedern unnd allen iren
eelichen leibserben unnd derselben erbennserben die hernach geschriben wappen unb klainat
mit namen ainen schiltt nach der lenng durchab in zween gleich tail abgetailt, nemlich die hinder
weiß unnd vorder feldung schwartz, im grund baider tail des schillts ain drifacher hel in seiner
mitte nach des schillts abtaylung mit seinen farben abgewechselt, als nemlich im weissen
schwartz unnd schwartzen tail weiß, auf dem mittern hohern hel ain Stainrab
furwertssteend in seiner mitte gleich auf des schillts farbenabwechßlung, als nemlich sein
rechter fueß furgestellt sambt seinem vordern halben thayl in des schillts schwartzen halbirung
weiß unnb sein hinnder tail mit seinem lingken hinndergestellten fueß ubergeschwungen flugen
unnd schwanntz in der weissen feldung bes schillts schwartz, auf dem schillt ain hellm geziert
mit schwartzer unnd weisser helmdeckhen, darauf ein gewundtner pausch zurugkh aus
fliegennden binnden, daraus enntspringennd zway püffelhörnner, die mundtlocher offen unnd
von einannder gekhert, yedes in seiner mitte abgetaillt, als nemlichen das hintern oben unnd
das vorder unnden weisß, zwischen denselben hörnnern ain dreifacher hel unnd darauf ain
stainrab erscheinenndt, bede puhel unnd vogel von obengenannter zwaier farben abgetaillt in
allermassen wie im schillt, alsdann dieselben wappen unnd klainat inmitten ditz unnsers
gegenwürtigen kuniglichen brieves gemalet unnd mit farben aigenntlicher ausgestrichen sein,
von newem genediglich verlihen unnd gegeben, verleihen unnd geben inen die auch also aus
römischer kunigelicher macht volkhommennhait hiemit wissenntlich in crafft ditz briefs unnd
mainnen setzen unnd wollen das nun furbashin die genannten Staininger gebruder all ir eelich
leibserben unnd derselben erbennserben in ewig zeit die obgeschriben wappen unnd klainat
haben fueren unnd sich der in allen unnd yegelichen eerlichen unnd redlichen sachen unnd
geschefften, es sey in streiten kempffen, gestächen, gefechten, panieren, gezellten,
aufschlagen innsigeln, betschaden, clainaten, begrebnussen unnd somist an allen anndern
ennden nach iren notturfften willen unnd wolgefallen gebrauchen sollen unnd mugen (…) Mit
urkund ditz brieves besigelt mit unnserm kunigelichen anhanngenden insigel. Geben in unnser
unnd des heiligen reichs stat Speyr den zwelfften tag des monats octobris nach Christi unnsers
herrn geburt tawsenntfunffhundert unnd im ainunddreissigisten, unnserer reichs des romischen
im ersten unnd der anndern im funfften jaren. (vgl. auch den Text nach Meindl, Bd. 2, S. 91).
100
Das Wappen ist auch auf dem Epitaph des Hanns
Staininger aus Braunau (gest. 1567; seine
ebenfalls genannte Frau 1570 verstorben), der sich
an der Stadtpfarrkirche von Braunau befindet
(Meindl, Bd. 2, S. 90), links neben seinem Kopf
dargestellt. Hans Staininger war Mitglied des
inneren Rates der Stadt, als Handelsherr tätig,
Stadthauptmann aber vor allem berühmt wegen
seines überlangen Bartes (für Erstinformationen
siehe HIER; sowie Max Eitzlmayr, Hanns
Staininger, Stadthauptmann zu Braunau, in: Heimat
am Inn 16, 1995, S. 6973). Der Rotmarmor-
Epitaph zeugt von seiner Stellung (LINK).
Ein weiterer Hans Staininger wurde von Kaiser
Rudolf II. 1601 Dezember 30, Prag, geadelt und
das bekannte Wappen wird erneut (leicht
abgewandelt) blasoniert: (…) ein Steinrab mit
ofenen Schnabel vorwärts stehend in seiner Mitte nach des Schildes Farbenabwechslung (…)
(Meindl, Bd. 2, S. 92).
Wie Meindl, Bd. 2, S. 93, mitteilt, war der Bart, der Wappen- sowie der Wappen- und Adelsbrief
im Jahr 1880 im Besitz der Augsburger Familie Preyß, 1911/12 gelangten Bart und die
Urkunden in den Besitz der Stadt Braunau. Heute werden sie im Bezirksmuseum in Braunau in
der Herzogsburg ausgestellt. Dort befindet sich auch ein Votivbild der Familie Staininger (Inv.-
Nr. 31475/79), das ebenfalls
das Wappen zeigt (LINK).
Ein weiteres Bildzeugnis findet
sich im ab 1575 geführten
Stammbuch des Paul Jenisch
(Stuttgart, Württembergische
Landesbibliothek, Cod. Hist.
Qt. 298, fol. 72r), das zu einem
Eintrag eines Hannss
Staininger aus dem Jahr 1585
gehört (Ob die Miniatur mit auf
diese bezogenen
101
Sinnsprüchen schon existierte
und der Eintrag und das
Wappen beigefügt wurden, oder
ob beides in einem entstand,
muss noch untersucht werden).
Die Darstellungen des
Wappenbriefes für sich
genommen erlaubt es nicht, den
Vogel als Waldrapp zu
identifizieren. Da jedoch das Tier in der Beschreibung des Wappenbriefes als Steinrab benannt
ist und diese Bezeichnung für den Waldrapp gut bezeugt ist (siehe bei 1441 und 1471: jeweils
aus Baumburg, und Cordus (1561 (recte wohl nicht nach 1544)), ist eindeutig, was dargestellt
werden sollte, auch wenn die Wiedergabe nicht besonders ähnlich ist. Bei Gesner (siehe bei
1555/1557), also mit klarem ornithologischem Wissen, werden die drei deutschen
Bezeichnungen (Waldrapp, Steinrapp, Clausrapp) zusammengeführt, sodass an einer
Identifizierung (Steinrapp = Waldrapp) nicht gezweifelt werden muss.
Auf dem Epitaph sind die Merkmale
detailliert genug, um auch
ornithologische Aussagen zu machen.
Bernhard Gönner hebt den langen
gebogenen Schnabel, die Länge des
Halses und die mittellangen Beine als
gut passend hervor. Die Flügelstellung
erinnert zwar eher an die Darstellung
von Adlern, andererseits nehmen
Waldrappe immer wieder ein
"Sonnenbad" und breiten dabei am
Boden stehend ihr Flügel Richtung
Sonne aus. Freilich ist zu beachten,
dass die Darstellung an die
Blasonierung gebunden war, die die
ausgebreiteten Flügel vorschreibt.
Von dem hier genannten Steinraben ist
die Uttenschwalbe (ein schwarzer Schwan) zu unterscheiden, die in der Heraldik eine gar nicht
so kleine Rolle spielt (vgl.: https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Uttenschwalbe). Vor allem die ab
102
dem 12. Jahrhundert nachweisbare Familie Closen führte diesen Vogel, der freilich in der Regel
mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen dargestellt wird, im Wappen (Nachweis als Siegel ab
1241: LINK).
Konrad Meindl, Geschichte der Stadt Braunau am Inn, Braunau 1882, S. 9093;
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951, S. 104f.
103
1532
Textquelle (archivalische)
Salzburg, St. Peter, Stiftsarchiv, Hs. A 629: Abteirechnungen 15231534
Fol.213r: Item bibalia (= Trinkgelder) pro Chlausraben: 24 d(enarii) (für Pfennige)
Man kann davon ausgehen, dass in der Wand über dem Kloster St. Peter Waldrappen nisteten
und die Zahlungen an Bedienstete gingen, die Jungvögel aus den Nestern aushoben, die für
den Verzehr bestimmt waren. Ein ähnlich lautender Beleg ist bereits von 1524 überliefert (siehe
1524 für weitere Angaben). Dass dies gebräuchlich war, beschreibt Johannes Stumpf (siehe bei
1548), wo auch weitere Quellen (ab 1504) genannt werden.
Klein, Nachrichten, 1958, S. 64;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Ich danke Gerald Hirtner sehr herzlich für seine Unterstützung.
104
1535 Juli 15
Textquelle (archivalische)
Zürich, Staatsarchiv, Rat- und Richtebücher der Stadt Zürich (B VI 190B VI 279a
): 1535
Im Strafregister wird berichtet, J. Schwytzer, Thoman Zieglers Knecht, wurde zu einer
Geldstrafe von 1 pfd. 5 s. in bar verurteilt, als er Felixen von Jonen einen waldrappen one
ursach zuo tod geschlagen hat. (Suolahti nach Staub-Tobler, VI, 1173; Strohl).
Die Busse wurde am Donnerstag vor St. Margarethentag, also am 15. Juli verhängt (nach
Angaben von Strohl).
Strohl führt sehr zu Recht an, dass der getötete Vogel wohl in Gefangenschaft in Zürich
gehalten gewesen sein muss.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der Schweizer-deutschen Sprache, Bd. 6 (1909), Sp.
1173: Waldrap: 1: Steinkrähe, Corv. graculus (sylvaticus. Gessn.). 1pfd 5ß bar J
Schwytzer, als er Felixen von Jonen einen waldrappen one ursach zuo tod geschlagen
hat.‘ 1535, ZRB“;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 513515;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 30f.;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 320;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
105
1536 Oktober 8
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Kaiser Karl V. erhebt mit einer in Genua ausgestellten Urkunde Johann Weißenfelder
(Wisenfeldt) aus München in den Adelsstand und vermehrt ihm das Wappen mit einem
schwarzen Steinrap.
Im zweiten und dritten Feld
befindet sich in Gold auf einem
natürlichen Stein ein schwarzer
Steinrap mit rotem Schnabel
und Fueßen. Das Wappen wird
von zwei Spangenhelme
bekrönt, einer zum
Stammwappen, der zweite mit
einem Steinraben auf einem
Stein zwischen zwei Hörnern.
Eine Nachzeichnung des
Wappens von Johann
Weißenfelder findet sich bei
Seyler, Siebmacher’s
Wappenbuch, Abgestorbener
bayerischer Adel 3, 1911, S. 133 und Tafel 91. Quelle ist freilich nicht ein originaler
Wappenbrief, sondern das von 15701578 geführte Stammbuch des Anton Wolfgang Ebran von
Wildenberg (für weitere Informationen zum Stammbuch siehe HIER), in das 1570 das Wappen
von Wolfgang Jakob Weißenfelder 1570 eingetragen wurde (Link).
Dass Lorenz Weißenfelder (statt Johann) das Wappen verliehen bekam, insinuiert das
Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus, MRFH 2770
(mit Verweis auf Michael Schattenhofer, Das Münchner Patriziat, in: Zeitschrift für Bayerische
Landesgeschichte 38 [1975], S. 877899, bes. S. 877, S. 889 und S. 895 [zur Erhebung in den
Adelsstand 1536], wo freilich nur die Familie genannt ist). Dass Lorenz Weißenberger dasselbe
Wappen tatsächlich führte, belegt die Wappendarstellung in München, Bayerische
Staatsbibliothek, Cgm, 616, Vorderdeckel, Spiegel und unterer Schnitt (vgl. Katalogisat von
Karin Schneider HIER), ein Codex der ebendemselben L(orenz) Weyssenfelder gehörte.
Das hier als Steinrabe bezeichnete Tier ist nach dem Wappenbrief Staininger (siehe bei 1531
Oktober 12) und vor jenem für Höckenstaller (siehe bei 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31)) die
zweite kombinierte Text- und Bildquelle, die belegt, dass der Waldrapp / Steinrabe als
106
heraldische Figur diente. Dies besagt freilich nichts über die ornithologische
Wiedererkennbarkeit / Exaktheit der Darstellung.
Die Abbildungen aus dem Siebmacher
von 1612 (HIER) und die von Seyler
(siehe oben) zeigen wenig spezifische
Merkmale. Die offensichtlichen
Parallelen zum Staininger-Wappen
man vergleiche die dort durch die
Blasonierung gedeckte Haltung mit
ausgebreiteten Flügeln , und der
lange, etwas gebogene Schnabel
machen jedoch wahrscheinlich, dass
eine gewisse Vertrautheit mit dem
Aussehen des Waldrapps
vorausgesetzt werden kann.
Bei den Akten zur Verleihung des
rittermäßigen Adelsstandes und einer
Wappenbesserung für Johann
Weißenfelder von 1536 Oktober 8
(Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, allgemeine Reihe, 450.51, fol. 3v) wurde
bloß das Stammwappen (ohne Waldrapp) graphisch notiert.
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951, S. 105;
Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 5, S. 198.
107
1538 Mai 27
Bildquelle
München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, GL Burghausen 29 ½: Hans Heglinger,
Mautinstruktion von Burghausen
Bei der hier behandelten Quelle handelt es sich um ein Papier-Libell mit 49 Seiten, das mit
Feder beschriftet ist und 9 farbige und 12 unkolorierte Zeichnungen enthält.
Hans Heglinger ist von 1522 bis ca. 1550 als Mautzähler, ein dem Mautner von Burghausen
nachgeordneter Beamter, nachweisbar (vgl. Dorner, Salzfertiger, S. 52). Er ist für den Text der
Mautinstruktion und offenbar auch für die (lavierten) Federzeichnungen, die den Text illustrieren,
verantwortlich.
Auf S. 5 befindet sich die
Illustration zur „Instruktion oder
Unterweisung wie das Salz an
der fürstlichen Maut zu
Burghausen soll gezahlt
werden“, die Salzschiffe auf der
Salzach zeigt und im
Hintergrund eine Stadt, die aus
dem Zusammenhang als
Burghausen zu verstehen ist.
Charakteristische
architektonische Motive sind
freilich nicht zu erkennen (vgl.
eine spätere Ansicht der Stadt
von Franz Ignaz oder Tobias
Schinnagl, die um 1680/81
entstanden sein soll: Salz
Macht Geschichte,
Katalogband, 1995, S. 272f.).
In der oberen Bildmitte sind drei
schwarze nach links fliegende
Vögel dargestellt, die keine
inhaltliche Bedeutung haben,
das Bild jedoch als einzige dargestellte Lebewesen beleben. In zwei weiteren Illustrationen
(S. 11 und 14), die nicht „ortsgebunden“ sind und auf denen bloß die Salzschiffe zu sehen sind,
sind ebenfalls die Vögel dargestellt (abgebildet bei Dorner, Salzfertiger, S. 300). Auf allen
108
Bildern ist dasselbe Zeichen auf den Planen der Schiffe zu sehen. Johann Dorner, in: Verbündet
Verfeindet (...), S. 52, ordnen dieses Zeichen (Hausmarke) einem Schiffsbesitzer aus Laufen zu.
Johann Dorner hat die dargestellten Vögel erstmals 2012 thematisiert und die Tiere als
Waldrappen identifiziert, ohne freilich Argumente dafür zu nennen.
Die hier vorgestellte Bildquelle ist zwar durchaus bemerkenswert, eine sichere Identifizierung
der dargestellten Vögel ist freilich keinesfalls möglich. Vor allem der schmale, nach unten
gebogene Schnabel könnte für Waldrappe sprechen und schließt Reiher und Störche jedenfalls
aus. Keine Erklärung findet sich für die prononciert gespaltenen Schwänze der dargestellten
Vögel. Ich danke Bernhard Gönner für die differenzierte Beurteilung der Darstellung.
Salz Macht Geschichte, herausgegeben von Manfred Treml, Rainhard Riepertinger, Evamaria
Brockhoff, Katalogband, Augsburg 1995, Katalogband, S. 269271 (Kat.-Nr. RO 78:
L[orenz] M[Maier]);
Johann Dorner, Die Burghauser Salzfertiger, in: Salz Macht Geschichte (wie oben), Aufsätze, S.
297303, bes. S. 300;
Verbündet Verfeindet Verschwägert. Bayern und Österreich, Bayerisch-Oberösterreichische
Landesausstellung 2012 Burghausen, Braunau, Mattighofen 27. April bis 14. November
2012, Band 1 herausgegeben von Wolfgang Jahn, Evamaria Brockhoff, Augsburg 2012,
S. 52f. (Nr. 24: J[ohann] D[orner]).
109
1544, nicht nach
Textquelle (ornithologische)
Valerius Cordus, Sylva observationum variarum
Valerius Cordus verstarb 1544, sein Werk kann daher nicht nach 1444 entstanden sein. Es
wurde jedoch erst 1561 von Conrad Gesner herausgegeben. Da die Möglichkeit besteht, dass
Gesner doch mehr als bisher angenommen in den Text eingegriffen hat, wird dieser erst bei
1561 behandelt (siehe 1561 (recte wohl nicht nach 1544)).
110
1544
Textquelle (archivalische)
Salzburg, St. Peter, Stiftsarchiv, Hs. A 631: Abteirechnungen 15411554
Fol. 118v: Item mer Trinkhgelt geben von wegen der dreyen Klauss Rauben: t (Pfund) ß (für
Schilling) d(enarii) (für Pfennige) 24.
Das Abrechnungsbuch verzeichnet einen Eintrag, der von Klein mit Waldrappen in Verbindung
gebracht wurde. Er las „Klausraben“, was aber definitiv irrig ist, denn es steht eindeutig ...
Rauben“, also mit einem „u“.
Der Eintrag zwei Positionen davor ist mit dem 23. Mai fixiert, der danach mit dem 30. Mai. Dies
erlaubt, was bisher so noch nicht wahrgenommen wurde, eine recht genaue jahreszeitliche
Fixierung, denn das Ausnehmen der Nester ist kurz vor dem Flügge-Werden naturgemäß am
ertragreichsten.
Ähnlich lautende Belege sind bereits von 1524 und 1532 überliefert (siehe jeweils dort) und
machen deutlich, dass auch hier (trotz Verschreibung) Klausraben/Waldrappen gemeint sind.
Zum Ausnehmen der Nester siehe ausführlich bei Stumpf (siehe bei 1548), wo auch ältere
Quellen, die diesen Vorgang beschreiben, genannt werden.
Klein, Nachrichten, 1958, S. 64;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Ich danke Gerald Hirtner sehr herzlich für seine Unterstützung.
111
1544
Textquelle (ornithologische)
William Turner, Avium praecipuarum, quarum apud Plinium et Aristotelem mentio est,
brevis et succincta historia, Köln 1544 (VD 16, T 2384 Digitalisat)
Auf S. E 6 beschreibt William Turner (um 15101568) den Waldrapp wie folgt:
Iam ut sciatis qualis nam avis sit Helveticorum Waltrapus, quam coniicio phalacrocoracem esse,
et tertium genus graculi, avis est corpore longo et ciconia paulo minore, cruribus brevibus, sed
crassis, rostro rutilo, parvum adunco et sex pollices longo, albam quoque in capite maculam et
eam nudam, nisi male memini, habuit. Si palmipses sit et in terdum natet, indubitanter tertium
graculorum genus esse adfirmarem: verum licet autem in manibus habuerim, an palmipes fuerit
nec ne et calvus, non memini: quare donec isthaec certius novero, nihil statuam.
Ornithologisch ausgerichtete Texte sind vor Gesner (siehe bei 1555/1557) von herausragender
Bedeutung. Der Autor sagt, er habe den beschriebenen Vogel in der Schweiz selbst in Händen
gehalten. Die Beschreibung der Merkmale passt durchaus auf den Waldrapp. In dieser ersten
bewusst vogelkundlichen Quelle wird über Gebiete berichtet, an denen der Waldrapp vorkommt.
Bei Turner steht wie bei Stumpf (siehe bei 1548) die Schweiz im Mittelpunkt. Bei Gesner
erweitern sich die Informationen substantiell.
112
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 374;
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 540;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62.
113
1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31)
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Kaiser Karl V. verleiht mit einer in Worms mundierten Urkunde Sixtus und Leonhard
Höckenstaller (Höggenstaller) Adelsstand und Wappen.
Der Akt im Österreichischen Staatsarchiv in Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv,
Reichsadelsakten, Allgemeine Reihe, 190.4, ist 1545 Juli 31 datiert, nicht, wie oft angegeben,
an demselben Tag des Jahres 1549. Das Wappenbild auf fol. 3r stimmt mit der Blasonierung bei
Seyler (siehe unten) nicht überein, sondern mit den Angaben (und der Abbildung) bei Buchheit
nach einer ungenannten Quelle (die Unterschiede beziehen sich jedoch nicht auf den
Steinraben).
Die Wappenbeschreibung (Blasonierung) lautet: (…) oben vor schwarzem Grund wachsender
blau-bewehrter goldener Löwe unten auf schwarzem Zweiberg ein golden gekrönter und
bewehrter schwarzer Steinrabe; gekrönter Helm, der wachsende Löwe zwischen zwei
goldenen bzw. schwarzen Büffelhörnern; schwarz-goldene Helmdecke (Text nach Seyler).
Ein entsprechendes Wappen wurde dem 1574 erfolgten Eintrag des Sixtus Höggenstaler auf
foll. 33v/34r im von etwa 1550 bis um 1585 geführten Stammbuch des Onophrius Perbinger
(Berbinger) beigegeben (Seyler, Tafel 129; die Handschrift: Nürnberg, Germanisches
Nationalmuseum, Hs 461).
114
Die Blasonierung besagt freilich nichts
über die ornithologische
Wiedererkennbarkeit / Exaktheit der
Darstellung. Zudem ist zu beachten,
dass wir die Ausfertigung des Adels- und
Wappenbriefes nicht kennen. Die Bilder
aus dem Adelsakt (bzw. bei Buchheit)
und bei Siebmacher (Seyler) nach dem
genannten Stammbuch unterscheiden
sich zudem keineswegs nur aber auch
bei der Wiedergabe des Vogels. In der
Zeichnung des Adelsaktes und im
Stammbuch ist die Krone und der
Zweiberg, beides durch die Blasonierung
für das Wappen gesichert, zu erkennen,
dafür ist der Schnabel in beiden Fällen
viel zu breit und vor allem
uncharakteristisch kurz. Einzig bei Buchheit (nach unbekanntem Vorbild Wappenbrief?) ist der
Schnabel dem Naturvorbild deutlich ähnlicher und der Hals ist wesentlich länger, dafür ist der
Zweiberg, auf dem der Vogel gemäß der Blasonierung stehen soll, nicht richtig wiedergegeben
und die Krone fehlt.
Der hier behandelte Wappenbrief, der das dargestellte Tier als Steinrabe bezeichnet, ist nach
den Wappenbriefen Staininger (siehe bei 1531 Oktober 12) und Weißenfelder (siehe bei 1536
Oktober 8) der dritte, der als kombinierte Text- und Bildquelle belegt, dass der Waldrapp /
Steinrabe als heraldische Figur diente.
Seyler, Siebmacher’s Wappenbuch, Abgestorbener bayerischer Adel 3, 1911, S. 179, Tafel 126;
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951, S. 104f. (mit Abbildung);
Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 2, S. 211.
115
1548
Textquelle (Landesbeschreibung) und Bildquelle
Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren
Chronick wirdiger thaaten beschreybung, Bd. 2, Zürich 1548 (VD 16, S 9864 Digitalisat)
Im Das neundt bu
o
ch begreyffende die lender und
ta
e
ler der alten Lepontier in der neundten landtafel
verzeichnet“ (foll. 276r293v) beschreibt Stumpf im
Zuge der Behandlung der Rhätischen Vogelwelt auf
fol. 292r auch den Waldrapp und gibt seinem Text,
so wie auch bei den anderen behandelten Tieren,
einen Holzschnitt bei:
Waldrappen (Randtitel). Waldrappen ein gemein
wildpra
e
t, am besten so er noch jung aus dem na
e
st
kompt, ist ein grosser schwa
e
rer vogel, gäntz
schwartz als ein Rapp, hat sein na
e
st in den hohen
unwa
e
gsamen velsen, allermeist nistet er in dem
alten gemeur der zersto
e
rten und ausgebrennten
schlo
e
ssern, deren vil in den Alpischen lendern
gesehen werdend. Sy sind von leyb beynaach so
gros und schwa
e
r als ein Storck.
Die hier behandelte Quelle ist
zwar nicht grundsätzlich
ornithologisch / naturkundlich
ausgerichtet, die
Landesbeschreibung geht aber
deutlich auch in diese Richtung.
Sie ist also gemeinsam mit
Turner (siehe bei 1544) und
Gesner (siehe bei 1555/1557)
zu betrachten. Weinel, S. 14,
bezeichnet das Bild als ältestes
Bildzeugnis zum Waldrapp.
Dies konnte zwar durch neu
aufgefundene Wappenbriefe
widerlegt werden (siehe bei
116
1531 Oktober 12 bzw. 1536 Oktober 8), dass Stumpf jedoch das erste Zeugnis darstellt, das
den Begriff „Waldrapp“, eine Beschreibung und ein Bild kombiniert und ornithologisch-
landeskundliche Interessen hat, ist evident. Er steht zwar durchaus in einer Tradition, geht aber
durch die Bildbeigabe über Turner hinaus und ist als Bild-/Textquelle epochemachend. Stumpf
kommt entscheidende Bedeutung zu, die bisher in der Literatur, wie mir scheint, noch nicht
ausreichend gewürdigt wurde.
Das Bild ist freilich problematisch. Die allgemeine Körperform, die mittellangen, teilweise
gefiederten Beine, die Zehenstellung und die dargestellten Krallen sprechen durchaus dafür,
dass dem Entwerfer des Holzschnitts ein reales Vorbild bekannt war. Die Ähnlichkeiten
beschränken sich keineswegs, wie bei vielen älteren Darstellungen, auf den charakteristischen,
schmalen und gebogenen Schnabel. Wie in weiterer Folge auch bei Gesner (siehe bei
1555/1557) fehlen jedoch jene Elemente, die einen erwachsenen Waldrapp auszeichnen und
diesen für heutige Betrachter sofort erkennbar machen: die Nackenfedern und der kahle Kopf.
Da der Text jedoch ausdrücklich auf Jungvögel Bezug nimmt, lässt sich dieses Argument
entkräften. Der lange, geschwungene Hals ist freilich verstörend.
Der Bericht vom Ausnehmen der Jungvögel aus den Nestern, um diese dann zu verzehren,
ist gut belegt. Erster Beleg ist ein Salzburger Rechnungsbuch (siehe Anfang 16. Jh.), weitere
Salzburger Quellen finden sich 1524, 1532 und 1544. Ein Bericht zudem bei Gesner (siehe bei
1555/1557).
Für weitere Auflagen, die immer denselben Holzschnitt nutzen, siehe bei 1586 und 1606.
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62;
Weinel, Untersuchungen, 2012, S. 14.
117
1550
Textquelle (lexikalisch)
Fekete tar varjú (ungarisch) / Cornix nigricans (lateinisch)
Dieses Zitat und das Datum finden sich, wie Herman sagt, in Notizen von Aladár Ballagi, denen
die Quellenangaben fehlen.
Vielleicht handelt es sich bei Datum um einen Irrtum und die Angabe bezieht sich auf: Fabricius
Balázs, Nomenclatura seu dictionarium Latino-Ungaricum ..., Debrecen 1590 (siehe 1590). Zu
lexikalischen Quellen aus Ungarn siehe auch bei 1561.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48.
118
1554 Juli 9
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, Wappenbuch I, fol. 28:
Ausgeschnittene Wappenminiatur aus dem Ansuchen um Verleihung eines Wappens an
Andreas (André) Gigler
Fritz Popelka hat das Wappen Giglers
in die Waldrapp-Forschung eingeführt
ohne den Aufbewahrungsort und die
genaue Beschaffenheit seiner Quellen
offenzulegen (Popelka, Klausraben,
1948/49, S. 65 siehe ausführlich bei
1560 April 24).
Dank umfangreicher Recherchen und
der Hilfe von Franz-Stefan Seitschek
gelang es jene Quellenreste
festzustellen, die den Wappenbrief für
Andreas und Hans Gigler
dokumentieren.
Die Brüder Gigler bekamen mit einer in
Wien 1554 Juli 9 ausgestellten
Urkunde ein Wappen verliehen, wie
Frank, S. 91, verzeichnet. Freilich sind
weder der Akt im Adelsarchiv also die behördliche Dokumentation jeder Wappenverleihung
bzw. Standeserhöhung noch der Wappenbrief selbst, also die Originalurkunde, die an den
Begünstigten ausgefolgt wurde, erhalten. Das Wappenbild sei aber wie Frank schreibt aus
dem Wappenbuch I, das die Reichskanzlei von 15401561 führte, indem sie Wappenbilder aus
den Ansuchen ausschnitt und in das Buch klebte (Wien, Österreichisches Staatsarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, Reichsadelsakten, Reichskanzleiwappenbuch 1,
29), bekannt.
Die Überprüfung dieser Angaben erwies sich als schwierig, da Gigler bei Julius Kindler von
Knobloch, Josef Klemme, Das Reichs Canzelei Original Wappenbuch von MDXL bis MDLXI, in:
Jahrbuch der k. k. Heraldischen Gesellschaft „Adler“ NF 1 [Wien 1891], S. ILX, nicht
verzeichnet ist. Allgemeine Informationen bei Wolfgang Kotz, Das Reichswappenbuch I, in:
Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchives 7 [1954], S. 219221). Auch im Reichsregister
Karls V., Bd. 23: Standeserhöhungen und Wappenbriefe (15501554) ist eine Verleihung an
Gigler nicht enthalten.
119
Im Adelsarchiv ist der Akt, aus dem die Miniatur im Wappenbuch ausgeschnitten wurde, nicht
erhalten. Herr Seitschek fingierte im Zuge der Recherche elektronisch den Akt
(https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4871819), um wie bei allen anderen
Fällen das ausgeschnittene Wappenbild mit einem (in diesem Sonderfall freilich nur virtuellen)
Akt verknüpfen zu können. So konnte die Findbarkeit der erhaltenen Wappendarstellung
gewährleistet werden.
Die Wappendarstellung auf fol. 28r des Wappenbuches I ist von Texten begleitet:
Oberhalb des Wappens steht das Gesuch:
Andreas Gigler, Briester, Salzburger Bistum, Provisor der Pharr zue Grätz, bith die römisch
khuniglich Majestät etc., seinen allergnedigisten Herrn, aufs unnderththenigist ime unnd seinen
Gebruedern, Anndreen (gemeint ist wohl der Bittsteller selbst) und Hannsen den Giglern,
derselben Erben unnd Erbens Erben etc. dises Wappen und Clainet umb seiner vleissigen unnd
embsigen Diensnste wegen mit welchen er sich bei der Chur der Kirchen und Predigambt
brauchen lesst, taxfrey allergnedigist zu bewilligen. Will er sein lebennnlang sambt seinen
Gebruedern unnderthenigist zuvordiennen erfunden werden.
Rechts neben dem Wappen der Name in großer Schrift: Gigler
Links ist notiert:
Die römisch königliche Majestät bewilliget dem Supplicanten und seinen Brueder gnädiklich diss
Wappen doch ausserhalb der Taxfierung zue Wien den 9. Julii anno etc. 54.
Der Text links (ist bewillige[t …] dem lectzen [] zue Wienn [] in LII anno [] Stängl) gehört
zu einem anderen Gesuch und ist hier unerheblich.
Die Informationen sind durchaus reichhaltig, bemerkenswert ist jedoch, dass sich über das zu
verleihende Wappen keine Angaben finden. Ob daher, wie Popelka behauptet, ein Waldrapp
(Clausrapp) verliehen wurde, kann aus der Quelle nicht geschlossen werden. Dass der
Waldrapp (Steinrapp) jedoch tatsächlich als Wappenbild diente, belegt zum Beispiel die Familie
Staininger (siehe bei 1531 Oktober 12).
Zu Gigler, der in bemerkenswerter Weise zwischen den Konfessionen stand, vergleiche: Ein
Hammerschlag ... 500 Jahre evangelischer Glaube in der Steiermark, Graz 2017, S. 54f.
Dem Feldzeugleutnent Georg André Gigler wird 1660 Mai 24 der rittermäßige Adelsstand und
eine Wappenbesserung verliehen:
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4474516. Das Wappen zeigt im 2. und
3. Feld einen allgemein ähnlichen Vogel (fol. 11r / Abbildung nach Reichskanzleiwappenbuch).
Ob ein Zusammenhang mit dem Grazer Stadtpfarrer besteht, ist unklar. Bei dem hier
120
begünstigten Georg André Gigler könnte es sich um einen Nachkommen von Andreas Giglers
Bruder Hans handeln.
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4871819
121
1555/1557
Bild und Textquelle (ornithologische)
Conrad Gesner, Historiae animalium liber tertius qui est de avium natura, Zürich 1555 (VD
16, G 1730 Digitalisat).
Conrad Gesner, Vogelbůch. Darin die art natur und eigenschafft aller voeglen sampt irer
waren contrafactur angezeigt wirt: allen Liebhaberen der künsten ... Zürich 1557 (VD 16,
G 1734 Digitalisat)
Gesners Vogelbuch bietet einen inhaltsreichen und
illustrierten Eintrag zum Waldrapp. Die lateinische
Erstausgabe und die zwei Jahre später
erschienene deutsche Ausgabe, die denselben
Holzschnitt verwendet, werden im Folgenden
parallelisiert, die deutsche Variante immer
eingerückt. Inhaltliche Abweichungen werden durch
Unterstreichungen kenntlich gemacht.
S. 337: De corvo sylvatico.
Avis, cuius hic effigies habetur, a nostis nominatur
vulgo ein Waldrapp, id est corvus sylvaricus, quod
locis
sylvosis, montanis et desertis degere soleat, ubi
in rupibus, aut turribus desertis nidifìcat, quare
etiam Steinrapp vocatur. Et alibi (in Bavaria et
Stiria) ein Claußrapp a petris seu rupibus et pylis
(nam pylas, id est angustias inter duos montes
Germani Clausen appellant, hoc est loca clausa)
in quibus nidos struit.
Fol. 200r: Von dem Waldrappen. Corvus
sylvaticus.
Der Vogel, welches figur hie verzeichnet
stadt, wirt von den unsern gmeinlich ein
Waldrapp genennt, darumb dass er inn
122
eino
e
den wa
e
lden wonet, da er dann in hohen
schrofen oder alten eino
e
den thürnen und
schloesseren nistet, <fol. 200v> dannenha
e
r
er auch ein Steinrapp genennt wirt. Und
anderswo in Bayeren und Steürmarck ein
KIaussrapp von den velsen und engen
klausen, darinn dann er sein na
e
st macht.
Lotharingi, ut audio, Corneille de mer, id est
Cornix marina, quam et in iuglandibus aliquando
nidificare ferunt. Sed forte ea alia avis eft. Circa
lacum Verbanum Corvus marinus dicitur. Alibi in
Italia Corvus sylvaticus, ut in Istria circa
promontorium Polae, ubi homine per funem
demisso per rupes nidis eximuntur et inter
mensarum delicias habentur. Ut apud nos
quoque in montium quorundam rupibus, sic enim
Fabarias thermas repertas aiunt, cum auceps
quidam per altissimas rupes propter has aves se demisisset. Alibi in Italia Corvo spilato, id est
corvus depilis, quoniam senescens calvescat. Germanice quidam nuper conficto a se a sono
vocis eius nomine Scheller vocabat.
In Lutringen und bei dem Paffyersee wirt er ein Meerrapp genennt. An andern orten ein
Waldrapp. Als in Italien: da er dann etwan von einem menschen, so an einem seil
hinabgelassen, aussgenommen und für einen schla
e
ck gehalten wirt. Wie er auch bei uns in
etlichen hohen schroffen bey dem bad Pfa
e
fers gefunden wirt, da sich auch etliche weidleüt
hinab gelassen habend. Von seiner stimm wirt er auch ein Scheller geheissen.
Sunt qui Phalacrocoracem hanc avem interpretentur, quoniam et magnitudine et colore fere
corvum refert et calvescit, ut vidi, cum adultior est.
Etliche haltend den für den Phalacrocoracem, dann er von gro
e
sse und farb schier dem
rappen aehnlich ist. Er gwünt auch einen glatz in seinem alter, als ich gesehen hab.
Turnerus Aristotelis Corvum aquaticum et Plinii Phalacrocoracem et Corvum sylvaticum nostrum
avem unam esse arbitratur, tertium genus graculi. Corvus sylvacicus Helvetiorum, inquit, avis
est corpore longo et ciconia paulo minore, cruribus brevibus, sed crassis, rostro rutilo, parum
adunco (curvo) et sex pollices longo. Alba in capite macula et ea nuda, si bene memini. Quod si
palmipes esset et interdum nataret, indubitanter tertium graculorum genus esse adfirmarem.
Verum Iicet avem in manibus habuerim, an palmipes suerit, necne et calva, non bene memini,
sic ille. Sed cum nos certo sciamus, palmipedem non esse Corvum sylvaticum nostrum, non
poterit esse Corvus aquaticus Aristotelis, fed neque Plinii, qui (ut diximus) Phalacrocoracem, id
123
est Corvum calvum, eundem et aquaticum facit. Noster vero sylvaticus non est aquaticus, neque
in aquis degit, sed in pratis et locis palustribus victum sibi quaeritat. Iam cum Aristoteles tertium
graculi genus palmipes faciat, id quoque Corvus sylvaticus noster esse non potest.
Avis quam prius haematopodem esse putabam (inquit Bellonius) nunc potius ibin nigram esse
coniicio, cuius Herodotus et Aristoteles meminerunt.
Turnerus haltet den Wasserrappen Aristotelis und Phalacrocoracem Plinii unnd unseren
Waldrappen für einen vogel, aber nit recht, dieweyl er der selbigen vo
e
glen beschreybung nit
a
e
nlich ist. Dann er nit breitfu
e
ssig ist und darzu
o
kein wasservogel, sunder er su
o
cht in
gru
e
nen ga
e
rten und massa
e
chten orten sein narung.
Ea corporis mole avem a Gallis vulgo Corlis (arquatam maiorem nostram esse arbitror) dicta
refet, vel paulo minor est, tota nigra, capite phalacrocoracis, rostro iuxta caput plus quam
polJicari crassitudine, inflexo modice in arcum et in acutum desinete, rubicundo, qui crurum
etiam color est. Proceritas crurum ea fere quae in ardea <S. 338> stellari, colli longitudo quae in
ave quam Galli uocant Aigrette, ita ut primo visa a me haec avis atdeam stellarem quodammodo
referre videretur corporis fere specie. Haec ille in Gallico libro singularium observationum
suarum.
Corvo sylvatico nostro magnitudo est gallinae, color niger toto corpore, si eminus videas. Sìn
propius, ad solem praesertim, cum viridi permixtus videtur. Pedes fere ut gallinae, Iongiores
digiti fissi. Cauda non Jonga. A capite retro crista tendit. Haud scio an in omnibus aut semper.
Rosirum rubicundum, oblongum et aptum inseri angustis terrae, arborum et murorum aut
petrarum foraminibus, ut latitantia in eis insecta et vermes, quibus pascitur, extrahat. Crura
oblonga, obscure rubentia.
Unserer Waldrapp ist in der gro
e
sse einer Hennen, gantz schwartz gfarbt wenn du in von
weytnuss anschauwest. Besichst du aber in an der na
e
he, fürauss gegen der sonnen,
bedunckt er einen mit gru
e
n vermischt seyn. Seine fu
e
ss sind auch garnach als der hennen,
lenger und zerspalten. Der schwantz ist nit lang und hat auff seinem kopff ein streüsslin
hinder sich gericht. Nit weiss ich ob diss an allen und allzeyt gesehen wirt. Der schnabel ist
rotlecht, lang unnd komlich im erdtrich zu
o
graben und in die engen klufften der mauren,
bo
e
umen und velsen zu
o
stossen, damit er die verborgnen würmlin unnd ka
e
ferlin ha
e
rauss
ziehe. Er hat lange tunckle rote bein.
Locustis, gryllis, pisciulis et ranunculis eos vesci audio.
Sy gla
e
bend der ho
e
uwschra
e
cken, gryllen, fischlinen und kleinen fro
e
schlinen.
Ut plunmum nidificat in altis arcium destructarum muris, qui in Helveticis montium regionibus
frequentes sunt. In ventriculo dissecti aliquando praeter alia insecta, reperi plurima illa quae
radices frugum populantur, milii praesertim, Galli Curtillas vocant, nostri transversas (Twa
e
rn) a
pedum situ ut coniicio. Edunt et vermes e quibus scarabei a maio mense dicti nascuntur.
124
Merteils nistet er auff alten und hohen mauren der zerbrochnen schlo
e
sseren, welcher dann
im Schweytzerland seer vil gefunden werdend. Als ich diss vogels magen zerschnitten, hab
ich über andere unzifer auch vil deren thierlinen gefunden, so den wurtzen der früchten
schaden thu
o
nd, fürauss dem hirss, welche die unseren Twa
e
ren <fol. 201r> nennend. Sy
a
e
ssend auch würm, darauss meyenka
e
fer werdend.
VoIant aItissime. Bina aut terna ova pariunt. Primae omnium, quod sciam, avolant circa initium
junii ni fallor. Pulli eorum diebus aliquot antequam volare possint nidis exempti, nutriri et facile
cicurari possunt, ita ut in agros evolent et subinde revertantur. Laudantur iidem pulli in cibis et in
deliciis etiam habentur, suavi carne ossibus mollibus.
Dise vo
e
gel fliegend seer hoch. Die legend zwey oder dreü eyer. Sy fliegend zum ersten
auss allen vo
e
glen hinweg, on zweyfel umb den anfang dess brachmonats. Ire jungen
etliche tag vorhin ee dann sy fluck worden auss dem na
e
st genommen, mo
e
gend leychtlich
auferzogen und geza
e
mpt werden, also, dass sy in die a
e
cker hinauss fliegend und schna
e
ll
wiederumb heim kommend. Ire jungen werdend auch zur speyss gelobt und für einen
schla
e
ck gehalten, dann sy habend ein lieblich fleisch und weich gebein.
Qui e nidis eos auferunt, in singulis singulos relinquere solent, ut anno sequente libentius
redeant.
Die sy aber auss irem na
e
st nemmend, die lassend in einem jetlichen eins ligen, damit sy
am nachgenden jar dester lieber widerkommend.
Corythus, Κόρυθο, avis est, una e genere trochilorum, Hesychius. Sunt autem trochili gallinae
sylvestres quaedam, pedibus longis, corpore gracili, cursu celeres, ut coniicio.
Conrad Gesner (Gessner) (Zürich 15161565 Zürich) ist zweifellos die Schlüsselgestalt, wenn
es um den Waldrapp geht. Seine Historia animalium erschien ab 1551 in Zürich und war als
illustriertes Kompendium angelegt (ausführlich dazu: Fischer, Conrad Gessner, 1966, S. 3649),
die Vögel bildeten den dritten Band. Dass der Waldrapp ein besonders interessantes Beispiel
ist, bemerkt auch Fischer, S. 4446, der ihn in Ges(s)ners Lebensbild erwähnt und den
betreffenden Holzschnitt auf S. 46 abbildet. Dies wohl auch deswegen, da in diesem Fall
anders als bei vielen anderen Tieren zumindest einige der berichteten Informationen auf
eigener Naturbeobachtung berühren könnten.
Bemerkenswert sind Gesners Informationen zum Verbreitungsgebiet des Waldrapps. Turner
(1544) und Stumpf (1548 siehe jeweils dort) fokussieren auf die Schweiz. Auch Gesner lebt
dort er nennt etwa Pfäfers als Ort, an dem vor langer Zeit ein mit Waldrappen verknüpftes
Ereignis geschehen sei. Doch er nennt bereits in Abschnitt über die verschiedenen
Benennungen des Vogels auch andere Regionen. In Bayern und der Steiermark werde der
Vogel Klausrapp genannt. In Lothringen (was immer das genau bezeichnen mag, jedenfalls ein
Gebiet, in dem französisch gesprochen wird) werde das Tier Corneille de mer (Cornix marina)
125
genannt und beim Lago Maggiore (Paffysersee / Lacus Verbanus) hingegen Meerrabe (Corvus
marinus). In den Icones avium (ebenfalls 1555 siehe unten) werden für Italien auch noch die
volkssprachlichen Bezeichnungen Corvo selvatico (Waldrapp), Corvo spilato (Corvo depilis /
Kahlrabe) und Corvo mariano nachgereicht. Auch Pola (heute Kroatien) wird als Brutort
genannt.
Bereits Valerius Cordus (siehe bei 1561 (recte wohl nicht nach 1544)) nennt Brutgebiete des
Steinrabens/Steindohle so nennt Cordus den Vogel. Er führt das Donautal nicht weit von
Passau und oberhalb von Kehlheim an. In Gesners Text wird dieser Verweis in die 1585
erschienene posthume Ausgabe aufgenommen (VD 16, G 1731, S. 351).
Zum Ausnehmen der Nester siehe ausführlich bei 1548, dem Bericht von Stumpf, wo auch
ältere Quellen, die diesen Vorgang beschreiben, genannt werden.
Wichtig ist auch Gesners Verweis auf Pierre Belon (Petrus Bellonius 15171564), denn
dieser beschreibt einen Ibis, dem Gesner eine Verwandtschaft zum Waldrapp attestiert, was der
heute gültigen ornithologischen Einordnung entspricht und auch für die Identifikation des in
Europa ausgestorbenen Waldrapp mit den bis heute überlebenden Populationen relevant ist. In
den Jahren 1547 bis 1549 reiste Bellonius durch Italien, Griechenland, die Mittelmeerinseln,
durch den Vorderen Orient und nach Ägypten. In seinen Les Observations de plusieurs
singularitez et choses memorables trouvées en Grece, Asie, Chaldée, Egypte, Arabie & autres
pays estrangers, Paris 1553 (Digitalisat), ist im 2. Buch, das Kapitel 32 der Description de
plusieus oiseaux & autres animaulx observez lelong du Nil gewidmet (S. 228231), in dem er
ganz prominent den hier relevanten schwarzen Ibis beschreibt.
Der Holzschnitt, den Gesner seinen Werken beigibt, zeigt einen Jungvogel, dessen Kopf noch
befiedert ist, der jedoch bereits Ansätze von Nackenfedern zeigt. Der Körperbau im
Allgemeinen, die teilweise befiederten Beine, die Zehen mit Krallen und der lange und dünne
freilich bloß leicht gebogene Schnabel sind zu nennen.
Gesners Holzschnitt, der den Waldrapp mit leicht geöffnetem Schnabel und mit einem
angehobenen Bein zeigt, wurde vorbildhaft. Zu nennen sind eine Buchillustration in St. Gallen
(siehe bei 1562), eine Miniatur von Joris Hoefnagel (siehe bei ca. 1575/80), Rumpolts Kochbuch
(1581) und Aldrovandi (1603).
Gesner ist, wie berichtet, weder die erste Quelle, einen Text, der den Waldrapp (in welcher
Namensform auch immer) beschreibt und ein entsprechendes (oft nicht besonders
naturähnliches) Bild kombiniert (dazu siehe Wappenbriefe bei 1531 Oktober 12, 1536 Oktober 8
und 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31)), noch ist er die erste Quelle, die die eine Text-
/Bildbotschaft mit ornithologischen Beobachtungen kombiniert. In diesem Fall ist als „Erfinder“
126
Stumpf zu nennen (siehe bei 1548). Die Akkuratesse des Holzschnitts und die Fülle der
Informationen ist jedoch bei Gesner um so vieles höher als bei seinen Vorläufern, sodass ihm
der Ehrenplatz in der Waldrapp-Forschung auch nicht durch die Tatsache verloren geht, dass er
Vorläufer hatte.
Zu Gesner:
Der deutsche Text Gesners wird im Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der Schweizer-
deutschen Sprache, Bd. 6 (1909), Sp. 1173, für das Lemma „Waldrap“ verwendet (dieser
auch bei Strohl, Waldrapp, 1917, S. 503f.)
Fischer, Conrad Gessner, 1966, passim, zum Waldrapp S. 59f.;
Springer, De avium natura, 2007, passim, zum Waldrapp S. 149151;
Gesner wird von nahezu allen Autoren, die sich dem Waldrapp widmen, erwähnt. Das
Verzeichnis der gekürzt zitierten Literatur ist daher als Bibliographie für Gesner zu verwenden.
Einzig Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 319f., ist wegen seiner fundierten Quellenkritik an
Gesners Behauptungen hier anzuführen.
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62.
127
1555
Bild- und Textquelle (lexikalische)
Conrad Gesner, Icones avium omium, quae in historia avium Conradi Gesneri
describuntur, cum nomenclaturis singulorum latinis, italicis, gallicis et germanicis
plerunque, percertos ordines digestae. Ritratti e le figure de gli ucelli. Les figures &
pourtraictz des oiseaux. Die Figuren und contrafacturen der voegeln, Zürich 1555 (VD 16,
G 1732 Digitalisat)
In diesem Bild- und Namensauszug aus dem
Vogelbuch Gesners (siehe oben) wird der Holzschnitt
erneut abgedruckt und von einem auf die lexikalischen
Betreffe reduzierten Text begleitet.
S. 22: Corvus sylvaticus, Ibis nigra secundum
Bellonium, ni fallor. Italice: Corvo selvatico, Corvo
spilato, Corvo mariano. Lotharingis: Corneille de mer.
German.: Waldrapp, Steinrapp, Clausrapp
Fischer bezeichnet die Icones treffend als
„zoologisches Bilderbuch“, das verlegerisch den
jeweiligen Bänden des lateinischen Hauptwerks
Gesners nachgereicht wurde.
Fischer, Conrad Gessner, 1966, S. 59f.;
Weinel, Untersuchungen, 2012, S. 14.
128
1557
Bild und ornithologische Textquelle
Conrad Gesner, Vogelbůch
Die deutsche Ausgabe des Liber avium wird gemeinsam mit der lateinischen von 1555
behandelt (siehe bei 1555/1557).
129
15571560 (sicher nicht vor 1557)
Bildquelle
Wien, Kunsthistorisches Museum, KK 3232: Gebetbuch der Philippine Welser (ausgestellt
auf Schloss Ambras in Innsbruck)
Schon im Nachlass-Inventar Erzherzog Ferdinands (von Tirol) von 1596 (Wien, KHM, KK 6652,
fol. 392v) wird das Gebetbuch als „Ain schön alt Teütsch geschribens petbuech auf pergament,
alles schön iluminirt von allerlai thieren und plumbwerch“ beschrieben und damit der
Schwerpunkt der Ausstattung treffend charakterisiert.
Böhm, Pegoraro, S. 69, behaupten in dem deutschsprachigen Gebetbuch sei in den
Randleisten ein Waldrapp dargestellt, der der Darstellung von Gesners Holzschnitt folge (zu
diesem bei 1555/1557). Da nähere Angaben auf welcher der über 560 Seiten der Handschrift
sich diese Darstellung befindet und derzeit kein Digitalisat zur Verfügung steht, kann die
Behauptung, die auf Grund der doch spezifischen Angaben einige Glaubwürdigkeit
beanspruchen kann, derzeit nicht überprüfen werden. <PRÜFEN> In dem Beleg zum
Gebetbuch, den Böhm und Pegoraro zitieren, wird der Waldrapp nicht erwähnt.
Das Gebetbuch wird mit nicht wirklich verlässlichen Behauptungen für Philippine Welser, die
(zuerst nur geheime) Frau von Erzherzog Ferdinand II. (von Tirol) in Anspruch genommen und
um 1557/1560 datiert (sicher nicht vor 1557, da der Erzherzog auf dem vorangestellten Portrait
mit dem Goldenen Vlies dargestellt wird).
Der Stil der malerischen Ausstattung ist uneinheitlich, die Beteiligung mehrerer Hände ist
wahrscheinlich. Ulrich Merkel benennt hingegen einen Illuministen DHP, dem er auch das 1546
datierte Loos-Buch des Paul Pamst (Kunsthandel) zuweist.
Elisabeth Schleicher, Gebetbuch, in: Dieselbe, Ortwin Gamber, Kurt Wegerer, Alfred Auer, Die
Kunstkammer (Führer durch das Kunsthistorische Museum 24), Innsbruck 1997, S. 88
(Kat.-Nr. 194);
Alfred Auer, Gebetbuch der Philippine Welser (deutsch), in: Natur und Kunst, 1995, S. 8183
(Kat.-Nr. 22);
Ulrich Merkel, Buchmalerei in Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Spätblüte und
Endzeit einer Gattung, Regensburg 1999, S. 221 (Nr. 9 des Abschnitts „Ausklang“);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69;
Seidl, 2017, Nr. 3.4. <PRÜFEN>
130
https://www.khm.at/de/object/5b86822a19/ (Objektdatenbank des Kunsthistorischen Museums)
131
1558, März 11
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat Catenichl 19 (15571559)
Fol. 213rv: Mandat [von Michael von
Kuenburg, Erzbischof von Salzburg
(15541560)] von wegen der
Clausraben:
Wir Michael thuen mit disem unnserm
offen mandat khundt aller menigilich:
Nachdem dass schiessen aus püchsen
so in der stat allenthalben beschicht, vat
sorgelich unnd gefärlich, die kranckh
person unnd die schwenngern frauen
darob erschreckhen, auch die
Klaußraben von iren stännden gejagt
unnd vertrieben werden, daß wir ain
sonnders ungedigs misfallen tragen
ennach (?) so bevelchen unnd gebieten
wir hiemit ernnstlich unnd wollen, daß
sich hinfuran niemants, er sey geystlich,
weltlich, hofgesindt, burger oder
innwoner, hochs oder niders standts,
niemannts ausgenomen in der stat
Salzburg, es sey an was ort es wolle,
dasgleichn auch ausserhalben der stat
als am Munichperg unnd Rietenburg,
auch vil weniger in di wanndt des
Münichpergs auß püchsen zu schiessen
unnderstee, alles bei vermeidung
unnserer schwern straff unnd ungnad.
Dann wurd jemants solch gebot
verachten, darwider thuen unnd
hanndeln, (darauf wir dann unnser
sonnder guet aufsehen verordnet
haben) der soll von unns nach
ungnaden gestrafft werden. Darnach
132
wisse sich menigilich zu richten unnd vor schaden ze huetten. Geben in unnserer stat Salzburg
den ainlefften tag Martii anno etc. LVIII. Nota: Diser Mandade sein funffe geschriben und
angeschlagen werden.
(von anderer Hand beigefügt:) Nota den 20 Februarii anno -59 sein der Clausraben Mandats
funffe geschriben und dem Jäger Maister anzuschlagen zuegestelt worden.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1531, 1578 März 28 und 1584 April 10 sind
bekannt (siehe dort für weitere Informationen).
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25 (nur Hinweis);
Klein, Nachrichten, 1958, S. 62 (nur Hinweis).
Herzlichen Dank für das Übermitteln der Daten zu diesem Stück und die Bilder an Hubert
Schopf von Salzburger Landesarchiv.
133
1560 April 24
Bildquelle (Siegel)
Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Allgemeine Urkundenreihe (AUR), 1560-IV-24:
Wappensiegel des des Grazer Stadtpfarrers Andreas (André) Gigler
Fritz Popelka führt das Wappen
Giglers in die Waldrapp-
Forschung ein und nennt eine
Urkunde von 1560 ohne deren
Aufbewahrungsort zu verraten.
Als Wappenbild (des Siegels)
beschreibt er: „einen
aufrechtstehenden, nach
(heraldisch) rechts gewendeten
Klausraben mit ausgespreizten
Flügeln. Die langen dünnen
Beine und der Schopf sind in der Wappendarstellung gut erkennbar.“
Peter Wiesflecker, Graz, Steiermärkisches Landesarchiv (Mail vom 22. Dezember 2020), teilt
mit, dass sich im Archiv kein Wappenbrief für Gigler befindet (so meine Anfrage). Er verweist
jedoch darauf, dass die Urkunde AUR 1560-IV-24, mit der Andreas (André) Gigler dem Georg
von Herberstein einen Acker vor dem Paulustor in Graz zur Nutzung auf 20 Jahre überlässt, mit
drei (heute abgefallenen, jedoch erhaltenen) Siegeln gesiegelt wurde. Darunter befinde sich
auch ein Siegel Giglers. Wiesflecker vermutet wohl zu Recht, dass sich Popelka auf dieses
Stück bezogen hat. Das Siegelbild sei 2020 aufgrund seines Erhaltungszustandes bzw. der
Verunreinigung nur noch schwer zu erkennen, weise jedoch auf einen Raben“ hin.
Ludwig Freidinger kommt zu demselben Ergebnis wie Wiesflecker und bildet (in
Nachzeichnung) das Siegel ab: die Umschrift lautet: S(igillum) Andre Gigler 1555. Es ist ein
Vogel mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt, den Freidinger als Kiebitz bezeichnet.
Bernhard Gönner, für dessen fachkundige Expertise ich mich herzlich bedanke, beurteilt die
Darstellung als „wenig überzeugend“. Für einen Waldrapp ist der Schnabel zu kurz und zu
gerade. Für den Waldrapp können jedoch die Nackenfedern ins Feld geführt werden. Gigler
wirkte an einem Ort, an dem nachweislich Waldrappe lebten. Es wäre also vorstellbar, dass ihm
als Wappentier ein solcher verliehen wurde, wie dies bei den Gebrüdern Staininger aus Braunau
am Inn tatsächlich geschah (dort als Steinrabe bezeichnet siehe bei 1531 Oktober 12).
Sicherheit sei freilich erst möglich, wenn der Wappenbrief (oder ein Registereintrag zu diesem)
auftauche. Als reine Bildquelle hat die Darstellung keinen ornithologischen Wert.
134
Nachforschungen haben ein Ansuchen für einen Wappenbrief ans Tageslicht gebracht (siehe
bei 1554 Juli 9), welches freilich keine Benennung des verliehenen Wappenbildes enthält.
Genau die benötigte Klarstellung kann die Quelle nicht bieten. Popelkas Behauptungen
erweisen sich daher als unbegründet. Der von ihm unbegründeter Weise als „Klausrabe“
bezeichnete Vogel, bleibt namenlos, das Bild reicht für eine Bestimmung, wie Bernhard Gönner,
feststellt, nicht aus.
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 65 (Ich bedanke mich sehr herzlich bei Silke Sladek von der
auch heute noch bestehenden Zeitschrift „Der Anblick“ für die Anfertigung einer
Reproduktion des Artikels von Fritz Popelka.);
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86;
Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 2, S. 91;
Hable, Waldrapp, 1983, S. 35. <Prüfen>;
Hable, Waldrapp, 1994, S. 114f.;
Ludwig Freidinger, Die Stadtpfarrer von Graz ihre Siegel und Wappen vom Mittelalter bis ins
18. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 31 (Graz 2001), S. 79135,
bes. S. 100f. (ich danke Peter Laukhardt für den Hinweis auf diese Publikation).
135
1561 (recte wohl nicht nach 1544)
Textquelle (ornithologische)
Valerius Cordus, Annotationes in Pedacii Dioscoridis (...) Sylva qua rerum fossilium in
Germania plurimarum metallorum lapidum & stirpium aliquot rariorum notitiam
brevissime persequitur nunquam hactenus visa (...), Hg. Conrad Gesner, Straßburg 1561
(VD 16, C 5109 Digitalisat)
Der Sammelband mit Werken des Cordus enthält auf
foll. 217r224v eine als Sylva observationum variarum
benanntes Werk, auf dessen vorletzter Seite fol. 224r
sich Berichte zu Brutgebiete von Steinraben finden:
Steynraben, corvi sunt in rupium et petrarum cavernis
viventes, vita illis ad Danubium in utraque ripa
ubicunque saxa et rupes attolluntur: ut non procul a
Passavio et supra Kelheymium in petraeis faucibus.
Expetuntur regum venationibus et mensis.
Als gedruckte Randnotiz (von Gesner) ist dem Druck
beigefügt:
Pyrgocorax. Item Brisaci apud sanctam Mariam de
Lapide prope Basileam.
Als nächstes Lemma folgt:
Steyndolen, monedulae sunt in petrarum cavernis
agentes, reliquis monedulis multo minores. Frequentes
autem sunt supra Kelheymium in petreis faucibus, utraque Danubii ripa.
Übersetzung (Schenker, 1975):
Steynraben sind Raben, welche in Höhlen von Felswänden und Steinen leben; sie leben bei der
Donau an beiden Ufern überall wo sich Felsen und Felsklüfte erheben: wie zum Beispiel nicht
weit von Passau und oberhalb von Kehlheim in felsigen Schluchten. Sie sind begehrt bei den
Jagden der Könige und an ihren Tischen.
Randnotiz: Pyrgocorax [Turmrabe]. Ebenso in Breisach (und) bei der Heiligen Maria vom
Stein in der Nähe von Basel.
Steyndolen sind Dohlen, welche in Felshöhlen leben: gegenüber den übrigen Dohlen sind sie
bedeutend kleiner: sie sind aber häufig oberhalb von Kelheim in felsigen Schluchten, an beiden
Ufern der Donau.
136
Valerius Cordus starb bereits 1544. Strohl, S. 514516, macht glaubhaft, dass die Angaben des
Stammtextes (Sylva observationum variarum), der lose Reisebeobachtungen umfasse,
jedenfalls von Cordus stammen würden. Wohl erst 1559 gelangten Cordus‘ Schriften in Gesners
Hände, der nach Stohl für den Druck die Randnotiz hinzugefügt habe.
Die Angaben sind im Grunde für sich genommen kaum aussagekräftig. Erst das Wissen, dass in
Bayern und im angrenzenden Oberösterreich der Begriff „Steinrabe“ (siehe bei 1441, 1471 in
Baumburger Quellen; 1531 Oktober 12 in einem Wappenbrief für einen Bürger aus Braunau am
Inn und 1536 Oktober 8 und 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31) in weiteren Wappenbriefen) für
den Waldrapp üblich ist, und ein von Gesner hinzugefügter Verweis, der wiederspiegelt, dass
Gesner die Angaben des Cordus‘ auf den Waldrapp bezieht, ermöglichen die Einordnung. Der
Verweis auf Passau und Kehlheim kommt bei Gesners eigenem Werk (siehe bei 1555/1557) zu
seinen Lebzeiten (gest. 1565) nicht vor, er wurde erst 1585 in die posthume Frankfurter
Ausgabe aufgenommen (VD 16, G 1731, S. 351; vgl. dazu auch Schenker, 1977, S. 15).
Cordus liefert keinerlei Angaben zum Aussehen und keine Möglichkeit den Vogel von der im
folgenden Lemma behandelten Steindohle zu unterscheiden.
Die von Gesner am Rand ergänzten geographischen Angaben sind problematisch. Schenker
argumentiert, dass Breisach und Mariastein (bei Basel) nicht denselben Ort meinen können,
sondern zwei distinkte (im Druck sei ein Satzzeichen ausgefallen). Die Identifizierung mit (dem
Tal der) Birsig, was geographisch möglich wäre, lehnt er ab.
Zu Mariastern vergleiche als Erstinformation https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Mariastein.
Das dort später bestehende Kloster existierte freilich im 16. Jahrhundert noch nicht. Gesner
bezieht sich wohl auf eine spätmittelalterliche Wallfahrt, die später wiederbelebt wurde
(Schenker, 1977, S. 15).
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 542f.;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 514516;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 31f.;
Schenker, Breisach, 1975, S. 40f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65.
137
1561
Textquelle (archivalische)
Salzburger Landesarchiv, Archiv Plaz. Urbar III 50: Jagdrechte in der Herrschaft in St.
Jakob am Thurn
Die Quelle legt die Jagdrechte
der Herren von Thurn auf ihrem
Besitz (St. Jakob am Thurn)
fest.
Zum Waldrapp wird bestimmt:
Mer ruegen (= festhalten) wir
den Herrn vom Thuern auf irn
gruntten als (= alles) Federspill
(= Falkenbeitze) unnd
Claußraben mugen sy fahen (=
fangen) lassen.
Das Fangen der Waldrappe
(Klausraben) war 1561 offenbar so wichtig, dass es Eingang in diese Jagdrechte fand.
Bezeichnend auch, dass es mit der Falkenbeize in einem Absatz abgehandelt wird.
Für weitere Angaben siehe auch bei 1608 Oktober 1.
Klein, Nachrichten, 1958, S, 64;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Ich danke Hubert Schopf, dem Leiter des Salzburger Landesarchivs, sehr herzlich für seine
Unterstützung bei der Interpretation dieser Quelle.
138
1561
Textquelle (Predigt)
Peter Mèlius, Predigten
In der 111. Predigt, so Herman, schreibt Mèlius: Oktalan rókahoz és tarvarjúhoz illen
raraszsäga (Schlauheit, die für einen unvernünftigen Fuchs oder für einen Kahlraben passt).
Herman belegt mit diesem ersten ungarischen Sprachdenkmal (ein unsicheres auch schon
1550; siehe 1550, dass das Wort tarvarjú (Kahlrabe) bekannt war, denn sonst, so sehr
nachvollziehbar die Argumentation von Herman, würde die Verwendung in Sprichworten keine
Wirkung erzielen.
Die Publikation, auf die sich Herman bezieht, konnte bisher nicht identifiziert werden. 1561 hat
Mèlius drei Bände publiziert:
- A Christus közbejarasarol valo predicacioc, Debrecen 1561:
http://oszkdk.oszk.hu/storage/00/00/07/21/dd/1/RMK_I_46.pdf
- A Szent Pal apastal levelenec, mellyeket a Colossabelieknec irt predicacio szerent valo
magyarazattya, Debrecen 1561: http://dspace.bcucluj.ro/handle/123456789/13304.
- A szent János evangéliumának prédikáció szerint való magyarázata, Debrecen 1561: <??>.
Das Zitat mit dem tarvariu konnte in den Digitalisaten bisher dort nicht gefunden werden.
<WEITER PRÜFEN; v. a. bei Szent Pal> Auch in Magiar predikatiok, 1563 (Digitalisat), und in
anderen (späteren) Publikationen von Mèlius konnte das Zitat bisher nicht nachgewiesen
werden. Vgl. vor allem Gábor Szalay, Mliusz, a magyar Klvin letműve – Impressziók,
Budapest 2015 (Digitalisat). <Da wäre noch Luft nach oben!>
Sollte das Zitat kein absoluter Fake sein, wovon nicht auszugehen ist, kann die Textsorte, eine
Predigt, eine gewisse Zuverlässlichkeit beanspruchen, denn irgendwelche naturkundlichen
Interessen, die ein Sprachdenkmal vielleicht verfälscht haben könnten, sind auszuschließen.
Vielmehr geht Herman davon aus, dass der Prediger altgläubige Gegner so verunglimpfen
wollte. Die Bedeutung der Quelle wird auch durch die Tatsache erhöht, dass der Druck
zeitgenössisch ist, also zwischen Quelle und Überlieferung nicht getrennt werden muss.
Wenn freilich wie eine ebenfalls 1561 entstandene lexikalische Quelle nahelegt „Tarvariu“
bloß „Krähe“ bedeutet, verliert das Gedankengebäude Hermans seinen Halt (siehe unten).
Peter Mèlius (15361572) ist eine wichtige Figur in der ungarischen Reformation, ab 1561, dem
Jahr, um das es hier geht, Bischof der kalvinistischen Kirche (für eine Erstinformation siehe zum
Beispiel HIER).
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48 (und weitere Belege desselben Autors von 1568).
139
Zu weiteren ungarischen Quellen siehe bei 1550 / 1590 (siehe dort).
140
1561
Textquelle (lexikalische)
Gábor Pesti, Nomenclatura sex linguarum, Latinae, Italicae, Gallicae, Bohemicae
Hungaricae et Germanicae, Wien 1568 (VD 16, M 5706 Digitalisat)
Auf foll. H4vH5r wird in Kapitel 30 (De avibus) folgender Eintrag geboten: „Cornix cornacchia
cornaille wrana tarvaryw kra
e
e.
Dieser Eintrag stellt Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48, in Frage, der den ungarischen Begriff
„Tarvariu“ mit dem Waldtrapp (Kahlrapp) gleichsetzt; hier wird dieser mit der ganz gewöhnlichen
Krähe identifiziert. Für den Raben gibt es folgende Wortreihe: Corvus corbo corbiau
hawran hollo rapp. Einen spezifischeren Eintrag, der in Richtung Waldrapp weisen würde,
ist nicht zu finden.
Ob Pesti freilich wirklich zuverlässig ist, ist ebenfalls unsicher, denn Fausto Veranzio,
Dictionarium quinque nobilissimarum Europae linguarum: Latinae, Italicae, Germanicae,
Dalmatiae et Ungaricae, Venedig 1595 (Digitalisat), hat auf S. 24 die Wortreihe: Cornix
Cornacchia ein Kray Vrana Varyu“. Der Eintrag „Corvus“ in dem nach den lateinischen
Begriffen alphabetisch geordneten Werk ist nicht vorhanden. Hier wird der Krähe also nicht der
spezifische Begriff „Tarvariu“, sondern der allgemeine „variu“ zugeordnet. Es bleibt demnach
Platz, dem Begriff „Tarvariu“ doch eine spezifischere Bedeutung zuzuordnen.
141
Die Kombination „Cornix – Varju“ auch bei Albert Szenczi Molnr, Dictionarium Latinoungaricum
opus novum (…), Nürnberg 1604 (VD17 23:290383G Link), fol. I5v. Auf fol. (I6v) folgt dann
„Corvus – Hollo“, weitere Untergliederungen (zum Beispiel: Corvus sylvaticus, …) fehlen.
Ob der entsprechende Eintrag auch in der Ausgabe von Pestis Wörterbuch, das in Wien bereits
1538 (Link) bzw. ebendort 1554 (VD 16, M 5703) erschien, vorkommt, wurde noch nicht
überprüft.
142
1562
Bildquelle
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 542: Manfred Barbarini Lupus, Vierstimmige Gesänge zu
den Hochfesten des Jahres
Das großformatige, 1562 von Pater Heinrich
Keller (datierter Vermerk p. 2: 15181567,
Profess 1535, Subprior 1551) geschriebene
liturgische Gesangbuch (Graduale) überliefert
nicht, wie im Mittelalter üblich, bloß einstimmige
gregorianische Gesänge, sondern kunstvoll
mehrstimmige Kompositionen des Manfred
Barbarini Lupus. Die buchmalerische
Ausstattung der ersten Seiten der Hochfeste mit
fünf ganzseitigen Miniaturen stammt vom
Lindauer Buchmaler Caspar Härtli (sein Wappen
im zugehörigen Cod. 542, p. 1).
Die Doppelseite, die der Miniaturenseite (p. 3)
zum Osterfest folgt (pp. 45), ist mit reichem
Randdekor mit vielen naturalistischen
Vogeldarstellungen versehen. Unter
diesen befindet sich auf p. 5 auch eine
Darstellung eines als Waldrapp
identifizierten Vogels.
Alle anderen derartigen Seiten sind
anderen Themen gewidmet und daher
ohne Vögel.
Die Wiedergabe des Waldrapps
stimmt in vielen Punkten mit dem
Holzschnitt Gesners (siehe bei
1555/1557) überein. Zu nennen sind
die Schrittstellung, der leicht geöffnete
Schnabel, der grundsätzliche
Körperbau und die Nackenfedern.
Wieder ist ein junger Waldrapp
dargestellt. In der Naturtreue, nicht nur
143
durch die Farbigkeit, ist der hier gemalte Vogel dem Gesner’schen Holzschnitt sogar überlegen
und gehört damit zu den naturgetreuesten historischen Abbildern die wir besitzen.
Die Intention ist freilich eine ganz andere, denn hier geht es um Dekor. Die Vogelabbildungen
sind in die Ranken eingegliedert, die ganz der mittelalterlichen Struktur von buchmalerischem
Dekor entsprechen.
Die Tierdarstellungen im hier untersuchten Codex sind für den Buchmaler eine Möglichkeit sein
Können der exakten Naturwiedergabe eine damals überaus geschätzte Fähigkeit zu
demonstrieren.
Zur Handschrift siehe http://e-codices.ch/en/list/one/csg/0542 mit Digitalisat und Beschreibung
von Beat Matthias von Scarpatetti, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2:
Abt. III: Codices 450546, Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia,
Musikhandschriften 9.16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 397409.
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 521f.;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 320;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62.
144
1564 (Abschrift 1612 redigiert)
Textquelle (narrative)
Basel, Universitätsbibliothek, A λ III 3: Tagebuch des Felix Platter
Auf Seite 176 berichtet Felix Platter (15361614), der als Arzt in Basel lebte, von einem Besuch
auf Angenstein:
Den 26 Maij [1564] ritt ich ghen Angenstein zu einem, der Jung hat geheissen, hatt D. Zipparts
tochter, die an der pestilenz krank lag; man bauwet damahlen erst das schloss. Ob dem imbiss
gab man uns ein Waldtrappen, und weil der Jung sagt, ein tauber [tollwütiger] hundt habe ihm
den kopf abgebissen, darumb walte niemandts darvon essen. Die frauw starb damahlen.
Valentin Lötscher identifiziert den Schlossherrn mit Hieronymus Jung, der mit Anna Zipper von
Angenstein, Tochter des Juristen Wendelin Zipper, eines Freundes des Felix Platter, verheiratet
war. Den Ort bestimmt er mit Angenstein im Birstal bei Aesch, 10 km südlich von Basel.
Die Episode ist Teil einer Reihe vergleichbarer Kurzmitteilungen, die Reisen, vornehmlich
Patientenbesuche, betreffen. Das Jahr 1564 war in Basel und dessen Umgebung stark von dem
Pestausbruch geprägt, was den gefragten Arzt Felix Platter stark in Anspruch nahm.
Die Überlieferung der tagebuchartigen Aufzeichnungen ist nicht zeitgenössisch, sondern beruht
auf einer Redaktion, die Platter 1609 begann und frühestens 1613 abschloss (Lötscher, S. 32f.).
Als Schreiber des Abschnitts bis Seite 137 kann Lötscher, S. 30, Felix Platter, also den Autor
selbst, identifizieren. Am unteren Ende dieser Seite übernahm sein viel jüngerer Halbbruder
Thomas Platter II. (15741628) die Schreibarbeit. Der Abschnitt, in dem der Waldrapp nebenbei
eine Rolle spielt, wurde also bereits von Thomas Platter geschrieben.
Der Textcharakter macht deutlich, dass ältere Aufzeichnungen, die Felix Platter wohl ab 1551
führte (Lötscher, S. 32), die Textgrundlage bildeten und nicht bloßes Erinnern Jahrzehnte
später.
Trotz der nicht zeitgenössischen Überlieferung besteht kein Grund den Berichten zu misstrauen.
Vergleiche auch https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/jancke-
quellenkunde/verzeichnis/p/platter/index.html.
Der Band, der das Tagebuch enthält, ist heute in ein Fragment eines mittelalterlichen
Antiphonars eingebunden, was durchaus dem Usus des frühen 17. Jahrhunderts entsprechen
würde. Bloß berichtet Lötscher, S. 29f., von glaubhaften Aussagen, dass 1840 die Blätter lose
waren. Ob der Einband also ursprünglich zum Tagebuch gehörte, ist keineswegs sicher.
Für Erstinformation zu Felix Platter siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Platter_(Mediziner,_1536).
145
Valentin Lötscher, Felix Platter Tagebuch (Lebensbeschreibung) 15361567 (Basler Chroniken
10), 1975, S. 432f.;
Schenker, Breisach, 1975, S. 42;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 321;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62, 64.
146
1566
Textquelle
Unbekannter Aufbewahrungsort: Instruktion Erzherzog Karls an seinen Fischmeister
„Es soll auch unser Fischmeister daneben sein fleißiges Aufsehen haben, damit unsere
Klausraben gen Grätz auf den Feldern noch andernorts nicht geschossen oder beleidigt,
sondern gehegt, gezügelt und gehütet werden."
Popelka zitiert diese Quelle, freilich ohne deren Aufbewahrungsort zu nennen. Die Anweisung
erwähnt den Waldrappen, ob er allerdings auch realiter noch in Graz brütete, ist damit noch
nicht endgültig belegt, freilich wahrscheinlich. Dies umso mehr als Popelka den Abschnitt auch
noch 1621 in einer nämlichen Anordnung nachweisen kann. In einer Instruktion vom 21. Juli
1638 (Popelka) bzw. 27. Juni 1638 (Tratz) fehlt der Abschnitt, was darauf hindeutet, dass er
wegen des Nichtmehrvorhandenseins des Vogels obsolet wurde.
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86;
Hable, Waldrapp, 1994, S. 114;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 68.
147
1571, Juni 15
Textquelle (archivalisch-narrative)
Salzburg, Landesarchiv, Hofkammer Gastein 1571 C, Nr.47: Brief des Sebald
Hochenkyrcher, Pfleger zu Dächsenpach (Taxenbach) und Landtrichter in der Rawriß
(Rauris), an Erzbischof Johann Jakob Kuen Belasy von Salzburg
Anlässlich eines Kuraufenthalts
in Gastein (heute: Bad Gastein)
von Anna, der Gemahlin von
Herzog Albrecht V. von Bayern
(15281590 eine Tochter
Kaiser Ferdinand I.), die zudem
von ihrem Bruder Erzherzog
Karl II. von (Inner-)Österreich
(15401590), ebenfalls mit
grossem Gefolge, besucht
wurde, berichtet der Pfleger:
Gnedigister fürst unnd herr,
E(uer) f(ürstlichen) G(naden)
bevelch sambt ubersendter
profiandt-ihhallt
eingeschlossner zöttl hab ich an
heut dato vor dem morgenmall
empfanngen. Auch meiner
gnedigisten frauen alle sachen
ausser Copaun unnd
Klaußraben fürtragen lassen.
Doch iren fürstlichen gnaden
die Copaun und Claußraben so
gebracht worden, darneben
angezaigt darauf ir f(ürstliche)
G(naden) vermeldt e(ure)
f(ürstliche) G(naden) haben von
derselben wegen zuvil mhüe und uncosten.
Der Bericht zeigt, dass Kapaun und Waldrapp als besondere Speisen extra hervorgehoben
werden.
148
Das Treffen der Geschwister wird wohl mit der am 26. August desselben Jahres in Wien
gefeierten Hochzeit von Karl mit Annas Tochter Maria Anna in Verbindung stehen.
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
149
1573
Textquelle (naturkundlich-landeskundliche)
Ulrich Campell, Rhaetiae alpestris topographica descriptio
In der landeskundlichen Beschreibung des Ulrich Campell (Susch/Engadin um 15101582
Tschlin), die als Manuskript am 1. Mai 1573 am Josias Simler übersendet wurde (dazu siehe
Einleitung, S. XV der Druck scheiterte in weiterer Folge), wird der Waldrapp als Abschnitt 109
im dritten (naturkundlichen) Anhang erwähnt:
Randtitel: Waldrapp, corvus sylvaticus, ibis.
109. Ad sylvestrium avium ordinem pertinet etiam avis, quae Germaniae appellatur Waldrapp
etc., quam Gesnerus nomine Germanicae illius appellationis imitatione ficto vocat corvum
sylvaticum censetque eam secundum Bellonium ibim esse, quae Hieronymo authore tota nigra
est, quum et nostra haec corvi similitudine sit atra. Quo facit, quod Plinius lib. 10, cap. 48,
testatus, quod M. Egnatius Calvinus praefectus Alpium prodiderit visam in illis ab se peculiarem
Aegypti ibim. Qua de Plinius porro lib. 8, cap. 37, ita tradidit: „simile quidam (id est clysterem
nempe) et volucris monstravit“, ait, „quae ibis vocatur; nostri adunciate per eam partem se
perluens, qua reddi ciborum onera maxime salubre est, quemadmodum alia animalia alia
remedia eaque varia ostenderunt“. De eadem etiam Cicero lib. De natura 2: „ibides“, inquit,
maximam vim serpentium conficiunt, quam sint rigidis cruribus, corneo proceroque rostro“, etc.
Hinc Aegyptii aves illas et adorant invocantque contra serpentium (volucrium nimirum)
adventum, Plinio lib. 10, cap. 28, teste. Est autem huius sylvatici nostri corvi ferina apprime
vulgaris, optima pulli etiamnum tenerique a nido ablati. Et quum sint corporis magnitudine
moleque parum infra ciconiam, nidulantur ferme in editis inviisque petrarum scopulis et
potissimum nidos suos construere gaudent in veteribus et iam obsoletis ac ruinam minantibus
dirutarum arcium vel exustorum castellorum parietibus, quorum plurima hinc in Alpestribus
nostris regionibus passim cernuntur.
109. Zur Klasse der Alpenvögel gehört auch der im Deutschen Waldrapp etc. geheißene Vogel,
den Gesner mit einem dieser deutschen Bezeichnungen nachgebildeten Namen corvus
sylvaticus nennt, und dem er, Bellonius folgend, animmt, es sei der Ibis, der nach dem Zeugnis
des Hieronymus ganz schwarz ist. Dazu passt, was Plinius im 10. Buch, Kap. 18, bezeugt, dass
Marcus Egnatius Calvinus, Präfekt in den Alpen, berichtet habe, dort sei von ihm der Ägypten
eigentümliche Ibis gesehen worden. Über diesem hat Plinius sodann im 8. Buch, Kap. 37,
folgende Nachrichten gegeben: Etwas Ähnliches (d. h. eben das Clystier) hat auch ein Vogel
gezeigt, der Ibis heißt, indem er mit dem gekrümmten Schnabel sich an jenem Körperteil
bespült, durch den man am zuträglichsten sich der Speiseüberreste entledigt, wie andre Tiere
andere Heilmittel mancher Art gelehrt haben. Von dem gleichen Vogel sagt auch Cicero im 2.
Buch de natura: „Die Ibisse vertilgen eine außerordentliche Menge von Schlangen, da sie steife
150
Beine haben und einen langen hörnernen Schnabel“ etc. Darum verehren auch die Ägypter jene
Vögel und rufen sie an gegen die Ankunft der Schlangen (nämlich der geflügelten), wie Plinius
im 10. Buch, Kap. 28, bezeugt. Das Wildpret dieses unseres Waldraben aber ist überaus
gewöhnlich, am besten von einem noch jung und zaret aus dem Nest genommenen Tiere.
Obwohl an Körpergröße und Gewicht nur wenig unter dem Storch stehend, nisten sie in der
Regel auf hohen unzugänglichen Steinklippen und lieben es besonders, ihre Nester in alten,
schon verfallenen, mit Einsturz drohenden Wänden zerstörter Burgen oder ausgebrannter
Kastelle zu bauen, wie man sie in Menge da und dort in unseren Alpengegenden überall
erblickt.
Strohl weist sehr zu Recht darauf hin, dass Campell nicht selbst beobachtet habe, sondern
ältere Texte kompilierte.
Der Haupttext von C. J. Kind ist in den Quellen zur Schweizer Geschichte 17 (Basel 1884) ediert
(Link); der hier relevante Anhang 3 und 4 von Traugott Schiess in den Jahresberichten der
naturforschenden Gesellschaft Graubünden, N. F. 42/43 (1899/1900), mit deutscher
Übersetzung (der Abschnitt zum Waldrapp in Band 43, S. 94f.) Vorwort,
Inhaltsverzeichnis, Einleitung und Anmerkungen als Anhang zu Band 44 (1900/1901):
Link.
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 540f.;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 517f;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64.
151
ca. 1575/80
Bildquelle
Washington, National Gallery of Art, Collection Lessing J. Rosenwald, 1987.20.8.63: Joris
Hoefnagel, Vier Elemente, Band 4: Animalia volatilia et Amphibia (Aier) Digitalisat
Tav. LXII stellt keinen einzelnen
Vogel dar, sondern in einem
querovalen Bildfeld sind
mehrere Vögel zu sehen. Die
Darstellung ist mit Corvum
delusit hiantem überschrieben
und LXII gezählt. Die Tiere sind
mit kleinen arabischen Ziffern
nummeriert, Die Bildunterschrift
Hic niger est, hunc tu Romane
caveto zitiert ein Sprichwort des
Horazʼ (Dieser ist schwarz, vor
diesem, Römer, nimm dich in
Acht) nimmt darauf freilich
nicht Bezug, sondern bloß auf
die Gefiederfarbe von zwei der
abgebildeten Vögel.
Links auf einem Felsen ist ein
Waldrapp mit angehobenem
linken Lauf und leicht
geöffnetem Schnabel
dargestellt. Die Haltung
entspricht dem Holzschnitt
Gesners (ab 1555 siehe bei
1555/1557).
Trotz der Berühmtheit
Hoefnagels ist in diesem Fall
von einer kolorierenden Rezeption des gedruckten Vorbilds auszugehen. In Bezug auf
Naturtreue reicht die hier vorliegende Darstellung weder an die Randillustration im St. Gallner
Graduale (siehe bei 1562) noch an das Tierportrait im Museum Kaiser Rudolfs II. (siehe bei
15771612) heran.
152
Manfred Staudinger, Études descriptives de zoologie historique, in: Le bestiaire de Rodolphe II.
Cod. min. 129 et 130 de la Bibliothèque Nationale d’Autriche, Paris 1990, S. 460–465;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69.
153
15771612
Bildquelle
Wien, ÖNB, Cod. Min. 130: Naturstudien aus dem Museum Kaiser Rudolfs II.
Die hier zu behandelnden
Blätter entstanden in Wien (?)
und in Prag.
Auf fol. 86r findet sich bei der
Darstellung folgende Beischrift:
Waldrapp und Zwergsänger.
Dieses Blatt kann keinen der an
der Ausführung des kaiserlichen
Museums beteiligten bekannten
Maler (Giuseppe Arcimboldo,
Hans Hoffmann, Dirk de Quade
van Ravensteyn, Daniel
Fröschl) mit Bestimmtheit zugeordnet werden.
Die hier vorliegende Darstellung ist die bei weitem detaillierteste, die wir vom Waldrapp vor dem
20. Jahrhundert kennen. Der Körperbau mit korrekt langen Beinen, die bloß im obersten Bereich
gefiedert sind, die Zehenstellung, die Krallen, die drei Enden hinten, die die Flügel und den
Schwanz abbilden, die vom Körper unterschiedliche Gefiederstruktur des Halses, das wie bei
Gesner (siehe bei 1555/1557) noch juvenile Nackengefieder. Der Kopf hat einen grauen
Schimmer, Lichtreflexe deuten das Kahl-Werden bereits an. Die Iris ist orange, ähnlich der
Farbe des Schnabels, der lang, schmal und im vorderen Bereich gebogen ist.
Hier, und im Grunde ist dies in der vorliegenden Sammlung das einzige Beispiel, liegt eine echte
Naturstudie vor. Man ist sogar geneigt von einem Portrait eines individuellen Vogels zu
sprechen, also einem Kunstwerk, das nicht allgemein gültige Merkmale der Waldrappe
zusammenfasst, sondern dass ein konkretes Tier abbildet.
Thesaurus Austriacus, 1996, S. 242248 (Manfred Staudinger); zur Handschrift ebendort S.
230236;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70f.
154
1578 März 28
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat Catenichl 21 (1578)
Auf foll. 43r44r ist ein Ausschreiben [des
Salzburger Erzbischofs Johann Jakob Kuen
Belasy] überliefert:
Ausschreiben von wegen der Clausraben unnd
Storchen, 5 (mal) ze schreiben.
Wir Johann Jacob etc. thun mit disem unserm
offnen mandat khundt unnd zu wissen aller
menigclich: Nachdem durch das püchßen
schiessen, so alhie in unnser stat Salzburg, in der
Trä- und Kirchgassen, auch ennhalb der pruggen,
schier täglich beschicht, nit allain die Clausraben
unnd Storchen aus iren stendten geschröckht
unnd verjagt werden, sonnder auch solches
schüessen der schwachen personen, auch der
schwanngern frauen halben
seer geferlich, so haben
weillendt unnsere vorfordern
löblicher gedechtnuß unnd auch
wir deßhalben gleichwoll järlich
offne mandat oder bevelch zu
abstellung sölches schüessens
ausgeen unnd an die haubt thör
alhie anschlagen lassen. Aber
dessen alles unangesehen
befinden wir, durch anderer
glaubwirdigen bericht unnd
unser selbs gewisse erfahrung,
das solches unserm verbott
bißheer wenig gelebt oder
nachganngen worden, deßhalben wir dann gegen den verbrechern und ungehorsamen ain
billichs ungnedigs mißfallen tragen und ist darauf unser ernstlicher bevelch, das sich nun
hinfüran (?) niemand, er sei geistlich, weltlich, hofgesindt, burger oder inwohner, hohes oder
nidern standts, niemandt ausgenomen, unterstee, in der Trä- oder Kirchgasse, bevorab aus den
155
wierths- oder andern heusern am Münchperg unnd Rüetenburg aus püchßen sonderlich in die
wandt des Münchpergs nach den Clausraben oder Storchen noch andern gefigel mit
nichte zu schiessen, bei vermeidung unserer schweren straff unnd ungnad. Dann wo jemandt,
er sei burger, inwohner alhie oder frembder aus den heüsern oder sonst gegen dem Münchperg
schiessen unnd solch unser verboth verachten oder übertretten wurden, darauf wir dann unser
sonders acht und khundtschafft verorndt haben, der solle nach ungnaden darumben gestrafft
werden. Darnach hab sich ain jeder zu richten und sonderlich die wierth und andere in der
Trägassen wonendt für sich unnd ire gößt vor straff zu verhüetten. Geben und mit unserm
rgedruckhten secret verförttigt in unser stat Salzburg, den 28. Martii anno (15)78.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1531, 1558, März 11 und 1584 April 10 sind
bekannt (siehe dort für weitere Informationen).
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, S. 471f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25f.;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 87f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67;
Gruber, Storchennester, 2019: Link (mit Abschrift).
Herzlichen Dank für die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger Landesarchiv.
156
15801620
Bildquelle
Murrhardt (Württemberg), Freskenreste im Refektorium des Klosters (heute
Gemeindesaal)
Burckhardt, S. 8 (Bild) und S. 11 (Text) stellt, freilich
ohne jeden Nachweis, eine Detailabbildung eines
schwarzen Vogels vor. Er deutet den Kontext des
1972 aufgedeckten Freskos im Refektoriums des
ehemaligen Benediktinerklosters in Murrhardt in
Württemberg als zur Fastenzeit erlaubte Speisen.
Burckhardt erkennt, dass der Vogel auf einem Ast
säße. Dies ist an Hand der beigegebenen Abbildung
nicht zu beurteilen, wäre jedoch auf Grund der aus
dem Ungarischen bekannten Sprichworte
bemerkenswert (siehe bei 1598).
Nach heutigem Wissenstand muss die Darstellung
aus dem Quellenkorpus zum Waldrapp gestrichen
werden, da keine ausreichende Ähnlichkeit des
Vogels mit dem Waldrapp nachweisbar ist.
Jochen Hölzinger, Darstellung des Waldrapps (Geronticus eremita) im ehemaligen Kloster
Murrhardt aus dem 16. Jahrhundert, in: Ökologie der Vögel 34 (2012), S. 6774
<PRÜFEN>;
Stephan Burkhardt, Der Waldrapp ein Phönix aus der Asche, in: Terra plana 2013, S. 316,
bes.S. 8 (Bild) und S. 11 (Text);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65 (erwähnt die Beschreibung der Waldmalerei in Adam
Adami, Traditiones murense [1648] [für mich bibliographisch nicht nachvollziehbar]).
157
1581
Bild- und Textquelle (Kochbuch)
Marx Rumpolt, Ein new Kochbuch (…), Frankfurt am Main 1581 (VD 16, ZV 13440
Digitalisat)
Auf fol. 65r wird von Speisen berichtet, die Fleisch vom
„Drappen“ nutzen:
Vom Drappen seindt fu
e
nfferley Speiß und Trachten zu
machen. (es folgt der Holzschnitt)
1. Mit einer braunen Brueh warm gebraten oder
trucken.
2. In Pasteten kalt lassen werden.
3. Von einem gebratenen Drappen die Brust
genommen, halb gehack darauß gemacht, ein sauren
frischen Limoniensafft darein gedruckt, oder fein breit
geschnitten, und darmit auffsieden lassen sampt der
braunen Bru
e
h, so ist es gut und wolgeschmack. Und
ein solches gehack kanstu zurichten auff vielerley
manier, es sey saur oder nicht. Auß der andern halben
Brust kanstu auch gestossens machen.
4. Kanst auch den Drappen zurichten schwartz oder
gelb, auff ungerisch.
5. Du kanst auch den Drappen zurichten, wie von einem Schwan, in einer Gallrat, daß sie
allerley farb hat, es sey gelb, gru
e
n, rot, weiß, braun oder Leibfarb, auch schwartz mit Mandeln,
die uberzogen seind von allerley farb und die Gallart damit belegt, ist es gut und ein scho
e
n
Schawessen.
Die Rezepte weisen keine Besonderheiten auf, die Rückschlüsse auf das verwendete Fleisch
zulassen. Die Benennung als „Drappen“ ist zu wenig spezifisch, die Verbindung zum Waldrapp
ergibt sich einzig aus der Vorlage des Holzschnitts zwischen Überschrift und eigentlichem Text.
Dieser wiederholt das Gesnersche Vorbild (siehe bei 1555/1557) seitenverkehrt, vergröbert und
verkleinert.
Rumpolts Kochbuch ist daher nicht geeignet, das Aussterben oder den Bestandsrückgang des
Waldrapps mit dem Verzehr des Fleisches zu begründen.
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 13;
Schenker, Waldrapp, 1981, S. 6f. (mit Abbildung aber ohne weiterreichende Informationen);
158
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 63f.
159
1581/90
Bildquelle
Wien, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Cod. 1784: Missale für Kardinal Andreas,
Sohn von Erzherzog Ferdinands (von Tirol)
Das Missale wurde in Innsbruck
geschrieben, die hier relevante
malerische Ausstattung durch
Joris Hoefnagel erfolgte vor
allem in München, denn der
Maler war dort als Hofmaler
engagiert.
Auf fol. 102v (originale
Paginierung: 124) beginnt das
Offizium zum Sonntag
Sexagesima, das mit einem Bild
eines Gartens im bas de page
hervorgehoben ist. Mittig sind
drei Vögeln auf einem Weg
dargestellt.
Killermann und Strohl,
identifizieren den Vogel links
vorne als Waldrapp.
Bemerkenswert ist, dass der
Waldrapp beim Picken im
Boden gezeigt wird, die Länge
des Schnabels und der Beine
führen wie es dem
Naturvorbild entspricht zu
einer weitgehend horizontalen Körperhaltung (ich danke Bernhard Gönner für diese
Beobachtung).
Die Darstellung ist offensichtlich von Gesners Vorbild (siehe bei 1555/1557) unabhängig, es
wird jedoch erneut ein jugendliches Tier dargestellt. Killermann diskutiert, ob der Vogel rechts
als Weibchen des Waldrapps oder als Alpenkrähe anzusprechen sei.
Der Dekor des Missales verschmilzt tiefsinnige Emblematik mit exzessiv naturalistischen
Darstellungen. Dies ist für die Spätphase der Buchmalerei ein häufiges Phänomen.
160
Zur Handschrift: http://data.onb.ac.at/rec/AC13947333 (mit SW-Digitalisat);
https://manuscripta.at/hs_detail.php?ID=6491
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 276278 (mit Abbildung);
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 523525;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 323f.;
Andreas Fingernagel, Nr. 31: Missale für Kardinal Andreas „von Österreich“, in: Natur und
Kunst, 1995, S. 105107;
Thesaurus Austriacus, 1996, S. 244;
Martin Roland, Nr. 288: Joris Hoefnagel, Missale für Kardinal Andreas, in: Arthur Rosenauer
(Hg.), Spätmittelalter und Renaissance (Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 3),
München u. a. 2003, S. 162 und 545f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 68f.
161
1584 April 10
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat Catenichl 27 (1584)
Auf foll. 58r60r: Ausschreiben [des Salzburger
Erzbischofs Johann Jakob Kuen Belasy] von
wegen der Claußraben und Storchen, Sechs mall
ze senden ze schreiben (also in sechsfacher
Ausfertigung herzustellen).
Wir Johann Jacob etc. thun mit disem unnserm
offnen manndat khundt unnd zu wissen aller
menigclich: Nachdem durch daß
puchsenschuessen, so alhie in unnser haubtstat
Salzburg, in der Trä- unnd Khirchgassen, auch
ennthalb der pruggen, schier täglich beschicht,
dardurch nit allain die Claußraben unnd Storchen
auß ieren stenndten geschröckht unnd verjagt
werden, sonnder auch solches schuessen der
schwachen personnen unnd der schwanngern
frauen halben seer geferlich. So
haben weillend unnsere
vorfordern loblicher gedechtnuß
unnd auch wir deßhalben
gleichwoll järlich offne manndat
unnd bevelch zu abstellung
solches schuessens außgeen
unnd ahn die statthor alhie
anschlagen lassen. Aber
dessen alles unnangesechen
befinden wir, durch annder
glaubwurdigen bericht unnd
unser selbs gewisse erfahrung,
daß solchem unnserm verpott
bißheer wenig gelebt oder
nachganngen worden, deßhalben wir dann gegen den verbrechern unnd ungehorsamen ain
billichs ungnedigs mißfallen tragen unnd ist darauf unnser ernnstlicher bevelch, das sich nun
162
hinfüran niemandts, er sey
geistlich, welltlich, vom adl,
hofgesindt, burger oder
inwohner, hoch oder niders
stanndts, niemanndt
außgenommen, unnderstet, in
der Trä- oder Kirchgasse,
bevorab auß den würths- oder
anndern heusern am
Münichperg oder Riettenburg
auß püchsen sonderlich noch
auch sonst auff dem Grieß alda
vil personen hin unnd wider in
den gärtten daselbs gelegen
geen auch die weibs-personen an dem waschen sein und schaffen bei in die wanndt deß
Münichpergs nach den Claußraben oder Storchen noch andern gefligl zue vermeidung
unnserer unserer schweren straff unnd unngnadt. Dann wo yemanndt, er sey geistlich, vom adl,
hofgesindt, burger, innwohner oder fremder auß den heusern oder sonnst gegen dem
Münichperg schüessen unnd solch unnser verbott verachten oder übertretten wurden. Darauf
wir dann unnser sonnder acht und khundtschafft bestöllt haben oder solle nach unngnaden den
darumben gestrafft werden. Darnach hab sich ain yeder zu richten unnd sonnderlich die würth
unnd anndere in der Trägassen auch anndern ortten wonendt für sich unnd ire gößdt vor straff
zu verhuetten. Geben und mit unserm hie fürgedruckhten secret verferttigt in unnser stat
Salzburg, den zehenden Aprilis anno (15)84.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1531, 1558, März 11 und 1578 März 28
sind bekannt (siehe jeweils dort). Im hier behandelten Catenichl 27 (1584) findet sich offenbar
letztmals beim Gebot, das Schießen zu unterlassen, der Bezug auf die Klausraben (Waldrapp).
Ab Catenichl 29 (1586), foll. 207r208r, fehlt dieser (Information Hubert Schopf). Daraus ergibt
sich ein recht konkreter Hinweis, ab wann in Salzburg die Existenz (bzw. die Erinnerung an die
Existenz) des Waldrapps zu Ende ging.
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, S. 471f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25 (nur Hinweis);
Gruber, Storchennester, 2019: Link (bloß Erwähnung).
Herzlichen Dank für die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger Landesarchiv.
163
1586
Text- und Bildquelle
Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren
Chronick wirdiger thaaten beschreibung, Zürich 1586 (Digitalisat)
Die für den Waldrapp relevante Stelle auf fol. 561v
entspricht bis auf typographische Minimalitäten der
Erstauflage von 1548 (siehe 1548). Dort finden sich auch weitere Informationen. Es wird immer
derselbe Holzschnitt verwendet.
164
1590
Textquelle (lexikalische)
Fabricius Balázs, Nomenclatura seu dictionarium Latino-Ungaricum ..., Debrecen 1590
Zwischen dem Lemma „Cornix Variu“ und „Cuculus, Coccix, Babellus Kakuk“ findet sich der
hier relevante Eintrag: Cornix nigricans Fekete tar variu
Fekete bedeutetschwarz“, variu bedeutet „Rabe / Krähe“. Julius Nmeth übersetzt „tar“ mit
„bunt“, was gut zum schimmernden Gefieder des Waldrapps passen würde und sieht bei der
Wortschöpfung türkische Wurzeln. Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48, übersetzt „tar variu“
hingegen mit Kahlrabe.
Zu den erheblichen lexikographischen Unsicherheiten siehe auch die Einträge zu 1550 und
1561.
Der Wortbestand geht auch in Hieronymus Megiser, Dictionarium quatuor linguarum, über; vgl.
die Digitalisate der Ausgaben von 1629, S. 155, bzw. 1641, S. 155.
Vergleiche die Edition des Textes: János Melich, Szikszal Fabricius Balázs, Latin-magyar
Szójegyzéte, 1590-ből, Budapest 1906, S. 45, bzw. das Digitalisat der Ausgabe von 1593,
S. 65.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48;
J(ulius) Németh, Eine Benennung für scheckige Tiere bei Türken und Ungarn, in: Acta
Linguistica Academiae Scientarum Hungaricarum 15 (1965), S. 7984.
165
1591
Textquelle (lexikalische)
Simon Ostermann, Vocabularium analyticum ad augendum pariter linguae latinae usum &
verum cognitionem studiosis, Lauingen 1591 (Digitalisat)
Auf S. 331 findet sich der auf den Waldrapp
bezügliche Eintrag:
Ibis Pelusiaca, seu nigra, ein schwarzer Ibin, vulgo,
ein Steinrapp, nisten vil in einem hohen runden
felsen bey Salzburg an der stat, mansuescunt et
habentur in hortis, ut eos a serpentibus, lacertis,
ranisque purgent.
Der Eintrag steht im Abschnitt „De avibus“ dieses
Wörterbuches. Für die Identifikation mit dem
Waldrapp spricht vor allem der Nachweis, dass
dieser an den angegebenen Stellen in Salzburg
tatsächlich nistete (korrekt wohl: genistet hat [vgl.
die letztmalige Nennung 1584]) und dass die
Nahrung, die hier angegeben wird, mit jener
übereinstimmt, die für den Waldrapp genannt wird.
Steinrabe wird bei Gesner (ab 1555 siehe bei
1555/1557) als eine Benennungsmöglichkeit genannt, bei Cordus (1561 (recte wohl nicht nach
1544)) ist es sogar die einzige (siehe jeweils dort). Schon 1441 / 1471 kommt die Bezeichnung
in Baumburg vor.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 541;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 28;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
166
1592
Textquelle (lexikalische)
Helfrich Emmel, Sylva quinquelinguis vocabulorum et phrasium germanicae, latinae,
grecae hebraicae gallicae linguae, Straßburg 1592 (VD 16, E 1069 Digitalisat; Digitalisat)
S. CC 3a: Rab / Rapp Corvus und anschließend als
Unterbegriffe: Corvus sylvaticus Waldrab / Steynrab
(...).
Der einzige Wert dieser lexikalischen Quelle besteht
darin, dass Waldrab und Steinrab als Synonyme
verstanden werden. Auch die parallele Verwendung
von „-rab“ und „-rapp tritt auf.
Ein anderes lexikalisches Werk Emmels wird bei
einem Eintrag zum Jahr 1598 erwähnt.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376.
167
1592
Textquelle
Gergely Diosi, Cisio magyar nyelven és az égh iarasanac és czillagoknak ku
o
lo
e
mb-
ku
o
lo
e
mb természetinec follyasaból való Practica. Mellybl gyermekeknek születeseknec
természetek és az napoknak minólta megisniertetnec. Azaz: Magyar Planétás Kónyv.
Invisibilia Dei Perca quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur, Kolozsvár 1592.
(Cisio in ungarischer Sprache und Praktik der Bewegung des Himmels und der
verschiedenen Eigenschaften der Gestirne. Woraus die Natur, die Geburt der Kinder und
die Bedeutung der Tage erkannt werden. Das ist: Ungarisches Planetenbuch. Invisibilia
Dei Perca quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur.) Digitalisat
Auf S. 57 Wetterregeln mit Erwähnung des
Kahlraben:
Az Tar varyu ha feredic, és azután tétoua
sétál és kiált, es lészen, ha az ko
e
en az viz
mellett kiált, esőt iegyez.
Ha gyorsan egymás vtan kettot vagy harmat
szól, szélveszet hoz.
Ha reggel zajog, tiszta v
o
dot, ha estue zajog,
szomoru eso
e
t vagy szelet.
Wenn der Kahlrabe (Tar varyu) badet und
dann hin und her geht und ruft (kiált), wird es
regnen; wenn er am Wasser auf dem Stein
sitzt und ruft, zeigt er Regen an. Wenn er
zwei oder dreimal schnell nacheinander
schreit (szól), bringt er Sturm. Wenn er in
der Frühe lärmt, bringt er klares Wetter,
wenn er abends lärmt, bringt er traurigen Regen oder Wind.
Nach seinen 1903 veröffentlichten Belegen für den Kahlraben (Waldrapp) in ungarischen
Sprachquellen des 16. Jahrhunderts (siehe vor allem unten bei 1598) reicht Herman 1907 einen
weiteren Beleg nach, diesmal nicht eigentlich Sprichworte, sondern Wetterregeln. Die
Verhaltensweisen, die dem Vogel zugeordnet werden, sind, das erkennt auch Herman an, nicht
besonders typisch für den als Felsbewohner bekannten Waldrapp.
168
Otto Herman, Noch einmal über den Kahlraben (Geronticus eremita [Lin.]), in: Aquila 1907, S.
3341.
169
1593
Textquelle (chronikale)
Rom / Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 613: Ladislaus
Welenus (Velen) von Zierotin (Zerotein), Itinerarium / Reisebericht
Auf foll. 55v56r wird zu 1593 über einen Turm in Breisach berichtet, der Waldrappen als
Aufenthaltsort dient:
13 Decembris postquam Doctori Grynaeo et reliquis amicis valedixissem navem onerariam
conscendi et Basilea discessi comitante me Domino comite Hannovio, et eius praefecto Ottone
Stralendorffio. Fuit illo die serenum coelum ita ut post horam secundam Brisacum veniremus,
cum prius oppidum lnnstein et arcem, huius nominis, in saxo extructam, ut et Neuburgum, ubi
vectigal exsolvebant nautae, praeter ivissemus. Brisaci arcem et ejus conclavia nec non ex
quadratis lapidibus quadratam turrim vidimus, quam aedificasse dicunt Rudolphum primum
lmperatorem. In illa turri aves habitant nigrae, quas appelant waldtrappen, habentes longa
rostra flava et longos pedes, perinde ut ciconiae, cum quibus etiam abeunt et redeunt, ita
ut existimem esse nigras czcomas. (Schenker, Breisach, 1975, S. 37f. Hervorhebung: MR)
Übersetzung (Schenker): Nachdem ich mich von Doktor Grynaeus und den übrigen Freunden
verabschiedet hatte, bestieg ich am 13. Dezember ein Lastschiff und brach von Basel auf, wobei
mich Herr von Hanau als Gefährte begleitete, und sein Betreuer Otto Stralendorff. Der Himmel
war an jenem Tag so heiter, dass wir zur zweiten Stunde nach Breisach kamen, nachdem wir
zuvor an der Stadt Istein und an der Burg dieses Namens, welche auf einem Felsen erbaut ist,
wie auch an Neuenburg, wo die Schiffsleute die Steuer bezahlten, vorbeigefahren waren. In
Breisach sahen wir die Burg und ihre Gebäulichkeiten und auch den viereckigen Turm aus
Quadersteinen, den Kaiser Rudolf von Habsburg erbaut haben soll. In jenem Turm wohnen
schwarze Vögel, die sie Waldtrappen nennen. Sie haben lange rötlichgelbe Schnäbel und
lange Füsse wie Störche, mit denen sie auch weggehen und wiederkommen, so dass ich
glaube, dass es schwarze Störche sind.
Schenker argumentiert, dass Zierotin im Dezember in Breisach die Waldrappen als Zugvögel
nicht gesehen haben könne. Dieses Argument wird jedoch hinfällig, wenn Zierotin mit
domestizierten Exemplaren zusammentraf. Eine vergleichbare Vermutung hat sich schon bei
einem Züricher Beispiel von 1535 ergeben (siehe bei 1535 Juli 15). Schenker, 1975, S. 38,
vermutet hingegen, die Bewohner der Burg hätten dem Reisenden bloß von Bemerkenswertem
erzählt und dabei berichtet, dass im Sommer in der Burg Waldrappen hausen würden.
Vgl. auch die bei 1191 (Überlieferung 1587) stehenden Angaben zu Breisach.
170
Schenker, Breisach, 1975, S. 3743, passim (Text S. 37f.);
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65f.;
Landmann, Bestandsschutz, 2015, S. 172f. (sehr kritisch);
Schenker, Replik, 2017, S. 130f.
171
1598
Textquelle
Johann Decsi von Baranya, Adagiorum graeco latino ungaricorum Chiliades quinque,
Bartfeld / Bardejov / Bártfa / Bartphae 1598 Digitalisat
Auf S. 79 steht das ungarisches Sprichwort Egyébkorís
ttam én ágon tàr variút (Auch sonst sah ich den
Kahlraben auf dem Ast) als sinngleiche Neuschöpfung
nach Decsis lateinischem Text: Complurium Thriorum
ego strepitum audivi.
Der lateinische Text folgt Erasmus von Rotterdam. In den
Collectanea adagiorum, Paris 1500 (GW 9374), ist er
noch nicht enthalten, sondern erst in der Ausgabe
Venedig 1508: Adagiorum Chiliades tres (Digitalisat) auf
fol. 109v.
Die Sinnspitze charakterisiert Herman so: Wer davon
redet, dass er sonst, heute oder wann immer den
Kahlraben (so die deutsche Übersetzung von tarvariú) auf
einem Ast gesehen habe, der
redet leeres Geschwätz, denn
der Kahlrabe lässt sich auf
keinem Ast nieder: Wer aber
will, dass man ihn nicht für
einen eitlen Schwätzer halte,
der soll nicht von Kahlraben
reden, die auf Ästen sitzen.
Denn jeder weiß ja, dass ein Kahlrabe als Bewohner von Felsen niemals auf einem Ast sitzt.
Herman meint, dass sogar die Anatomie der Beine des Kohlraben dies unmöglich machen
würde. Und hierin ist auch für die eitlen Schwätzer die Warnung inbegriffen, dass man ihnen
nachsagt: „Ich habe auch sonst einen Kahlraben auf einem Ast gesehen“, das heisst: Ich habe
auch sonst leere Drohungen und leeres Geschwätz gehört. Wie, so der lateinische Text, das
brennende Feigenlaub, das zwar prasselnd brennt, aber keine Glut hinterlässt, oder wie das
leere Gerassel mit den Kieselsteinen der Wahrsager, das keinen Gehalt hat.
Herman schließt, dass der Vogel und sein Verhalten allgemein bekannt waren, sonst hätte ja,
was durchaus nachvollziehbar ist, das Sprichwort seine Wirkung nicht entfalten können. Wenn
172
freilich wie eine 1561 entstandene lexikalische Quelle nahelegen könnte Tarvariu“ bloß
„Krähe“ bedeutet, verliert das Gedankengebäude Hermans seinen Halt (vergleiche zwei
entsprechende Einträge zu 1561).
Johann Decsi (15601601) war einer der wichtigen reformierten Geistlichen in Siebenbürgen,
seine Bedeutung liegt auch bei seinen sprachwissenschaftlichen Interessen (vgl. Reformierte in
der Baranya: https://www.academia.edu/41692122), er ist auch als (erster) Sammler
ungarischer Sprichworte bekannt. Als Erstinformation
https://en.wikipedia.org/wiki/J%C3%A1nos_Baranyai_Decsi bzw. viel ausführlicher auf
Ungarisch: https://hu.wikipedia.org/wiki/Baranyai_Decsi_J%C3%A1nos.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 3565, zu Decsi S. 4850;
Dávid Fokos, Láttam én már karón varjút (Ich sah auf einem Ast einen Raben), in: Magyar
Nyelvőr 67 (1938), S. 109113, bes. S. 109.
173
1598
Textquelle (lexikalische)
Daniel Adam z Weleslana (Adamus Danielus), Nomenclator quadrilinguis,
Boemicolatino-Graecogermanicus Digitalisat
Col. 198 (Digitalisat 117): Horni krkawec
Corvus montanus Κοράξ) Steinrapp,
Scheller
Der Inhalt baut, wie Mlíkovský, S. 180, richtig
feststellt, auf Helfrich Emmel, Nomenclator
quadrilinguis, Lationogermanicograeco-
gallicus, Straßburg 1592, Sp. 136, auf (vgl.
ein anderes seiner Werke bei 1592), dessen
Wortbestand tschechische Begriffe zugefügt
wurden. Vor dem Steinrapp steht auch
„Pyrrhocorax (…) Steynkraeh, Bergdol“, was
viele Unklarheiten aufzeigt. Der tschechische
Begriff ist eine Übersetzung von Corvus
montanus.
Mlíkovský vermutet der Autor
könnte den Begriff für dieses
Wörterbuch erfunden haben
und lehnt sehr zu Recht ab,
dass man daraus schließen
könne, es habe den
betreffenden Vogel in Böhmen gegeben.
Jiří Mlíkovský, Northern Bald Ibis (Geronticus eremita) in the Czech Republic, Poland and
Slovakia: a review of historical records, in: Sylivia 43 (2007), S. 179185.
174
1600
Text- und Bildquelle
Christoph Wirsung, Ein newes Artzney Buch (Lonicers Kräuterbuch), Frankfurt 1600
(nicht nachvollziehbare Angaben nach Kumerloeve)
Kumerloeve behauptet, die Abbildung in Wirsungs Publikation (MR: der Autor verstarb bereits
1571) nehme sich Gesners Holzschnitt zum Vorbild, der Text beziehe sich jedoch auf den Ibis.
Dieser Hinweis fehle in der Heidelberger Auflage von 1572 (wohl auf Lonitzers Kräuterbuch
VD 16, L 2422 zu beziehen) noch.
Welche Publikation Kumerloeve hier vorlag, ist derzeit unklar, denn zumindest für mich ist
weder von Adam Lonitzers Kräuterbuch noch von Wirsungs Arznei Buch eine Auflage
nachweisbar, die 1600 in Frankfurt erschienen wäre.
Wirsungs Publikationen haben keine durchgehenden Illustrationen, daher ist wohl Lonitzers
Kräuterbuch gemeint, das durchgehend illustriert ist und als Abschluss auch Tiere (und dabei
auch Vögel) abbildet. In der digital zur Verfügung stehenden Frankfurter Ausgabe von 1582 (VD
16, L 2423 Digitalisat) kommen ab fol. 336rgel vor, auf foll. 342v343r die Rabenvögel
(jedoch kein Waldrapp). In der digital verfügbaren Ausgabe Augsburg 1630 (VD 17, 29:734808D
Digitalisat), sind die Vögel ab S. 640 illustriert, die Raben S. 672f. (der Waldrapp ist nicht
erwähnt).
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 323.
175
1601 Dezember 30
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Braunau am Inn, Bezirksmuseum Herzogsburg, I 64 6: Kaiser Rudolf II., Adels- und
Wappenbrief für den Augsburger Bürger Hans Staininger
Der in Prag ausgestellte Adels-
und Wappenbrief von 1601
erneuert (leicht abweichend
blasoniert) die
Wappenverleihung König
Ferdinands I. von 1531 (siehe
1531 Oktober 12 für weitere
Informationen) und nimmt Hans
Staininger und seine
Nachkommen in den
Adelsstand auf.
Das Wappen wird wie folgt blasoniert:
ein Steinrab mit ofenen Schnabel
vorwärts stehend in seiner Mitte nach
des Schildes Farbenabwechslung.
Das Vollwappen entspricht heraldisch,
bis auf die Helmform dem Vorbild von
1531. Die technische Ausführung,
kolorierte Federzeichnung weicht
jedoch ab.
Das Schriftstück von 1601 ist aus
diplomatischer Sicht höchst
problematisch und keineswegs eine
rechtsgültige Originalausfertigung des
Diploms.
176
Das vorliegende Stück ist zwar
kein Original im juristischen
Sinn, der Inhalt scheint jedoch
echt zu sein, denn Wien,
Österreichisches Staatarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv,
Adelsarchiv, Reichsadelsakten,
Allgemeine Reihe, 405,45,
überliefert Akten zur
Nobilitierung,
Wappenbesserung und
Rotwachsfreiheit (Frank,
Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 5: SiZ, S. 41) und bildet auf fol. 4r auch ein entsprechendes
Wappen ab.
Konrad Meindl, Geschichte der Stadt Braunau am Inn, Braunau 1882, S. 9093 (zum hier
behandelten Stück vor allem S. 9193 mit Teiltranskription).
177
1603
Text- und Bildquelle (ornithologische)
Ulysus Aldrovandi, Historiam naturalem in Gymnasio Bononiensi profitentis,
Ornithologiae. Hoc est De Avibvs Historiae Libri XII, Bologna 1603 Digitalisat; Digitalisat
S. 261266: Buch 19, Cap. 55: De corvo aquatico (mit Abbildung auf S. 263)
S. 267270: Cap. 56: De Phalacrocorace, sive Corvo aquatico Plinii (mit Abbildung S. 268:
Phalacrocorax ex Illirico missus bzw. S. 269: Phalacrocorax Bellonii)
S. 270f.: Cap. 57: De Corvo sylvatico (mit Abbildung S. 270).
Der Waldrapp (Corvus sylvaticus) kommt in der Ausgabe von 1599 (Digitalisat; Volltext) noch
nicht vor, nicht illustrierte Abschnitte über den Corvus marinus (S. 707) und dessen
Unterschiede zum Phalocrocorax (S. 687) jedoch schon.
Aldrovandi bezieht sich beim 1603 neu angefügten Abschnitt über den Corvus sylvaticus, wie er
klar kommuniziert, in Inhalt und Bild auf Gesner. Doch auch der auf S.268 abgebildete
Phalacrocorax ex Illirico missus hat auffallende Ähnlichkeiten mit dem Waldrapp wie Bernhard
Gönner bestätigt. Der lange Schnabel, der nackte Kopf, die (von Gesners Bildtradition deutlich
abweichend dargestellten) Nackenfedern, die Länge der Beine und deren teilweise Befiederung
seien zu nennen. Dass der abgebildete Vogel jedoch seine Beute mit den Füssen fasst,
entspricht nicht dem Naturvorbild.
178
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 17;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70.
179
1606
Text- und Bildquelle
Stumpf, Schweytzer Chronick, Zürich 1606 (Digitalisat)
Zum Waldrapp siehe fol. 612v (Buch 9, Kap. 21).
Für weitere Informationen siehe bei der Erstausgabe
von 1548. Es wird immer derselbe Holzschnitt
verwendet.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 540.
180
1608 Oktober 1
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Findbuch 21-11/06 (Pfleggericht Golling 2, Rubrik 51, 2. Bund Nr.
25 ehem.: Findbuch der Pfleggerichtsakten Golling, Rubrik Oberjägermeisterei, Band 2,
Nr. 25: Die Thurenerische Jagdbeschreibung betreffend, den 1. Octobris 1608)
Die hier behandelte Quelle stellt ein archivalisches Findbuch zu einem Akt dar, der nicht
erhalten ist. Der Vergleich mit einem sehr ähnlichen Akt von 1561 (siehe 1561) macht jedoch
wahrscheinlich, dass der Inhalt weitgehend vollständig ins Findbuch übertragen wurde.
Extract aus dem Stifftlibel, welcher Orten der wohlgeboren Herren zum Thurn, Neuen Peyern
und Au des hochfürstlichen Erzstifft Salzburg Erbschenken, meiner gnädigen und gebuetenden
Herrn, Vischwässer und Reißgejaider, dem Paul Leopolder Burger und Gastgeber zu Khuchl, in
Golling und andern anstossenden Landtgerichten vor Michaeli Anno 1608 unzt auf gehörte Zeit
des 1609 Jahr und dann vehrer von Jar zu Jarn (doch gegen halbjährig aufsag) zu Bstandt
verlassen habe.
Erstlichen sagt der Buchstaben, ruegen wir (= legen wir fest) den Herrn zum Thurn die Tauggl
für freye Fischwaith von der Taugglpruggen an den Reinsperg, darin der Teuffenbach gehörig
ist für freiaigen.
Mer riegen (= festhalten) wir den Herren zum Thurn, ir freyes Gejaydt in der Tauggl auf allen
ihren Gründten und Pöden, am anfang der Taugl Pruggen an den Palvenbach, nach dem
Palvenbach an den Schlenken auf die Nasen und auf den Schmittenstein, von da bis an das
Hörndl oder Regenpreth, wie das Wasser und die Steinwalch sagt, von Hörndl bis an den
Seillenstein auf das Farmsthörl, ob dem Thörl an den Gener auf das Hinterkarpreth und die
Ackerspach Alben oder Loch als die Mar zeigen, von dem Ackerspachloch an den Deisl und
Schober, von dem Schober herwieder an das Thörl oder Thorstein in das Varenkhar, als das
Regenwasser zeigt, aus dem Varenkar nach der Ramey herwider ab zu der Taugl und nach der
Taugl heraus an den Teuffenpach, nach dem Teuffenpach auf die Wegscheid, als weit bemelter
von Thurn Gründ zeigen unzt an die Hollstattwandt, außer an den Archensteig, von Archensteig
nach der untern Platen unzt auf das Walthorn, und von Walthorn auf die Hirt, von der Hirt wieder
auf die Tauglpruggen.
Mer riegen wir in (ihnen) daß Gejaydt auf allen deren zum Thurn Gründten und Pöden daselbst,
nichts davon ausgenommen, und daß Rothwildt am Adneterperg in der Lackhen, von der
Lackhen zum Schwärzenpach in die Staingassen, von der Staingassen zu dem Leoman in die
Gassen, zum Scholchman zu Neureyth endthalben des Crispls, von Chrisspl in daß Herrnholz.
Mer riegen wir den Herrn zum Thurn, auf ir und ihrer vorfordern gehabten und noch habendten
Gründten, alles Föderspill und Claußraben mügen sie fahen (= fangen) lassen, und solches
181
alles dermassen inhalten, damit daß gemelt Visch und Reißgejaydt sser und nit abgeächt
werde.
Zu Urkhundt ich ime diesen Extract mit meinem aignen hiefürgetruckhten Petschaft und
undterzognen Handschrift becräftiget habe. Den 1. Octobriss Anno im Sechzechenhundert und
Achten Jar
Virgilius Clanner der Jünger Pfleger zum Thurn.
Ein in Bezug auf die Falkenjagd und das Fangen von Klausraben identischer Eintrag zu
Jagdrechten in der Herrschaft in St. Jakob am Thurn ist schon aus dem Jahr 1561 überliefert
(siehe 1561 für weitere Informationen).
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, S. 511f.
182
16031662 (wohl um 1632/33)
Bildquelle
Gotha, Schlossmuseum (Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Stiftung für
Kunst und Wissenschaft, Stiftung Schloss Friedenstein), Kupferstichkabinett: Gothaer
Vogelbuch (Gemahlte Vögel)
Bei der hier vorzustellenden
Quelle handelt es sich um einen
Klebeband mit 143 farbig
gemalten Vogeldarstellungen
über Federzeichnungen, 13
weitere Zeichnungen wurden
nicht mit Farbe vollendet.
Auf fol. 50r (alt: fol. 54r) findet
sich die Darstellung eines
Waldrapps:
Dieser Fogel ist zu
o
Aisthaussen uff einem alten
gemeüer geschossen worden im ambt Hildberg. Avis ignota. Eiusmodi vidi in aviaris regis
Galliae in aeeo S. Germani (Saint-Germain-en-Laye) quam nom inaverunt Corneille des monts
Pyrenees, Cornicem e montibus Pyrenais, Corneille des monts Pyrenées. Text nach Mey, S. 7,
bzw. soweit auf der Abbildung lesbar nach Autopsie.
Mey, S. 11, übersetzt den lateinischen Abschnitt (mit Adaptierungen von M. R.): Ich habe einen
Vogel dieser Art in den Vogelkäfigen des französischen Königs auf dem Gebiet von Saint-
German-en-Laye gesehen, den man als „corneille des monts Pyrenees“ bezeichnete.
Mey, S. 10, identifizieren den Ort, an dem der Vogel erlegt wurde, mit Eishausen und den
verwaltungstechnischen Bezugsort mit Hildburghausen, einer Kreisstadt in Thüringen.
Der Band mit 143 Vogeldarstellungen, deren Fundstellen (wenn angegeben) aus dem
thüringischen Raum stammen, ist auf der ersten Umschlagseite mit „von Löber“ bezeichnet und
auf dem ersten Deckblatt: Nota. Die französischen nahmen der Vögel sindt von Landgrafs
Friedrichs zu Hessen Falknnier angefügt und von mir dabey geschrieben worden. H. L.“ (Text
nach Mey, Hackethal, 2012, S. 78). Zehn Blätter weisen Daten von 1603 bis 1662 auf.
E. G. Franz, Hessisches Staatsarchiv in Darmstadt, identifiziert den Genannten mit Landgraf
Friedrich von Hessen-Darmstadt (16161682) (nach Mey, S. 9). Dieser war, bevor er Kardinal
183
und Bischof von Breslau wurde, Johanniter-Großprior in Heitersheim. Seine Biographie erlaubt
eine gewisse zeitliche Einordnung: 1632/33 und 1634/35 war er in Frankreich, damals könnte er
(oder sein Falkner) den Vogel in einem Käfig gesehen haben, an den der in der ersten Person
Schreibende sich erinnert fühlte.
Im Kontext der Vogelbildsammlung fällt auf, dass der (tatsächlich ja bereits weitestgehend
ausgestorbene) Waldrapp und bloß sieben weitere Vogel nicht identifiziert werden konnten (Avis
ignota).
Die Darstellung des Waldrapps ist von Gesner (siehe bei 1555/1557) offensichtlich unabhängig,
folgt also keiner kopialen Bildtradition, die bekannt wäre.
Der Waldrapp ist eindeutig erkennbar. Zu nennen sind zum Beispiel der gebogene, sehr dünne
Schnabel, die Kopf- und Nackenfedern, die im Ansatz gefiederten Beine und die Zehen mit
Krallen.
Es ist, und das ist bemerkenswert, ein erwachsenes Exemplar zu sehen, der Schädel ist kahl.
Damit kann, obzwar so spät, das Gothaer Vogelbuch sogar mit einer Innovation aufwarten.
Verglichen mit anderen zuverlässigen Darstellungen erscheint der Hals ziemlich lange. Da
jedoch eindeutige Merkmale vorliegen, darf diese Besonderheit durchaus ernst genommen
werden. Es darf sogar gefragt werden, ob die (in der Regel unzuverlässigen) Darstellungen von
langhalsigen Vögeln nicht doch Hinweise, vielleicht auf eine besondere Gruppe von Tieren
geben.
Sabine Hackethal, Hans Hackethal, Zoologische Klebebände als erste faunistische
Sammlungen, in: Andreas Grote (Hg.), Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der
Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, Opladen 1994, S. 283299, bes. S.
289292;
Mey, Zeugnisse, 1997, S. 812;
Fred Rost, Herbert Grimm, Kommentierte Artenliste der Vögel Thüringens, in: Anzeiger des
Vereins Thüringer Ornithologen 5 (2004), Sonderheft, S. 378, bes. S. 25;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 66;
Eberhard Mey, Sabine Hackethal, Die im "Gothaer Vogelbuch" dargestellten Arten: ein Zeugnis
für die thüringische Vogelwelt aus dem 17. Jahrhundert, in: Ökologie der Vögel / Ecology
of Birds 34 (2012), S. 75140 (mit allen Angaben zum Gesamtband und dessen
Geschichte sowie vollständiger Bibliographie), zum Waldrapp S. 83, 86, 104, 134.
184
16001700
Bildquelle
Zürich, Zentralbibliothek, Rh hist. 161: Aquarelle von Säugetieren, Vögeln, Insekten und
Pflanzen samt deutschen Legenden: Digitalisate
Auf fol. 183r sind vier Vögel
abgebildet, der dritte ist als
Waldt Rap bezeichnet. Er ist
schwarz, der Körperbau
entspricht allgemein einem
Waldrapp, die Beine sind rot
und ganz nackt. Der Schnabel
ist ebenfalls rot, länglich und
leicht gebogen. Ein Ansatz
eines Schopfes ist am
Hinterkopf zu erkennen.
Schenker, der diese Darstellung
entdeckte und publizierte, geht von einem Jungvogel aus. Dies und der leicht geöffnete
Schnabel machen wahrscheinlich, dass der Maler das Vorbild Gesners (siehe bei 1555/1557)
kannte, er hat sich jedoch anders als viele seiner Kollegen davon nur für die allgemeine
Komposition anregen lassen, die Details scheinen anderen Quellen vielleicht sogar eigener
Beobachtung zu folgen.
Allgemein ähnlich ist auch die Wiedergabe des als Schwartzer Storch bezeichneten Vogels (fol.
147r).
Die gebundene Sammlung vor allem von Tieren stammt aus dem Benediktinerkloster Rheinau,
von dem das Stück freilich erst 1822 erworben wurde. In Rheinau gab es zumindest im
18. Jahrhundert (und frühen 19. Jahrhundert) ein lebhaftes Interesse an den Dingen der Natur
(siehe Leu, passim). Über Herkunft und Alter der Sammlung sagt diese Provenienz freilich kaum
etwas aus.
Urs B. Leu, Die Pflege der Naturwissenschaften in Rheinau, in: Librarium. Zeitschrift der
Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft = Revue de la Société Suisse des Bibliophiles
52 (2009), S. 108112, bes. S. 108;
André Schenker, Eine bisher unbekannte Abbildung des Waldrapps Geronticus eremita aus
dem 17. Jahrhundert, in: Ornithologischer Beobachter 111 (2014), S. 6367.
185
1624, nach
Textquelle
Salzburg, Universitätsbibliothek, M I 104: Kleine Salzburgische Chronik
Die kurze Landesbeschreibung
(foll. 1r2v Transkription des
Incipit), die das
„Ämterverzeichnis“
(Erzbischöfe, Äbte von St.
Peter, Dompröpste, Bischöfe
von Chiemsee, Äbtissinnen vom
Nonnberg), das den Kern des
Codex bildet, einleitet, enthält,
neben einem Abschnitt über
das Wild auch einen über die
Wildvögel.
Auf fol. 2v (Transkription von
Beatrix Koll) wird berichtet: Es
hat auch allerley
Federwuldtbräth unnd gefügl,
als Aehannen (= Auerhähne),
Schildthannen (= Birkhähne),
Brambhannen, Schuldthennen,
Haslhuener, Steinhuener,
Schneehüener unnd Rebhüener
unnd anders dergleichen geflügl als Raiger, Cranich, Clausrappen, Wildtgenns, Andvögl unnd
Andten.
Der Klausrapp (Waldrapp) kommt bei den „besonderen“ (eher selten vorkommenden?) Vögeln
ganz selbstverständlich nach Reiher und Kranich vor. Gemäß dem Vorkommen in
archivalischen Quellen (siehe bei 1584 April 10) darf vermutet werden, dass der Brutplatz im
Bereich der Stadt Salzburg bereits in den 1580er Jahren seine Bedeutung verloren hatte. Dass
Waldrappen jedoch vereinzelt weiterhin zu beobachten waren, ist davon natürlich unberührt.
Die Datierung, die der Angabe auf dem Titelblatt (1622) widerspricht, geht auf Beatrix Koll
zurück und beruht auf Hinweisen im Text. Ob jedoch ältere Textbausteine für die Einleitung
186
übernommen wurden, diese also nicht den Stand der 1620er Jahre widerspiegelt, wurde, soweit
ich sehe, bisher noch nicht untersucht.
Hans Tietze, Die illuminierten Handschriften in Salzburg (Beschreibendes Verzeichnis der
illuminierten Handschriften in Österreich 2 = Publikationen des Institutes für
Österreichische Geschichtsforschung), Leipzig 1905, S. 69 Nr.80;
Ernst Frisch, Handschriftenkatalog der Universitätsbibliothek Salzburg [handschriftlich auf
Karteikarten], Salzburg 1946, M I 104 (Link, Link);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67
https://manuscripta.at/hs_detail.php?ID=35938
http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/handschriften/MI104/MI104.htm (Beatrix Koll mit Volldigitalisat
und Transkription)
187
Mehrfach zitierte Literatur
Das Verzeichnis nennt vor allem Arbeiten, die den Waldrapp erwähnen und von allgemeiner
Bedeutung sind. Werke, die bloß auf eine Quelle Bezug nehmen, sind hier in der Regel nicht
verzeichnet, um dem Verzeichnis den Charakter einer allgemein verwendbaren Bibliographie
zur historischen Waldrapp-Forschung zu geben.
Die Anordnung ist alphabetisch, die Werke eines Autors sind jedoch chronologisch geordnet.
In seltenen Einzelfällen sind Kommentare zur Publikation beigegeben.
Böhm u. a., Northern Bald Ibis, 2020
Christiane Böhm, Christopher G. R. Bowden, Philip J. Seddon, Taner Hatipoğlu, Widade
Oubrou, Mohammed El Bekkay, Miguel A. Quevedo, Johannes Fritz, Can Yeniyurt, Jose Manual
Lopez, Jorge Fernandez Orueta, Didone Frigerio, Markus Unsöld, The northern bald ibis
Geronticus eremita: history, current status and future perspectives: Online Publikation 2020:
https://www.cambridge.org/core/journals/oryx/article/northern-bald-ibis-geronticus-eremita-
history-current-status-and-future-perspectives/570EE0C496F173CE86B34429B8675583
(Der Text enthält trotz des Titels nichts zur Geschichte.)
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011
Christiane Böhm, Karin Pegoraro, Der Waldrapp Geronticus eremita. Ein Glatzkopf in
Turbulenzen (Neue Brehm-Bücherei 659), Hohenwarsleben 2011.
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951
Hans Buchheit, Uttenschwalbe und Steinrabe, in: Der Familienforscher in Bayern, Franken und
Schwaben 1 (1951), S. 101105.
Bussmann, Provinztempel, 2010
Richard Bussmann, Die Provinztempel Ägyptens von der 0. bis zur 11. Dynastie. Archäologie
und Geschichte einer gesellschaftlichen Institution zwischen Residenz und Provinz, 2 Bände,
Leiden [u. a.] 2010.
188
Darnell, Inscriptions, 2017
John Coleman Darnell, The Early Hieroglyphic Inscriptions at el-Khawy, in: ARCHÉO-NIL 27
(2017), S. 4964.
Fischer, Conrad Gessner, 1966
Hans Fischer, Conrad Gessner 15161565, Neujahresblatt auf das Jahr 1966 als 168. Stück
von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich zur Erinnerung an den 400. Todestag, den 13.
Dezember 1965, des grossen Zürcher Naturforschers, Universalhistorikers und Arztes Conrad
Gessner, Zürich 1966 (Digitalisat), zum Tierbuch bes. S. 3649.
Frank, Standeserhebungen, 1967/74
Karl Friedrich von Frank, Standeserhebungen und Gnadenakte für das Deutsche Reich und die
Österreichischen Erblande bis 1806 sowie kaiserliche österreichische bis 1823 mit einigen
Nachträgen zum „Alt-Österreichischen Adels-Lexikon“ 1823–1918, 5 Bände, Schloß
Senftenberg 1974.
Fritz, Janák, Intervention, 2020
Johannes Fritz, Jiří Janák, How human intervention and climate change shaped the fate of the
Northern Bald Ibis from ancient Egypt to the presence: an interdisciplinary approach to
extinction and recovery of an iconic bird species. Preprint (2020):
https://doi.org/10.1101/Fritz_Janak_How-the-2020.11.25.397570 bzw.
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.11.25.397570v1.full.pdf (Seitenzitate nach diesem
PDF).
Gruber, Storchennester, 2019
Fritz Gruber, Storchennester in der Altstadt und der Klausrab 1578 in der Mönchsbergwand:
https://www.sn.at/wiki/Storchennester_in_der_Altstadt_und_der_Klausrab_1578_in_der_M%C3
%B6nchsbergwand#cite_ref-2 (angelegt im Juli 2019).
Hable, Waldrapp, 1983
Erich Hable, Waldrapp von Graz, in: Naturfreunde Steiermark, 1983, H. 1/2, S. 35. <Prüfen>
189
Hable, Waldrapp, 1994
Erich Hable, Der Waldrapp Geronticus eremita einstmals Brutvogel am Grazer Schloßberg, in:
Monticola 7 (1994), S. 114f.
Herman, Kahlrabe, 1903
Otto Herman, Der Kahlrabe (Geronticus eremita), sein Denkmal in Ungarn, in: Aquila 10 (1903),
S. 3565 (mit Texterkennung: https://archive.org/stream/aquila10magy/aquila10magy_djvu.txt).
Hirsch, Rettung, 1976
U. Hirsch, Die Rettung der heiligen gel, in: Tierpark 9 (1976), S. 411. <PRÜFEN /
STREICHEN>
Hölzinger, Waldrapp, 1988
Jochen Hölzinger, Waldrapp (geronticus eremita) Knochenfunde aus der spätrömischen
Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl, in: Ornithologisches Jahrbuch Baden-Württemberg 4
(1988), S. 5767.
Hölzinger, Geronticus, 2011
Jochen Hölzinger, Geronticus eremita (Linnaeus 1758) Waldrapp, in: Jochen Hölzinger, Hans-
Günther Bauer (Hgg.), Die Vögel Baden-Württembergs, Bd. 2.1: Nicht-Singvögel, Rheidae
(Nadus) Pheonicopteridae (Flamingos), Stuttgart 2011, S. 333348. <PRÜFEN>
Ibis-chauve.blogspot.com/2013/07
http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibis-chauves.html
Im-Hof, Beiträge, 1886/87
Rupert von Im-Hof, Beiträge zur Geschichte des salzburgischen Jagdwesens aus archivalischen
Quellen gesammelt, in: Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 26 (1886),
S. 129180, 219307, 27 (1887), S. 111219, 409517.
Janák, Waldrapp, 2007
Jiří Janák, The Waldrapp A Special Connection Between Egypt and Austria, in: Johanna
Holaubek, Hana Navrátilová, Wolf Oerter, Egypt and Austria 3/1, Prag 2007, S.129132.
190
Janák, Spotting the Akh, 2010
Jiří Janák, Spotting the Akh. The Presence oft he Northern Bald Ibis in Ancient Egypt and Ist
Early Decline, in: Journal oft he American Research Center in Egypt 46 (2010), S. 1731.
Janák, Northern Bald Ibis, 2013
Jiří Jank, Northern Bald Ibis (Akh-Bird), in: UCLA-Encyclopedia of Egyptology (2013), S. 19.
Janák, Akh, 2013
Jiří Jank, Akh, in: UCLA Encyclopedia of Egyptology, Los Angeles 2013, S. 19.
Keimer, Interprétation, 1954
Louis Keiner, Interprtation de pusieurs reprsentations anciennes d’Ibis, in: Chronique
d’Egypte 29 (1954), S. 237250.
Killermann, Waldrapp, 1909/10
Sebastian Killermann, Der Waldrapp (Geronticus eremita L.), in: Natur und Kultur. Zeitschrift für
Schule und Leben 7 (1909/10), S. 371375. <noch einsehen>
Killermann, Waldrapp, 1912
Sebastian Killermann, Der Waldrapp Gesners (Geronticus eremita L.). Neue Zeugnisse für sein
ehemaliges Vorkommen in Mitteleuropa, in: Zoologische Annalen 4 (1912), S. 268279.
Klein, Nachrichten, 1958
Herbert Klein, Neue Nachrichten zum Vorkommen des Klausraben (Waldrappen) in Salzburg,
in: Festschrift der Naturwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur in Salzburg
zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Eduard Paul Tratz, Salzburg 1958, S. 6164.
Kumerloeve, Vom Waldrapp, 1969
Hans Kumerloeve, Vom Waldrapp, Geronticus eremita (L., 1758), dem einstigen Brutvogel der
Alpen, in: Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Alpenpflanzen und Tiere 34 (1969), S. 132
138.
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Kumerloeve, Waldrapp, 1978
Hans Kumerloeve, Waldrapp, Geronticus eremita (Linnaeus, 1758), und Glattnackenrapp,
Geronticus calvus (Boddaert, 1783). Zur Geschichte ihrer Erforschung und zur gegenwärtigen
Bestandssituation, in: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Serie B, 81 (1978), S.
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Kumerloeve, Kenntnis, 1983
Hans Kumerloeve, Zur Kenntnis altägyptischer Ibis-Darstellungen unter besonderer
Berücksichtigung des Waldrapps, geronticus eremita (Linnaeus, 1758), in: Bonner zoologische
Beiträge 34 (1983), S. 197234.
Landmann, Belege, 2017
Armin Landmann, Belege Indizien Behauptungen Legenden Wunschdenken: Wie
fundiert sind Argumente für die Auswilderung des Waldrapp (Geronticus eremita) in
Mitteleuropa? eine Antwort auf die Replik von Schenker 2017, Vogelwarte 2017, Online
Supplement, S. 15.
Landmann, Bestandsschutz, 2015
Armin Landmann, Bestandsschutz, Bestandsstützung, Wiederansiedlung oder Auswilderung
Wie kann oder soll der Waldrapp Geronticus eremita geschützt werden?, in: Vogelwarte.
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Lauterborn, Vorkommen, 1912
Robert Lauterborn, Über das frühere Vorkommen des Schopfibis (Geronticus eremita L.)
Gesner’s “Waldrapp“ in Mittel-Europa, in: Zoologische Jahrbücher, Supplement 15 (1912):
Festschrift zum sechzigsten Geburtstage des Herrn Geheimen Hofrats Prof. Dr. Johann Wilhelm
Spengel in Giessen, erster Band, S. 537562 (auch hier).
Mey, Zeugnisse, 1997
Eberhard Mey, Neuere kultur- und naturgeschichtliche Zeugnisse vom Waldrapp Geronticus
eremita, in: Rudolstädter naturhistorische Schriften 8 (1997), S. 317.
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Moewes, Vom Klausraben, 1929
Franz Moewes, Vom Klausraben, in: Jahrbuch für Vogelschutz (1929), S. 2432.
Natur und Kunst, 1995
Alfred Auer, Eva Irblich (Hgg.), Natur und Kunst. Handschriften und Alben aus der Ambraser
Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (15291595), Wien 1995.
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Pegoraro, Waldrapp, 1996
Karin Pegoraro, Der Waldrapp. Vom Ibis, den man für einen Raben hielt, Wiesbaden 1996, S.
26 (Hinweis von Helmut Pechlaner) <PRÜFEN>
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Reinhard Pfannhauser, Tierknochenfunde aus der spätrömischen Anlage auf der Burg Sponeck
bei Jechtingen, Kreis Emmendingen, Dissertation München, Tierärztliche Fakultät Ludwig-
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Fritz Popelka, Die Klausraben von Graz, in: Der Anblick. Zeitschrift für Jagd und Natur in den
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https://doi.org/10.11588/diglit.4663#0002 Part 2: J(ames) E(dward) Quibell, F(rederick)
W(astle) Green, London 1902: https://doi.org/10.11588/diglit.4664#0041.
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(Ein allgemeiner Bericht ohne Nachweise und ohne wissenschaftliche Bedeutung)
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<an sich ohne wissenschaftliche Bedeutung>
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(2912): https://news.mongabay.com/2012/10/mysteries-surrounding-the-legendary-and-
vanishing-oriental-bald-ibis/
Seyler, Siebmacher’s Wappenbuch, Abgestorbener bayerischer Adel 3, 1911
Gustav A. Seyler, J. Siebmacher’s grosses und allgemeines Wappenbuch in einer neuen,
vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historischen-
genealogischen Erläuterungen: Abgestorbener bayerischer Adel 3, Nürnberg 1911: LINK.
Springer, De avium natura, 2007
Katharina Springer, „De avium natura“ von Conrad Gessner (1516–1565) als Quellenwerk für
Faunendynamik, Umweltgeschichte und Kulturzoologie, Dissertation Rostock 2007: LINK, zum
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Jean Strohl, Conrad Gessner’s „Waldrapp“. Versuch einer Ergänzung und textkritischen
Ordnung des vorhandenen Materials, in: Vierteljahresschrift der Naturkundlichen Gesellschaft in
Zürich 62 (1917), S. 507538.
Suolahti, Vogelnamen, 1909
Hugo Suolahti, Deutsche Vogelnamen, ihre Herkunft und Bedeutung, Straßburg 1909
(Neuauflage 2012), S. 373376.
Thesaurus Austriacus, 1996
Thesaurus Austriacus. Europas Glanz im Spiegel der Buchkunst. Handschriften und Kunstalben
von 800 bis 1600. Millenniums-Ausstellung und 150. Prunksaal-Ausstellung der
Österreichischen Nationalbibliothek, Prunksaal, 14. Juni 3. November 1996, Wien 1996.
195
Tratz, Kenntnis, 1960/61
Eduard Paul Tratz, Unsere gegenwärtige Kenntnis vom Waldrapp oder Klausrapp (Geronticus
eretita L.), in: Jubiläumsjahrbuch des Österreichischen Arbeitskreises für Wildtierforschung
1960/61, S. 8491.
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008
Tommy Tyrberg, Pleistocene birds of the Palearctic: Netzressource:
http://web.telia.com/~u11502098/pleistocene.pdf.
Weinel, Untersuchungen, 2012
Juliane Weinel, Mikrobiologische und parasitologische Untersuchungen an handaufgezogenen
Waldrappen (Geronticus eremita) im Rahmen eines EU-Erhaltungszuchtprogramms (EEP),
Dissertation Gießen 2011, Giessen 2012, zu den historischenn Quellen S. 1321.