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Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 170/139
THOMAS EBENDORFER
Papier   I, 419 Bl.   310×215   Österreich (Wien), 15. Jh.
Provenienz/Letztbesitzer: Wien, St. Jakob auf der Hülben
Literatur zur Handschrift (Anzahl: 2)

Bis Bl. 130 mittelalterliche Foliierung in roten arabischen Ziffern auf der Mitte des oberen Seitenrands. Zählung fehlerhaft, springt von 32 auf 34. – Lagen: (VI+1)12 + 33.VI409 + (VI-2)419. Bl. I um die erste Lage gelegt. Vor dem HDS zwei Blätter (Gegenblätter von 410 und 411) herausgeschnitten. – Kustoden am Lagenanfang in arabischen Ziffern. (409v) deutlich sichtbarer Reklamant. – Die Lagenmitten durch schmale Pergamentfälze verstärkt.
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Fleuronnéeinitiale(n)   Figürlicher Buchschmuck   
Rot gestrichelte Majuskeln, rote Satzstrichel, Paragraphzeichen, Unterstreichungen. Rote Überschriften, vorgeschrieben (am oberen oder unteren Rand, meistens beschnitten). – Rote Lombarden, bei größeren Abschnitten z. T. mit Aussparungen in Form von Wellen- bzw. Zickzackbändern (z. B. 2v, 63r) oder Blättern bzw. Blattranken (z. B. 256r, 301r), z. T. (auch) mit rotem Fleuronnéedekor von ungeübter Hand: im Binnenfeld Ähren runder, punktförmig gekernter und innen mit einigen Stricheln versehener Knospen (z. B. 2v, 57r, 113v), als Außenornament vereinfachter Perlenbesatz, kammartig abstehende Strichel (z. B. 113v); (2r) außerdem drei innen gestrichelte Herzblätter mit überkreuzten Stielen im Binnenfeld, (256r u. a.) Herzblatt als Ausläufer, etc.; (57r) oben eine kleine Profilmaske. – (1r) Fleuronnéeinitiale, neunzeilig. Grüner Buchstabenkörper, rosafarbenes Fleuronnée. Im Binnenfeld dichtes, symmetrisch organisiertes Arrangement aus Knospen und Halbpalmetten, dessen Kompartimente durch Doppellinien konturiert und unterteilt sind. In zwei ovalen Medaillons je eine quer liegende Raute, darin je vier im Kreuz angeordnete Halbalmettenpaare; in den schmalen kreissegmentförmigen Zwickeln zwischen Rauten und Medallons punktförmig gekernte Knospen an kurzen Stielen; in den verbleibenden dreiecksförmigen Feldern je eine Garbe gekernter Knospen. Knospen- und Halbpalmettengarben auch in den Ecken des wiederum doppelt konturierten Außengrunds. Außenbesatz aus kurzen Reihen von Perlen mit Dornen, kombiniert mit kurzen Doppellinien, die an beiden Enden schneckenartig eingerollt sind, wobei die Seitenmitten des Außengrundes jeweils durch ein Motiv aus zwei solcher Schnecken und einer Perle mit Fibrille betont werden. Textseitig zwei große Halbpalmetten mit angedeuteten Blattadern und, dazwischen, ein spitzbogiges Kompositmotiv. Randseitig an den Initialecken groß "aufgeblasene" Knospen sowie daran anschließende tropfenförmige Elemente und Fadenschlingen mit Fibrillen. – Die Eingangsinitiale ist stilistisch im engeren Umfeld jenes Florators anzusiedeln, der in den 1450er (und frühen 1460er) Jahren eine ganze Reihe von Handschriften florierte, die hauptsächlich im Wiener Universitätsmilieu entstanden. Die Gruppe hat Pfändtner 2011, 34 f. zusammengestellt, ein weiterer Band wurde dem Florator 2019 von Regina Cermann zugeschrieben – siehe bei Wien, Schottenstift, Cod. 11. Dem Konvolut können hier noch zwei weitere Handschriften hinzugefügt werden, die wie Cod. 170/139 aus dem Frauenkloster St. Jakob auf der Hülben, dem sie von Universitätsangehörigen geschenkt worden waren, in die Dominikanerbibliothek gelangten: Cod. 123/90 und 168/137a.

Einband: Wien     3. Viertel 15. Jh.     Gotisch     Streicheisenlinien   Blindstempel        
Werkstatt: Kleine Lilie, Wien
Braunes Leder über Holzdeckeln; am VD das Leder der rechten Deckelhälfte durch braun-schwarz gesprenkeltes Papier ersetzt. Der Rosettenstempel ist der Werkstatt EBDB, w002684 (Stempel s019620) / Holter 1977, B4c zuzuordnen. – Die Spiegelblätter erneuert.


(Ir) oben rechts Inhaltsangabe aus der Barockzeit, vermutlich im Dominikanerkloster Wien notiert. Wann der Codex in dessen Bibliothek gelangte, ist ungewiss. Kein mittelalterlicher Besitzvermerk des Klosters, keine Schilder, die auf den Purkhawser-Katalog von 1513, Cod. 232/260, verweisen würden. Möglicherweise erst nach der Auflösung von St. Jakob auf der Hülben 1784 in die Dominikanerbibliothek gekommen.
Vorbesitzer 1: Iacobus/Jacobus de Wuldersdorff/Wulderstorff (Wullersdorf/NÖ) , vor 1466
(Ir) Vermerk von 1466 über die Schenkung an das Augustiner-Chorfrauenkloster St. Jakob auf der Hülben in Wien durch Jacobus de Wuldersdorff (Wullersdorf), †28.9.1466, u. a. Rektor der Universität und 1461 Kanoniker von St. Stephan (siehe AFTh, Bd. 2, 652, 650 plus – Geschichte der Universität Wien und das RAG). Jacobus wird im Vermerk als seliger und als unser peichtvater bezeichnet. Die Art der Nutzung des Buchs war also sein will. – (Ir) oben links Inhaltsangabe Prima pars Ewangeliarum sanctis hyemalis hasl[pach], darunter noch fünf Sermones angeführt; vermutlich aus der Zeit vor der Schenkung an St. Jakob. Einen Eintrag derselben Hand enthält Cod. 172/141. – (VDS) oben Inhaltsangabe Von der Zeyt / Haslpach von dem Advent auf Ascensionis celi, aus dem neuen VDS ausgespart, vermutlich vor der Schenkung an St. Jakob angebracht. Alle vier erhaltenen Ebendorfer-Bände, die Jacobus dem Nonnenkloster St. Jacob überließ, zeigen Inhaltsvermerke dieses Typs (Cod. 168/137a, Cod. 170/139, Cod. 171/140, Cod. 172/141). Das gilt auch für Cod. 148/118 mit Sermones des Petrus Lombardus, der jedoch bei einer Restaurierung einen falschen Einband erhielt, so dass sich die Einträge auf dem VDS (Thomas Ebendorfer, Sermones de evangeliis de tempore, Pars hiemalis, Schenkung durch Wolfgang de Egenwurgk/Egenburg an St. Jakob, 1469) auf eine andere, bislang nicht identifizierte (vermutlich verlorene) Handschrift bezieht.
Vorbesitzer 2: Wien, St. Jakob auf der Hülben, Augustiner-Chorfrauenstift , 1466
(Ir) Schenkungsvermerk: Anno domini mo iiiic lxvi hat uns hincz sand Jacob zu Wienn das puech geschafft der hochgelert herr maister Jacob von Wulderstarff unser peichtvater seliger darumb wann wir aym prediger hieten der selber nicht predigpuecher hat das man yms leich das er uns darauf predig und das man sew her wider fader und sew albeg pey i [?] dem chlaster pehalt und nymer verchawff das ist also sein will. – Von derselben Hand drei Besitzvermerke (15. Jh.): (VDS) [Das puech gehö]rt hincz sand Jacob zu Wienn; der Eintrag aus dem neuen VDS ausgespart, der Anfang verdeckt; (227r) Das puech gehört in das frawnchloster hincz sand Jacob zu Wienn; (HDS) ebenso, hier wie auf dem VDS aus dem neuen HDS ausgespart. – Die Einträge stammen von derselben Hand. Vgl. Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 168/137a, Cod. 171/140, Cod. 172/141; analog auch in Cod. 123/90 (von anderem Schenker).
Katharina Hranitzky (13.2.2023/26.4.2024)
"Pfändtner 2011", "EBDB", "Holter 1977", "AFTh", "Lhotsky, Ebendorfer"
alle Initien
(VDS) Inhaltsangabe. Besitzvermerk St. Jakob auf der Hülben.
(Ir) Inhaltsangabe. Vermerk über die Schenkung an St. Jakob auf der Hülben (1466).
(Iv) Leer.
(1r-368v) Thomas Ebendorfer Sermones de evangeliis de tempore (Perchtoldsdorfer Pfarrpredigten): Pars hiemalis, bis Dominica post Ascensionem (Lhotsky, Ebendorfer, 75, Nr. 38, I, ohne diese Handschrift).
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1r Tit.: Prologus in opus presens magistri Thome de Haselbach
Crebro multa sollicitudine dum in puerilibus ...
(2r) Leer.
(369r-416v) Thomas Ebendorfer Sermones de contritione, de confessione, de poenitentia, de restitutione, de rapina.
   1
369r Quia ut ait Ambrosius in sermones ... Ecce nunc tempus acceptabile ... — ... (416v) secundum arbitrium boni viri praecipue ad impensas in medicos.
(417r-419v) Leer.
(HDS) Besitzvermerk St. Jakob auf der Hülben.