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Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 6305 [ehem. Graz, Dominikanerkonvent, Cod. 6305]
AUGUSTINERREGEL FÜR FRAUEN. KONSTITUTIONEN FÜR DOMINIKANERINNEN (deutsch)
Olim: VIII 5/7    Pergament   I, 45 Bl.   210/215×140/145   Nürnberg und Regensburg, 15. Jh. (um 1435 und vermutlich bald nach 1484)   
 Volldigitalisat



Literatur zur Handschrift: CMD-A VII 82, Abb. 332 (online).
Lagen: II + V10 + (I-1)11 + (IV-1)18 + V28 + IV36 + V45,HDS. I und VDS bilden ein Doppelblatt. Das Gegenblatt zu 11 fehlt (Falz zwischen 10 und 11), ebenso dasjenige zu 12 (Falz zwischen 18 und 19).
Schrift:
(1v-39r) Schriftraum: 155/165 × 100/110    Spaltenzahl: 1    Zeilenzahl: 25-30   
Schriftart: Bastarda
Ab 13r vereinzelt 31-33 Zeilen. Begrenzungen des Schriftspiegels in Tinte, keine Linierung; meistens mindestens eine Zeile über der oberen Begrenzungslinie.
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Deckfarbeninitiale(n)   Ranke(n)/Bordüre(n)   Figürlicher Buchschmuck   Goldverwendung   
Buchmaler: Furtmeyr, Berthold
Rote Überschriften und Schlussvermerke, rote Strichelung von Majuskeln, einige rote Paragraphzeichen, kurze rote gewellte Linien als Zeilenschlussmotive, stellenweise rote Unterstreichungen und rot durchgestrichene Satzteile. Zu den Kapiteln zwei- bis vierzeilige rote Lombarden. – (1v) historisierte Deckfarbeninitiale: goldener, schwarz konturierter Buchstabenkörper auf rosafarbenem, von Goldfiligran überzogenem, blau gerahmtem Initialfeld. Die tropfenförmig verdickten Serifen der Goldinitiale, an denen Manschetten aus je drei Kugeln sitzen, symmetrisch von Blattwerk umgeben, als dessen Mittelteile sie dienen. Randseitig geht die Serife in einen eingerollten Blattausläufer mit konvex gestalteten Blattlappen über; die Zwischenräume zwischen den Blättern mit Gold gefüllt. – Im Binnenfeld Darstellung des stehenden hl. Dominikus, zu dessen Füßen links und rechts zwei betende Nonnen knien. Der Ordensgründer ist frontal mit leicht nach links geneigtem Kopf wiedergegeben. Den Blick abwärts gerichtet, hält er ein aufgeschlagenes Buch in Händen. – An das eingerollte Blattwerk setzte eine längere, gewellte Ranke an, die den linken und den unteren Seitenrand bedeckt und sich farblich un motivisch deutlich vom restlichen Buchschmuck unterscheidet. Neben der Initiale eine Blüte als Endmotiv eines Rankenarms. Links und rechts freistehende Metallperlen. Diese mit blassbraunrotem Strichelbesatz in Federzeichnung oder als "Früchte" von Filigranranken in derselben Farbe. Die Ranke stammt von anderer Hand als der Rest des Buchschmucks auf dieser Seite.


Einband: Schmucklos        
Dunkles, stark abgeriebenes und zerkratzes Leder über an den Kanten abgeschrägt Holzdeckeln. Spuren von Streicheisenlinien. In der Mitte des VD umgebogener Rest eines Nagels. Ehemals eine Hakenschließe: das Schließenlager vom VD entfernt (Vertiefung im Holz), kleiner Rest des Schließenbandes erhalten, auf dem HD mit vierpassförmigem Gegenblech fixiert. Der Rücken an einer Seite gebrochen, unterer Kapital lose. – Laut mündlicher Auskunft der Restauratorin, Frau Dr. Bettina Dräxler, Wien, an Dr. Armand Tif gehörte der vorhandene Einband ursprünglich zu einem anderen Buch. Als Einband des Cod. 6305 dient er seit dem 18. oder 19. Jahrhundert: Aus dieser Zeit stammen die hinter dem aufgebrochenen Rückenleder sichtbar werdenden Beklebungen und Nähte. Auch die starke Blattbeschneidung bezeugt, dass der Buchblock nachträglich an die Maße des jetzigen, wiederverwendeten Einbands angepasst wurde.


Die Kolophone auf 11v und 39r besagen, dass die beiden Texte von einer Schreiberin, die ihren Namen nicht nennt, im Jahr 1491 fertig niedergeschrieben worden seien. Jedoch spricht der Stil der Initiale, der tatsächlich in Nürnberg zu verorten ist (siehe Ausstattung), für eine Datierung des Codex schon in die 1430er Jahre (und auch der Schrifttypus ist in der früheren Zeit letztlich besser vorstellbar). Es scheint sich sich bei der Jahresangabe demnach um einen Schreibfehler (z. B. 1491 statt 1441?) bzw. eine falsch abgeschriebene Vorlagendatierung (1491 statt 1391?) zu handeln; ein Indiz dafür ist auch, dass im Kolophon 39r (nicht jedoch auf 11v) Korrekturpunkte über der Angabe des Jahrhunderts (cccc) angebracht wurden. Überraschend ist zwar, dass der Schreiberin zweimal derselbe Fehler unterlief. Dennoch ist die Annahme eines Schreibfehlers vorerst das wahrscheinlichste Erklärungsmodell für die Diskrepanz zwischen dem Stil der Initiale und dem angegebenen Datum. Andernfalls müsste man annehmen, dass der Text an eine ca. 55 Jahre früher gemalte Initiale ohne Anschlusstext angefügt wurde, was jedoch wenig plausibel erscheint. Auch dafür, dass die Initiale eingeklebt wurde, gibt es keine Indizien.
Der vor der Schlusschrift mit der Datierung auf 39r wie ein Kolophon in Rot geschriebene Eintrag gibt des Weiteren darüber Auskunft, dass die Konstitutionen in Nürnberger Schreibsprache verfasst worden seien. Drei Codices, in denen (u. a.) dieselben Texte überliefert sind und die aus dem Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina stammen, enthalten, jeweils mit anderer oder ohne Datierung, eine ähnlich lautende Schlussschrift (siehe KdiH 9,4-5): 1) Erlangen-Nürnberg, UB, UER, MS.B 18 (datiert 1441; Schlussschrift am Ende der Augustinerregel, 12r, ohne Datum, und der Konstitutionen, 178r, mit Datierung 1441; eine zwischen die beiden Texte eingefügte Auslegung der Regel wird wiederum in der Schlussschrift als elsässisch bezeichnet); 2) Nürnberg, GNM, Hs 7069 (hier die 1431 datierte Schlussschrift nur 17v, nach der Augustinerregel, und mit Hinweis auf das francken lande, ohne Nennung Nürnbergs; am Ende der Konstitutionen keine Schlussschrift); 3) Wien, ÖNB, Cod. 2966 (nach Menhardt II, 684 zweite Hälfte 15. Jahrhundert; Schlussschrift 12v und 41v, jeweils mit unvollständiger Jahresangabe; ebenfalls mit elsässischer Regelerläuterung). Der Hinweis auf die Schreibsprache muss demnach in der Urfassung der Übersetzung enthalten gewesen sein und wurde jeweils mit aktualisierter Datierung weitertradiert. Die Kopistin könnte sich z. B. aus diesem Grund verschrieben haben.
Später im 15. Jahrhundert gelangte Cod. 6305 in das Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz in Regensburg: (39r) unterhalb des Textes der Namenseintrag Muetter Kunigunde Ortlebin. Kunigunde Ortliebin ist in Urkunden des Konvents zwischen 1485 und 1502 als Priorin des Kloster Heilig Kreuz dokumentiert (Schratz 1887, 95-103). Gut vorstellbar ist, dass jene fünf Schwestern, darunter Kunigunde Ortliebin, die 1484 oder bald danach von St. Katharina in Nürnberg nach Regensburg geschickt wurden, um "geistliche Ordnung" in das Heilig-Kreuz-Kloster zu bringen (siehe Schratz 1887, 201 f., Nr. 612: Urkunde vom 8.1.1484), die Regel- und Konstitutionenhandschrift mit an ihren neuen Wirkungsort nahmen. – Dass die Handschrift im späteren 15. Jahrhundert nach Regensburg gelangte, ist auch an der auf 1v hinzugefügten Blattranke zu erkennen, die von Berthold Furtmeyr oder einem Mitglied seiner Werkstatt ergänzt wurde – offenbar deshalb, weil man das ursprüngliche Layout der Seite mit der eingerückten Initiale als optisch unbefriedigend empfand.

Vorbesitzer 1: Nürnberg, Dominikanerinnenkloster St. Katharina (?) , vor 1484 (?)
Vorbesitzer 2: Regensburg, Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz , nach 1484 (?)
Vorbesitzer 3: Graz, Dominikanerkonvent, vor 2013
Katharina Hranitzky (8.2.2023/15.10.2023/26.1.2024)
"CMD-A VII", "Suckale 1987b", "Pfändtner 2004", "Lutze 1932", "KdiH 9,4-5", "Handschriftencensus", "Hranitzky 2014", "Menhardt II", "Schratz 1887"
alle Initien
(VDS) Vorsignatur (blau).
(Ir-1r) Leer.
(1v-11v) Augustinerregel für Frauen (zur Überlieferung siehe Handschriftencensus, Werk 33).
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1r Tit.: (Rot) Disz ist die regel die sant Au[gu]stinus den klosterfrawen hat geschriben.
Disz sint die dingk die wir gebieten ... — ... (Schlussschrift, Datierung, rot) Hie hat end die regel sant Augustini die er den Klosterfrawen hat geschriben. Das puch ist geendet und geschriben worden anno MCCCC und in dem LXXXXI jar nach Christi unsers lieben herre gepurt [1491, vermutlich irrtümlich]. Sprechet durch gotes willen disz schreiberin ein Ave Maria.
(12r-12v) Konstitutionen für Dominikanerinnen, Vorrede (Anfang fehlt).
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12r [...] ob wie zeleben sey allen swestern mit geczewgen der geschrift czu wissen würd ... — ... (12v) durch prechunng eines gepotes oder durch versmechung.
(12v-13r) Konstitutionen für Dominikanerinnen, Inhaltsverzeichnis.
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12v Tit.: Das sint die capitel.
(13r-39r) Konstitutionen für Dominikanerinnen (zur Überlieferung siehe Handschriftencensus, Werk 89).
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13r Als gehört wirt das erst czeichen czu metten so sullen die swester aufstin ... — ... (39r) Auch sol dicz puchlein keinem menschen gegeben werden ab czu schreiben oder czu sehen an urlaub des meisters oder des profinczials. – (Schlussschrift, rot) End haben die constitution der swester prediger ordens getewtschet nach dem gesprech als czu Nurnberg und da pey in Franckenland gewanheit ist tewtsch czu reden. – (Datierung, schwarz) Diß puch wart geschriben nach Christus gepurt m cccc unde in dem lxxxxi jar [1491, vermutlich irrtümlich] am ertag nach letare. Pet der schreiberin diß puchs durch gotes willen 1 ave maria.
(39v-40r) Bonifatius IX. papa Bestätigung der Konstitution, 1402.
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39v Tit.: (Rot) Constitution des heilligen vater des babst Bonifatius.
Item seliger gedechnus pabst Bonifatius der newnt anno domini m cccc ii an dem funften calend an seiner pebstlichen wirde in dem xiii iar hat gemacht. Constitutiones die von dem prediger orden niht mug gewandelt werden ...
(40v-HDS) Leer.