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Wien, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Cod. 1841
GEBETBUCH (LAT.)
Olim: Theol. 411    Pergament   II, 50 Bl.   240/245×165/170   Steiermark (?), um 1435/1437 (?)
Provenienz/Letztbesitzer: Schloss Ambras
Literatur zur Handschrift (Anzahl: 5)

Lagen: III + 5.V50. Reklamanten.
Schrift:
Schriftraum: 155 × 105    Spaltenzahl: 1    Zeilenzahl: 17   
Schriftart: Textualis
Schriftspiegel für 14r-40v.
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Fleuronnéeinitiale(n)   
Rote Überschriften, rote Strichelung der Majuskeln bestimmter Wörter. Rote und blaue, einzeilige Lombarden, teilweise mit minimalem Dekor. Ca. 30 mm hohe, rote bzw. blaue Kalenderligaturen mit rotviolettem bzw. blaugrünem Fleuronnée. Ebenso gestaltete zweizeilige Lombarden vor allem zu Beginn von Psalmen und Orationen. – (14r, 14v, 32r) 3 Fleuronnéeinitialen zu Beginn des Hymnus auf 14r, des ersten Bußpsalms und zu Beginn des ersten Psalms der Totenvesper. Die Buchstabenkörper der fünf- bis siebenzeiligen Initialen kopfstempelförmig rot-blau gespalten. In den Binnenfeldern und Außengründen in Streifen angeordnete Knospenmedaillons, Knospengarben und Knospenreihen; die orthogonalen Streifen z. T. durch wellenförmige Doppellinien unterteilt. Binnenfelder und Außengründe bilden zusammen "teppichartig" homogene Initialfelder aus gleichmäßig dichtem Ornament. Auffälliges Besatzmotiv sind blasen- oder tropfenförmige Ausbuchtungen der Fadenfortsätze, darin "Kerne" in Form von Punkten oder kleiner Kreise. Bei den kleineren Initialen zuweilen große Spiralen als Füll- oder Besatzelemente (z. B. 19v, 22r, 35v, 38v), bei den einzeiligen Lombarden (Litanei) zuweilen je zwei senkrechte Parallelstriche mit Begleitperlen (24r-25v, 26v). Auf 14r und 32r als markantes Besatzelement außerdem jeweils ein dreieckiger Fadenkamm. Fadenfortsätze, am Ansatz mit Perlen besetzt. Das Fleuronnée in Rotviolett bzw. Grünbraun gezeichnet.


Einband: Wien (Hofbibliothek)     1752     Golddruck   Supralibros        
Van-Swieten-Einband


Vermutlich für den späteren Kaiser Friedrich III. angefertigt.
(30v/31r) Formulierung Queso omnipotens Deus ut ego famulus tuus, qui de tua miseratione suscepi principatus gubernacula ... Sie deutet auf einen Fürsten als Erstbesitzer hin (siehe schon Denis I,3). Die Erwähnung des Namens Fridericus im Kalender (statt Fridolin) verweist am ehesten auf den 1415 geborenen Sohn von Herzog Ernst von Innerösterreich (vgl. Wien, ÖNB, Cod. 1767). Nach dem Tod seines Vaters 1424 lebte der spätere Kaiser Friedrich III. am Hofe seines Vormundes, Herzog Friedrich IV., in Innsbruck, bis er sich 1434/1435 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Albrecht aus dessen Vormundschaft löste und seine Herrschaft in Innerösterreich antrat. Herrschaftsmittelpunkte und somit mögliche Entstehungsorte für Cod. 1841 waren Graz und Wiener Neustadt. Zu diesen Lokalisierungsvorschlägen passt auch die Betonung der Salzburger Heiligen im Kalender, da sowohl die Salzburger Eigendiözese Seckau als auch der direkt zur Erzdiözese gehörende Großteil des Landes Steiermark (zu dem damals auch Wiener Neustadt gehörte) den Salzburger Eigenkalender verwenden. (Weniger wahrscheinlich, wenn auch nicht ganz auszuschließen ist, dass der Codex für Herzog Friedrich IV., † 1439, angefertigt wurde; immerhin gehörten einige Teile Tirols ebenfalls zur Salzburger Erzdiözese.)
Nimmt man an, Herzog Friedrich V., der spätere Kaiser Friedrich III., sei der designierte Empfänger der Handschrift gewesen, so ist deren Entstehung am ehesten zwischen Friedrichs Herrschaftsantritt als Herzog 1434/1435 und seiner Wahl zum deutschen König 1440 anzusetzen. Dafür spricht, dass der Codex nicht die für den Besitz Friedrichs charakteristische Fünf-Vokale-Devise AEIOU aufweist, die erstmals 1437 nachweisbar ist (Lhotsky 1952, 164-222, hier 179 f.); während sie auf Friedrichs Siegel von 1436 fehlt, tritt sie ab jenem von 1440 konsequent auf (Lhotsky 1952, 169).
Nur bedingt Relevanz für die Datierung bzw. Lokalisierung haben die Angaben zum Sonnenauf- bzw. Untergang, da diese seit dem Kalender des Johannes von Gmunden (ab 1421) schrittweise zum Allgemeingut wurden. Die Angaben stimmen – im konkreten Fall mit sinnstörenden Fehlern – mit der ersten Version (Kalender von 1421-1439: Zinner, Nr. 3503-3511) überein und nicht mit der weitverbreiteten Version von 1439 (Zinner, Nr. 3606-3687).
Vorbesitzer 1: Schloss Ambras
Vorbesitzer 2: Wien, Hofbibliothek, 1665, Ms. Ambras 74
Martin Roland (Forschungsstand 2015, MeSch VI; Redaktion Katharina Hranitzky 2022)
"MeSch II 2002", "Denis I,3", "Lhotsky 1952", "Zinner", "MeSch VI"
alle Initien
(Ir-1r) Leer.
(1v-13r) Kalender. Mit Angabe des Sonnenauf- und -untergangs; Rupert (24.9.) und Virgil (26.9.) weisen Festrang auf; statt Fridolin (6.3.) Friderici confessoris.
(13v) Aderlasstafel.
   1
13v Tit.: Tabula signorum lune et valet pro fleubothomia
(14r-23v) Hymnus Veni creator spiritus, Sieben Bußpsalmen.
(23v-29r) Litanei. Die Salzburger Heiligen Rupert und Virgil genannt.
(29r-31v) Pater noster, Ave Maria, Orationes.
(31v-39r) Totenvesper.
(39v-50v) Leer (ab Bl. 41 auch ohne Linierung).