Ir und Iv vertauscht (vgl. auf Ir den Abdruck der Initiale von 1r). Lagen: 1I + 18. V180 + 4184. Reklamanten teilweise erhalten. – Wasserzeichen: Dreiberge, zwei Varianten, identisch mit Piccard, Dreiberg, Abt. I, Nr. 88 (1443); weiterer, nicht identifizierter Dreiberg; Dreiberg im Kreis, zwei Varianten sehr ähnlich Piccard, Dreiberg, Abt. IV, Nr. 1188 (1434) bzw. ähnlich Abt. IV, Nr. 1187 (1433) und Nr. 1195 (1439).
Schrift:
Schriftraum: 190/195 × 100/110 Zeilenzahl: 30-37
Schriftart: Bastarda – Glossen Blindlinierung. Abgesetzte Verse. Von 72r zu 72v Tinten- (und Hand-?)Wechsel, danach die Schrift zunehmend kursiver. Glossenschriften.
Rote Überschriften und Seitentitel (Buchzählung), selten rote Strichelung von Majuskeln; rote Paragraphzeichen. – (2r-7v) einzeilige rote bzw. blaue Lombarden mit Vertikallinien im Binnenfeld und Haarnadelfortsätzen (ab 9r durch Paragraphzeichen ersetzt). – (179r-184v) zwei- bis vierzeilige blaue Lombarden mit rotem Fleuronnée (bei den roten Lombarden das Fleuronnée nicht ausgeführt). – (12v, 24v, 35r, 46r, 55v, 66r, 78v, 92r, 104v, 127v, 137r, 152r, 165r) zu Buch 2-10 und 12-15 vier- bis siebenzeilige rote, rot-blaue (127v, 152r), grüne bzw. blaue Lombarden mit (hell-)blauem, altrosa bzw. rotem (so durchgehend ab 92r) Fleuronnée. – (115v) zu Buch 11 unfigürliche Deckfarbeninitiale mit Fleuronnéebesatz: dunkelblauer Buchstabenkörper mit blauschwarzen Einschnitten und Deckweißpunktierung; Binnenfeld in etwas hellerem Blau, mit Deckweißfiligran überzogen. – (131r, 139r, 147r, 169r, 170r) Rubra in braun gezeichneten Schriftbändern mit gefältelten, modellierten Zipfeln (139r für Glosse, 170r zusätzlich mit Weinblättern und Traube, bezugnehmend auf den Wortlaut des Rubrums: merum vinum titumbare facit). – (177r) statt eines Schriftbandes ein Vogel als Umrahmung des Rubrums (hier kein erkennbarer Textbezug zu XV, 778 ff.). – (169r) braune Zeigehand mit Ärmelansatz. – (30v) auf dem seitlichen Randstreifen szenische Darstellung: Narziss (Textbezug zu III, 402 ff.; vgl. Allen 1982, 202). – (1r) historisierte Deckfarbeninitiale (55×50) mit Dedikationsszene: Zu sehen sind zwei einander zugewendete Männer, von denen der rechts stehende, jüngere, dem älteren, einem Gelehrten, ein Buch und ein Schriftstück überreicht. (Weitere Beschreibung siehe Kunsthistorischer Kommentar). Zur möglichen Deutung der Szene siehe Roland 2010, 94, Anm. 37 (mit Angabe von Bildvergleichen zur Gelehrtenkleidung des älteren Mannes): "Ob es sich um eine Dedikationsszene handelt, um Lehrer und Schüler oder um Autor und Schreiber, ist nicht zweifelsfrei zu beantworten." In REALonline (Bild.-Nr. 006888) werden die beiden Personen als Gelehrter und Diener, die ganze Darstellung als "Autorenbild" bezeichnet.
Die historisierte Deckfarbeninitiale samt Rankenwerk kann in die Konzilstadt Basel lokalisiert werden, in deren Buchmalerei im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts nordniederländische Einflüsse verarbeitet wurden – vgl. die pfanzlichen Motive der Ornamentik und gewisse naturalistische Züge, die sich in den Physiognomien der Figuren, in der unterschiedlichen Behandlung der Gewandstoffe bei den beiden Männern oder dem erzählerischen Detail des zwischen die Buchseiten gelegten Daumens (siehe Kunsthistorischer Kommentar) manifestieren. – Zum Stil siehe ausführlich Roland 2010 und bei Wien, ÖNB, Cod. 2329.
Kunsthistorischer Kommentar: Beschreibung des Buchschmucks
Fleuronnée
Die Buchstabenkörper z. T. durch einfache oder treppenförmige Linien gespalten. In Binnenfeld und Außengrund meistens stilisierte Halbpalmetten, in der Regel paarweise voneinander abgekehrt; daneben Blätter mit gebogtem Rand und zweikonturiger Mittelrippe (35r) sowie Blüten (92r, 137r). Die Motive meistens in dreieckige Kompartimente eingepasst (78v, 92r, 104v, 137r, 152r). Seltener Filigranranken (179r[1], siehe auch die Deckfarbeninitiale 115v). Als Besatz von Buchstabenkörper und Initialfeld vereinfachte Perlenreihen und schwungvoll gezeichnetes Fadenwerk: große, tropfenförmige Schlingen, häufig mit Mittellinie, der kleine Kreise folgen; enge, gebogene Haarnadelschleifen; dazu s-förmige Häkchen, dreiecksförmige Fibrillen, kleine Kreise usw. Die punktförmig verdickten Serifen mit dreicksförmigem Besatz, der durch "tangential" zu ihnen verlaufende, konvergierende und an der Basis perlenbesetzte Fadenschleifen gebildet wird (z. B. 104v, 152r, 179r).
Federzeichnung 30v
Die von dilettantischer Hand ausgeführte, unkolorierte braune Randzeichnung zeigt einen ansteigenden, mit Gras- und Blattbüscheln bewachsenen Garten, der unten von einem Weidenzaun mit Tor, oben von drei Bäumen begrenzt wird. In seinem oberen Teil ist eine quadratisch gefasste, spiegelartig umrahmte Quelle zu sehen. Ein Hase läuft zu dem den Hang herabfließenden Wasser hin. Oben rechts schiebt sich eine modisch gekleidete Dreiviertelfigur waagrecht ins Bild hinein: Sie stellt zweifellos den jungen Narziss dar, der liegend auf den Wasserspiegel der Quelle blickt.
Historisierte Deckfarbeninitiale: Dedikationsszene
Der Schaft des I besteht aus einer Akanthusranke mit blauer Vorder- und gelber Rückseite, die sich um einen Stab windet; dieser ist auf der ganzen Länge durch eine umlaufende blaue Linie verziert und endet in je einem blauen Knauf. Die Querbalken des Buchstabens werden durch die beiderseits des Stabs auslaufenden Rankenenden gebildet. – Hinter dem unteren Balken ragen die Halbfiguren zweier im Halbprofil wiedergegebener, einander zugewendeter Männer auf. Der linke, ältere, trägt einen mit weißem Pelz gefütterten, hellrosa Mantel mit ebensolchem Schulterkragen, der am Hals einen breiten Wulst bildet – offenbar durch das Zurückschlagen einer nicht sichtbaren Kapuze –, sowie einen ebenfalls rosafarbenen "Gelehrtenhut"; an den Armen wird sein blaues Untergewand sichtbar. Zusammen mit der Kopfbedeckung weist der in einem Rotton gehaltene Mantel mit weißer Pelzverbrämung die Figur als wohlhabenden Universitätsangehörigen und Kleriker aus. Der rechts stehende, jüngere der beiden Männer, der ohne Kopfbedeckung dargestellt ist, trägt ein eng gefälteltes schwarzes Gewand mit rosa Stehkragen. Er überreicht dem Gelehrten, der mit beiden Händen einen erläuternden Redegestus vollführt, ein Buch, zwischen dessen Seiten, zur Kennzeichnung einer bestimmten Stelle im Werk, den Daumen seiner linken Hand gelegt hat; möglicherweise ist auch ein Lesezechen in das Buch eingelegt. Über diesem hält der junge Mann, mit der Rechten, ein Schriftstück – vielleicht einen Dedikationsbrief. – Die Szene ist vor einen hellroten, orthogonalen Spalier gesetzt, um das sich grüne Ranken schlingen. Das mit Blattgold belegte Initialfeld wird von einem schmalen Rahmen umgeben, der sich aus zwei altrosa und zwei blauen Winkelelementen zusammensetzt und mit einem einfachen, rektilinearen Mäandermuster in Weiß verziert ist. Von drei Ecken des Initialrahmens gehen Akanthusranken aus, von denen die zwei oberen, die die das Spalier hochkletternden Ranken fortsetzen, den Rahmen zu durchstoßen scheinen. Die in Dunkelblau und Grün gehaltenen Blätter des gewendelten Akanthus setzen sich aus unterschiedlich langen, gewellten, dicht aufeinanderfolgenden bzw. zusammengewachsenen Blattzungen mit zweikonturigen Blattadern zusammen. Die beblätterten Abschnitte der Rankenstämme quer gerippt und z. T. kräftig. Als Zusatzmotive dienen unter anderem rosafarbene Nelken und markante vierblättrige, blaue Blüten, deren Petalen windradartig angeordnet sind. Dazu kommen Goldperlen mit (doppelter oder dreifacher) Konturierung und ebensolchem Dekor in schwarzbrauner Federzeichnung (Strichelung bzw. kammartig abstehende Fäden), die z. T. an Filigranranken sitzen.
Einband: 19. Jh.
Pappband.
Vorbesitzer: Wien, Universitätsbibliothek, vor 1756
Martin Roland (Forschungsstand 2015, MeSch VI; Redaktion Katharina Hranitzky 2022)
Bis sex millenos versus in codice scriptos / Sed ter quinque minus continet ovidius.
(178v)
Ovidius Naso, Publius: Tristia, I, 7, 35-40 (vgl. Saxl 1927, 126; Munari 1957, 3; Walther, Initia, Nr. 13410).
1
178v
Orba parente suo quicumque volumina ... — ... Emendaturus si licuisset erat
(178v)
Distichon (vgl. Saxl 1927, 126).
1
178v
Victrix Roma dole quarto viduata leone / De reliquis talem non habitura parem.
(179r-182r)
Oricus de Capriana: Summa memorialis Ovidii Metamorphoseon (ed. Munzi 1990; siehe auch Fohlen/Jeudy/Mariucchi 1971, 215-218, mit dieser Handschrift). Prohemium und Summae I-VII.
(182r-184v)
Register, alphabetisch.Mit Verweisen auf die Bücher des Texts.
1
182r
Tit.: Tabula ad inveniendum in quo libro sit queque fabula in Ovidio contenta