Rote Bildüberschriften. Die zumeist herausgerückten Majuskeln der Anverse bzw. der Satzanfänge rot gestrichelt, meistens nach jedem zweiten Vers oder nach Satzende ein roter Strichel. Pag. b eine auf der ersten Zeile cadellenartig vergrößerte Majuskel mit roter Begleitlinie. Zu den Abschnitten drei zweizeilige, abwechselnd rote und blaue Lombarden. – (Pag. ab und ba) zwei Miniaturen in den Textblock eingefügt, jeweils nach einer Überschrift. Maße: 75×90 bzw. 65×85 mm. Hellrote Rahmen; deren abgeschrägte Innenkanten links und unten weiß gehöht, rechts und oben schwarz abgeschattet. Die Farbpalette setzt sich aus Dunkelblau (Hintergründe), Hellrot, Grün und Dunkelrosa (Textilien), verschiedenen Brauntönen (Möbel, Haare etc.), Lachsrosa (Inkarnat) sowie Schwarz (Konturen und Binnenzeichnung) zusammen. Die Kronen sind mit Blattgold belegt, für die Farbgebung der Statue auf pag. b wurden offenbar ebenfalls Metalle verwendet, diese jedoch fast zur Gänze abgeblättert; die Miniatur der Versoseite ist auch sonst, durch den Leim, mit dem das Blatt auf den Trägerband geklebt war, und das Knicken des Blattes, stark beschädigt. Auf pag. a weniger starker Farbabrieb.
Bildprogramm:
Pag. ab = [nach V. 13454; Überschrift (zwei Zeilen): … eichen Iob zu chunig gar […] rdigchleichn]: Ijob wird zum König gekrönt und gesalbt (vgl. Vv. 13441-13452) – im Bild von zwei gleichfarbig gewandeten Männern, die Ijobs frontal dargestellte Sitzbank flankieren und hinter denen zwei wiederum gleich gekleidete Assistenzfiguren stehen (farbliche Symmetrie).
Pag. ba = [zwischen Vv. 16960 und 16961; Überschrift (fünf Zeilen): Hie sla/eft der chunig Nabuchodo/nosor und ein pild kummt fur in alz ein [...?] gerakten arin daz haup gúlden arm und pauch silbrein von dem pauch erein ...ncz auf de chnye von den chnye ze tal eysen]: Dem im Bett liegenden König Nebukadnezzar erscheint im Traum – im Bild über dem Fuß des Bettes – eine Statue aus Gold, Silber, Bronze und Eisen (vgl. Vv. 16955-16978). Die Miniatur stark beschädigt.
Laut Günther 1993, 82 zeigt "der cod. disc. in seinen erhaltenen Fragmenten ein mit der Stuttgarter Hs. [Stuttgart, WLB, Cod. HB XIII 6] identisches Bildprogramm"; in kompositioneller Hinsicht würden seine Miniaturen jedoch von den Bildern dieses Codex stark abweichen.
Kunsthistorischer Kommentar: Die Miniaturen des Codex discissus gehen, was das Illustrationsschema betrifft, grundsätzlich nicht über die Bilderzyklen in den Weltchroniken der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hinaus. Auch hier agieren wenige Figuren übersichtlich auf einer meist seichten Bildbühne, die Beschreibung ihres Umraumes beschränkt sich auf wenige Requisiten, wobei reellen Größenverhältnissen kaum Rechnung getragen wird (vgl. z. B. die Bäumchen auf Bl. III,1vb oder die Stadtdarstellung auf Bl. II,2va von München, Stadtarchiv, HV-MS 273, Abb. S. 71 links oben bzw. rechts unten bei Klein 2014), und auf die Suggestion von räumlicher Tiefe wird weitgehend verzichtet (man vergleiche etwa die parallel zur Bildfläche aufgeklappten Liegemöbel auf pag. a in Wien und Bl. II,1vb in HV-MS 273, Abb. S. 70 links unten bei Klein 2014, oder auch die hochgezogenen hinteren Terrainkanten auf Bl. I,2vb und Bl. III,1vb, Abb. S. 70 rechts oben und S. 71 links oben bei Klein 2014). Im Vordergrund der Bildgestaltung stehen in den Miniaturen des Codex discissus die Einfachheit und Klarheit der Darstellung und die übersichtliche Anordnung der Bildelemente. Dem entsprechen auch die geschlossenen Umrisse der Figuren oder auf pag. a des Wiener Fragments die durch die Farbe unterstrichene Symmetrie der Komposition. Zugleich ist in den vorliegenden Miniaturen eine Loslösung vom "Schönen Stil" der Zeit um 1400 zu erkennen. Zwar tragen die Figuren zum Teil nach wie vor stoffreiche Gewänder, die auf dem Boden auslaufen. Doch statt einen harmonischen Zusammenklang von kurvig verlaufenden Falten und Saumlinien sowie sanft geschwungenen Umrissen anzustreben, statt "Richtungsgegensätze zu verschleifen" (Artur Rosenauer, Zum Stil des Albrechtsmeisters, in: Röhrig 1981, 98), ist der Illuminator bestrebt, diese Gegensätze zu unterstreichen, also insbesondere zu veranschaulichen, dass senkrecht aufgerichtete Figuren auf einer waagrechten Bodenfläche stehen oder sitzen. So brechen die Konturen der Akteure in Bodenhöhe winkelig um, und die Falten ihrer Gewänder knicken beim Aufstoßen auf dem Boden ein, bevor sich der Stoff der überlangen Mäntel in flachen, gerade abschließenden und nach links und rechts weit ausladenden Bahnen auf der Bodenfläche ausbreitet – vgl. den Ijob auf der Rectoseite des Wiener Blattes, den betenden Mose in München, BSB, Cgm 5249/22a, 3r oder die auf dem Boden sitzende Maria der Quellwunderszene in München, Stadtarchiv, HV-MS 273, Bl. I,2vb (Abb. S. 70 rechts oben bei Klein 2014). Hervorzuheben sind schließlich die bei den besser erhaltenen Darstellungen zu beobachtende malerische Behandlung der Gewandoberfläche (Weiß- bzw. Gelbhöhung von Faltengraten und Körperrundungen) und das weitgehende Fehlen raumhaltiger Drapierungen.
Einband: Wien (Hofbibliothek) 19. Jh. Neuzeitlicher Gebrauchseinband
Schwarz-grün gesprenkelter Pappeinband.
Schreibsprache: Laut Menhardt III, 1398 "bayr.-österr.", laut Klein 1998, 102 "bairisch", laut Schneider 2005, 52 "bair.-österr.". – Cod. 15328 ist eines von 34 erhaltenen Fragmenten (Doppel- und Einzelblättern sowie Teilen von Blättern) einer illustrierten deutschen Weltchronikskompilation. Diese Bruchstücke gelangten in Sammlungen in Bamberg (hier verschollen), Engelthal (Privatbesitz), München, Nürnberg, Regensburg und Wien – siehe die Auflistung bei Klein 2014, 69 und 72 (die Fragmente hier inhaltlich und mit Angabe der Folionummern, s. u., geordnet) sowie den Handschriftencensus, Nr. 3646. – Auf den meisten Blättern ist noch eine Folioangabe in römischen Ziffern zu erkennen (auf dem Wiener Fragment nicht erhalten), die darauf schließen lässt, das die vollständige Handschrift knapp 400 Blätter umfasste (Klein 2014, 69). "Offensichtlich ist dieser Codex discissus noch am Anfang des 17. Jahrhunderts in Regensburg intakt gewesen und dort um 1684 von einem Buchbinder zerschnitten worden" (Günther 1993, 80); dieses Datum ergibt sich daraus, dass "mit diesen Fragmenten [Regensburg, Archiv Katharinenspital, Frag. Kasten II, Fach 49, Fasc. 12] die Haushaltsrechnungsbücher (1684-1686) des Katharinenspitals eingebunden waren" (ebd.). Bestätigt wird diese Annahme zum einen durch das von Dunphy 2011 publizierte Fragment in Engelthal (Privatbesitz), das nach wie vor als Einband eines Handwerkertagebuchs von 1685 dient, zum anderen durch die von Klein 2014 vorgestellten vier Doppelblätter München, Stadtarchiv, HV-MS 273, von denen zwei (I und III) die Jahreszahl 1685 tragen (Klein 2014, 76). Die Herkunft von Klein 2014, 76 bekräftigt: "Vieles [spricht] dafür, dass der Buchbinder (wie auch der frühere Besitzer des intakten Bandes) in Regensburg bzw. im Raum Regensburg zu suchen ist". Vorbesitzer: Wien, Hofbibliothek, 19. Jh. Das Blatt diente ehemals als Umschlag eines Bandes in Oktavformat (pag. b = Innenseite).
Jans von Wien: Weltchronik, Auszüge (Strauch 1900, Vv. 13422–13454, 16933–17006; u. a. ist die Trojageschichte übersprungen; zwischen den beiden Teilen vier Verse eingeschoben [pag. ab]: Da mit sein end nam / ein ander chunig nach im cham / daz was in der vierden welt furbar / ward gezalt vierhundert und funff und subenczig iar; alle bisher bekannten zugehörigen Fragmente bei Klein 2014, 69 und 72 aufgelistet, darunter das zweite erhaltene Bruchstück aus Jans von Wien, ein Blatt im Besitz der Familie Eigner in Engelthal; der Codex discissus laut Günther 1993, 82, textlich mit Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 8. Aug. 4to [Handschriftencensus, Nr. 3646] und Stuttgart, WLB, Cod. HB XIII 6 verwandt, s. auch Klein 1998, 102).