Beschreibung ausdrucken Permalink: https://manuscripta.at/?ID=5065
Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 227/191
DOMINICUS DE SANCTO GEMINIANO
Olim: P 10    Papier   V, 335, I* Bl.   430×290   Rheinlande (Mainz?), 2. Viertel 15. Jh. (vor 1455)   
 Volldigitalisat



Literatur zur Handschrift: CMD-A V 186 f., vgl. Abb. 462 (online).
Mittelalterliche Foliierung in roten arabischen Ziffern rechts oben. – Lagen: (II-1+1)IV + VI11 + 6.V71 + IV79 + 7.V149 + IV157 + 16.V317 + IV325 + (V+1)335, I*. Das Gegenblatt von II fehlt, I um die erste Lage gelegt, V ist das erste Blatt des ersten Sexternio; I* um die letzte Lage gelegt. Reklamanten. Lagensignaturen a, b, c etc. rechts unten, zuerst in Braun, ab 130r rot oder blau; Blattzahl ganz im unteren rechten Seiteneck in Braun, z. T. weggeschnitten.
Schrift:
(IIv, 1r-333r) Schreiber: Johannes Oscenmul/Ossenmul (?) – Schriftart: Schlaufenlose Bastarda
Die Schrift ist humanistisch beeinflusst. Der Schreiber nennt sich Johannes Osçēmul (Lesart nach CMD-A V, 187), vermutlich Oszenmul, eventuell zu lesen als Ossenmul (Ochsenmaul): siehe in dem von derselben Hand geschriebenen zweiten Band zum vorliegenden Codex, Cod. 228/192, auf 247v den Schlussvermerk Et sic est finis per me Johannem Osçēmul. – Ein "Johannes d[ictus] Ossenmul de Cassel cler. Magunt. dioc." ist im RG Online, RG V 05299 nachgewiesen (Regina Cermann, 5.1.2023). – Überschriften in stark vergrößerten Lettern, Textanfänge (erstes Wort) ebenfalls vergrößert.
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Fleuronnéeinitiale(n)   Figürlicher Buchschmuck   
Rote Überschriften (in großer Schrift), rote und blaue Paragraphzeichen, rote Angabe des Inhalts auf den oberen Seitenrändern (vitus); die Titel der Kapitel rechts oben auf den Rectoseite in brauner Bastarda. (79va, vor der leeren Spalte auf 79vb, roter Verkmerk Hic nullus est defectus. – Zu Unterabschnitten zahlreiche Fleuronnéelombarden. – (1r, 1v, 5r, 14r, 55r, 63v, 65r, 70v, 144v, 147r, 152v, 160r, 164v, 165v, 190r, 210v, 216r, 226v, 230r, 233r, 238r, 245r, 248v, 250v, 255v, 257va, 257vb, 259v, 262r, 265v, 272v, 275v, 281v, 285v) zu den Kapiteln 34 Fleuronnéeinitialen, sechs- bis elfzeilig (häufig zehn- oder elfzeilig), rot-blau gespalten, mit Aussparungen in Form von stufenförmigen Linien, von Ranken bzw. Ästen, denen Kleeblätter oder Herzblätter entwachsen, und/oder von verschiedenen Mischwesen. Das Fleuronnée in Rot und Grautönen gezeichnet, dabei häufig Aufteilung des Initialfelds in zwei verschiedenfarbige Hälften (auch streifenförmig, schachbrettförmig etc.).
Charakteristische Motive des Fleuronnées sind insbesondere die regelmäßig an langen Stielen angeordneten, ovalen bis spitz zulaufenden Knospen, die in den Binnenfeldern mit Knospenspiralen und Kleeblättern in Rankenmedaillons kombiniert sind, des Weiteren der Besatz aus kurzen Perlenreihen, die mit etwas längeren Strichelreihen alternieren und von denen Motive aus je zwei überkreuzten Fäden (davon der eine gerade, der andere s-förmig geschwungen) mit pfeilförmigem Ende ausgehen. Hinzu kommen Paare großer Halbpalmetten und Zackenreihen als weitere Besatzmotive, des Weiteren Fadenfortsätze, die nach außen schwingen und spitzwinkelig umbrechen, und Füllgesichter in tropfenförmigen Fadenschlaufen. Die Binnenfelder öfter auch mit zentralsymmetrischen oder in Gitter eingepassten Arrangements aus Paaren größerer, blattförmiger Knospen gefüllt; bei viergeteiltem Binnenfeld im Zentrum vier Viertelblätter, die sich zu einer Rosette zusammensetzen. In den Binnenfeldern der Lombarden meistens je drei senkrechte Linien mit Besatz aus Perlen und Zacken.
Stilistisch eng verwandtes Fleuronnée findet sich in Handschriften, die vorwiegend aus dem mittelrheinischen Gebiet stammen (freundlicher Hinweis und Zurverfügungstellung von Vergleichsmaterial Dr. Christoph Winterer, Wissenschaftliche Stadtbibliothek Mainz). Zu nennen sind insbesondere das Graduale Carmelitanum Inv. Nr. B 00330 des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums in Mainz ("Antiphonar, Band F", Online-Beschreibung, Abb. 342, 563 f., 593 f., 598-606, 653, 657-698, 802 f., 833 bei König 2006) sowie das Mainzer Friedgebot von 1437, Best. 4/50 des Mainzer Stadtarchivs (Online-Beschreibung, Abb. 829 f. bei König 2006), des Weiteren ein deutsches Evangelistar in Straßburg, Bibl. nationale et universitaire, Ms. 2433 (hier die "zusammengequetschten" Perlen noch [?] nicht zu Stricheln vereinfacht wie in Cod. 227, Cod. 228 und den genannten Mainzer Beispielen). Gut vergleichbares Binnenornament, Strichelbesatz und ein ausgespartes Mischwesen zeigt schließlich auch das Fleuronnée in einer ehemals als Cod. 56, davor als Cod. 46a, in Meiningen aufbewahrten, verschollenen Historienbibel, deren Schreibsprache Vollmer 1916, 107 als "schwäbisch" bestimmte (zur Handschrift ebd. 27, 103-107), siehe die Abb. S. 8 in Vollmer 1912.
Einen Anhaltspunkt für eine Datierung der beiden Bände Cod. 227 und Cod. 228 gibt das Mainzer Friedgebot von 1437. Was die Lokalisierung des zweibändigen Werks anlangt, so erscheint eine Entstehung in Mainz plausibel; da jedoch der jeweilige Herstellungsort der beiden Vergleichshandschriften in Straßburg und Meiningen nicht genau feststeht und da die Stilbeziehungen zwischen den Gebieten am oberen und am mittleren Rhein in der Buchmalerei der ersten Hlfte des 15. Jahrhunderts noch nicht erschöpfend untersucht wurden, seien hier vorläufig die Rheinlande als Herkunftsgebiet der Dominikanerbände angegeben.

Hs. enthält 3 Fragmente
VSI   Pergament   
Aus drei verschiedenen Handschriften zusammengesetztes Blatt. Das Hauptblatt aus derselben Musikhandschrift wie Hauptblatt und unterer Rand des NS. Der äußere Rand Fragment eines Doppelblatts aus einer kleinformatigen Handschrift.
Schrift:
(Ir) Schriftart: Textualis – Notation
Äußerer Blattrand: Bastarda. Unterer Blattrand (Versoseite): Schriftreste am oberen Fragmentrand.
Ausstattung: Rubriziert   
Hauptblatt: rote Überschrift, rote Notenlinien, rote und blaue Lombarden. – Äußerer Rand: rote Paragraphzeichen und Lombarde.
NSI*   Pergament   
Aus drei verschiedenen Handschriften zusammengesetztes Blatt. Der untere Rand aus derselben Handschrift wie das Hauptblatt und wie das Hauptblatt des VS. Der äußere Rand aus zwei weiteren, kleinformatigen Codices.
Schrift:
(I*r-I*v) Schriftart: Textualis – Notation
Fragmente, die den äußeren Rand bilden: Bastarda von zwei verschiedenen Händen.
Ausstattung: Rubriziert   
Hauptblatt: rote Notenlinien, rote und blaue Lombarden. – Weitere Fragmente: rote Lombarden.
HDSHDS   Papier   
Zusammengesetzt aus 3 Fragmenten: zwei Blätter aus derselben Papierhandschrift des 14. Jhs. und, in der Mitte, ein Streifen aus einer weiteren Papierhandschrift.
Schrift:
Schriftart: Bastarda

Einband: Wien     Mitte 15. Jh.     Gotisch     Streicheisenlinien   Blindstempel        
Werkstatt: Wien Dominikanerkloster (EBDB w002390)
Einbandfragment oder Abklatsch vorhanden
Der Einband entspricht demjenigen des Cod. 228/192. Braunes (verbräuntes) Leder über Holzdeckeln. Einige Stempel der Buchbinderwerkstatt EBDB, w002390 (um 1453-1486) zuzuordnen (s016063, s016070), daneben eine Reihe anderer, dort nicht nachgewiesener Stempel (z. B. Buchstabe p in Schild). – Spuren von je fünf runden Buckeln und, auf dem HD, einer Kettenbefestigung. Außerdem Spuren von zwei Hakenschließen, das obere Schließenband erhalten (ohne Schließenhaken), ebenso auf dem HD je fünf Nägel zur Befestigung der Schließenbänder. Die Unterkanten der Deckel mit Metallfüßchen versehen. – Auf dem VD oben Titelschild aus Papier (15. Jh.), unten Reste eines Signaturschilds. Auf dem Rücken oben Reste mehrerer übereinandergeklebter Schilder, unten Rest einer Signatur. – Blattweiser z. T. erhalten. – HDS zusammengesetzt aus zwei zusammengehörigen und einem weiteren Fragment.


Erster Band zu Cod. 228/192. – 1455 oder kurz davor über Matheus Seydl de Uttendorf, Magister Studentium bei den Dominikanern, der das Buch von seinem Onkel Mag. Thomas de Uttendorf, lic. iur., erbte, ins Wiener Dominikanerkloster gelangt: (1r) auf dem unteren Rand Besitz- und Legatsvermerk Iste liber est conventus Wyennensis ordinis predicatorum in Austria qui in ipsius conventus possessionem redactus est per dilectissimum fratrem Matheum Seydl de Uttendorff magistrum studentium eiusdem conventus. Nepotem venerabilis viri felicis memorie domini magistri Thome de Uttendorff iuris canonici licentiati a quo per piam legationem ad predictum fratrem Matheum adhuc secularem pervenerit. Dominus ipsis retribuat et nos fratres carissimi presentes et futuri possetenus aput deum reddere non obmittanus vicissitudinem. Scriptum anno domini mo cccco lvo. – Weitere Handschriften dieser Provenienz sind Cod. 228/192 (zweiter Band zu Cod. 227/191) sowie Cod. 195/160 (116r-125), Cod. 198/163 und Cod. 215/181 (Frank 1968, 353 f.; Hötzel 2015, 7). – Eingelegt ein kleines Papierfragment, darauf untereinander die Namen Kristoff Rossl und Barbara Leuczenriederin notiert. Ersterer ist in Wiener Urkunden aus der Zeit zwischen 1471-1489 genannt (Wiener Stadt- und Landesarchiv, Urkunden 4364, 4607, 4840, 5298).
Vorbesitzer 1: Thomas de Uttendorf, Magister
Höchstwahrscheinlich identisch mit Mag. Thomas Steghofer de Uttendorf (siehe das RAG, hier als "Steghofär" und bis 1435; des Weiteren zahlreiche Urkunden in monasterium.net unter "Steghofer" und "Steghouer"; vermutlich auch identisch mit "Thomas von Uttendorf" bzw. "Thoman von Uttendorf" (z. B. wird 1448 der Kammermeister des Salzburger Erzbischofs einerseits "Thoman Steghouer", andererseits "Thoman von Uttendorf" bzw. "Thomas von Uttendorf" genannt). Nach 1448 ist Thomas von Uttendorf nicht mehr fassbar.
Vorbesitzer 2: Matheus Seydel de Uttendorf, Magister studentium conventus Viennensis

IV+335, 2 col. // saec. XV med.

Katharina Hranitzky (20.7.2023)
"CMD-A V", "RG Online", "König 2006", "Vollmer 1916", "Vollmer 1912", "EBDB", "Frank 1968", "Hötzel 2015"
alle Initien
(Ir-Iv) Hymnar, Fragmente (Fragmente desselben Hymnars Bl. I* sowie VS und NS in Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 228/192). Peter und Paul, Maria Magdalena.
   3
Ir [Aurea luce ... Iam bone pastor Petre clemens accipe vota ... pre]cantum et peccati vincula resolve ... — ... cui manet imperium ex tunc et modo per aeterna saecula amen.
Ir Lauda mater ecclesia lauda Christi clementia ... — ... (Iv) remittit et dat praemia. Amen.
Iv Pange lingua Magdalenae lacrimas et gaudium ... — ... Ihesum quaerens convivarum [bricht mit dem Seitenende ab].
(IIr) Titel (barock), Schriftproben.
(IIv) Inhaltsverzeichnis. Mit Folioangaben.
(IIIr-Vv) Leer.
(1r-333r) Dominicus de Sancto Geminiano Lectura in VI decretalium. Band 1.
   2
1r Quia prima glossa sine recitatione est ... — ... (333r) et ista [im Codex ita] opinio communiter approbatur secundum Ioannem de Lignano. Et sic est finis etc.
232v Expl.   ... (Nach Teil 1, Schlussschrift, Schreiberkürzel) Explicit lectura primi libri venerabilis utriusque iuris doctoris domini Dominici de Sancto Geminiano super vi decreta per me Jo. n. etc. (Zum Schreiber vgl. Cod. 228/192.)
(1r) Besitzvermerk und Legatsvermerk.
(79va) Vermerk.
   1
79va (Rot) Hic nullus est defectus.
(79vb) Leer.
(333v-334v) Leer.
(335r) De appellationibus, Auszug.
(335v) Leer.
(I*r-I*v) Hymnar, Fragmente (Fragmente desselben Hymnars Bl. I sowie VS und NS in Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 228/192). Pangue lingua gloriosa, Ad coenam agni providi, Aurora lucis rutilat, Ihesu nostra redemptio.
   6
I*r (Hauptfragment) [Pangue lingua gloriosi] ... arbor una nobilis nulla silva talem profert ... — ... fusus agni corpore. Gloria et honor Deo.
I*r (Hauptfragment) Ad coenam agnii providi ... — ... pharaonis imperio. [Fortsetzung I*v]
I*r (Unterer Rand) Aurora lucis rutilat ... — ... Ille qui clausis lapide custoditur ... [Ende I*v]
I*v (Hauptfragment, Fortsetzung von I*r) Iam pasca nostram Christe est qui immolatus ... — ... Quaesumus auctor omnium in hoc pascali gaudio... Gloria tibi Domine qui surrexisti a mortuis cum patre et sancto spiritu in sempiterna saecula amen.
I*v (Hauptfragment) Ihesu nostra redemptio amor et desiderium ... — ... ut nos a morte tolleres. Inferni claustra [bricht mit dem Seitenende ab].
I*v (Unterer Rand, Ende von I*r) [In Galilaea pro]pere pergunt videre faciem ... — ... vulnera in Christi carne ful[gida] [bricht mit dem Seitenende ab]
(HDS) Fragment.