MITTELEUROPÄISCHE SCHULEN VI (»MeSch VI«)
DIE HANDSCHRIFTEN AUS DEM BENEDIKTINERSTIFT MONDSEE
I. Einleitung
[Allgemeine Literatur: Kat. Mondsee 1981 (darin besonders Georg Heilingsetzer: Das Mondseeland als historische Landschaft und seine Zentren Kloster und Markt, 9-49, hier vor allem 18-23); zur Buchmalerei Simader 2009, Simader 2009a, Hranitzky 2009. Weitere Publikationen im Text.]
Die Österreichische Nationalbibliothek verfügt mit den Codices des ehemaligen Benediktinerstifts Mondsee über einen großen geschlossenen Handschriftenbestand aus einer Klosterbibliothek. Nach dem Bestand aus der Universität Wien stellen die Mondseer Handschriften die zweite geschlossene Überlieferungsgruppe der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts dar.
Nach der Auflösung des 1791 als Dotationsgut dem neu gegründeten Bistum Linz übereigneten Stiftes (förmliche Auflösung am 5. November 1791) wurden 1792 die Archivalien, später die Bibliotheksbestände von Mondsee nach Linz verbracht, 1796 dann auf kaiserlichen Beschluss die Druckschriften der Bibliotheca Publica (heute Oberösterreichische Landesbibliothek) und die zahlenmäßig erheblich reduzierten (heute 663) Handschriften – von geringen Ausnahmen abgesehen – in die kaiserliche Hofbibliothek (heutige Österreichische Nationalbibliothek) abgegeben. Ebenfalls auf diesem Wege kamen als besonders wertvoll erachtete Inkunabeln in die Nationalbibliothek (vgl. hierzu Pfaff 1967, 21). [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Eine Reihe von Inkunabeln aus Mondsee gelangte, die meisten offenbar über die Bibliothek der k.k. Theresianischen Akademie in Wien, in die Universitätsbibliothek Wien, siehe z. B. die sechs illuminierten Bände, die bei Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 121-132, 135, genannt werden.]
Der quantitative Schwerpunkt des Mondseer Bestandes liegt im 15. Jahrhundert. Aus dieser Zeit haben sich über 470 Handschriften erhalten (MBKÖ V, 69). Bereits unter den Äbten Jakob Hochenfelder (1406-1415) und Johannes II. Trenbeck (1415-1420) ist ein Aufleben einer geordneten Schreibtätigkeit im Kloster festzustellen (vgl. Cod. 3763, Cod. 3762). Trenbeck, der zuvor Pfarrer in St. Wolfgang war, ist auch als Vorbesitzer/Stifter von Codices nachweisbar (MeSch II 2002, bei Kat. 115); ein Graduale mit Fleuronnéeinitialen ist nur noch in Fragmenten erhalten (u. a. Cod. 1462, Ir, um 1410, mit Initiale; s. Friedrich Simader, in: MeSch II 2002, Kat. 116 ["um 1410"] und Klugseder 2012, 211-213 ["1. Viertel 15. Jh."]). Die Wende zu einer umfangreichen Eigenproduktion vollzieht sich jedoch unter dem langdienenden Abt Simon Reuchlin (1420-1463), der 1436 die Melker Reform eingeführt (Holter 1981, 201 [801]).
Neben der erst im 2. Viertel des Jahrhunderts aufblühenden Eigenproduktion (beinahe 60 Codices werden hier katalogisiert) sind – gerade aus der Zeit bis ca. 1430 – zahlreiche Handschriften nachweisbar, die außerhalb des Stiftes entstanden. Zwölf aus dem Umfeld der Universität Wien stammende Codices mit zumeist sehr einfachem Dekor wurden in MeSch V katalogisiert (Kat. 29, 41, 56, 57, 68-70, 71, 129, 171, 173, 175), während die Ausstattung zweier Missalien (Cod. 1796, Kanonbild; Cod. 3641) und zweier weiterer Codices (Cod. 2953, Cod. 2870) zum Teil nach Salzburg zu weisen scheint.
Die Melker Reform des Benediktinerordens hat die Liturgie in Mondsee verändert und die Verwendung neuer Handschriften notwendig gemacht (siehe Klugseder 2012). Einige der eben erst neu geschriebenen Bücher verloren ihre Aktualität: Das Psalterium feriatum (Cod. 1823), das wohl knapp vor 1436 entstand, folgt noch den alten, hirsauisch geprägten Gewohnheiten, das Diurnale Cod. 4071, das 1437 datiert ist, belegt als erste Handschrift die Liturgie der Melker Reform. Bezeichnend ist, dass das Fleuronnée der beiden kleinformatigen Liturgica von derselben Hand stammt.
Provenienz
Die Provenienz der Bücher aus dem Benediktinerstift Mondsee ist durch den 1798 für die Wiener Hofbibliothek angelegten Übergabekatalog (Katalog "Üiber Sammentliche Manuscripten des aufgelassenen Klosters Mondsee In Oesterreich ob der Enns"), heute als Cod. Ser. n. 2162 einsigniert, zweifelsfrei nachgewiesen. Als ältere Mondseer Bibliothekskataloge haben sich der Catalogus Manuscriptorum Lunaelacensium des Abtes Bernhard Lidl (Abt von Mondsee 1729-1773) im 1749 erschienenen Ergänzungsband der Festschrift zur 1000-Jahrfeier dieses Benediktinerklosters (Mantissa Chronici Lunaelacensis) und der im Jahre 1632 in Cod. 3766 nachgetragene Handschriftenkatalog des Johannes Hörmann (1602-1659) erhalten. Trotz mancher Ungenauigkeiten lässt sich die Mehrzahl der Wiener Handschriften auch in diesen beiden Katalogen identifizieren. Zwei in Cod. 3766, 177r genannte, wohl spätmittelalterliche Vorgängerkataloge (Catalogus Alphabeticus Librorum Bibliothecae Monseensis und Catalogus librorum Bibliotecae Lunaelacensis) sind bereits im Übergabeverzeichnis von 1798 nicht mehr erwähnt und somit verschollen.
Die in Cod. 1222, 443v überlieferte, 1453 erfolgte Schenkung des Benedikt von Biburg enthielt nur zwei Handschriften. Cod. 1222 kann mit der dort genannten Bibel identifiziert werden (MBKÖ V, 66 f.). Das Verzeichnis der von Hieronymus de Mondsee (alias Johannes de Werdea, ca. 1420-1475) in seiner Novizenzeit 1451-1453 in Mondsee gelesenen Handschriften in Cod. 3602 (vgl. MBKÖ V, 77-82) nennt zumindest einige identifizierbare Codices des Mondseer Bestandes: Von den hier bearbeiteten lässt sich allerdings nur Cod. 3815 in dieser Liste eindeutig nachweisen. Drei kurz vor der Jahrhundertwende in Wien entstandene Codices hängen mit seiner Studienzeit in Wien zusammen und wurden in MeSch V, Kat. 171, 173 und 175 beschrieben.
Nicht selten vermerkt auch ein spätmittelalterlicher Eintrag (Iste liber est monasterii sancti Michaelis in Mennsee) – eventuell nur bei ausgeliehenen Büchern (?) – die frühe Zugehörigkeit einer Handschrift zur Mondseer Bibliothek, wie z. B. in Cod. 3733, Cod. 4778 oder in Cod. 3800. (Weitere Beispiele sind Cod. 4999, Cod. 5005 und Cod. 5150; zumindest Cod. 5005 und Cod. 5150 stammen sicher aus dem Besitz des späteren Priors Sebastian Fürstainer; weitere Hinweise bei Michaela Schuller-Juckes, in: MeSch V, Kat. 173.)
Die spätmittelalterlichen Mondseer Einbände
Eine frühe Zusammengehörigkeit der meisten Mondseer Handschriften dieser Zeit belegen für das 15. Jahrhundert auch die – bis auf Ausnahmen erhaltenen – einheitlich angelegten spätmittelalterlichen Einbände, auf die bereits Pfaff 1967, 70 f. hinwies (siehe auch Holter 1984, insbes. 53-57 [501-505]). Auf dem VD und dem HD der zumeist blauen oder braunen, teils auch roten Ledereinbände finden sich Rahmen und Diagonalen aus meist dreifachen Streicheisenlinien. Der Inhalt des Buches wird durch ein im oberen Drittel des Vorderdeckels aufgeklebtes, spätmittelalterliches Papierschildchen angezeigt, die alte, ebenfalls spätmittelalterliche Signaturennummer befindet sich hingegen im unteren Drittel des Vorderdeckels auf einem eigenen rechteckigen Papierschildchen. Vor allem das Titel und Signaturensystem scheint von der Bibliothek des Benediktinerstifts Melk angeregt zu sein. Dort findet sich jedoch, im Gegensatz zum Mondseer Bestand, das Signaturenschildchen direkt unter dem Titelschildchen im oberen Drittel des Vorderdeckels (freundl. Mitteilung Christine Glaßner). Wann genau die Bücher ihre einfachen, einheitlichen Einbände erhalten haben, lässt sich heute nicht mehr klären. Man wird davon ausgehen können, dass es meist nicht allzu lange nach der Fertigstellung der Bücher geschehen ist, auch wenn etwa im Falle des Cod. 1386 ein bereits 1449 geschriebener und ein erst 1454 fertiggestellter Textteil in einem gemeinsamen, spätmittelalterlichen Einband vereint sind, der erste Text also wohl mindestens fünf Jahre ungebunden bzw. zumindest ohne festen Buchdeckel geblieben ist. Beispiele hierfür finden sich vor allem unter den Sammelhandschriften.
Ab ca. 1475 wurden in Mondsee reichlich Blindstempel verwendet (Holter 1981, 214 [814]), die sich bei früheren Codices nur in Einzelfällen nachweisen lassen. Einen solchen Fall stellt Cod. 1913 dar, dessen Einzelstempel vielleicht einer ersten, kurzlebigen, um 1450 anzusetzenden Phase der Mondseer Buchbindekunst zuzurechnen sind. Die einfach gestalteten Einbände ohne Stempelverzierung sind vermutlich noch vor bzw. bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts – jeweils kurz nach der Fertigstellung der betreffenden Codices – entstanden. Dass zahlreiche Codices zeitnah in Mondsee gebunden wurden, belegen nicht zuletzt eingebundene Fragmente aus älteren Mondseer Handschriften (so z. B. in Cod. 1462 und Cod. 1394).
Hilfreich zur Bestimmung des Mondseer Bestandes im 17. Jahrhundert sind auch die im Zuge einer damals erfolgten Neuaufstellung angelegten typischen Papierbeklebungen des Buchrückens mit aufgeschriebenen Titelangaben und alter Signatur (Pfaff 1967, 71). Sie fehlen nur bei wenigen, im 19. Jahrhundert neu gebundenen Handschriften.
Mondseer Schreiber
In vielen Codices Mondseer Provenienz nennen die Schreiber, häufig neben dem Datum der Fertigstellung der Handschrift, auch ihren Namen. Unsignierte Codices lassen sich dank der meist sehr individuellen Schriftzüge teilweise leicht anschließen. Einige Schreiber sind mit Konventualen des Klosters identifizierbar und waren oft jahrelang für und in Mondsee tätig. Die Handschriften sind durch namentlich bekannte Schreiber und ihren Buchschmuck untereinander eng verzahnt, so dass bei einem Großteil eine Entstehung in Mondsee als sicher gelten darf und wir über die rege Buchproduktion des 15. Jahrhunderts im Kloster gut unterrichtet sind.
Für den in MeSch VI katalogisierten Bestand ist Frater Wilhelm Kogler aus Erding von besonderer Bedeutung, der über 20 Jahre lang als Schreiber in Mondsee nachweisbar ist (siehe zu Kogler auch Staufer 1864/1865, Teil 1, 13 f.). Im Laufe dieses längeren Zeitraumes lassen sich deutliche Veränderungen in seinem Schriftbild wahrnehmen. Erstmals nennt sich Kogler bereits zwei Jahre vor seiner Profess in einem 1434 datierten Texteil von Cod. 3808. In den um 1437/1440 entstandenen Handschriften Cod. 3815, Cod. 3668, Cod. 3772, Cod. 3889, Cod. 3892 sowie zugehörigen Codices und Texteinheiten weiterer Handschriften schreibt Kogler im Gegensatz zu seinem Erstlingswerk in einer engen, kaum mit Ober- und Unterlängen versehenen, kleinformatigen Bastarda, die sich insbesondere im 1440 datierten Cod. 3889 und im 1440 datierten Teil von Cod. 3911 zu jener Schrift ausformt, in welcher der Schreiber seine Werke der 1440/50er Jahre fertigt: Eine meist großformatige, eckigere, formalisierte Variante der Bastarda, die trotz des nicht unwesentlich anderen Erscheinungsbildes gegenüber den früheren Abschriften vor allem in den charakteristischen Versalien und Haarstrichen denselben Schreiber verrät. Die Kolophone Wilhelm Koglers sind z. T. mit sehr einfachem Fleuronnée umrandet (z. B. Cod. 1410, 163v und Cod. 1386, 106v), das auch sonst sporadisch in diesen Handschriften anzutreffen ist und zweifellos vom Schreiber gezeichnet wurde. Von Kogler stammen schließlich auch die Cadellen (z. B. Cod. 3889, 73r und Cod. 3892, 89r) und Schriftverzierungen in Form von Profilköpfen (Cod. 3668, 4v; Cod. 3892, 14v; Cod. 3772, 81r; Cod. 3911, 88v; Cod. 1386, 105r). Sein Hauptwerk als Kopist ist unzweifelhaft die zwischen 1447 und 1455 auf Pergament in Folioformat geschriebene, siebenbändige Nicolaus-de-Lyra-Ausgabe (Cod. 1394, Cod. 1477, Cod. 1462, Cod. 1410, Cod. 1386, Cod. 1457, Cod. 1393), in welcher allerdings die typischen Cadellen und Profilköpfe nur noch sporadisch und weniger auffällig erscheinen (z. B. in Cod. 1386, 105r; Cod. 1462, 98r und Cod. 1410, 86r).
Mit Kogler arbeitet der Schreiber Frater Heinricus (alias Pauper Heinricus, alias Heinricus peccator) eng zusammen, teils sogar im Spaltenwechsel, wie z. B. in Cod. 3889 aus dem Jahr 1440. Heinricus ist in mindestens sieben Handschriften bzw. Handschriftenteilen aus dem untersuchten Zeitraum nachweisbar, so in Cod. 4778, Cod. 3889, Cod. 3772 (alle drei aus dem Jahr 1440), des Weiteren in Cod. 3712 (1444), Cod. 3888 (1452), Cod. 3785 (1453) und Cod. 3825 (1469). [Ergänzung Katharina Hranitzky, 2022: Vermutlich war er auch der Schreiber des zweiten Teils von Cod. 2842, in dem er einem als Zeichner von Lombarden und Zeigehänden begegnet.] (Eine Identifizierung dieses Schreibers mit dem in der Mantissa Chronici Lunaelacensis und bei Staufer 1864/1865, Teil 1, 12 f. genannten Heinrich de Amberga alias Immertheuer, Profess 1436, dem auch Cod. 2248 zugeordnet wird, ist fraglich. Zwar lassen sich einige der von Heinricus peccator unterschriebenen Codices mit Handschriften identifizieren, die dort Immertheuer zugeschrieben werden, doch spricht das Sterbedatum des letzteren, 1443, dagegen.) [Ergänzung Katharina Hranitzky, 2022: Heinricus ist tatsächlich weitaus länger, als Rubrikator von Inkunabeln sogar bis ca. 1485 nachzuweisen. In einigen Bänden schrieb er nur Rubriken, führte Lombarden aus und/oder brachte auf den Seitenrändern charakteristische Zeigehände (mit Ärmeln, deren Manschetten und Schulteransätze jeweils doppelt bogenförmig konturiert sind) sowie Randvermerke (Nota / Nota bene) an. Siehe zu Heinricus Katharina Hranitzky, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 131-134. Bemerkenswerterweise wurde ein z. T. in Melk entstandener Codex – Melk, Benediktinerstift, Cod. 1869 (398, H 9) – mit einem Rubrikatorvermerk desselben Fraters Heinricus versehen. Ein Konnex zu Mondsee ist bei dieser Handschrift tatsächlich auch durch den darin enthaltenen Text der Leichenpredigt für den Mondseer Abt Simon Reuchlin und eine Abschrift von dessen Epitaph gegeben (freundlicher Hinweis Christine Glaßner).]
Als schreibender Mondseer Konventuale ist des Weiteren Johannes Hachelstadter aus Regensburg bekannt (siehe auch Staufer 1864/1865, 12), der sich in zwei Handschriften nennt, u. a. in dem 1446 datierten Cod. 3813, einem Codex, der trotz eindeutigen Kolophons in der Mantissa Chronici Lunaelacensis und bei Staufer 1864/1865, Teil 1, 13 dem oben genannten Heinrich Immertheuer zugeschrieben wurde.
Weitere namentlich bekannte Schreiber sind bei Holter 1981, 202 (802) angeführt, während im "Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften" von Hermann Menhardt auf anonym gebliebene Kopisten hingewiesen wird, die in mehreren Mondseer Codices auftreten.
Dabei sind es vielleicht gar nicht so sehr diese professionellen "Vielschreiber", die das Besondere der Umsetzung der Melker Reform in Mondsee darstellen. Vielmehr ist es die beachtliche Fülle an zumeist kleinformatigen Codices, die von den Konventualen "privat" angefertigt wurden. Während die erste Welle dieser Produktion (siehe z. B. Cod. 4071, Cod. 2248, Cod. 2247) durchaus sorgfältig in Schrift und Ausstattung ist, sind ab den 1440er Jahren bis an den Beginn des 16. Jahrhunderts zahllose Produkte von bescheidenerer Schreib- und Ausstattungsqualität überliefert.
Der Buchschmuck
Illuminierte Handschriften aus Mondsee sind schon aus karolingischer Zeit überliefert (siehe Bischoff 1980, 9-26; Holter 1981, 186-195 [786-795]). Über das hochmittelalterliche Skriptorium informiert Pfaff 1967 (siehe auch Holter 1981, 195-201 [795-801]). Im Übergang von der Spätromanik zur Gotik belegen zwei Codices das letzte Aufflackern dieser Tradition (Cod. 1827, Cod. Ser. n. 4235). Im 14. Jahrhundert schließlich scheint die Buchproduktion in Mondsee beinahe zum Erliegen gekommen zu sein.
Die Wiederbelegung des Interesses an ausgeschmückten Büchern im frühen 15. Jahrhundert hängt vermutlich eng mit Johannes Trenbeck (siehe oben) zusammen. Zwei Fleuronnéegruppen bilden sich um 1410 heraus (siehe MeSch II 2002, Kat. 115-116 bzw. Kat. 115, 118 f.; zu den liturgischen Fragmenten aus dieser Zeit siehe Klugseder 2012, 209-213.) Die erhaltenen Beispiele aus dem 2. und 3. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts (Cod. 3763, Cod. 3762, Cod. 3675, Cod. 3615) zeigen ein uneinheitliches und qualitativ weiterhin eher bescheidenes Bild. Für bedeutendere Auftrage beschäftigte man damals Experten von außerhalb, so etwa für die Ausstattung des 1416 datierten Urbars (Mondsee, Museum Mondseeland, Ohne Signatur [Leihgabe Graf Peter von Almeida]), dessen – auch figürlicher – Deckfarbendekor stilistisch eng mit Salzburg zusammenhängt. Die einzige Chorhandschrift aus Mondsee, die 1901 aus St. Wolfgang in die Bestände der heutigen Diözesan- und Universitätsbibliothek der Katholischen Privatuniversität (DUBL) in Linz gelangte (A I/68 [Hs. 13]), konnte bisher stilistisch (und liturgisch) nicht genauer bestimmt werden (vorläufige Ergebnisse bei Klugseder 2012, 220-230, in Zusammenarbeit mit Martin Roland).
Ab den mittleren 1430er Jahren lassen sich wieder Fleuronnéegruppen zusammenstellen. Zu erwähnen ist hier u. a. der vermutlich unmittelbar nach seiner Entstehung nach Mondsee gelangte Cod. 3800. Sein Fleuronnée ist zwar der Lambacher Produktion zuzuordnen, dürfte aber einen gewissen Einfluss auf die Mondseer Floratoren ausgeübt haben. Mit der Deckfarbentechnik scheint man sich in Mondsee hingegen erst nach der Jahrhundertmitte vertraut gemacht zu haben, sieht man von den drei bereits in den 1430er Jahren entstandenen, unvollendet gebliebenen Handschriften Cod. 3641, Cod. 5373 und Cod. 1913 ab. [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Eine eigene Mondseer Formensprache entwickelte sich tatsächlich erst ab ca. 1450. Davon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen Inkunabeln, die in Mondsee illuminiert wurden, siehe Katharina Hranitzky, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, Kat. 32-46.]
Figürlicher Dekor findet sich in Mondseer Bänden des 15. Jahrhunderts vorerst kaum. Ausnahmen sind das Graduale A I/68 (Hs. 13) der DUBL in Linz (siehe oben), Cod. 3615, 1r und die von wenig routinierter Hand ausgeführten lavierten Tintenzeichnungen zum Buch der Könige im Nicolaus-de-Lyra-Kommentar aus dem Jahre 1448 (Cod. 1462, 85r, 89r), die jedoch vom Mangel ausgebildeter Buchmaler in Mondsee zeugen. In dem 1449 geschriebenen, inhaltlich zur vorgenannten Handschrift gehörigen Ezechiel-Kommentar Cod. 1386 sind die vorgesehenen Textillustrationen denn auch nicht ausgeführt worden. [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Auch mit der Ausführung des figürlichen Schmucks in den Inkunabeln betraute man zum Teil professionelle Buchmaler, allen voran den namhaften Salzburger Buchkünstler Ulrich Schreier, der eine Reihe von Prachtbänden mit historisierten Initialen und Miniaturen ausstattete (und meistens auch einband), siehe Michaela Schuller-Juckes, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, Kat. 10-24. Stiftsfremd war vermutlich auch der Schöpfer der kolorierten Federzeichnungen in Linz, OÖLB, Ink. 638, 644 und 645, siehe Susanne Rischpler, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, Kat. 42-44. In diesen und anderen Bänden finden sich jedoch auch figürliche Darstellungen, die von Mondseer Kräften ausgeführt wurden (Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, z. B. 130.]
Zusammenfassung
Die hier vorgestellten Bände sind eng miteinander verbunden, sei es durch ihre Schreiber oder ihren Fleuronnéeschmuck, des Weiteren durch die in die Bücher eingebundenen und teilweise zusammengehörigen Fragmente aus älteren Mondseer Codices oder auch durch identisches Papier (vgl. die frühen Handschriften des Wilhelm Kogler). All dies weist auf eine Entstehung der betreffenden Handschriften in einer gemeinsamen Mondseer Schreibstube hin. Die Bedeutung des Mondseer Bestandes aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts liegt somit vor allem in seiner Aussagekraft über die Entwicklung eines im Zuge der Melker Reform wieder eingerichteten, ambitionierten Skriptoriums.
II. Die Mondseer Floratoren des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts
Fleuronnéegruppe "FL 1"
Der Stil der Fleuronnée-Gruppe "FL1" erscheint voll ausgebildet erstmals in zwei 1446 datierten Codices (Cod. 3666 und Cod. 3813). Vorläufer der fraglichen Formensprache finden sich in Handschriften, die zwischen 1435 und 1440 entstanden (Cod. 1823, Cod. 2247, Cod. 2248, Cod. 3607, Cod. 4071 und wohl auch Cod. 4093; Cod. 2247 dürfte die jüngste Handschrift dieser Gruppe sein). Der Initialtyp "FL 1" dominiert das Mondseer Fleuronnée ab den 1440er Jahren. Hauptvertreter sind Cod. 928, Cod. 1394, Cod. 1477 und Cod. 2015; in Cod. 3771, 63v wurde das Binnenfleuronnée sichtich von "FL 1" nachgetragen. Als die von diesem am reichsten ausgestattete Handschrift ist der im Jahre 1447 entstandene erste Teil der vom Mondseer Konventualen Frater Wilhelm Kogler geschriebenen siebenbändigen Bibel-Postille des Nicolaus de Lyra zu bezeichnen (Cod. 1394, 3v, 16v, 107r).
Die Leitmotive der Mondseer Fleuronnée-Gruppe "FL1" fanden, mit geringen Modifikationen, noch bis weit in die 1450er Jahre Verwendung. [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Tatsächlich lebt dieser Stil sogar noch in der "Gruppe 1" der Mondseer Handschriften aus den 1470er/1480er Jahren weiter – siehe hierzu Katharina Hranitzky, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 125-127.] In den späteren Handschriften wird das Fleuronnée lediglich etwas steifer, formenärmer und zugleich großformiger. Beispiele hierfür finden sich in Cod. 1457 von 1451, in Cod. 1393 von 1454/1455 und vor allem in dem 1451/1453 datierten Cod. 665 (z. B. 16r).
Das Fleuronnée von "FL 1" ist vorwiegend in verschiedenen Rosa-, Lila-, und Rottönen, z. T. auch in sehr hellem Gelb oder Schwarz gehalten. Die Knospen sind rund bis spitzoval, meistens punktförmig, aber nicht selten auch mit kreisförmig umrandeten Punkten gekernt. Ab den größeren Initialen des herausragenden Cod. 1394 (3v und 171v) erfasst das Fleuronnée auch die seitlichen Ausläufer. Nur hier erstecken sich diese außerdem z. T. über die gesamte Seitenhöhe und enden in großen, z. T. gelb hinterlegten Medaillons, in stilisierten Blattformen, in Vogel- und anderen Tierdarstellungen oder in Ranken bzw. Fibrillen.
Das Binnenfeld ist häufig in mehrere, übereinander gelagerte und sich stark überschneidende Segmente und Ovale geteilt, in denen die Knospen verschiedentlich angeordnet sind (Cod. 3666, 1r, 296r; Cod. 3813, 175v; Cod. 1394, 16v; Cod. 1477, 121v; Cod. 2015, 60r; Cod. 928, 1v, 97r). Teilweise sind die Binnenfelder auch in Dreiecksfelder zerlegt (Cod. 1394, 171v). Zuweilen werden zwei Medaillons die Mitte durch eine bügelartige Scheide getrennt (Cod. 3813, 288v; Cod. 2015, 79r). Nur selten, vor allem in Cod. 3813 (18v) und Cod. 2015, ist das Binnenfeld mit Federranken ausgefüllt. In Gebrauch stehen schließlich auch Knospenräder, die häufig vor einem farbigem oder schraffiertem Hintergrund stehen, zudem in der Mitte stilisierte Blumen aufweisen können (Cod. 3666, 296r; Cod. 1394, 3v 171v; Cod. 2015, 71v), dazu gerade oder gegenständige Knospengarben (Cod. 3666, 1r; Cod. 2015, 60r) und weitere stilisierte Blüten (Cod. 1394, 3v).
Die Initialfelder werden an den Ecken nicht selten zipfelig nach außen gezogen und mit gegenständigen Knospenpaaren oder -ähren gefüllt (Cod. 3666, 296r; Cod. 3813, 288v; Cod. 2015, 60r, Cod. 1394, 171v); mitunter stattdessen Besatzmedaillons (Cod. 1394, 16v; Cod. 928, 1v). Typisch sind des Weiteren gerade von der Initiale abstehenden Parallelfäden, die an ihrem Ansatz von Perlenketten mit vergrößerter Anfangsperle flankiert werden und deren äußerste am Ende der Bündel auseinanderschwingen und z. T. in Fibrillen enden (Cod. 3666, 296r; Cod. 3813, 18v, 175v, 288v; Cod. 2015, 60r, 71v; Cod. 1394, 171v; Cod. 928, 1r, 97r). In Cod. 3813 (175v) und Cod. 1394 (16v) werden zudem Abläufe der Initialen beidseitig von Fadenausläufern begleitet, die mit unterbrochenen Perlenreihen besetzt sind und z. T. in flechtwerkgefüllten Schlaufen enden. Die Initiale 95v in Cod. 3889 (1440) kann aufgrund dieses charakteristischen Motivs als Nachtrag von "FL 1" bestimmt werden.
Florator "FL 2"
Mehrere Handschriften und Textteile aus den späten 1430er und frühen 1440er Jahren, die mit dem Schreiber Frater Wilhelm Kogler in Verbindung zu bringen sind, enthalten Fleuronnéelombarden, die einem Florator 2 ("FL 2") zugeschrieben werden können. Dieser dürfte mit Kogler identisch sein (vgl. z. B. Cod. 3815, 159r; Cod. 3668, 4v, 112v, 117r; Cod. 3889, 107v; Cod. 3911, 96r). Sowohl die für diesen Schreiber typischen Cadellen (z. B. in Cod. 3889, 73r) als auch manche der von Profilköpfen getragenen Kronen sind mit Fleuronnée versehen, das demjenigen der Initialen entspricht (z. B. Cod. 3772, 81r). In Cod. 3668 fällt die enge Verbindung von Schriftdekor und Fleuronnée auf (117r). Zudem sind die typischen Formen ausschließlich in Texten und Textteilen dieses Schreibers auf, in den Werken von dessen Kollegen fehlen sie.
Am reichsten ausgestattet ist der 1439 datierte Cod. 3668 (4v, 112v, 115r, 117r), des Weiteren gehören zu dem in Rede stehenden Konvolut ein Fragment in Cod. 4069 sowie die Handschriften Cod. 3892 (1r), Cod. 3771 (119r), Cod. 3911 (96r) und Teile von Cod. 3889 (107v). Analogien zu dieser Gruppe weist schließlich auch eine Initiale in dem 1436 entstandenen Cod. 3903 (69v) auf.
Bereits die Anlage der Buchstabenkörper lässt individuelle Eigenheiten erkennen (Cod. 3815, 159r; Cod. 3668, 115r; Cod. 3892, 1r; Cod. 3771, 119r; Cod. 3911, 96r; Cod. 3889, 107v). Hierzu gehören die kräftig nach außen gezogenen Bäuche der Initialkörper, die sehr langen Abstriche, die an den Enden häufig mit Schmuckformen wie Perlen, Dreiblattanordnungen etc. verziert werden, sowie das vereinfachte Blattwerk im Initialkörper. Als Farben herrschen Orange, Rot, Grün und Schwarz vor.
Das Fleuronnée im Binnenfeld der Initialen beschränkt sich meistens auf in brauner oder roter Tinte gezeichnete, ovale, z. T. blattförmige, in der jeweiligen Gegenfarbe gepunktete Knospenpaare, die (vor allem in den älteren Codices der Gruppe) in dreieckige Kompartimente eingepasst sein können. In den jüngeren Handschriften finden sich auch Knospengarben. Nur Cod. 3668 als Haupthandschrift des Konvoluts zeigt z. B. in der Mitte der Binnenfelder Kreismotive mit stilisierten Blumen (117r), die von den typischen Knospen umgeben sind. Als Besatz von Initialen und Fadenfortsätzen finden neben einfachen Perlenreihen auch rot-grüne, dreiecksförmige, kammartige Fadenfortsätze Verwendung (Cod. 3668, 112v und Cod. 3815, 159r). Die zumeist mit Perlenreihen besetzten Serifen und Fadenfortsätze enden häufig in drei vergrößerten, z. T. mit roten Stacheln besetzten Perlen und – in Cod. 3668 – häufig in Medaillons mit geometrischen Mustern, stilisierten Blumen oder in kaum mehr erkennbaren figürlichen Formen (Cod. 3668, 115r). In Cod. 3668 sind die Außengrundecken der Initialen zudem z. T. zipfelartig ausgezogen (z. B. 114r, vgl. auch Cod. 3892,1r), ein Motiv, das an sich für "FL 1" charakteristisch ist (vgl. Cod. 3666, 296r oder Cod. 4965, 1r sowie bereits Cod. 1823, 1r, Cod. 4071, 14r, Cod. 2247, 8r). Obwohl vor allem in Cod. 3892 und Cod. 3771 neben der kleinteiligen Gliederung des Binnenfeldes auch großformatige Knospengarben als Fleuronnéefüllung vorkommen, scheinen alle aufgezählten Handschriften von einem einzigen Florator, "FL 2", ausgestattet worden zu sein.
Vorbildhaft für das Fleuronnée von "FL 2" wirkten – bei allen Qualitätsunterschieden – anscheinend Initialen in Handschriften aus Lambach und Melk, die im Zuge der Melker Reform dem Mondseer Florator zugänglich gewesen sein dürften; man vergleiche insbesondere die Aufteilung des Binnenfeldes in Dreieckskompartimente und die Paare gegenständig angeordneter, kräftig gepunkteter Knospen – vgl. z. B. die 1437 datierte und wohl bereits kurz darauf nach Mondsee gelangte Lambacher Handschrift Wien, ÖNB, Cod. 3800 (117r). Andere Formen, wie die in Medaillons und Dreiblattmotiven endenden Fadenfortsätze haben Vorbilder in Melker Handschriften des endenden 14. Jahrhunderts, so z. B. in Melk, Benediktinerstift, Cod. 336 (259, E 50).
Florator "FL 3"
Während viele Nachahmer der Mondseer Fleuronnéegruppe "FL 1" jeweils nur in einer oder zwei Handschriften tätig sind (dabei handelt es sich wohl überhaupt jeweils um den Schreiber), lässt sich unter ihnen zumindest eine Hand erkennen, die wiederum in einer ganzen Gruppe von Bänden greifbar wird und hier als "FL 3" bezeichnet wird. Es handelt sich bei diesem Florator um einen dilettierenden Nachahmer von "FL 1", der sich auf die flotte Wiedergabe der Grundformen seines Vorbildes verlegte und in den folgenden Codices der ÖNB in Wien eindeutig nachweisbar ist: Cod. 1477, Cod. 3601, Cod. 3613, Cod. 3657, Cod. 3672 und Cod. 3775. Des Weiteren ist nachgetragenes Ornament seiner Hand in drei bereits in den 1430er Jahren entstandenen Handschriften, Cod. 3733, Cod. 3746 (1434) und Cod. 3786 (1436) – die beiden letztgenannten Codices enthalten außerdem Fleuronnée vom Florator des zum Teil 1438 entstandenen Cod. 2842 –, sowie auch in Cod. 3788 (1406 datiert, siehe MeSch II 2002, Kat. 162, Abb. 457) zu finden, ebenso in Cod. 5115 und Cod. 5428 (zu diesen beiden Handschriften siehe MeSch V, S. 400 f.: Liste der nicht beschriebenen Handschriften). Schließlich begegnet man ihm in den drei nach 1450 entstandenen Cod. 1899, Cod. 3741 und Cod. 3825.
"FL 3" tritt erstmals in dem 1442 datierten Cod. 3775 (99r) und in Cod. 3613 (169r) von 1444 auf und lässt sich u. a. in Cod. 1477 (171v) – jener 1447 datierten Handschrift aus der von Frater Wilhelm Kogler geschriebenen, siebenbändigen Nicolaus-de-Lyra-Ausgabe, nachweisen, in welcher "FL 1" nur in einer einzigen Initiale erscheint. Sein Wirken erstreckt sich über die Jahrhundertmitte hinweg bis gegen Ende der 1450er Jahre (z. B. Cod. 3669, Cod. 3669*; bemerkenswert ist seine Präsenz in dem mit einer Titelminiatur und Deckfarbeninitialen aufwändig geschmückten Missale der Ulrichskapelle (Cod. 1899).
Charakteristisch für das Fleuronnée von "FL 3" sind mit brauner bzw. schwarzer Tinte in flottem Strich in die roten Lombarden eingetragenen Knospen bzw. Knospenräder (Cod. 1477, 171v; Cod. 3601, 78v; Cod. 3657, 1r; Cod. 3672, 30v). Häufig finden sich auch an S-förmige Teilungslinien angelehnte, einseitwendige Knospengarben (Cod. 3613, 142v, 169r). In Cod. 3657 begegnet auf 168v auch das aus der Fleuronnéegruppe "FL 1" bekannte (z. B. Cod. 3813, 175v) Motiv der gebündelten Parallelfäden auf, die an ihrem Ansatz von Perlenketten mit vergrößerter Anfangsperle gerahmt werden. Fast alle Knospen dieses Florators haben anstelle von Punktungen zwei Parallelstriche, z. T. in der Gegenfarbe. Die Zwischenräume sind meist schraffiert. Konturbegleitend erscheinen durch Leerräume voneinander abgesetzte, oft sehr stark vereinfachte Perlengruppen mit Fadenausläufern, von denen jeweils einer besondere Betonung erfährt (z. B. Cod. 3601, 78v; Cod. 3657, 1r). Nicht selten werden größere Partien, auch am äußeren Rand einer Initiale, einfach schwarz schraffiert; teilweise treten an Fadenausläufern schwarz-rote, dreieckige, kammartige Fadenfortsätze auf (Cod. 3613, 169r).
"FL 3" arbeitet häufig mit anderen Kräften zusammen, so in dem 1447 datierten Cod. 1477 mit "FL 1" und einem Nachahmer von "FL 1", ebenso in Cod. 3601 mit einem weiteren Nachahmer von "FL 1", schließlich in den beiden in die zweite Hälfte der 1440er Jahre datierbaren Handschriften Cod. 3657 (4r) und Cod. 3672 mit dem Mondseer Florator "FL 4".
Florator "FL 4"
Verhältnismäßig sorgfältig ausgeführt ist der Schmuck des Florators 4 ("FL 4"). In dem vermutlich um 1446 entstandenen Cod. 3672 hat "FL 4" eine größere Anzahl von Binnenfeldern mit Fleuronnée gefüllt. Ergänzungen sind vermutlich die Binnenfeldfüllungen in Cod. 3757 (192rb) und in Cod. 3657 (4r) sowie in Cod. 3337 und Cod. 3904 (114v und 115r). "FL 4" verwendet Schwarz und Rot. Sein Fleuronnée zeichnet sich durch in der jeweiligen Gegenfarbe gepunktete Knospen an langen Stielen aus. Meistens finden sich diese als Knospengarben (in Cod. 3657, z. B. 13r, auch als Knospenähre). Diese sind in relativ kleine drei- bzw. viereckeckige Kompartimente eingefügt. Die Zwischenräume zwischen den Motiven sind schraffiert oder farbig gefüllt. Besatzfleuronnée verwendet dieser Florator kaum. (In Cod. 3672 und Cod. 3657 wurde der Dekor durch Florator "FL 3" ergänzt.)
Bearbeiter: Karl-Georg Pfändtner / Martin Roland, Forschungsstand 2015 (MeSch VI), Redaktion Katharina Hranitzky 2022, mit Ergänzungen (in eckigen Klammern).
DIE HANDSCHRIFTEN AUS DEM BENEDIKTINERSTIFT MONDSEE
I. Einleitung
[Allgemeine Literatur: Kat. Mondsee 1981 (darin besonders Georg Heilingsetzer: Das Mondseeland als historische Landschaft und seine Zentren Kloster und Markt, 9-49, hier vor allem 18-23); zur Buchmalerei Simader 2009, Simader 2009a, Hranitzky 2009. Weitere Publikationen im Text.]
Die Österreichische Nationalbibliothek verfügt mit den Codices des ehemaligen Benediktinerstifts Mondsee über einen großen geschlossenen Handschriftenbestand aus einer Klosterbibliothek. Nach dem Bestand aus der Universität Wien stellen die Mondseer Handschriften die zweite geschlossene Überlieferungsgruppe der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts dar.
Nach der Auflösung des 1791 als Dotationsgut dem neu gegründeten Bistum Linz übereigneten Stiftes (förmliche Auflösung am 5. November 1791) wurden 1792 die Archivalien, später die Bibliotheksbestände von Mondsee nach Linz verbracht, 1796 dann auf kaiserlichen Beschluss die Druckschriften der Bibliotheca Publica (heute Oberösterreichische Landesbibliothek) und die zahlenmäßig erheblich reduzierten (heute 663) Handschriften – von geringen Ausnahmen abgesehen – in die kaiserliche Hofbibliothek (heutige Österreichische Nationalbibliothek) abgegeben. Ebenfalls auf diesem Wege kamen als besonders wertvoll erachtete Inkunabeln in die Nationalbibliothek (vgl. hierzu Pfaff 1967, 21). [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Eine Reihe von Inkunabeln aus Mondsee gelangte, die meisten offenbar über die Bibliothek der k.k. Theresianischen Akademie in Wien, in die Universitätsbibliothek Wien, siehe z. B. die sechs illuminierten Bände, die bei Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 121-132, 135, genannt werden.]
Der quantitative Schwerpunkt des Mondseer Bestandes liegt im 15. Jahrhundert. Aus dieser Zeit haben sich über 470 Handschriften erhalten (MBKÖ V, 69). Bereits unter den Äbten Jakob Hochenfelder (1406-1415) und Johannes II. Trenbeck (1415-1420) ist ein Aufleben einer geordneten Schreibtätigkeit im Kloster festzustellen (vgl. Cod. 3763, Cod. 3762). Trenbeck, der zuvor Pfarrer in St. Wolfgang war, ist auch als Vorbesitzer/Stifter von Codices nachweisbar (MeSch II 2002, bei Kat. 115); ein Graduale mit Fleuronnéeinitialen ist nur noch in Fragmenten erhalten (u. a. Cod. 1462, Ir, um 1410, mit Initiale; s. Friedrich Simader, in: MeSch II 2002, Kat. 116 ["um 1410"] und Klugseder 2012, 211-213 ["1. Viertel 15. Jh."]). Die Wende zu einer umfangreichen Eigenproduktion vollzieht sich jedoch unter dem langdienenden Abt Simon Reuchlin (1420-1463), der 1436 die Melker Reform eingeführt (Holter 1981, 201 [801]).
Neben der erst im 2. Viertel des Jahrhunderts aufblühenden Eigenproduktion (beinahe 60 Codices werden hier katalogisiert) sind – gerade aus der Zeit bis ca. 1430 – zahlreiche Handschriften nachweisbar, die außerhalb des Stiftes entstanden. Zwölf aus dem Umfeld der Universität Wien stammende Codices mit zumeist sehr einfachem Dekor wurden in MeSch V katalogisiert (Kat. 29, 41, 56, 57, 68-70, 71, 129, 171, 173, 175), während die Ausstattung zweier Missalien (Cod. 1796, Kanonbild; Cod. 3641) und zweier weiterer Codices (Cod. 2953, Cod. 2870) zum Teil nach Salzburg zu weisen scheint.
Die Melker Reform des Benediktinerordens hat die Liturgie in Mondsee verändert und die Verwendung neuer Handschriften notwendig gemacht (siehe Klugseder 2012). Einige der eben erst neu geschriebenen Bücher verloren ihre Aktualität: Das Psalterium feriatum (Cod. 1823), das wohl knapp vor 1436 entstand, folgt noch den alten, hirsauisch geprägten Gewohnheiten, das Diurnale Cod. 4071, das 1437 datiert ist, belegt als erste Handschrift die Liturgie der Melker Reform. Bezeichnend ist, dass das Fleuronnée der beiden kleinformatigen Liturgica von derselben Hand stammt.
Provenienz
Die Provenienz der Bücher aus dem Benediktinerstift Mondsee ist durch den 1798 für die Wiener Hofbibliothek angelegten Übergabekatalog (Katalog "Üiber Sammentliche Manuscripten des aufgelassenen Klosters Mondsee In Oesterreich ob der Enns"), heute als Cod. Ser. n. 2162 einsigniert, zweifelsfrei nachgewiesen. Als ältere Mondseer Bibliothekskataloge haben sich der Catalogus Manuscriptorum Lunaelacensium des Abtes Bernhard Lidl (Abt von Mondsee 1729-1773) im 1749 erschienenen Ergänzungsband der Festschrift zur 1000-Jahrfeier dieses Benediktinerklosters (Mantissa Chronici Lunaelacensis) und der im Jahre 1632 in Cod. 3766 nachgetragene Handschriftenkatalog des Johannes Hörmann (1602-1659) erhalten. Trotz mancher Ungenauigkeiten lässt sich die Mehrzahl der Wiener Handschriften auch in diesen beiden Katalogen identifizieren. Zwei in Cod. 3766, 177r genannte, wohl spätmittelalterliche Vorgängerkataloge (Catalogus Alphabeticus Librorum Bibliothecae Monseensis und Catalogus librorum Bibliotecae Lunaelacensis) sind bereits im Übergabeverzeichnis von 1798 nicht mehr erwähnt und somit verschollen.
Die in Cod. 1222, 443v überlieferte, 1453 erfolgte Schenkung des Benedikt von Biburg enthielt nur zwei Handschriften. Cod. 1222 kann mit der dort genannten Bibel identifiziert werden (MBKÖ V, 66 f.). Das Verzeichnis der von Hieronymus de Mondsee (alias Johannes de Werdea, ca. 1420-1475) in seiner Novizenzeit 1451-1453 in Mondsee gelesenen Handschriften in Cod. 3602 (vgl. MBKÖ V, 77-82) nennt zumindest einige identifizierbare Codices des Mondseer Bestandes: Von den hier bearbeiteten lässt sich allerdings nur Cod. 3815 in dieser Liste eindeutig nachweisen. Drei kurz vor der Jahrhundertwende in Wien entstandene Codices hängen mit seiner Studienzeit in Wien zusammen und wurden in MeSch V, Kat. 171, 173 und 175 beschrieben.
Nicht selten vermerkt auch ein spätmittelalterlicher Eintrag (Iste liber est monasterii sancti Michaelis in Mennsee) – eventuell nur bei ausgeliehenen Büchern (?) – die frühe Zugehörigkeit einer Handschrift zur Mondseer Bibliothek, wie z. B. in Cod. 3733, Cod. 4778 oder in Cod. 3800. (Weitere Beispiele sind Cod. 4999, Cod. 5005 und Cod. 5150; zumindest Cod. 5005 und Cod. 5150 stammen sicher aus dem Besitz des späteren Priors Sebastian Fürstainer; weitere Hinweise bei Michaela Schuller-Juckes, in: MeSch V, Kat. 173.)
Die spätmittelalterlichen Mondseer Einbände
Eine frühe Zusammengehörigkeit der meisten Mondseer Handschriften dieser Zeit belegen für das 15. Jahrhundert auch die – bis auf Ausnahmen erhaltenen – einheitlich angelegten spätmittelalterlichen Einbände, auf die bereits Pfaff 1967, 70 f. hinwies (siehe auch Holter 1984, insbes. 53-57 [501-505]). Auf dem VD und dem HD der zumeist blauen oder braunen, teils auch roten Ledereinbände finden sich Rahmen und Diagonalen aus meist dreifachen Streicheisenlinien. Der Inhalt des Buches wird durch ein im oberen Drittel des Vorderdeckels aufgeklebtes, spätmittelalterliches Papierschildchen angezeigt, die alte, ebenfalls spätmittelalterliche Signaturennummer befindet sich hingegen im unteren Drittel des Vorderdeckels auf einem eigenen rechteckigen Papierschildchen. Vor allem das Titel und Signaturensystem scheint von der Bibliothek des Benediktinerstifts Melk angeregt zu sein. Dort findet sich jedoch, im Gegensatz zum Mondseer Bestand, das Signaturenschildchen direkt unter dem Titelschildchen im oberen Drittel des Vorderdeckels (freundl. Mitteilung Christine Glaßner). Wann genau die Bücher ihre einfachen, einheitlichen Einbände erhalten haben, lässt sich heute nicht mehr klären. Man wird davon ausgehen können, dass es meist nicht allzu lange nach der Fertigstellung der Bücher geschehen ist, auch wenn etwa im Falle des Cod. 1386 ein bereits 1449 geschriebener und ein erst 1454 fertiggestellter Textteil in einem gemeinsamen, spätmittelalterlichen Einband vereint sind, der erste Text also wohl mindestens fünf Jahre ungebunden bzw. zumindest ohne festen Buchdeckel geblieben ist. Beispiele hierfür finden sich vor allem unter den Sammelhandschriften.
Ab ca. 1475 wurden in Mondsee reichlich Blindstempel verwendet (Holter 1981, 214 [814]), die sich bei früheren Codices nur in Einzelfällen nachweisen lassen. Einen solchen Fall stellt Cod. 1913 dar, dessen Einzelstempel vielleicht einer ersten, kurzlebigen, um 1450 anzusetzenden Phase der Mondseer Buchbindekunst zuzurechnen sind. Die einfach gestalteten Einbände ohne Stempelverzierung sind vermutlich noch vor bzw. bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts – jeweils kurz nach der Fertigstellung der betreffenden Codices – entstanden. Dass zahlreiche Codices zeitnah in Mondsee gebunden wurden, belegen nicht zuletzt eingebundene Fragmente aus älteren Mondseer Handschriften (so z. B. in Cod. 1462 und Cod. 1394).
Hilfreich zur Bestimmung des Mondseer Bestandes im 17. Jahrhundert sind auch die im Zuge einer damals erfolgten Neuaufstellung angelegten typischen Papierbeklebungen des Buchrückens mit aufgeschriebenen Titelangaben und alter Signatur (Pfaff 1967, 71). Sie fehlen nur bei wenigen, im 19. Jahrhundert neu gebundenen Handschriften.
Mondseer Schreiber
In vielen Codices Mondseer Provenienz nennen die Schreiber, häufig neben dem Datum der Fertigstellung der Handschrift, auch ihren Namen. Unsignierte Codices lassen sich dank der meist sehr individuellen Schriftzüge teilweise leicht anschließen. Einige Schreiber sind mit Konventualen des Klosters identifizierbar und waren oft jahrelang für und in Mondsee tätig. Die Handschriften sind durch namentlich bekannte Schreiber und ihren Buchschmuck untereinander eng verzahnt, so dass bei einem Großteil eine Entstehung in Mondsee als sicher gelten darf und wir über die rege Buchproduktion des 15. Jahrhunderts im Kloster gut unterrichtet sind.
Für den in MeSch VI katalogisierten Bestand ist Frater Wilhelm Kogler aus Erding von besonderer Bedeutung, der über 20 Jahre lang als Schreiber in Mondsee nachweisbar ist (siehe zu Kogler auch Staufer 1864/1865, Teil 1, 13 f.). Im Laufe dieses längeren Zeitraumes lassen sich deutliche Veränderungen in seinem Schriftbild wahrnehmen. Erstmals nennt sich Kogler bereits zwei Jahre vor seiner Profess in einem 1434 datierten Texteil von Cod. 3808. In den um 1437/1440 entstandenen Handschriften Cod. 3815, Cod. 3668, Cod. 3772, Cod. 3889, Cod. 3892 sowie zugehörigen Codices und Texteinheiten weiterer Handschriften schreibt Kogler im Gegensatz zu seinem Erstlingswerk in einer engen, kaum mit Ober- und Unterlängen versehenen, kleinformatigen Bastarda, die sich insbesondere im 1440 datierten Cod. 3889 und im 1440 datierten Teil von Cod. 3911 zu jener Schrift ausformt, in welcher der Schreiber seine Werke der 1440/50er Jahre fertigt: Eine meist großformatige, eckigere, formalisierte Variante der Bastarda, die trotz des nicht unwesentlich anderen Erscheinungsbildes gegenüber den früheren Abschriften vor allem in den charakteristischen Versalien und Haarstrichen denselben Schreiber verrät. Die Kolophone Wilhelm Koglers sind z. T. mit sehr einfachem Fleuronnée umrandet (z. B. Cod. 1410, 163v und Cod. 1386, 106v), das auch sonst sporadisch in diesen Handschriften anzutreffen ist und zweifellos vom Schreiber gezeichnet wurde. Von Kogler stammen schließlich auch die Cadellen (z. B. Cod. 3889, 73r und Cod. 3892, 89r) und Schriftverzierungen in Form von Profilköpfen (Cod. 3668, 4v; Cod. 3892, 14v; Cod. 3772, 81r; Cod. 3911, 88v; Cod. 1386, 105r). Sein Hauptwerk als Kopist ist unzweifelhaft die zwischen 1447 und 1455 auf Pergament in Folioformat geschriebene, siebenbändige Nicolaus-de-Lyra-Ausgabe (Cod. 1394, Cod. 1477, Cod. 1462, Cod. 1410, Cod. 1386, Cod. 1457, Cod. 1393), in welcher allerdings die typischen Cadellen und Profilköpfe nur noch sporadisch und weniger auffällig erscheinen (z. B. in Cod. 1386, 105r; Cod. 1462, 98r und Cod. 1410, 86r).
Mit Kogler arbeitet der Schreiber Frater Heinricus (alias Pauper Heinricus, alias Heinricus peccator) eng zusammen, teils sogar im Spaltenwechsel, wie z. B. in Cod. 3889 aus dem Jahr 1440. Heinricus ist in mindestens sieben Handschriften bzw. Handschriftenteilen aus dem untersuchten Zeitraum nachweisbar, so in Cod. 4778, Cod. 3889, Cod. 3772 (alle drei aus dem Jahr 1440), des Weiteren in Cod. 3712 (1444), Cod. 3888 (1452), Cod. 3785 (1453) und Cod. 3825 (1469). [Ergänzung Katharina Hranitzky, 2022: Vermutlich war er auch der Schreiber des zweiten Teils von Cod. 2842, in dem er einem als Zeichner von Lombarden und Zeigehänden begegnet.] (Eine Identifizierung dieses Schreibers mit dem in der Mantissa Chronici Lunaelacensis und bei Staufer 1864/1865, Teil 1, 12 f. genannten Heinrich de Amberga alias Immertheuer, Profess 1436, dem auch Cod. 2248 zugeordnet wird, ist fraglich. Zwar lassen sich einige der von Heinricus peccator unterschriebenen Codices mit Handschriften identifizieren, die dort Immertheuer zugeschrieben werden, doch spricht das Sterbedatum des letzteren, 1443, dagegen.) [Ergänzung Katharina Hranitzky, 2022: Heinricus ist tatsächlich weitaus länger, als Rubrikator von Inkunabeln sogar bis ca. 1485 nachzuweisen. In einigen Bänden schrieb er nur Rubriken, führte Lombarden aus und/oder brachte auf den Seitenrändern charakteristische Zeigehände (mit Ärmeln, deren Manschetten und Schulteransätze jeweils doppelt bogenförmig konturiert sind) sowie Randvermerke (Nota / Nota bene) an. Siehe zu Heinricus Katharina Hranitzky, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 131-134. Bemerkenswerterweise wurde ein z. T. in Melk entstandener Codex – Melk, Benediktinerstift, Cod. 1869 (398, H 9) – mit einem Rubrikatorvermerk desselben Fraters Heinricus versehen. Ein Konnex zu Mondsee ist bei dieser Handschrift tatsächlich auch durch den darin enthaltenen Text der Leichenpredigt für den Mondseer Abt Simon Reuchlin und eine Abschrift von dessen Epitaph gegeben (freundlicher Hinweis Christine Glaßner).]
Als schreibender Mondseer Konventuale ist des Weiteren Johannes Hachelstadter aus Regensburg bekannt (siehe auch Staufer 1864/1865, 12), der sich in zwei Handschriften nennt, u. a. in dem 1446 datierten Cod. 3813, einem Codex, der trotz eindeutigen Kolophons in der Mantissa Chronici Lunaelacensis und bei Staufer 1864/1865, Teil 1, 13 dem oben genannten Heinrich Immertheuer zugeschrieben wurde.
Weitere namentlich bekannte Schreiber sind bei Holter 1981, 202 (802) angeführt, während im "Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften" von Hermann Menhardt auf anonym gebliebene Kopisten hingewiesen wird, die in mehreren Mondseer Codices auftreten.
Dabei sind es vielleicht gar nicht so sehr diese professionellen "Vielschreiber", die das Besondere der Umsetzung der Melker Reform in Mondsee darstellen. Vielmehr ist es die beachtliche Fülle an zumeist kleinformatigen Codices, die von den Konventualen "privat" angefertigt wurden. Während die erste Welle dieser Produktion (siehe z. B. Cod. 4071, Cod. 2248, Cod. 2247) durchaus sorgfältig in Schrift und Ausstattung ist, sind ab den 1440er Jahren bis an den Beginn des 16. Jahrhunderts zahllose Produkte von bescheidenerer Schreib- und Ausstattungsqualität überliefert.
Der Buchschmuck
Illuminierte Handschriften aus Mondsee sind schon aus karolingischer Zeit überliefert (siehe Bischoff 1980, 9-26; Holter 1981, 186-195 [786-795]). Über das hochmittelalterliche Skriptorium informiert Pfaff 1967 (siehe auch Holter 1981, 195-201 [795-801]). Im Übergang von der Spätromanik zur Gotik belegen zwei Codices das letzte Aufflackern dieser Tradition (Cod. 1827, Cod. Ser. n. 4235). Im 14. Jahrhundert schließlich scheint die Buchproduktion in Mondsee beinahe zum Erliegen gekommen zu sein.
Die Wiederbelegung des Interesses an ausgeschmückten Büchern im frühen 15. Jahrhundert hängt vermutlich eng mit Johannes Trenbeck (siehe oben) zusammen. Zwei Fleuronnéegruppen bilden sich um 1410 heraus (siehe MeSch II 2002, Kat. 115-116 bzw. Kat. 115, 118 f.; zu den liturgischen Fragmenten aus dieser Zeit siehe Klugseder 2012, 209-213.) Die erhaltenen Beispiele aus dem 2. und 3. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts (Cod. 3763, Cod. 3762, Cod. 3675, Cod. 3615) zeigen ein uneinheitliches und qualitativ weiterhin eher bescheidenes Bild. Für bedeutendere Auftrage beschäftigte man damals Experten von außerhalb, so etwa für die Ausstattung des 1416 datierten Urbars (Mondsee, Museum Mondseeland, Ohne Signatur [Leihgabe Graf Peter von Almeida]), dessen – auch figürlicher – Deckfarbendekor stilistisch eng mit Salzburg zusammenhängt. Die einzige Chorhandschrift aus Mondsee, die 1901 aus St. Wolfgang in die Bestände der heutigen Diözesan- und Universitätsbibliothek der Katholischen Privatuniversität (DUBL) in Linz gelangte (A I/68 [Hs. 13]), konnte bisher stilistisch (und liturgisch) nicht genauer bestimmt werden (vorläufige Ergebnisse bei Klugseder 2012, 220-230, in Zusammenarbeit mit Martin Roland).
Ab den mittleren 1430er Jahren lassen sich wieder Fleuronnéegruppen zusammenstellen. Zu erwähnen ist hier u. a. der vermutlich unmittelbar nach seiner Entstehung nach Mondsee gelangte Cod. 3800. Sein Fleuronnée ist zwar der Lambacher Produktion zuzuordnen, dürfte aber einen gewissen Einfluss auf die Mondseer Floratoren ausgeübt haben. Mit der Deckfarbentechnik scheint man sich in Mondsee hingegen erst nach der Jahrhundertmitte vertraut gemacht zu haben, sieht man von den drei bereits in den 1430er Jahren entstandenen, unvollendet gebliebenen Handschriften Cod. 3641, Cod. 5373 und Cod. 1913 ab. [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Eine eigene Mondseer Formensprache entwickelte sich tatsächlich erst ab ca. 1450. Davon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen Inkunabeln, die in Mondsee illuminiert wurden, siehe Katharina Hranitzky, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, Kat. 32-46.]
Figürlicher Dekor findet sich in Mondseer Bänden des 15. Jahrhunderts vorerst kaum. Ausnahmen sind das Graduale A I/68 (Hs. 13) der DUBL in Linz (siehe oben), Cod. 3615, 1r und die von wenig routinierter Hand ausgeführten lavierten Tintenzeichnungen zum Buch der Könige im Nicolaus-de-Lyra-Kommentar aus dem Jahre 1448 (Cod. 1462, 85r, 89r), die jedoch vom Mangel ausgebildeter Buchmaler in Mondsee zeugen. In dem 1449 geschriebenen, inhaltlich zur vorgenannten Handschrift gehörigen Ezechiel-Kommentar Cod. 1386 sind die vorgesehenen Textillustrationen denn auch nicht ausgeführt worden. [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Auch mit der Ausführung des figürlichen Schmucks in den Inkunabeln betraute man zum Teil professionelle Buchmaler, allen voran den namhaften Salzburger Buchkünstler Ulrich Schreier, der eine Reihe von Prachtbänden mit historisierten Initialen und Miniaturen ausstattete (und meistens auch einband), siehe Michaela Schuller-Juckes, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, Kat. 10-24. Stiftsfremd war vermutlich auch der Schöpfer der kolorierten Federzeichnungen in Linz, OÖLB, Ink. 638, 644 und 645, siehe Susanne Rischpler, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, Kat. 42-44. In diesen und anderen Bänden finden sich jedoch auch figürliche Darstellungen, die von Mondseer Kräften ausgeführt wurden (Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, z. B. 130.]
Zusammenfassung
Die hier vorgestellten Bände sind eng miteinander verbunden, sei es durch ihre Schreiber oder ihren Fleuronnéeschmuck, des Weiteren durch die in die Bücher eingebundenen und teilweise zusammengehörigen Fragmente aus älteren Mondseer Codices oder auch durch identisches Papier (vgl. die frühen Handschriften des Wilhelm Kogler). All dies weist auf eine Entstehung der betreffenden Handschriften in einer gemeinsamen Mondseer Schreibstube hin. Die Bedeutung des Mondseer Bestandes aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts liegt somit vor allem in seiner Aussagekraft über die Entwicklung eines im Zuge der Melker Reform wieder eingerichteten, ambitionierten Skriptoriums.
II. Die Mondseer Floratoren des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts
Fleuronnéegruppe "FL 1"
Der Stil der Fleuronnée-Gruppe "FL1" erscheint voll ausgebildet erstmals in zwei 1446 datierten Codices (Cod. 3666 und Cod. 3813). Vorläufer der fraglichen Formensprache finden sich in Handschriften, die zwischen 1435 und 1440 entstanden (Cod. 1823, Cod. 2247, Cod. 2248, Cod. 3607, Cod. 4071 und wohl auch Cod. 4093; Cod. 2247 dürfte die jüngste Handschrift dieser Gruppe sein). Der Initialtyp "FL 1" dominiert das Mondseer Fleuronnée ab den 1440er Jahren. Hauptvertreter sind Cod. 928, Cod. 1394, Cod. 1477 und Cod. 2015; in Cod. 3771, 63v wurde das Binnenfleuronnée sichtich von "FL 1" nachgetragen. Als die von diesem am reichsten ausgestattete Handschrift ist der im Jahre 1447 entstandene erste Teil der vom Mondseer Konventualen Frater Wilhelm Kogler geschriebenen siebenbändigen Bibel-Postille des Nicolaus de Lyra zu bezeichnen (Cod. 1394, 3v, 16v, 107r).
Die Leitmotive der Mondseer Fleuronnée-Gruppe "FL1" fanden, mit geringen Modifikationen, noch bis weit in die 1450er Jahre Verwendung. [Ergänzung Katharina Hranitzky 2022: Tatsächlich lebt dieser Stil sogar noch in der "Gruppe 1" der Mondseer Handschriften aus den 1470er/1480er Jahren weiter – siehe hierzu Katharina Hranitzky, in: Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 125-127.] In den späteren Handschriften wird das Fleuronnée lediglich etwas steifer, formenärmer und zugleich großformiger. Beispiele hierfür finden sich in Cod. 1457 von 1451, in Cod. 1393 von 1454/1455 und vor allem in dem 1451/1453 datierten Cod. 665 (z. B. 16r).
Das Fleuronnée von "FL 1" ist vorwiegend in verschiedenen Rosa-, Lila-, und Rottönen, z. T. auch in sehr hellem Gelb oder Schwarz gehalten. Die Knospen sind rund bis spitzoval, meistens punktförmig, aber nicht selten auch mit kreisförmig umrandeten Punkten gekernt. Ab den größeren Initialen des herausragenden Cod. 1394 (3v und 171v) erfasst das Fleuronnée auch die seitlichen Ausläufer. Nur hier erstecken sich diese außerdem z. T. über die gesamte Seitenhöhe und enden in großen, z. T. gelb hinterlegten Medaillons, in stilisierten Blattformen, in Vogel- und anderen Tierdarstellungen oder in Ranken bzw. Fibrillen.
Das Binnenfeld ist häufig in mehrere, übereinander gelagerte und sich stark überschneidende Segmente und Ovale geteilt, in denen die Knospen verschiedentlich angeordnet sind (Cod. 3666, 1r, 296r; Cod. 3813, 175v; Cod. 1394, 16v; Cod. 1477, 121v; Cod. 2015, 60r; Cod. 928, 1v, 97r). Teilweise sind die Binnenfelder auch in Dreiecksfelder zerlegt (Cod. 1394, 171v). Zuweilen werden zwei Medaillons die Mitte durch eine bügelartige Scheide getrennt (Cod. 3813, 288v; Cod. 2015, 79r). Nur selten, vor allem in Cod. 3813 (18v) und Cod. 2015, ist das Binnenfeld mit Federranken ausgefüllt. In Gebrauch stehen schließlich auch Knospenräder, die häufig vor einem farbigem oder schraffiertem Hintergrund stehen, zudem in der Mitte stilisierte Blumen aufweisen können (Cod. 3666, 296r; Cod. 1394, 3v 171v; Cod. 2015, 71v), dazu gerade oder gegenständige Knospengarben (Cod. 3666, 1r; Cod. 2015, 60r) und weitere stilisierte Blüten (Cod. 1394, 3v).
Die Initialfelder werden an den Ecken nicht selten zipfelig nach außen gezogen und mit gegenständigen Knospenpaaren oder -ähren gefüllt (Cod. 3666, 296r; Cod. 3813, 288v; Cod. 2015, 60r, Cod. 1394, 171v); mitunter stattdessen Besatzmedaillons (Cod. 1394, 16v; Cod. 928, 1v). Typisch sind des Weiteren gerade von der Initiale abstehenden Parallelfäden, die an ihrem Ansatz von Perlenketten mit vergrößerter Anfangsperle flankiert werden und deren äußerste am Ende der Bündel auseinanderschwingen und z. T. in Fibrillen enden (Cod. 3666, 296r; Cod. 3813, 18v, 175v, 288v; Cod. 2015, 60r, 71v; Cod. 1394, 171v; Cod. 928, 1r, 97r). In Cod. 3813 (175v) und Cod. 1394 (16v) werden zudem Abläufe der Initialen beidseitig von Fadenausläufern begleitet, die mit unterbrochenen Perlenreihen besetzt sind und z. T. in flechtwerkgefüllten Schlaufen enden. Die Initiale 95v in Cod. 3889 (1440) kann aufgrund dieses charakteristischen Motivs als Nachtrag von "FL 1" bestimmt werden.
Florator "FL 2"
Mehrere Handschriften und Textteile aus den späten 1430er und frühen 1440er Jahren, die mit dem Schreiber Frater Wilhelm Kogler in Verbindung zu bringen sind, enthalten Fleuronnéelombarden, die einem Florator 2 ("FL 2") zugeschrieben werden können. Dieser dürfte mit Kogler identisch sein (vgl. z. B. Cod. 3815, 159r; Cod. 3668, 4v, 112v, 117r; Cod. 3889, 107v; Cod. 3911, 96r). Sowohl die für diesen Schreiber typischen Cadellen (z. B. in Cod. 3889, 73r) als auch manche der von Profilköpfen getragenen Kronen sind mit Fleuronnée versehen, das demjenigen der Initialen entspricht (z. B. Cod. 3772, 81r). In Cod. 3668 fällt die enge Verbindung von Schriftdekor und Fleuronnée auf (117r). Zudem sind die typischen Formen ausschließlich in Texten und Textteilen dieses Schreibers auf, in den Werken von dessen Kollegen fehlen sie.
Am reichsten ausgestattet ist der 1439 datierte Cod. 3668 (4v, 112v, 115r, 117r), des Weiteren gehören zu dem in Rede stehenden Konvolut ein Fragment in Cod. 4069 sowie die Handschriften Cod. 3892 (1r), Cod. 3771 (119r), Cod. 3911 (96r) und Teile von Cod. 3889 (107v). Analogien zu dieser Gruppe weist schließlich auch eine Initiale in dem 1436 entstandenen Cod. 3903 (69v) auf.
Bereits die Anlage der Buchstabenkörper lässt individuelle Eigenheiten erkennen (Cod. 3815, 159r; Cod. 3668, 115r; Cod. 3892, 1r; Cod. 3771, 119r; Cod. 3911, 96r; Cod. 3889, 107v). Hierzu gehören die kräftig nach außen gezogenen Bäuche der Initialkörper, die sehr langen Abstriche, die an den Enden häufig mit Schmuckformen wie Perlen, Dreiblattanordnungen etc. verziert werden, sowie das vereinfachte Blattwerk im Initialkörper. Als Farben herrschen Orange, Rot, Grün und Schwarz vor.
Das Fleuronnée im Binnenfeld der Initialen beschränkt sich meistens auf in brauner oder roter Tinte gezeichnete, ovale, z. T. blattförmige, in der jeweiligen Gegenfarbe gepunktete Knospenpaare, die (vor allem in den älteren Codices der Gruppe) in dreieckige Kompartimente eingepasst sein können. In den jüngeren Handschriften finden sich auch Knospengarben. Nur Cod. 3668 als Haupthandschrift des Konvoluts zeigt z. B. in der Mitte der Binnenfelder Kreismotive mit stilisierten Blumen (117r), die von den typischen Knospen umgeben sind. Als Besatz von Initialen und Fadenfortsätzen finden neben einfachen Perlenreihen auch rot-grüne, dreiecksförmige, kammartige Fadenfortsätze Verwendung (Cod. 3668, 112v und Cod. 3815, 159r). Die zumeist mit Perlenreihen besetzten Serifen und Fadenfortsätze enden häufig in drei vergrößerten, z. T. mit roten Stacheln besetzten Perlen und – in Cod. 3668 – häufig in Medaillons mit geometrischen Mustern, stilisierten Blumen oder in kaum mehr erkennbaren figürlichen Formen (Cod. 3668, 115r). In Cod. 3668 sind die Außengrundecken der Initialen zudem z. T. zipfelartig ausgezogen (z. B. 114r, vgl. auch Cod. 3892,1r), ein Motiv, das an sich für "FL 1" charakteristisch ist (vgl. Cod. 3666, 296r oder Cod. 4965, 1r sowie bereits Cod. 1823, 1r, Cod. 4071, 14r, Cod. 2247, 8r). Obwohl vor allem in Cod. 3892 und Cod. 3771 neben der kleinteiligen Gliederung des Binnenfeldes auch großformatige Knospengarben als Fleuronnéefüllung vorkommen, scheinen alle aufgezählten Handschriften von einem einzigen Florator, "FL 2", ausgestattet worden zu sein.
Vorbildhaft für das Fleuronnée von "FL 2" wirkten – bei allen Qualitätsunterschieden – anscheinend Initialen in Handschriften aus Lambach und Melk, die im Zuge der Melker Reform dem Mondseer Florator zugänglich gewesen sein dürften; man vergleiche insbesondere die Aufteilung des Binnenfeldes in Dreieckskompartimente und die Paare gegenständig angeordneter, kräftig gepunkteter Knospen – vgl. z. B. die 1437 datierte und wohl bereits kurz darauf nach Mondsee gelangte Lambacher Handschrift Wien, ÖNB, Cod. 3800 (117r). Andere Formen, wie die in Medaillons und Dreiblattmotiven endenden Fadenfortsätze haben Vorbilder in Melker Handschriften des endenden 14. Jahrhunderts, so z. B. in Melk, Benediktinerstift, Cod. 336 (259, E 50).
Florator "FL 3"
Während viele Nachahmer der Mondseer Fleuronnéegruppe "FL 1" jeweils nur in einer oder zwei Handschriften tätig sind (dabei handelt es sich wohl überhaupt jeweils um den Schreiber), lässt sich unter ihnen zumindest eine Hand erkennen, die wiederum in einer ganzen Gruppe von Bänden greifbar wird und hier als "FL 3" bezeichnet wird. Es handelt sich bei diesem Florator um einen dilettierenden Nachahmer von "FL 1", der sich auf die flotte Wiedergabe der Grundformen seines Vorbildes verlegte und in den folgenden Codices der ÖNB in Wien eindeutig nachweisbar ist: Cod. 1477, Cod. 3601, Cod. 3613, Cod. 3657, Cod. 3672 und Cod. 3775. Des Weiteren ist nachgetragenes Ornament seiner Hand in drei bereits in den 1430er Jahren entstandenen Handschriften, Cod. 3733, Cod. 3746 (1434) und Cod. 3786 (1436) – die beiden letztgenannten Codices enthalten außerdem Fleuronnée vom Florator des zum Teil 1438 entstandenen Cod. 2842 –, sowie auch in Cod. 3788 (1406 datiert, siehe MeSch II 2002, Kat. 162, Abb. 457) zu finden, ebenso in Cod. 5115 und Cod. 5428 (zu diesen beiden Handschriften siehe MeSch V, S. 400 f.: Liste der nicht beschriebenen Handschriften). Schließlich begegnet man ihm in den drei nach 1450 entstandenen Cod. 1899, Cod. 3741 und Cod. 3825.
"FL 3" tritt erstmals in dem 1442 datierten Cod. 3775 (99r) und in Cod. 3613 (169r) von 1444 auf und lässt sich u. a. in Cod. 1477 (171v) – jener 1447 datierten Handschrift aus der von Frater Wilhelm Kogler geschriebenen, siebenbändigen Nicolaus-de-Lyra-Ausgabe, nachweisen, in welcher "FL 1" nur in einer einzigen Initiale erscheint. Sein Wirken erstreckt sich über die Jahrhundertmitte hinweg bis gegen Ende der 1450er Jahre (z. B. Cod. 3669, Cod. 3669*; bemerkenswert ist seine Präsenz in dem mit einer Titelminiatur und Deckfarbeninitialen aufwändig geschmückten Missale der Ulrichskapelle (Cod. 1899).
Charakteristisch für das Fleuronnée von "FL 3" sind mit brauner bzw. schwarzer Tinte in flottem Strich in die roten Lombarden eingetragenen Knospen bzw. Knospenräder (Cod. 1477, 171v; Cod. 3601, 78v; Cod. 3657, 1r; Cod. 3672, 30v). Häufig finden sich auch an S-förmige Teilungslinien angelehnte, einseitwendige Knospengarben (Cod. 3613, 142v, 169r). In Cod. 3657 begegnet auf 168v auch das aus der Fleuronnéegruppe "FL 1" bekannte (z. B. Cod. 3813, 175v) Motiv der gebündelten Parallelfäden auf, die an ihrem Ansatz von Perlenketten mit vergrößerter Anfangsperle gerahmt werden. Fast alle Knospen dieses Florators haben anstelle von Punktungen zwei Parallelstriche, z. T. in der Gegenfarbe. Die Zwischenräume sind meist schraffiert. Konturbegleitend erscheinen durch Leerräume voneinander abgesetzte, oft sehr stark vereinfachte Perlengruppen mit Fadenausläufern, von denen jeweils einer besondere Betonung erfährt (z. B. Cod. 3601, 78v; Cod. 3657, 1r). Nicht selten werden größere Partien, auch am äußeren Rand einer Initiale, einfach schwarz schraffiert; teilweise treten an Fadenausläufern schwarz-rote, dreieckige, kammartige Fadenfortsätze auf (Cod. 3613, 169r).
"FL 3" arbeitet häufig mit anderen Kräften zusammen, so in dem 1447 datierten Cod. 1477 mit "FL 1" und einem Nachahmer von "FL 1", ebenso in Cod. 3601 mit einem weiteren Nachahmer von "FL 1", schließlich in den beiden in die zweite Hälfte der 1440er Jahre datierbaren Handschriften Cod. 3657 (4r) und Cod. 3672 mit dem Mondseer Florator "FL 4".
Florator "FL 4"
Verhältnismäßig sorgfältig ausgeführt ist der Schmuck des Florators 4 ("FL 4"). In dem vermutlich um 1446 entstandenen Cod. 3672 hat "FL 4" eine größere Anzahl von Binnenfeldern mit Fleuronnée gefüllt. Ergänzungen sind vermutlich die Binnenfeldfüllungen in Cod. 3757 (192rb) und in Cod. 3657 (4r) sowie in Cod. 3337 und Cod. 3904 (114v und 115r). "FL 4" verwendet Schwarz und Rot. Sein Fleuronnée zeichnet sich durch in der jeweiligen Gegenfarbe gepunktete Knospen an langen Stielen aus. Meistens finden sich diese als Knospengarben (in Cod. 3657, z. B. 13r, auch als Knospenähre). Diese sind in relativ kleine drei- bzw. viereckeckige Kompartimente eingefügt. Die Zwischenräume zwischen den Motiven sind schraffiert oder farbig gefüllt. Besatzfleuronnée verwendet dieser Florator kaum. (In Cod. 3672 und Cod. 3657 wurde der Dekor durch Florator "FL 3" ergänzt.)
Bearbeiter: Karl-Georg Pfändtner / Martin Roland, Forschungsstand 2015 (MeSch VI), Redaktion Katharina Hranitzky 2022, mit Ergänzungen (in eckigen Klammern).