Blattzählung fehlerhaft, springt von 90 auf 92. – Lagen: (V+2)10 + 8.VI107 + VII121 + (VI-1)132 + VI144 + VII158 + (V+1)169. Einzelblätter: I (jetzt an Falz des erneuerten VDS geklebt), 10 (jetzt an Pergamentfalz zwischen 9/10 geklebt), 122 (Gegenblatt nach 132 herausgeschnitten), 159 (an 160 geklebt). Von Bl. 149 der untere Teil abgerissen. HDS original. Kleines Doppelblatt aus Papier (ohne Nummerierung) mit der ersten Seite auf den VDS geklebt, darauf Notizen zum Inhalt von 1909. – Wasserzeichen: Kreis mit zweimal gekreuzter Linie, vgl. Briquet, Nr. 3118 (1412); ab Bl. 133 unidentifiziertes Wasserzeichen: Buchstabe h ? – Ansetzfalze und zur Lagenverstärkung: Pergamentstreifen, teils mit Schrift: Westeuropa, 13. Jh. (?) und Italien, 14. Jh. (s. auch Menhardt II, 858).
Rote Satz- und Trennstrichel, rote und grüne Paragraphzeichen, vereinzelt Zeilenfüller. Abwechselnd rote und grüne einzeilige Satzmajuskeln (durchgehend im Inhaltsverzeichnis, hier mit Ausnahme von IIv auch rote Nummerierung in römischen Ziffern). Am Beginn der Bildunterschriften zweizeilige rote und/oder grüne Majuskeln, gelegentlich mit flüchtigstem Liniendekor. Am Beginn des Schreibereintrags Ir eine dreizeilige rote Lombarde in mit Wellenlinien gefülltem Initialfeld. Um die Schrifträume ein- bis dreifache Rahmenlinien in Rot, Grün und mitunter Ocker, Ir dazwischen Punkt- und Strichelreihen. Bei den Bildseiten (siehe unten) sind die Hauptlinien in Grün ausgeführt und hinterlegen die roten Bildrahmen, so dass das Seitenlayout von Bild und Text optisch eine Einheit bildet. Auf einigen Seiten der 3. und 4. Lage entsprechende grüne Linierung für die vorgesehenen, jedoch nicht ausgeführten Bildunterschriften. – 182 Pinselzeichnungen in einheitlich roten, hochrechteckigen Rahmen in Breite des Schriftspiegels. Maße: in der Regel ca. 160x125 mm, insgesamt zwischen 155/175x125/130 mm schwankend. Danach auf Bl. 92-95 analoge, ursprünglich leer gebliebene Rahmen, darin auf 92r-93r, 94v vier nachgetragene Pinselzeichnungen, auf Bl. 95 unkenntliche Abdruckspuren einer Stiftskizze, weitere auf den Leerseiten bis Bl. 100 (teilweise mit Spuren von Bleistift). – Diese Ergänzungen, der große Umfang an Leerblättern und der Textabbruch bereits nach wenigen Illustrationen weisen die Handschrift als unvollendet aus.
Bildprogramm: Eine Aufschlüsselung des gesamten Bildprogramms ist weder mit Hilfe der spärlichen Beitexte, die nach den ersten Bildseiten abbrechen, noch anhand des vorangestellten Inhaltsverzeichnisses möglich. Die darin enthaltenen Angaben sind oft zu knapp und gehen weder in der Abfolge noch inhaltlich zur Gänze mit den Bildern konform. Eine Bestimmung bzw. Deutung der bislang noch mehrheitlich unidentifizierten Illustrationen muss sich daher im Wesentlichen auf zeitgenössische kriegstechnische Schrift- und Bildquellen sowie auf kriegs- und pyrotechnische Fachliteratur stützen. Für weiterführende Informationen zu technischen Details, die hier nur sehr punktuell berücksichtigt werden können, sei auf die genannten Primär- und Sekundärquellen verwiesen.
Mit dem vorderen Teil der Handschrift nahezu bild- und textidentisch ist München 600 (ed. Leng 2000; bei Schmidtchen 1981 fälschlich als "Heidelberg, cpg 600" bezeichnet). Diese Fassung jedoch viel stärker fragmentiert als Cod. 3069: 22 Blätter, 40 Illustrationen, ohne Inhaltsverzeichnis, Textabbruch bereits nach neun Seiten. Dennoch bietet Leng 2000 zu der ersten Gruppe von Bildern, die mit der Schwesterhandschrift München 600 übereinstimmen, ausführliche Erläuterungen und eine komplette Serie von Schwarz-Weiß-Reproduktionen aus beiden Handschriften.
Alle relevanten Kriegshandschriften sind im Verzeichnis der Siglen zu den Kriegshandschriften aufgelistet. Siehe auch das Stemma bei Cermann 2013.
"FWB" = 'Feuerwerkbuch von 1420', zitiert nach Hassenstein 1941 (Ed. des Erstdrucks Augsburg, Heinrich Stainer, 1529) und Kramer 1995, 152-197 (Transkription von Freiburg, UB, Hs. 362).
1r = Salpeterprobe. In einem Kastenraum prüft ein Büchsenmeister mit Zunge und Hand den geläuterten Salpeter auf seine Qualität; links neben dem Fass ein Mann – offensichtlich der Verkäufer – in langem Mantel und mit Zeigegestus. – Wie München 600, 1v. Vgl. FWB, Nr. 29 (Kramer 1995, 168) und Beschreibung in Wien 5135, 50r.
1v = Schwefelprobe. In einem analogen Kastenraum prüft ein Büchsenmeister die Reinheit des Schwefels, indem er ihn im Fass zerdrückt und ans Ohr hält, um das Krachen zu hören; links neben dem Fass wiederum ein Verkäufer. – Wie München 600, 9r. Vgl. Wien 5135, wie oben.
2r = Zum Mischverhältnis des Pulvers. Ein Pulvermacher wiegt mit einer Handwaage die Bestandteile (Salpeter, Schwefel und Kohle sowie Salmiak, Kampfer und Branntwein) ab, die vor ihm auf dem Tisch aufgehäuft bzw. in einer Ampulle abgefüllt sind. Lagerung und Zubereitung verdeutlichen drei über eine Stange gelegte Säcke sowie Becken, Mörser und Sieb unter dem Tisch. – Wie München 600, 2r. Vgl. FWB (Kramer 1995, 174).
2v = Läutern von Kampfer. Bei einem Destillierofen hält ein Pulvermacher eine Ampulle mit dem (zum Reinigungsvorgang notwendigen) Branntwein über einen Dreifuß. – Wie München 600, 2v, dort jedoch die Szene in flüchtig skizziertem Innenraum. Ein Destillierofen für denselben Zweck in Wien 5135, 46r.
3r = Läutern von Salpeter. Der mit Branntwein oder Essig versetzte Salpeter wird in einem Kessel über offenem Feuer erhitzt und von einem Salpetersieder mit einer langen Stange gerührt, in dessen Linken eine (Mess-?)Stab. Daneben das Fass, in dem die Flüssigkeit abkühlen und bis zum Abgießen abstehen soll. – Vgl. FWB (Kramer 1995, 159) und Text in Wien 5135, 44r.
3v = Wiederherstellen von verdorbenem Schwefel. Ein Pulvermacher hält den mit Branntwein versetzten Schwefel in einer Stielpfanne über ein offenes Feuer. Den mehrmaligen Vorgang des Erhitzens suggeriert eine zweite gelbe Scheibe zu Füßen der vorgebeugten Gestalt. – Vgl. FWB, Nr. 34.
4r = Brennen und Ablöschen von Holzkohle. Ein Pulvermacher gießt Branntwein aus einem Krug über den aufgeschichteten, heißen (braunroten) Kohlehaufen. Links hält ein knabenhafter Assistent das benötigte Deckelgefäß aus zwei Becken geschlossen in den Händen; die Illustration darum etwas missverständlich. – Wie München 600, 3r. Vgl. FWB, Nr. 35 (Kramer 1995, 170) und Beckengefäß in Wien 5135, 45v.
4v = Herstellung von 'gemeinem' Pulver durch Abstoßen der Bestandteile mit Kampfer in Branntwein. Ein Pulvermacher füllt das Pulver aus dem Mörser in einen Sack ab. Er blickt nach oben zum Federstab einer Handpulverstampfe zurück, die ein Gehilfe links betätigt. – Wie München 600, 3v. Vgl. FWB, Nr. 38 (Kramer 1995, 170).
5r = Branntweindestillierung. Ein Pulvermacher vor einem Destillierofen hält eine grüne Flasche mit dem noch 'guten' Wein hoch und deutet mit der Linken auf das fertige Produkt, das auf dem Tisch vor ihm aus einem KühlFass durch ein Zinnrohr in einen kleinen Krug fließt.
5v = Feuchten des Pulvers zur Lagerung. Ein Mann stößt mit einem Eisenstab Löcher in das festgestampfte Pulver; ein weiterer gegenüber leert aus einer Gießkanne das Flüssigkeitsgemisch aus Wein und Salpeter in das Fass.
6r = Wiederherstellen von verdorbenem Pulver. Das zuvor mit Salpeter, Salpertica (hochreiner Salpeter), Kampfer und Branntwein abgestoßene Pulver wird in Tongefäßen in einem Backofen erhitzt. Ein Pulvermacher stellt ein irdenes Gefäß in die Ofenöffnung, davor drei weitere Tonkrüge. – Wie München 600, 4r. Vgl. FWB, Nr. 50 (Kramer 1995, 175f.) und Beschreibung in Wien 5135, 49v.
6v = Gießen (Schmelzen) von Salpeter. Ein Pulvermacher verrührt den Salpeter unter Beimengung von Schwefel (oder eines der erwähnten Färbemittel ?) in dem Tontiegel, der von einem Gehilfen links an einer Stange über einen dreibeinigen Feuerbock gehalten wird. – Wie München 600, 4v.
7r = Läutern von Salmiak. Ein Pulvermacher vor einem Henkelgefäß, in dem der mit Essig versetzte Salmiak durch Sieden über offenem Feuer ausgetrocknet wird; in der erhobenen Rechten hält er ein geknicktes Rohr über den Fassförmigen Kesselaufsatz, in der Linken einen Gegenstand (ein Stück trockener Salmiak ?). – Wie München 600, 8r, dort mit flüchtig gemalter Schulterbogenrahmung. Vgl. FWB, Nr. 67 (Kramer 1995, 183 f.).
7v = Herstellen von Salpertica. Ein Mann schabt von einem großen, an einer Stange aufgehängten irdenen Henkelgefäß den auskristallisierten reinen Salpeter in ein Schaff in seiner Linken; vor ihm ein weiterer, mit dem weißlichen Stoff gefüllter Behälter. – Wie München 600, 8v. Vgl. FWB, Nr. 66 (Kramer 1995, 183) und Gefäß in Wien 5135, 37v.
8r = Färben von Pulver. Ein Pulvermacher zerstampft den Farbstoff in einem Mörser; auf dem Tisch weitere der erwähnten Substanzen (ein kreuzförmiges Holzstück sowie eine rot/gelbe und grün/gelbe Scheibe); darüber aufgehängt eine Balkenwaage. – Wie München 600, 7r. Vgl. FWB, Nr. 72-75.
8v = Laden einer Steinbüchse. Zwei Männer demonstrieren mit Zeigegesten das richtige Maßverhältnis von Büchsenlänge und Pulverladung. Der rechte stößt einen Stab in die aufgestellte Büchse, um fünf gleiche Teile zu messen, der linke weist den präzise festzulegenden Holzklotz zum Verschluss der Pulverkammer vor. – Wie München 600, 7v. Von Schmidtchen 1990, Abb. 56 links, als Einbringen und Feststampfen des Pulvers gedeutet. Vgl. FWB, Nr. 61 (Kramer 1995, 180) und Beschreibung in Wien 5135, 24r (illustriert durch ein langes Rohr mit fünf Löchern).
9r = Zurichten des Holzklotzes zum Abdichten der Pulverkammer. Ein Mann hackt den auf einem Holzstock liegenden Klotz auf die entsprechende Größe des Büchsenrohres, das ein Gehilfe rechts in der Hand hält. – Wie München 600, 5r. Vgl. FWB, Kramer 1995, 180.
9v = Festlegen der Kugel durch Verkeilen und Verschoppen. Ein Mann hämmert mit einem Schlegel einen Keil in die aufgestellte Steinbüchse, links ein Gehilfe mit kleineren Holzkeilen in den Händen. – Wie München 600, 5v. In Wien 5135, 23v, illustrieren u. a. Büchsenrohr, Keil und Kugel den Ladevorgang.
10r = Vorsichtsmaßnahmen beim 'Beschießen' von Steinbüchsen für den Fall ihres Brechens. Ein Schütze zündet aus gebührendem Abstand von hinten die lafettierte Büchse. Um sich vor den wegspringenden Eisenteilen des berstenden Rohres zu schützen, hält er die Linke vor das Gesicht. – Wie München 600, 6r. – Vgl. FWB, Nr. 63 (Kramer 1995, 181).
10v = Einschießen einer neuen Steinbüchse. Ein Schütze nimmt den Belastungstest vor, indem er mit vor das Gesicht gehaltener Linken die verkeilte Büchse zündet; diese mit der Mündung nach unten aufgestellt und mit kugelförmigem Aufsatz. – Wie München 600, 6v.
11r = Laden und 'Beschießen' (?) einer Handbüchse. Ein Schütze hat eine Klotzbüchse unter den Arm geklemmt und hält an ihre Mündung eine gegabelte Stange zum Verschoppen. Gegenüber ein Gehilfe mit einem gelochten, topfförmigen Geschoss in der Rechten; am Boden vor einem Pulversack weitere dieser 'Klötze' aus Eisen oder Blei, die hintereinander in die Büchse geladen und mit einem Pfriem (die Stange in der Linken des Assistenten ?) durchstoßen werden sollen. Vgl. drei Angaben im Inhaltsverzeichnis: wie man ply schusset – wie man die handpuchsn beschiesn sol – wie man die klotz puchsn fasset. – Wie München 600, 10r. Vgl. die Anleitung und Handbüchse mit Utensilien in Wien 5135, 27r-27v.
11v = Kriegsschiff mit hoher Schutzverplankung, aus der bugseitig eine Büchse herausragt; im Mastkorb zwei Krieger mit stachelbewehrten Brandkugeln. – Wie München 600, 10v.
12r = 'Widder'. Rammsporn, der von einer sechsköpfigen Mannschaft in einem fahrbaren Gestell mit Schutzdach bewegt wird.
12v = Abfeuern eines 'streichenden' Schusses über Wasser. Vor einem Felsufer zwei aufeinander zusteuernde Boote. Im linken hält ein behelmter Schütze den benötigten Holzklotz mit dem Würfel darüber demonstrativ in die Höhe; sein Gegner betätigt den Hebel des Enterhakens seines Bootes. – In Wien 5135, 28r, ist die spezielle Schusstechnik beschrieben und mit einem Boot illustriert.
13r = Geflochtener Schutzvorhang, der an einem Spannseil über Laufrollen der seitlichen Pfosten bewegt werden kann. Dies demonstriert ein am Seilwerk ziehender Krieger. – Wie München 600, 11r, dort jedoch das Flechtwerk schachbrettförmig. Eine ähnliche Konstruktion in Wien 3062, 94r (kriegstechnische Sammelhandschrift, 2. Viertel 15. Jh.).
13v = Wurfkugeln. Ein Verteidiger wirft von einem Zinnenturm Kugeln (eventuell Rauchkugeln) auf eine Kriegerschar innerhalb der Ringmauer. Die Geschosse zweigeteilt und in teils offenem, halbiertem Zustand. – Wie München 600, 11v.
14r = Flusssperre. Auf dem Wasser in felsigem Ambiente treibt ein Floß mit Kriegern auf ein sichelbewehrtes Spannseil im Vordergrund zu; links ein hoher Turm. – Wie München 600, 22r. In Wien 5135, 39v, illustrieren Floß und Seil den Schutz von Brücken; vgl. z. B. auch ein späteres Beispiel in Wien 5014, 9r.
14v = Folterkragen. Ein Mann legt einem Knaben das Halseisen mit inwendigen Stacheln an; links trägt ein weiteres Opfer bereits den Eisenring um den Hals. – Ein ähnlicher Reiftypus in Göttingen 63, 126ra.
15r = Abschuss eines 'Igels' (eine mit Eisenstücken gefüllte Eisenkugel, die beim Aufprall zerspringt). Ein Schütze zündet eine lafettierte Feldbüchse; in der Linken hält er die Kugel, eine weitere fliegt über der Büchse, vor der Mündung die Eisenstücke. – Vgl. die Beschreibung (mit Illustration des Geschosses) in Wien 5135, 29v; weiters FWB, Nr. 87, 89 (Kramer 1995, 194).
15v = Schutz vor dem Zufrieren eines Weihers. Zwei Männer (der linke mit Stange, der rechte mit Kelle und Gefäß) richten bzw. tränken ein weißes, über ein rundes Wasserbecken gespanntes Netz mit einem Gemisch aus Harz, Honig und Öl; in der Mitte ein Zinnenturm. – Zum für Wasserhäuser nützlichen Verfahren (mit Wiedergabe einer Gitters) s. Wien 5135, 18v.
16r = Blide (Hebelwurfgeschütz) mit starrem Gewichtkasten. – Varianten in Göttingen 63, 30r, 48r.
16v = Destilliervorgang (im Detail ungeklärt). Ein Destillierofen mit langem, über einen Balken gelegtem Rohr, das in eine Ampulle führt, auf die ein Mann deutet. Vor ihm auf einem blockförmigen Tisch und in einem Regal dahinter vier weitere Gefäße, hier auch noch drei gelbe Kugeln. Möglicherweise Herstellung von Flüssig-Schießpulver (Grassi 1994, 189), d. h. 'Schießwasser' aus Salpeterwasser, Schwefelöl, Salmiak und 'oleum benedictum' (vgl. FWB, Nr. 88; Kramer 1995, 194).
17r = Scheidung der Pulverbestandteile zur Wiederaufbereitung. Ein Mann steht mit einem Schöpflöffel bei einem Kessel, in dem das mit Essig versetzte Pulver erhitzt wird. Daneben illustriert ein Stofftrichter über einem Zuber das Abseihen der Lösung zur Trennung der Kohle bzw. des Schwefels von Salpeter. – Zum Verfahren vgl. z. B. FWB (Kramer 1995, 176) und Wien 5135, 49v.
17v = Anfertigen einer Eisenkugel. Ein Schmied hält an einer Stange die glühende Kugel über den Schmelzofen, den ein Gehilfe von der Rückseite her mit einem fußbetriebenen Blasbalg belüftet. Rechts ein weiterer Geselle mit einem Zuber zwischen den Beinen und einer Ampulle in der Hand, in der er mit einem Stäbchen umrührt (im Detail ungeklärt). – Wie München 600, 20r. Zum Ofen mit Blasbalg vgl. auch Zürich, Zentralbibl., Ms. Rh. hist. 33b, 136v (Beschreibung bei Grassi 1994, 73, 187).
18r = Doppeltorsystem. Zwei Brettertore, die durch einen Gegenzugbalken abwechselnd hochgezogen und gesenkt werden können. Die Hebevorrichtung von einer Mauer verdeckt, dahinter ein Turm in quadratischer Mauereinfriedung. – Wie München 600, 20v.
18v = Dreifachgeschütz mit nebeneinander montierten Büchsen ('Orgelgeschütz'). Rechts eine Profilfigur, die auf die Spitze der Richtschraube zeigt. – Wie München 600, 12r. Zum Typus vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 108va.
19r = Flusssperre, Variante von 14r. Ein Boot mit Kriegern und Steuermann treibt auf eine stachelbewehrte Lattenschranke zu. Links ein schlanker Rundturm, im Hintergrund das felsige Ufer. – Wie München 600, 12v.
19v = Schießen von Klötzen zur Verteidigung. Ein gerüsteter Angreifer nähert sich im Schutz eines fahrbaren Schirmes einer Festung, aus der zwei Büchsen ('Legstücke') mit Holzpflöcken vor der Mündung herausragen. – Wie München 600, 19r. Zur Schießtechnik s. Wien 5135, 37r, mit Illustration einer entsprechenden Büchse.
20r = Abschuss eines 'Hagels'. Ein auf hügeligem Terrain stehender Schütze zündet eine leichte Bockbüchse, aus deren Mündung mehrere kleine Kugeln austreten. – Diese fehlen in München 600, 19v. Ein entsprechender Geschütztypus mit Rundsockel und Richthorn in Wien 5135 (9r), dort auch der Hagelschuss durch Büchse mit vielen kleinen Kugeln vor dem Flug illustriert (29r).
20v = Vierfachgeschütz. Auf felsigem Terrain links ein Schütze, der mit beiden Armen die drehbare Scheibe mit den kreuzweise montierten Büchsen umfängt; am gestuften Rundsockel ein querliegendes Richthorn. – Wie München 600, 13r. Grundsätzlich ähnliche Typen auch in Wien 5135, 10r, 10v.
21r = Blide mit beweglichem Gewichtkasten, Variante von 16r. – Wie München 600, 21r. Vgl. FWB, Nr. 87.
21v = Fußangeln. Ein Opfer versucht sitzend, einen eingetretenen Widerhaken aus dem Fuß zu ziehen. Sein Protagonist hält drei Fußangeln mit den zugehörigen Verankerungsstiften hoch und demonstriert mit Zeigegestus, wie man sich vor den ins Erdreich gesteckten Angeln schützt, indem er mit dem Fuß eine (Leder-?)Trommel vor sich herrollt. – Wie München 600, 13v, dort zusätzlich ein Kastenraum als Hintergrund. Zum Typus der Haken vgl. allgemein Göttingen 63, 126rb oder Wien 5135, 96v.
22r = Halsgeige. Drei nach rechts schreitende Gefangene sind durch ein langes Halseisen aneinandergekettet. Darüber in Aufsicht ein zweites 'Modell' mit zusätzlichen Ringpaaren (wohl Handfesseln). – Wie München 600, 18r. Zwei Varianten auch in Wien 5135, 65v.
22v = Pfeilschussgerät (Standarmbrust). Ein Schütze bestätigt die Kurbelwinde, die aufgebockte Läuferschiene samt Bogen und abschussbereitem (Brand-)Pfeil in Aufsicht. – Wie München 600, 18v. Ein entsprechendes Gerät auch in Wien 5135, 2r.
23r = Fahrbare Brücke. Ein Angreifer schiebt mit einer Stange das Laufbrett der Brücke über einen Wehrgraben; rechts ein Turm mit überdachtem Holzerker. – Wie München 600, 14r. Zum Brückentypus vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 87v.
23v = Schutzanstrich gegen Brandpfeile. Ein Mann pinselt das gräulichweiße Kalkgemisch an den Giebel einer gezimmerten Hütte; vor ihm ein großer Bottich mit der unbrennbaren Substanz. – Wie München 600, 14v. Ein Rezept aus Kalk, Kuhmist und Asche in Wien 5135, 31r.
24r = Doppelgeschütz. Ein geharnischter Schütze bedient von links den auf einem Rundsockel montierten Schwenkbalken mit Richtscheibe, auf dem zwei leichte Büchsen gegenständig durch Eisenbänder befestigt sind. – Wie München 600, 17r. Ein entsprechender Geschütztypus auch in Wien 5135, 11r.
24v = Büchse auf großer Balkenlafette mit höhenverstellbarer Lade. Unmittelbar links vor der Mündung ein durch den Bildrand fragmentierter Rundturm. – Wie München 600, 17v.
25r = Mange (Torsionsschleuder) mit Wurflöffel. Ein Angreifer spannt mit einer Handkurbel die Seilwinde, um eine Kugel gegen den Turm links zu schleudern. – Wie München 600, 15r. Ein entsprechendes Gerät auch in Wien 5135, 36r.
25v = Steinbüchse auf Lafette mit Richtschraube. Am Fuß des Gewindes ein Stellrad, das von einem am Bodenbalken sitzenden Mann gedreht wird. – Wie München 600, 15v.
26r = 'Revolvergeschütz'. Mehrfachgeschütz mit um eine Zylindertrommel gebündelte Büchsen. Rechts stellt ein Mann mit der Handkurbel der Richtschraube den Abschusswinkel ein. – Wie München 600, 16r. Zum Typus vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 109ra und Wien 5135, 84r.
26v = Schwimmende Befestigung. Ein Ruderboot mit seitlicher Schutzverplankung und erhöhten Fronten. Vgl. im Inhaltsverzeichnis: wie man verdakti schiff machen sol. – Wie München 600, 16v.
27r = Eisenarmierte Wurfgeschosse mit Sprengladung. Eine nach links schreitende Profilfigur hält einen stacheligen, länglichen Sprengkörper zum Wurf erhoben; ein weiteres in seiner Linken bzw. hinter ihm auf welligem Boden. – Diverse, auch entsprechende Explosionsgeschosse in Wien 5135, 60r.
27v = 'Wurfstöcke'. Von den Zinnen eines Rundturms, der von einer Ringmauer umgeben ist, wirft ein Verteidiger zwei mit Sprengladung und Steinen (oder Eisenklötzen) präparierte, durchlöcherte Aststöcke herab. – Vgl. Wien 5135, 30v (mit Illustration des Geschosses).
28r = 'Grundstöcke' zur Abwehr von Katzwagen und Schirmen. Am Fuß eines Turms, von dem ein Verteidiger einen großen Stein herabwirft, sind drei Erdpfähle gegen einen zum Angriff nach vorne gekippten Schirm gerichtet. – Zu Form und Funktion vgl. Wien 5135, 21r, zum Schirmtypus Göttingen 63, 110v.
28v = 'Katzwagen' in Angriffsposition. Vor einem Turm übereinander angeordnet zwei geschlossene Wagen mit eisernen Rammspitzen; der untere weist gezahnte Räder auf. – Vgl. Wien 5135, 7r, 13r ('Maus'), weiters Göttingen 63, 39r ('Mönchskapuze').
29r = Kugelschießen. Ein Angreifer zielt mit einer Kugel auf einen Wehrturm, vor dessen Mauern weitere der gelben Geschosse abgebildet sind; in der Linken hält er eine auf den Boden gestellte Steinschleuder. – Zum Typus der Schleuder mit Stab vgl. Göttingen 63, 128v.
29v = 'Ebenhöhe' zum AngrifIn dem dicht an einen Turm herangefahrenen Sturmwagen ein Krieger mit Lanze und Schild, der die Mauer an einer doppelten, vermutlich als Wippe montierten Sprossenleiter zu erklimmen beginnt. – Zum Typus der Wippe vgl. Göttingen 63, 35v.
30r = Pendelgewichte zur Verteidigung (ähnlich 43v). Von den Zinnen eines Turmes hängen vier Klötze herab; im Vordergrund fällt ein getroffener Angreifer mit Schild und Lanze taumelnd nach rückwärts.
30v = Fahrbare 'Ebenhöhe' mit Auslegerkran zur Erstürmung einer Festung. Im Transportkorb, der über einem Rundturm links hängt, drei Angreifer. – Zum Gerät vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 32v.
31r = Laden einer Steinbüchse (technische Details ungeklärt). Ein Mann, mit zurückgeworfenem Kopf nach oben blickend, hämmert eine Eisenstange in die aufgestellte Büchse. Gegenüber hält ein Gehilfe eine Schale und ein gelbes, geschlossenes Gefäß in den Händen; vor ihm ein Mörser. Am linken Bildrand Scherznotiz: Cristofel daz mawl stet dir offen.
31v = Mehrfachgeschütz. Zwölf radial montierte Büchsen auf einer frontalansichtigen Drehscheibe über einem gestuften Rundsockel; dahinter ein Mann, der die Scheibe von oben mit beiden Armen umfasst. – Zum Typus vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 109rb und Wien 5135, 10r.
32r = Abwehr durch ein Mehrfachgeschütz. Aus dem Tor einer Festung (ein kleiner Giebelbau mit zinnenbekrönter Wehrmauer) ragen drei auf einem Brett montierte Büchsen; deren Wirkung veranschaulichen drei Gefallene im Vordergrund eines geharnischten Sturmtrupps.
32v = Fallbrücke. Ein Angreifer, auf das kippbare Brett getreten, verliert vornüber das Gleichgewicht; links vom Wehrgraben ein fragmentierter Rundturm. – Eine abweichende Konstruktion in Göttingen 63, 89r.
33r = Laden einer Steinbüchse von vorne. Die Büchse in standfester Balkenkonstruktion mit Schutzdach und Richtsporn; vor der Mündung setzt der Schütze den Stein in den Flug. – Zum Schutzdach vgl. z. B. auch Wien 5135, 11r.
33v = Mehrfachgeschütz. Über gestuftem Rundsockel eine Drehscheibe, auf der die Büchsen tangential mit Eisenbändern montiert sind. – Entsprechend dem Typus in Wien 5135, 11v.
34r = Boot mit Doppelgeschütz und zwei rudernden Männern; die Büchsen gegenständig und mit Richtscheibe. – Eine entsprechende Kombination in Wien 5135, 20v.
34v = Messgeräte für den Abschusswinkel. Zwei Männer nehmen die Visierung mit hochgehobenen Quadranten (rechts in Form einer 'Triangel') vor; zwischen ihnen und den beiden hügeligen Standflächen ein größeres Gerät mit Eisenrahmen, geschwungener Mensurleiste und drei Loten. – Alle drei Typen auch in Wien 5135, 42r, 63r, 78v.
35r = Fallgatter. Eine Zinnenmauer mit Rundbogentor, über dem ein (im Notfall herunterlassbares) Lattenbrett angebracht ist. – Eine entsprechende Illustration in Wien 5135, 16v.
35v = Fahrbare 'Ebenhöhe' mit vorderständigem, gekrümmtem Schutzschild.
36r = Vor einem Torturm ein mit Garben beladener Ochsenkarren, hinter dem ein Mann eines der Stroh-(Getreide-?)bündel in die Höhe hält. Als Deutung käme das Einbringen von Vorrat in Frage oder eine bestimmte Angriffs- bzw. Verteidigungstechnik im Festungskrieg (z. B. Strohbündel als Wurfbrände, s. Göttingen 63, 107v).
36v = Gedeckter Brückenwagen mit Schild und Fallbrücke, die an einem Seil über einen Befestigungsgraben herabgelassen wird; links ein fragmentierter Rundturm.
37r = Herstellen von Brandpfeilen. Ein sitzender Mann hält einen Pfeil mit bereits aufgestecktem Brandsatzsäckchen in den Händen; zwischen seinen Beinen ein kleines Fass mit dem aufzutragenden ZündstofLinks über offenem Feuer ein Kessel: entweder für das Schwefel/Harz-Gemisch, in dem der mit einem Tuch überzogene Pfeil zuletzt geschwemmt werden soll (vgl. FWB, Kramer 1995, 190), oder für den Guss einer Brandsatzmodel (vgl. im Inhaltsverzeichnis: wie man die furpfil gusset und Wien 5135, 8r, hier auch Darstellungen von Brandpfeilen 8v, 66r). Darüber fünf große Pfeilspitzen in einem Rahmengerüst. – Zur Pfeilform vgl. auch Göttingen 63, 109va.
37v = Herstellen von Sprengkugeln. Ein Mann hält eine noch unfertige gelbe (in Schwefel geschwemmte) Kugel in der Rechten; seine Linke ruht auf einer der drei vor ihm auf dem Werktisch liegenden, bereits mit Eisendraht umwickelten Geschosse unterschiedlicher Machart (links mit Eisenstacheln, vgl. Wien 5135, 8v). Unter dem Tisch weitere Kugeln in einem Holzschaf– Zum Verfahren siehe z. B. FWB (Kramer 1995, 182); zu den Kugeltypen auch Göttingen 63, 109vb.
38r = Fangnetz. Ein auf einem Holzrahmen aufgespanntes weißes Seilwerk vor grünem Grund; davor bildparallel ein Reiter mit beiden Händen am Netz. – Eine entsprechende Falle in Wien 5135, 42r.
38v = Handbüchse mit einfacher Zündmechanik (Luntenschloss). Ein Schütze hält eine lange Stangenbüchse schräg nach oben und betätigt den Hebel des Hahns; gegenüber gießt ein Gehilfe kniend Kugeln oder Klötze mit einer Kelle. Vgl. im Register eventuell: wie man die holen plyen klotz machet. – Eine entsprechende Büchse in Wien 5135, 63v.
39r = Brückenlegung über einen Wehrgraben. Zwei behelmte Angreifer stehen auf einer mit Greifhaken und Stützpfosten versehenen Fallbrücke; der eine zieht an dem Führungsseil, der Vordermann klappt den Lattenboden nach vorne. Gegenüber die Festung in Form eines kleinen, vom linken Bildrand beschnittenen Rundturms.
39v = Hebegerät zur Erstürmung einer Festung. Ein geschlossener Kastenwagen mit hochschraubbarem Mast, der eine runde, verplankte Hebebühne trägt; darin drei kleine Gestalten. – Ein ähnliches Gerät (jedoch mit Rundsockel) in Wien 5135, 39r.
40r = Turmbeschuss. Ein behelmter Schütze visiert mit einem Quadranten den Abschusswinkel und zündet die auf hügeligem Gelände posierte Feldbüchse. Die Steinkugeln sollen den jenseits des Grabens hoch aufragenden Turm immer auf gleicher Höhe treffen, um ihn zu Fall zu bringen; eine hat ihr Ziel bereits erreicht. – Vgl. die Anleitungen im FWB (Kramer 1995, 181 f.) und in Wien 5135, 30r (mit Illustration von Turm und Geschoss).
40v = Abwehr durch 'Schwefelöl' (?). Zwei Verteidiger schütten aus einem Turm einen gräulichen bzw. rosafarbenen Zündstoff auf einen innerhalb der Wehrmauer dicht gedrängten Sturmtrupp; von außen klettert ein weiterer Soldat mit Schild an einer Leiter die ringförmige Zinnenmauer hoch. – Zur Deutung vgl. die Anleitung zum Beschütten eines Turms mit dem nicht löschbaren 'Schwefelöl' (d.h. einer konzentrierten Schwefelsäure) in Wien 5135, 45r.
41r = 'Dreiphasige Ebenhöhe'. Ein gestufter Belagerungsturm aus drei kastenförmigen Teilen, die mittels eines Schraubenmechanismus hochfahrbar sind (die zugehörigen Drehstangen im Eingang sichtbar); in einer seitlichen Fensteröffnung zwei Köpfe. – Eine Variante in Göttingen 63, 33r; weitere Beispiele bei Grassi, 1994, Abb. 12 f.
41v = Abwehr eines Sturmwagens durch Sprengung (?). Ein Verteidiger geht aus dem Tor einer turmbewehrten Festung auf eine dicht herangefahrene 'Ebenhöhe' zu; diese mit vorderständigem, neigbarem Schutzschild (vgl. Göttingen 63, 41r, 42r). In der Linken hält er einen Quadranten hoch, der gesenkte Stab in seiner Rechten dient vermutlich der Zündung der Sprengkugel unterhalb des feindlichen Wagens. – In Wien 5135, 33r, illustrieren zwei brennende Gefäße unter einem Katzwagen die Sprengung.
42r = Abschuss mehrerer Kugeln. Ein Schütze zündet in abgewandter Haltung eine lafettierte Büchse, aus deren Flug drei Brandkugeln ragen; diese sind auf einem Hohlstift aufgespießt, der die Zündung des Pulvers ermöglicht. – Zur Schusstechnik s. den illustrierten Text in Wien 5135, 82v-83r. Eine andere Deutung als Einschießen bei Schmidtchen (VL2, Bd. 3, Sp. 498) und Grassi 1994, 43, 77; Grassi 1996, 203 u. Anm. 50 f.).
42v = Herstellen einer Kugel (im Detail ungeklärt). Zwei Männer halten mit geschulterter Stange eine rote Kugel in einer Greifzange über einen Kessel, der durch offenes Feuer erhitzt wird und einen rotglühenden Inhalt enthält. Zu deuten entweder als Schwenken der Kugel in einem entzündbaren (?) Stoff (vgl. im Inhaltsverzeichnis: wie man die stein úberzúchen sol) oder als Herausheben der glühenden Eisenkugel nach dem Guss.
43r = Feuerlegen durch Katzen und Tauben. Kriegslist, wonach Brandsätze (Pulver oder brennende Garben) durch Tiere in das feindliche Lager eingeschleppt werden sollen. Ein Mann scheucht mit Steinen einen Vogel, der den Brandsatz (einen runden, gelben Gegenstand) in den Fängen hält, und zwei Katzen mit der Ladung an den Schwänzen zu zwei kleinen Hütten auf ansteigendem Terrain. – Vgl. die Darstellung der Tiere in Nürnberg (Grassi 1996, 210 f., Abb. 13; zu weiteren Beispielen ebd., Anm. 78) und in Göttingen 64a (Friedrich/Rädle 1995, 96r) sowie die Beschreibung in Wien 5135, 18r, mit Illustration einer fliegenden Taube, die dem Brandsatz am Schwanz befestigt hat.
43v = 'Schwenkblock'. Ein zylindrisches Pendelgewicht, das an Zugseilen von einer Zinnenmauer herabhängt, erschlägt mehrere gerüstete Krieger. – In Wien 5135, 16r, eine entsprechende Mauer und zwei Pendel.
44r = Handbüchse für mehrere Geschosse. Ein Schütze hält eine lange Stabbüchse (mit fünf Zündlöchern und Verstärkungsringen) schräg nach oben und zündet mit dem Loseisen; links ein kleinerer Gehilfe mit einem gleichfalls geteilten Büchsenrohr und dem Ladestab für die Klötze in den Händen. – Zur Form der Büchse und des Stabs vgl. Wien 5135, 24r, 25v, 63v.
44v = 'Sturmrohr' (ein mit Brennzeug gefülltes und in Schwefel und Pech geschwemmtes Holzrohr). Ein geharnischter Angreifer hält einen Stab mit gelochtem Fackelaufsatz an das Fenster eines erkerbesetzten Gebäudes. – Vgl. die Beschreibung und Illustration in Wien 5135, 7r, wo allerdings Flammen aus der Mündung schlagen.
45r = Fahrbare Sturmleiter. Ein Angreifer, im Schutz seines Schildes das Schwert ziehend, erklimmt die Mauer eines Gebäudes über eine fahrbare, doppelte Sprossenwippe. – Ein ähnliches, nur standfestes Gerät in Göttingen 63, 35v.
45v = Sturmleiter und -stangen. In der Mitte ein hoher Rundturm, von dessen Fenster eine Strickleiter herabhängt. Zwei Angreifer verankern von beiden Seiten jeweils eine mit Mauerkralle und Zugseil versehene Stange am oberen Mauerrand.
46r = Fahrbahrer Schutzschirm mit gekrümmtem, schräg nach hinten gekipptem Dach, das zwei Angreifer großteils verdeckt.
46v = 'Wipptunnel'. Eine Aufstiegswippe mit seitlicher Schutzverplankung und Fahrgestell dient der Erstürmung eines turmartigen Baus durch sechs geharnischte, bewaffnete Angreifer. – Ein ähnliches, nur standfestes Gerät in Göttingen 63, 33v.
47r = Abwehrstangen und -säcke. An der Zinnenmauer eines kubischen, übereck gestellten Gebäudes zwei stachelbestückte Querstangen; zwei darunterliegende Fensteröffnungen werden von prall mit Steinen gefüllten Säcken geschützt (vgl. die Erklärung in Wien 3062, 184v).
47v = Abwehrgerüst. An einem schlichten Giebelbau mit Turm (eine Kirche?) ist längsseitig ein Gestänge mit zwei Glöckchen befestigt, die offensichtlich als Warnvorrichtung über zwei Rundbogenfenstern hängen; darunter eine stachelbestückte Querstange.
48r = Abwehrstange und -latten für Wehrmauern. Eine stachelbestückte Querstange, die in regelmäßigen Abständen hohe, nach vorne geneigte Schutzbretter trägt; hinter der Mauer ein großer Ansitz mit Erker und Treppengiebel.
48v = Leichte Bockbüchse mit Richtscheibe. Ein Schütze hält das Ende der Büchsenlade und zeigt mit vorgestrecktem Arm den leicht schräg eingestellten Abschusswinkel an.
49r = Umgießen einer Flüssigkeit (im Detail ungeklärt). Eine Profilfigur hält mit beiden Händen einen grünen Becher an ein Schnabelgefäß, das links auf einem Ofen steht.
49v = Feuerwerfer. Ein Angreifer betätigt einen großen Blasbalg, dessen drei vorderständige Rohre gegen einen Turm gerichtet sind. – Ein entsprechendes Gerät in Wien 5135, 70r, wo allerdings Flammen aus den Düsen schlagen.
50r = Destillierung (im Detail ungeklärt). Ein Mann hält betrachtend einen grünen Becher hoch; links vor ihm ein Ofen mit zweiarmigem, grünem Destillieraufsatz, der beidseitig zwei gleichfalls grüne Becher trägt. – Ein entsprechender Gerätetypus in Wien 5135, 47r, zur Herstellung einer als curasif bezeichneten Flüssigkeit (Flüssig-Schießpulver?); möglicherweise jedoch auch als Erzeugung von Schwefelsäure zu deuten – vgl. FWB, Nr. 85 (Kramer 1995, 193).
50v = Fallbock. Auf einem Fahrgestell eine senkrecht montierte Hebelstange mit eisernem Endhaken. Das daran befestigte Seil wird von einem Mann gespannt, der sich nach dem Gegengewicht (eine keilförmige, eisenbeschlagene Ramme mit Ring an der Spitze) umblickt.
51r = Leuchtkugeln zur Sicherung einer Festung bei Nacht. Ein behelmter Verteidiger beugt sich mit vielen, teils roten Kugeln in den Armen über eine runde, bildfüllende Zinnenmauer. Die Deutung ergibt sich aus der Menge der Geschosse. – Vgl. im FWB, Nr. 71 (Kramer 1995, 189), die Beschreibung des Abwurfs von 70 Leuchtkugeln, die im Dunkeln die Lage der Angreifer vor den Mauern klären soll; weiters ein Rezept für Leuchtkugeln in Wien 5135, 32r.
51v = 'Fassschirm'. Im Schutz des fahr- und schwenkbaren Schirms demonstriert ein Mann mit beiden Händen am HolzFass, das als Auflager dient, die Angriffsposition. – Ein entsprechender Schirm soll laut Wien 5135, 35r, zum Anschleichen an eine Stadt verwendet werden.
52r = Sturmbrücke auf Pfählen. Auf einer gekrümmten, über einen Wassergraben gelegten Brücke vier gerüstete Angreifer; vor ihnen rechts das offene Tor eines Vorwerks mit auskragendem Erker.
52v = Verteidigung mit Geschützen. Eine bildfüllende Befestigungsanlage aus Zinnenmauer und dahinter hoch aufragendem Wehrbau. Alle Öffnungen und Zinnen sind mit gekerbten Holzpflöcken bestückt; einige tragen Büchsen ('Legstücke').
53r = Hebemaschine zum Entfernen von 'Grundstöcken'. Auf einem Fahrgestell ein hebbarer Balken, der mit seinem Greifeisen einen spitzen Pfahl aus der Erde zieht; an der Schraubwinde eine kleine Demonstrationsfigur. Ein entsprechendes Gerät in Wien 5135, 37r.
53v = Fördermaschine. In einem nach vorne geöffneten Zylinder bedient ein Mann mit einem Hebel die dreizonig konstruierte Mechanik mit senkrechter Antriebswelle und zwei Zahnradwalzen. Zuoberst ragen zwei Balken nach außen, die Laufrollen für ein Seil mit Kugelgewichten tragen; im Inneren wohl zugehörige Winden und eine weitere Eisenkugel an der Antriebswelle. Von Grassi 1994, 183 als Ziehbrunnen gedeutet.
54r = Verbrennen eines Feindes. Ein Mann wirft Brennstoff aus einer Schale auf das Opfer, das links über einer Feuerstelle mit einem Gegengewicht an einem Balken aufgeknüpft ist. – Eine in Details abweichende Anweisung in Wien 5135, 59r.
54v = Schwimmgerät. Ein nur spärlich mit einer 'Badehose' bekleideter Mann watet durch ein welliges Gewässer; vor ihm ein aufblasbarer Ledersack mit Schnallriemen (in Art eines Schwimmgürtels), der offensichtlich als Luftkissen dienen soll. – Ein formal abweichendes Gerät in Göttingen 63, 131v.
55r = Gewinnung von wildem Salpeter (Mauer- und Natursalpeter). Links schabt ein kniender Mann mit einem Reisigbündel den an einer feuchten Mauer gezogenen Salpeter in ein Schaff; desgleichen nimmt sein Gefährte daneben mit einem Pickel an einem grünen Felsen vor, auf dem der aus den Bergen gewonnene Salpeter ebenfalls in Form weißlicher Flocken abgebildet ist. – Zum Mauersalpeter vgl. FWB, Nr. 6 (Kramer 1995, 159).
55v = Salpetergewinnung in einem Sieb. Zwei Männer seihen eine Lauge (aus Weinstein, Salz, Kalk und Harn) in einen Bottich ab, um den Salpeter in dem Sieb wachsen zu lassen. – Zum Verfahren vgl. FWB, Nr. 8. Von Grassi 1994, 142 als Umleeren der Salpeterlauge von einer Holzwanne in eine andere als Teil des Läuterungsverfahrens gedeutet.
56r = Salpetergewinnung in einem porösen Tongefäß. Zwei Männer schaben mit gefiederten Stäben den ausgewachsenen Salpeter von einer irdenen Vase in Schalen; das hohe Gefäß steht auf einem Dreifuß. – Zum Verfahren vgl. FWB (Kramer 1995, 159).
56v = Lagerung von Rohsalpeter. Ein die Bildbreite einnehmendes Gebäude, das ebenerdig in Arkaden und im Obergeschoß in große Rechteckfenster geöffnet ist; unter blauem Satteldach der Trockenboden, übersäht von weißen Salpeterflocken. Im Raum darunter steht ein gestikulierender Salpetersieder bei einer Feuerstelle mit Kessel; daneben ein SalpeterFass und ein Gehilfe, der ein Schaff fortträgt.
57r = Läutern von Rohsalpeter. Ein Salpetersieder rührt den (mit Wein oder Essig versetzten) Salpeter in einem über offenem Feuer erhitzten Kessel; der graue Gegenstand in seiner Linken meint wohl das zum Abseihen benötigte Tuch. Links ein Bottich und ein weiterer Kessel für das Umschütten der Flüssigkeit vor dem Auskristallisieren des reinen Salpeters. – Zum Verfahren vgl. FWB, Nr. 8-10, 13 (Kramer 1995, 159).
57v = Herstellen von Zündpulver. An einem Werktisch zerreibt der Pulvermacher mit einem kleinen weißen Quader die Pulverbestandteile auf einem Reibstein; dahinter ein Regal mit drei Gefässen. – Vgl. FWB, Nr. 58 (Kramer 1995, 179).
58r = Brennstäbe oder Zündschnüre (?). Ein frontal stehender Mann hält neben sich zwei aufgestellte Stäbe in den Händen. Die gedrehte Form des linken erinnert an Wien 5135, 32v, wo eine Art gedrehte Kordel und eine flammende Zündstange ein fewr luder (ein lange brennendes, mit Werg umwundenes Stöckchen) illustrieren; vgl. auch die Methode zum Transport von Feuer mit speziell behandelten Binsen im FWB, Nr. 84. Von Grassi 1994, 188 dagegen als Umwickeln eines Holzstabs mit einem Hanfseil (zur Seilherstellung ?) gedeutet.
58v = Durch Nässe entzündbares Pulver. Eine Profilfigur hält eine grüne Ampulle und einen kleinen rot/grünen, offensichtlich erhitzten Gegenstand zur Sonne hoch, die auf beide, nochmals links auf hügeligem Terrain abgebildeten Objekte herabscheint. – In Wien 5135, 53v, illustrieren Sonne, ein Becher und ein stab- oder dochtartiger Gegenstand (wohl der beizufügende Feuerstein) die Herstellung dieses speziellen Pulvers. Von Grassi 1994, 192 dagegen als Schwefel- oder Pulverproben (Entzünden eines in einer Flüssigkeit getränkten Stabes durch Sonnenbestrahlung ?) gedeutet.
59r = Ausklappbare Sprossenstange. Ein Mann zieht am unteren Ende der zusammengelegten Leiter mit eisernem Fußstück. – Ein entsprechendes Gerät in Wien 5135, 84v.
59v = Sturmleiter aus zusammengesteckten Gliedern und Sprossen, die ein Angreifer erklimmt; ein Mauerhaken dient der Befestigung an einem Turm links. – Ein entsprechendes Gerät in Wien 5135, 41r; eine Variante in Göttingen 63, 67r.
60r = Anlegen eines Schwimmgürtels. Ein nackter Mann hält einen Riemen und den Atemschlauch des um den Leib und zwischen die Beine zu schnallenden, luftgefüllten Lederreifens mit beiden Händen vor sich, um mit angezogenem, linkem Bein hineinzusteigen. – Zum Gerät vgl. Göttingen 63, 66r.
60v = Schwimmgürtel mit Atemschlauch und vier Riemen bzw. Schnallen. – Vgl. Göttingen 63, 63v.
61r = Archimedische Schraube. Ein erhöht stehender Mann betätigt mit einer Handkurbel die schräg gelagerte Wasserhebeschnecke; auf einem Hügel gegenüber ein kleiner (Brunnen-?) Bau. – Zum Gerät vgl. Göttingen 63, 63r.
61v = Tauchgerät in Form eines Lederstiefels mit Metallsohle, Schnallriemen und Luftschlauch.
62r = Anlegen eines Schwimmgürtels. Ein nackter Mann schnallt das um den Leib gelegte lederne Gerät vorne zu. Der zwischen seinen Beinen nach vorne durchgezogene lange Atemschlauch steht schräg nach oben. – Zum Typus vgl. Göttingen 63, 55r.
62v = Anwendung eines Schwimmgürtels. Ein nackter Mann hält den Atemschlauch des angelegten Geräts an den Mund und bläst mit dicken Backen hinein. – Zum Typus vgl. Göttingen 63, 63v.
63r = Anbringen einer Strickleiter. Ein Mann hält die von einem Turm herabhängende Leiter und die zum Befestigen der Mauerkralle notwendige Gabelstange. – Zu den Geräten vgl. Göttingen 63, 71r.
63v = Montage einer zusammensteckbaren Sturmleiter. Zwischen zwei Teilen der Leiter steht ein Mann mit Eisenklammer (hier wie ein Hammer geformt) und langem Hülsenstück (eine beidseitig gegabelte Stange) in den Händen. – Zum Typus vgl. Göttingen 63, 69r.
64r = Steigleiter in Scherengitterform ('Natter', 'Nürnberger Schere'). Variante mit zwei Zugseilen, auf die ein Mann den linken Fuß gestellt hat und anzieht. Die Leiter steht schräg in der Landschaft; im Hintergrund eine Festung auf einem Hügel. – Ein einfacherer Typus ohne Seile in Göttingen 63, 70v, 82r.
64v = Fahrbare Schutzhütte für eine Büchse. Über dem Satteldach ragt ein hoher Steigbaum mit gegabelter Mauerkralle au– Zum Sprossenaufsatz vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 71v, zur Hüttenform ebd., 108r.
65r = Steigleiter aus Schnallriemen, Sprossen und mit einem Seil befestigtem Rollsatz. Rechts daneben hält ein Mann eine Kurbel (?) an die Leiter. – Zum Typus vgl. Göttingen 63, 68r.
65v = Taucher mit Atemblase vor dem Mund. Eine nackte, unter Wasser nach links schreitende Figur, die mit Dolch und Spitzdegen bewaffnet ist. – Vgl. Göttingen 63, 62r.
66r = Taucher mit Lederanzug und -helm. Eine unter Wasser nach links schreitende Profilfigur mit Spitzdegen und Lanze. – Vgl. Göttingen 63, wie oben.
66v = Leitergerüst. Fünf kreuzförmig zusammengesteckte und mit einem Seil verspannte Sprossenstangen. – Typus der einzelnen Leitern wie Göttingen 63, 70r.
67r = Sturmwagen in Form einer getigerten Katze mit Rammsporn und Scheibenrädern. – Eine Variante in Göttingen 63, 38v.
67v = Erhitzen von Brandkugeln. Ein Mann holt mit einer Greifzange eine von vielen rotglühenden Kugeln aus einem flammenden Ofen; davor eine lafettierte Büchse. – In Wien 5135, 17v, illustriert ein Haufen flammender Kugeln einen passenden Text (100 oder 200 Büchsensteine werden in einem Kalkofen erhitzt und dann in die Stadt geschossen).
68r = Zwei Lederstiefel, wie 61v, nur ohne Metallsohlen.
68v = Verteidigungslist gegen Mauerbrecher: Würfel zeigen bei einem Angriff die Schwachstelle der erschütterten Mauer an, durch die der Verteidiger sodann durchschießen kann. Auf einem kubischen Wehrbau liegen sechs Würfel sowie ein Stundenglas und ein Trinkbecher als weitere 'Seismometer'. Rechts an der Mauer eine Büchse in einer fahrbaren Schutzhütte. – Vgl. die Beschreibung und Illustration derselben drei Hilfsmittel in Wien 5135, 17r; weiters FWB, Nr. 70 (Kramer 1995, 188).
69r = 'Sporn'. Ein rautenförmiges, eisenbewehrtes Sturmgerüst für Pferde. – Eine Variante in Göttingen 63, 15r.
69v = Ribalde (ein zweirädriger Kampfwagen) in Form eines bestachelten Menschenkopfes. – Vgl. Göttingen 63, 27r.
70r = Steighandschuhe und -stiefel. Ein Angreifer mit krallenartigem Kletterzeug an Händen und Füßen steht bei einer Steigstange, die mit einem Seil umwickelt und an einem Turm befestigt ist. – Entsprechende Steiggeräte in Wien 3062, 67r, 70r.
70v = 'Hagelbüchse mit Pfeilen'. Ein Schütze zündet die in einen Holzzylinder gebettete Büchse, aus deren Flug ein Pfeilbündel ragt. – Eine entsprechende Büchse in Wien 5135, 72v; vgl. auch FWB, Nr. 86 (Kramer 1995, 193).
71r = Vierrädriger Kampfschild mit vorder- und seitenständigen Eisenstacheln und drei Führungsstangen. – Eine entfernt verwandte Schutz- und Stoßwaffe in Göttingen 63, 100r.
71v = Ribalde mit vorderständig vier Schwertern zwischen zwei Lanzen und Radsicheln. – Eine Variante in Göttingen 63, 23r.
72r = Ribalde mit vorderständig sechs Eisenstacheln und drei Führungsstangen.
72v = Ribalde mit vorderständigen, paarweise auf zwei Bögen montierten Lanzen zwischen jeweils zwei Schwertern sowie drei Führungsstangen.
73r = Speerspitze, als MEUFATON bezeichnet. – Vgl. Göttingen 63, 11v.
73v = Stachelbewehrter Kampfwagen in polygonaler Zylinderform mit seitlichen Stacheln und vorderständig einer Büchse.
74r = Keilförmiger, geschlossener Kampfwagen mit seitenständigen Sicheln und Büchsen. – Eine Variante in Göttingen 63, 16r.
74v = 'Sporn'. Sechsrädriger, keilförmiger Kampfwagen mit Eisenstacheln am Rahmen. – Eine Variante in Göttingen 63, 21r.
75r = Ribalde mit vorderständigem Vierzack und Doppelsicheln. – Vgl. Göttingen 63, 22v oder Wien 5278, 19v ('Kleine Muräne').
75v = Ribalde mit neun vorderständigen Stacheln mit Zweizackspitzen und Radsicheln. – Ähnlich dem 'Geheimen Wölfchen' in Wien 5278, 143r.
76r = Ribalde mit neun vorderständigen, unterschiedlich großen Stacheln, jeweils drei Radspornen und drei Führungsstangen.
76v = Angelhaken. – Vgl. Göttingen 63, 65v.
77r = 'Krebs'. Sechsrädriger, eiserner Kampfwagen mit umseitiger Sichel- und Stachelbewehrung; die üblichen Augenpaare fehlen hier. – Vgl. Göttingen 63, 13r.
77v = 'Spanische Reiter'. Zwei stachelbewehrte Holzbalken; einen davon hält ein Mann offensichtlich zum Wurf erhoben, obwohl das Gerät für Verschanzungen gedacht ist. – Vgl. drei Versionen in Göttingen 63, 46r).
78r = Rammbäume in vier Varianten, davon einer auf Rädern, ein zweiter schräg aufgestellt.
78v = Schutzhütte für Büchsen (zwei ragen seitlich heraus), mit großen Speichenrädern und Rammsporn.
79r = Geschlossener, vierrädriger Kampfwagen mit fünf vorderständigen Stacheln, seitlichen Doppelsicheln und drei Führungsstangen. – Vgl. grundsätzlich Göttingen 63, 25v.
79v = Pferdezügel (?). Ein frontal stehender Mann präsentiert zwei Teile eines Schnallriemens; zwei zugehörige Eisenstücke liegen am Boden. – Genau entsprechende Einzelteile in Göttingen 63, 125r, von Quarg 1967 als Folterwerkzeuge gedeutet; dagegen werden sie z. B. in Wien 5278, 28r, als eine Art Zügel (aluta) beschrieben, um ein Pferd zu Fall zu bringen.
80r = Schneereifen in zwei Varianten, jeweils diagonal versetzt angeordnet. Das eine Paar mit Bindstricken, das andere in Form verknoteter Strohbündel. – Vgl. Göttingen 63, 62v.
80v = Fünfspießiger Eisenschild auf einem Fahrgestell, hier missverständlich liegend (um 90 Grad gedreht) wiedergegeben. – Vgl. Göttingen 63, 127vb.
81r = Rechteckiger, schräggestellter Holzschild mit Lattenboden auf Rädern.
81v = Herstellen von Knollenpulver (?). Ein Pulvermacher greift mit beiden Händen in einen Bottich, der auf einem Tisch steht, wohl um das zerstoßene und mit Weinessig versetzte Pulver zu kneten. Die gehärteten (in runde Formen gedrückte, gestürzte und getrocknete) Knollen sind offensichtlich in einem Schaff am Boden als eiförmige, weißlich-graue Ballen wiedergegeben; daneben ein weiterer, hoher Bottich. – Zum Verfahren s. FWB, Nr. 41.
82r = Ungeklärtes Verfahren. Ein Mann weist rechts auf einen Trog, in den Wasser aus einem Rohr fließt, und links auf ein Fass, das in einem torartigen Ofen (?) steht und einen Bottich speist; in diesem zwei Kugeln.
82v = Fahrbahre, gedeckte 'Ebenhöhe' mit zylindrischem, plankenverkleidetem Ausguck. Der Schutzwagen ist rückseitig geöffnet und mit Sprossen versehen, an denen ein Angreifer emporsteigt.
83r = Rautenförmig verknüpfte Strickleiter, an der ein Angreifer eine Mauer erklimmt.
83v = Spannbock für Armbrüste. Ein Schütze mit geschulteter Armbrust betätigt den zugehörigen Hebel. – Ein entsprechendes Gerät in Wien 5135, 31v (hier der Hebel nochmals separat abgebildet); eine Variante in Göttingen 63, 78r.
84r = Schwimmschuhe. Ein Mann demonstriert damit das Gehen über Wasser. In der Rechten hält er, wohl zur Balance, einen Stab mit ballenförmigen Enden, in der Linken einen eisernen Rundschild mit Sporn. – Ein späteres, italienisches Beispiel für einen 'Wasserläufer' bei Feldhaus 1931, Abb. 441; zur Schildform vgl. Göttingen 63, 127ra.
84v = Verbrennen eines Pfahls unter Wasser. Von einem Steg aus entzündet ein Angreifer mit einem Feuerstab den unter Wasser befindlichen und mit einem (ölgetränkten) Tuch umwickelten Pfosten. Gegenüber am Ufer ein Beobachter auf einem Rundturm. – Zum Verfahren s. Wien 5135, 85r (illustriert mit einem umwickelten Pfahl, in dem zwei Pfeile stecken) und FWB, Nr. 90.
85r = Lastenaufzug (?). Von der Decke eines Kastenraums mit Mittelnische hängt ein Seil, an dem ein zylindrisches Gehäuse aus Holzlatten, Eisengitter und einer Winde befestigt ist; diese wird von einem Mann im Hintergrund bedient.
85v = Auswindetechnik (im Detail ungeklärt). In einem Kastenraum, der analog zu den fünf folgenden Darstellungen einen Verkaufs- oder Handwerkerladen bezeichnet, hält ein Mann hinter einem Tisch mit beiden Händen ein zusammengerolltes Tuch über ein SchafEventuell als Entwässern von Laugen zu deuten (Grassi 1994, 145). Monochrom lila.
86r = Rührvorgang (im Detail ungeklärt). Ähnliche Komposition, monochrom grün. Ein Mann gießt aus einem Henkelkrug eine Flüssigkeit in eine Schale und rührt mit einem Stäbchen darin um.
86v = Fassen einer Pulversubstanz (im Detail ungeklärt). Ähnliche Komposition, monochrom blau. Ein Mann greift in einen Sack und häuft mit einem Stab das Material auf einem blockförmigen Tisch auf. Eine Deutung als Herstellen und Trocknen von Knollenpulver (Grassi 1994, 143) eher fraglich, verglichen mit der besser dazu passenden Illustration auf 81v.
87r = Abwägen einer Pulversubstanz (im Detail ungeklärt). Ähnliche Komposition, monochrom gelb/braun. Ein Mann hinter einem runden, dreibeinigen Tisch fasst in einen vasenförmigen Behälter und hält eine Handwaage.
87v = Siebvorgang (im Detail ungeklärt). Ähnliche Komposition, monochrom schwarz/grau. Ein Mann mit ins Profil gedrehtem Kopf hält mit beiden Händen ein großes, flaches Sieb. Bei Grassi 1994, 144 fragliche Deutung als Haltbarmachung von Pulver.
88r = Umleeren einer Pulversubstanz (im Detail ungeklärt). Der Kastenraum hier mit polygonal vorkragender Decke. Monochrom rot. Zwei Männer stehen vor bzw. hinter einem blockförmigen, arkadierten Tisch. Der vorderere, in Rückenansicht, schüttet den Inhalt eines Beutels in einen Sack, den ihm sein Gegenüber aufhält.
88v = Transport einer Büchse im Gelände. Monochrom grünlich-ocker. Auf felsigem Terrain ein nach links schreitender Mann, der ein geschultertes Brett und eine Büchse trägt. Die zugehörige Ladung illustrieren ein Fass und ein Sack zu seinen Füßen.
89r = Schlafmittel als Kriegslist. Ein Mann mit geschultertem Stab und zwei Trinkflaschen verlässt, sich nochmals verstohlen umblickend, eine Festung. Die Wirkung seines Trunks verdeutlichen vier schlafende Mauerposten und ein Torhüter, der mit geschlossenen Augen aus einer Flasche trinkt. – Rezepte für Schlaf- und Betäubungsmittel (mit abweichender Illustration) z. B. in Göttingen 63, 86v, 87r, 88r.
89v = Erdförderung. Seilzug mit geflochtenem Förderkorb, den ein Mann über einen Wehrgraben in das felsige Erdreich einer links aufragenden Festung kurbelt. – Ein entsprechendes Gerät zum Aufwerfen bzw. Ausheben eines Grabens in Wien 5135, 32r.
90r = Drehen von Brandpfeilen. Hinter dem Balkengerüst einer mit Werkzeug übersähten Drehbank formt ein Mann, den linken Fuß in einer Antriebsschlinge, mit dem Messer einen Pfeilschaft. Am Boden ein Korb mit Brandsatzhülsen. – Vergleichbare Pfeilformen mit verbreiterten Schaftköpfen in Göttingen 63, 75v.
90v = Sprengung eines Geschützwagens. Eine dicht an das Tor einer Festung herangefahrene 'Ebenhöhe', deren Bretter zusammen mit der vorne herausragenden und an der Mündung zugepfropften Büchse bersten. – In Wien 5135, 40r, illustrieren eine flammende Büchse mit spitzem Klotz davor das sogenannte Brechen von Büchsen.
Nachgetragene Pinselzeichnungen in den folgenden vier von acht freigebliebenen Bildrahmen der Erstausstattung, 2. Hälfte 15. Jahrhundert
92r = Büchsenheber (unkoloriert). Balkenkonstruktion nach dem Flaschenzugprinzip mit Rücklaufsicherung durch einen Sperrkranz; die Büchse mit abgebildet. – Grundsätzlich vergleichbar z. B. München 197 I, 2r, 42v (um 1470/1480; s. Hall 1979) und München, Deutsches Museum, Inv.-Nr. 1949–258 (um 1470; s. KdiH digital, Nr. 39.5.2); auch als Zug für Büchsen und Glocken beschrieben (s. dazu Kat. Kuenringer 1981, 88 f., Kat. 79 [E. Szameit]).
92v = Büchsenheber (unkoloriert). Windenkonstruktion nach dem Schraubenprinzip; die Büchse mitabgebildet. – Vgl. München 197 I, 9r, 37r (weitere Beispiele bei Hall 1979, 46); des Weiteren z. B. Heidelberg 126 (datiert 1496).
93r = Glockenheber (unkoloriert). Flaschenzug-Konstruktion wie 92r, jedoch mit schrägen Strebestützen; die Glocke mitabgebildet. – Erwähnt mit weiteren Beispielen bei Hall 1979, 44.
94v = Diverse Steiggeräte (koloriert). Eine zusammengeschraubte lange Stange mit angesetzter Mauerkralle, ein Seil an einem Haken und Einzelteile (drei Aufhängevorrichtungen?, eine Schraube). – Dieselbe Kombination in Göttingen 63, 72r.
Kunsthistorischer Kommentar:
Ikonographie
Das Wiener Büchsenmeisterbuch zählt zu den umfangreichsten und frühesten Exemplaren kriegstechnischer Bilderhandschriften, deren Überlieferung sich in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts auf Böhmen, Süddeutschland, Österreich und Italien konzentriert. Anschaulich demonstrieren Figuren den langwierigen Prozess der Schießpulverherstellung und -wiederaufbereitung, den Gebrauch von Feuerwaffen oder sonstigem Kriegsgerät sowie zahlreiche Schuss-, Angriffs- und Verteidigungstechniken. Die Spannweite reicht von der Gewinnung der Rohmaterialien für das Pulver bis zu diversen chemischen Verfahren – in Ermangelung von Beitexten sind diese nicht immer genau bestimmbar –, vom Einschießen einer Büchse bis zum Festungskampf mit den verschiedensten Kriegslisten. All das gehörte zu den beruflichen Anforderungen der Büchsenmeister, die historisch seit den 1370/1380er Jahren fassbar sind. Im engeren Rahmen illustrierter Büchsenmeisterbücher gelten Cod. 3069 und die stark fragmentierte Schwesterhandschrift München 600 als die ältesten Vertreter dieses Genres. Die detaillierten Darstellungen geben einen umfassenden Einblick in die aktuelle, mit Aufkommen der Feuerwaffen im deutschsprachigen Raum im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts revolutionierte Kriegspraxis und sind wegen ihres frühen Entstehungsdatums realkundlich höchst bedeutsam.
So finden sich in Cod. 3069 und München 600 beispielsweise die ältesten figürlichen Illustrationen zur Pulvererzeugung und zum Laden von Steinbüchsen, die die charakteristische frühe Form mit kurzem Flug aufweisen. Zeitaktuelles Kriegsgerät ist etwa auch durch eine Handbüchse mit Luntenschloss im Wiener Exemplar dokumentiert. In der Fachliteratur zur spätmittelalterlichen Kriegstechnik und Waffenkunde haben solche Darstellungen vielfach Beachtung gefunden (dazu grundlegend Schmidtchen 1977, Schmidtchen 1990). Über die gesamte Bilderfolge in München 600 informiert schließlich Leng 2000 unter Berücksichtigung der entsprechenden Darstellungen in Cod. 3069. Alle 40 Illustrationen der Münchener Handschrift besitzen detailgenaue Entsprechungen in Cod. 3069, 1r-26v (vgl. z. B. München 600, 1v, 18r). Dennoch vermutet Leng mit Recht eine gemeinsame Vorlage entgegen der älteren Meinung, dass der Wiener Codex eine Bearbeitung von München 600 wäre (Jähns 1889). Zum einen kommen mehrere Bilder im besagten Bereich des Cod. 3069 (3rv, 5rv, 12rv, 14v, 15rv, 16rv, 17r) in München 600 nicht vor. Umgekehrt wiederum finden sich dort rudimentäre Architekturrahmungen öfter als in Wien. Aufschlussreich sind auch die Unterschiede in der Reihenfolge der Bilder.
Zur Erforschung der Quellen und der entwicklungsgeschichtlichen Stellung des Cod. 3069 innerhalb der ersten Generationen illustrierter Kriegshandschriften leistete Oberst Heinrich Schulte erste Vorarbeiten. Seine in die Handschrift eingeklebte Konkordanzliste von 1909 erfasst bereits drei ikonographisch relevante frühe Bilderzyklen aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts: München 600, Konrad Kyesers 'Bellifortis' (als Vergleich dient Schulte das Exemplar Wien 5278) und das Büchsenmeisterbuch Wien 5135. Von den späteren, ab dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts vermehrt überlieferten Kriegsbüchern zieht Schulte unter anderem noch Wien 5014 heran. Dieser als Kriegs vnnd Pixenwerch bezeichnete, vermutlich um 1440/1452 entstandene Codex repräsentiert denselben Typus einer kriegstechnischen Bilderhandschrift mit vorwiegend figürlichen Illustrationen wie Cod. 3069, wenngleich in viel aufwändigerer Form mit Deckfarbenmalereien auf Pergament. Vergleichbar ist die inhaltliche Breite des Programms, in dem etwa auch die Salpeter- und Schwefelprobe, die Herstellung von Zündpulver, eine Flusssperre oder Illustrationen von Apotheker(?)- bzw. Handwerkerbuden vorkommen. Diese sind in wechselnden Farben wiedergegeben und erinnern darin an die monochromen Szenen in Kastenräumen von Cod. 3069, 85v-88r. Die ikonographisch eng mit Wien 5014 verwandte, aus dem Kloster Rheinau stammende Bilderhandschrift Zürich enthält weitere thematische Parallen. Diese sind zum Teil bei Grassi 1994, 141 ff. in einer Konkordanz erfasst, die neben Wien 5014, Cod. 3069 und München 600 auch das sog. 'Feuerwerkbuch von 1420' berücksichtigt, des Weiteren Göttingen 63 ('Bellifortis'), Köln (Büchsenmeisterbuch des Augustinus Dachsberg, u. a. dt. Bearbeitung des 'Bellifortis', 1443) und Nürnberg (Fragment eines gereimten Büchsenmeisterbuches, 1. Viertel 15. Jh.). Der Codex Zürich, der wie Wien 5014 erst gegen die Jahrhundertmitte entstanden sein dürfte – bei Grassi 1994 und Grassi 1996 um 1420/1440 im oberrheinisch-schwäbischen Raum angesetzt –, überliefert ebenfalls eine bereits ausgereifte Form dieser aufwändigen Gattung von nahezu oder gänzlich textlosen Bilderhandschriften. Im Gegensatz zur praxisbezogenen Traktatliteratur ohne Illustrationen (bedeutsam hier das 'Feuerwerkbuch von 1420' – s. dazu besonders Kramer 1995; Berg/Friedrich 1994, 215 ff.) oder lediglich mit solchen rein technischer Natur (z. B. Wien 5135) dürften solche Bilderhandschriften wohl vornehmlich "als kriegstechnische Kompendien mit Prestigecharakter" (Grassi 1994, 86) der Repräsentation des Berufsstandes der Büchsenmeister gedient haben und konnten, wie aus den Dedikationsminiaturen von Zürich und Wien 5014 hervorgeht, auch an hochgestellte Adressaten gerichtet gewesen sein. Im Fall von Cod. 3069 und München 600 fehlen dazu konkrete Hinweise. Zumindest schließt ihr Aufbau mit jeweils bedeutend mehr Bild- als Textraum eine Bestimmung als "Fach- und Arbeitsbuch", wie es das 'Feuerwerkbuch von 1420' darstellt (Kramer 1995, 15), aus.
Texte von Rezeptursammlungen und Beschreibungen diverser Kampfmittel und -techniken bieten die inhaltliche Voraussetzung für die deskriptive Wiedergabe der entsprechenden Themen in Cod. 3069 und München 600. Ein konkreter Zusammenhang mit einer bestimmten Textversion ist jedoch anhand des erhaltenen Materials nicht festzustellen. Beim besagten 'Feuerwerkbuch von 1420', das in fast 50 Abschriften bzw. unterschiedlichen Versionen überliefert ist, handelt es sich um die früheste deutschsprachige Schrift für Büchsenmeister. Die Bezeichnung ist insofern irreführend, als die Urfassung nicht, wie früher vermutet, um 1420, sondern bereits um 1400 zu datieren ist, wobei eine noch frühere Textschicht um 1380 angenommen wird (Kramer 1995, 98 ff., 262 ff.; Verzeichnis der Handschriften nach Hassenstein 1941). Der somit zeitlich knapp vor den beiden Bilderhandschriften liegende Text enthält fast 30 Anleitungen, die inhaltliche Parallelen zu den Bildern bieten. Sie betreffen vor allem das Kernthema der Pulverherstellung (vgl. Cod. 3069, 1r, 2r, 3r-4v, 6r, 7r-8r, 57v, 81v), wozu als wichtiger Teil auch die Salpetergewinnung zählt (vgl. 55r-57r), den Umgang mit Büchsen (vgl. 9r, 10r), verschiedene Ladungen (vgl. 15r, 17v, 20r, 37rv, 70v), den Turmbeschuss (vgl. 40r), Rauch- und Leuchtkugeln (vgl. 13v, 51r), die Verteidigungslist mit dem Würfel (vgl. 68v) und das Pfahlverbrennen unter Wasser (vgl. 84v). Da jedoch die wenigen vorhandenen Texte von Cod. 3069 und München 600 – z. B. bei den Angaben über das Mischverhältnis des Pulvers – nicht genau mit dem Feuerwerkbuch übereinstimmen, ist eine direkte Abhängigkeit mit Kramer 1995 (98, 102) zu bezweifeln. Dennoch ist die Vorbildhaftigkeit von schriftlicher Wissensvermittlung für das Bildprogramm viel glaubhafter als die Vorstellung, dass die beiden Bilderhandschriften Vorläufer des 'Feuerwerkbuchs von 1420' gewesen seien (Leng 2000, 37).
Ein enger thematischer Zusammenhang besteht weiters mit dem 'Streydpuech' Wien 5135, einem bezüglich seiner großen Anzahl an lavierten Federzeichnungen besonders aufschlussreichen Büchsenmeisterbuch, zu dem es noch keine genaueren Untersuchungen gibt. Grundsätzlich vergleichbar ist der gegenüber dem 'Feuerwerkbuch von 1420' stark erweiterte Themenkomplex, der laut Eintrag (Wien 5135, 68r) ausdrücklich als Lehrinhalt für den Büchsenmeister definiert ist. Wie bei Cod. 3069 findet sich neben chemischen Verfahren und Feuerwaffen auch herkömmliches Kriegsgerät: diverses Antwerk (d. h. Belagerungsmittel ohne Feuerwaffen wie Sturmwagen, Leitern, Wurf- und Hebemaschinen), Verteidigungsgeräte (z. B. Schutzfallen, Mauer-, Tor- und Wasserbewehrungen, vgl. Wien 5135, 39v) oder Transportmittel (z. B. Schiffe, Fördermaschinen). Insgesamt bieten sowohl die Texte als auch die zumeist beigefügten, unfigürlichen Illustrationen für mehr als ein Drittel der Bilder von Cod. 3069 passende Vergleiche oder zumindest Erklärungen (s. bei 'Bildprogramm'). Signifikant sind etwa Übereinstimmungen bei Themen wie dem Schutz vor dem Zufrieren eines Weihers, dem Schießen von Klötzen, dem Schutzanstrich gegen Brandpfeile, Fallgatter (Wien 5135, 16v) und Pendelgewichte für Mauern, dem Hebegerät für Grundstöcke (Wien 5135, 37r), dem Verbrennen eines Feindes, dem bei Nässe entzündbaren Pulver oder der Erdförderung (vgl. Cod. 3069, 15v, 19v, 23v, 35r, 43v, 53r, 54r, 58v, 89v).
Auffallend eng sind weiters die zahlreichen formalen Entsprechungen von Geräten auf demselben technischen Niveau: die Form der Büchsen mitsamt ihrer Schwenkvorrichtungen, Montage und Auflager (typisch hier die großen, runden Sockel oder einfache, frühe Lafetten, die etwa auch ganz ähnlich in der frühen Handschrift Nürnberg vorkommen – s. zuletzt Leng 2002, Bd. 2, besonders 266 f.: Schwaben, um 1420/1425), eine erste Form der Zündmechanik (Wien 5135, 63v), diverse Utensilien für chemische Verfahren (Destillieröfen, Behältnisse), Spreng- und Brandgeschosse etc. Vergleichbar ist weiters die schlichte Ausführung der Zeichnungen bei relativ genauer Wiedergabe der wichtigsten funktionellen Details und Materialien (Eisenteile etwa sind, wie üblich, blau laviert). Die vielen Parallelen machen es sehr wahrscheinlich, dass eine Vorlage in der Art von Wien 5135 zur Erstellung des Bildprogramms von Cod. 3069 und München 600 benutzt wurde. Aufgrund der zahlreichen realkundlichen Entsprechungen ist eine etwa gleichzeitige Entstehung von Wien 5135 anzunehmen. Darauf deutet auch die einzige figürliche Darstellung der Handschrift hin, ein geharnischter Ritter (als Illustration einer mit Sprengstoff gefüllten Figur auf 86v), der typenmäßig an den Anfang des 15. Jahrhunderts weist. Allgemein wird für den Codex ein etwas größerer Entstehungsrahmen um 1410/1430 vermutet (Thomas/Gamber 1976, 65 f.; Hall 1979, 21, 133; Kramer 1995, 96: möglicherweise älter als 1430).
Neben der überwiegenden Anzahl von Themen, die in der fachspezifischen Tradition der Büchsenmeisterbücher verankert sind, beinhaltet Cod. 3069 auch Darstellungen, die die Kenntnis von Konrad Kyesers 'Bellifortis' voraussetzen. Diese erste repräsentative, militärtechnische Bilderhandschrift des deutschsprachigen Raums entstand zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Böhmen; das 1405 datierte Widmungsexemplar an König Ruprecht I. von der Pfalz, Göttingen 63, war ursprünglich für König Wenzel IV. bestimmt; ebenso die zweite frühe Fassung in Göttingen 64a, deren Einleitung 1402 datiert ist (Friedrich/Rädle 1995; zu beiden Handschriften zusammenfassend u. a. Berg/Friedrich 1994, 183 ff.). Der Einfluss auf Cod. 3069 zeigt sich vor allem bei Illustrationen ohne direkten Bezug zur pyrotechnischen Praxis und bei realitätsfernem, z. T. aus der antiken Poliorketik schriftlich tradiertem Kriegsmaterial. Eindeutige Indizien dafür sind phantastische Waffen wie die Speerspitze 'Meufaton' (73r), Streitwagen (typisch etwa jene in Katzenform 67r, vgl. Wien 5014, 9r), diverse Stoßwaffen und Ribalden (u. a. mit stachelbewehrtem Menschenkopf auf 69v oder 71v), aber auch sonstiges Gerät wie Folterkragen, Archimedische Schraube, Schwimm- und Tauchbehelfe, Angelhaken, Pferdezügel (?) oder Schneereifen (14v, 60r, 61r, 62r, 62v, 65v, 66r, 76v, 79v, 80r). Der genuine Bilderkatalog des 'Bellifortis' enthält des Weiteren viele Prototypen von Waffen und Antwerk, die in Cod. 3069 auf eigenständige Weise inszeniert wiederkehren. Während im 'Bellifortis' durchwegs ungerahmte Illustrationen mit oder ohne Figuren und Versbeischriften relativ unsystematisch aufeinanderfolgen, steht hier die praktische Anwendung in Form gleichartig angelegter Bilder im Vordergrund. Unfigürliche Darstellungen bilden die Ausnahme: Sie konzentrieren sich auf die Bildfolge von Kampfwagen, -schilden etc. im Abschnitt 69r/81r, die möglicherweise direkt auf eine frühe 'Bellifortis'-Fassung zurückgeht. Diesbezüglich aufschlussreich ist schließlich auch die missverstandene Wiedergabe der 'Spanischen Reiter' auf 77v infolge einer Adaptation dieses Verteidigungsgeräts auf die für Cod. 3069 übliche Art der Inszenierung mit Figuren (vgl. die unfigürlichen Prototypen in Göttingen 63, 46r). Das Wiener Büchsenmeisterbuch liefert somit einen bemerkenswert frühen Beleg für die ikonographische Verbreitung von Kyesers Werk. Damit bestätigt sich einmal mehr die von der Forschung stets zu Recht betonte Bedeutung des 'Bellifortis' innerhalb verschiedener Gattungen von Kriegsliteratur im deutschsprachigen Raum. Als Vorlage für Cod. 3069 könnte eine Sammelhandschrift aus 'Bellifortis' und Büchsenmeisterbuch gedient haben. Solche Mischformen von Bildkompendien und kriegstechnischen Traktaten sind mehrfach überliefert, beispielsweise in Göttingen 64 (s. Friedrich/Rädle 1995), in München 30150 oder in Wien 3062, die jeweils neben dem 'Bellifortis' bzw. einer Bearbeitung desselben auch das 'Feuerwerkbuch von 1420' enthalten.
Stil und Einordnung
Komposition, Farbe, Technik
Stereotype, zumeist ein- oder zweifigurige Darstellungen; die räumlichen und architektonischen Elemente auf das Nötigste reduziert: Innenansichten auf enge Kastenräume, Wehrbauten häufig auf Türmchen, Landschaftsangaben auf schmale Bodenstreifen oder gegebenenfalls auf themenbedingte Motive (z. B. ein Wasserlauf mit baumbestandem Ufer oder eine Festung auf hügeligem Terrain). Hintergründe und teilweise auch Lichthöhungen bleiben von der Kolorierung ausgespart, daher insgesamt sehr helle Wirkung mit partiellen, besonders bei Verwendung von (Orange-)Rot lebhaften Farbakzenten. Hauptfarben: Grün, Rot, Blau und Gelb/Ocker in kräftigen bis blassen Nuancen und Mischtönen. Eine gewisse Spielbreite an Farbmischungen ist wohl auch auf die Beteiligung von Gehilfen zurückzuführen. Bemerkenswert ist die monochrome Ausführung von 85v-88v in wechselnden Farben, wodurch die Darstellungen trotz ähnlicher Raumkompositionen koloristisch reizvoll variieren. Selbst bei den übrigen, mehrfarbigen Bildern zeigt sich eine starke Neigung zu einer monochromen Farbgebung einzelner Partien. Die Gewänder bzw. Gewandteile, Bildgegenstände, und Architekturen sind zumeist einfärbig koloriert und teils braun oder schwarz, teils in den entsprechenden Lokalfarben konturiert, wofür die Technik der Pinselzeichnung grundsätzlich die Voraussetzung liefert.
Figurentypik
Die Kostümierung entspricht ebenso wie das kriegstechnische Gerät typischen Formen der Zeit um 1400, wobei eine gewisse Beliebigkeit in der Wahl ziviler bzw. militärischer Kleidung festzustellen ist. Die Krieger tragen oft Wams (Gambeson) und Rundhelm, nur selten die volle Adjustierung aus Kettenhemd bzw. Harnisch mit Ellbogenmuscheln, Helm, Eisenhut oder Hundsgugel und Beinschienen mit Kniemuscheln (z. B. 24r, 32r, 46v, 52r). Die Kleidung der Werkleute variiert zwischen kniekurzen, gegürteten Kitteln, die teilweise aufgekrempelte oder weite Glocken- und Bauschärmel aufweisen, und engen, mitunter geknöpften Wämsen. Die Figuren tragen häufig turbanartige Hauben oder zu Hauben geschlungene Tücher, eine aufwendige, breit fallende Variante und diverse phantasievolle Hüte mit eingerollten Spitzen, breiten Krempen oder Feder- und Fransenschmuck. Zu solchen nobilitierenden Elementen, die inhaltlich nicht begründet sind, zählen auch Ziersäume mit Fransen, Zaddeln, Bögen und Zackenmustern; besonders aufwendig etwa ein rotes, gegürtetes Kleid mit schwarzem Zackenmuster an der Saumborte und an den langen Schmuckärmeln oder ein blaues Kleid mit rotem Futter, gebogtem Saum und weiten Ärmeln (79v), die Figur trägt dazu eine blaue Reifenhaube mit großer, roter Feder. Zeitgemäß sind schließlich auch zweifarbige Stoffe (auf 4r ein schräg grün/rot gestreiftes Kleid in Kombination mit einem roten und grünen Strumpf), Schnallschuhe und Stulpenstiefel (z. B. 22v).
Form- und Farbvarianten
Das Wiener Büchsenmeisterbuch weist durchwegs einheitliche Gestaltungsmuster auf. Im Detail zeigt sich allerdings eine gewisse Variationsbreite in Formgebung, Kolorit und graphischer Durchzeichnung. Auffallend auch die unterschiedliche Qualität der Ausführung und Dichte der Kolorierung, die selbst innerhalb einer Zeichnung variieren können, sowie schwankende Figurenproportionen und Maßverhältnisse der Bildgegenstände, die sich wohl auch aus der Verarbeitung verschiedener Vorlagen erklären (siehe 'Ikonographie'). Trotz solcher Unterschiede, die teilweise mit Lagewechseln auftreten, dürfte der gesamte Entwurf von einer Hand stammen. Die Ausführung hingegen erfolgte unter Beteiligung von Gehilfen, deren Anteil jedoch kaum voneinander abzugrenzen ist. Im Folgenden wird daher nur summarisch auf einige Unterscheidungsmerkmale hingewiesen.
Laut Vermerk 1r ist der Hauptmeister mit dem Schreiber identisch (So heb ich dis pu/°ch an ze scriben und ze malen). Der Textumfang und der stilistisch einheitliche Beginn der Ausstattung fällt mit der ersten Lage (1-10) zusammen. Hier vergleichsweise sorgfältig ausgeführte, großformig komponierte Bilder in ausgesprochen malerischer Modellierung mit breit gesetzten Pinselstrichen. Die Figuren wirken gedrungen, besitzen zumeist große Köpfe, breite Gesichter mit kurzen Nasen und schweren Augenlidern, was ihnen einen kindhaften, sanften Ausdruck verleiht. Mit verhaltenen Gesten und in ruhiger Stellung, oft halb zur Seite gewandt, demonstrieren sie ihre Tätigkeiten in Kastenräumen oder indifferenten (unkolorierten) Freiräumen auf grünem, welligem Terrain. Die weichen, gerundeten Konturen sind oft in der jeweiligen Lokalfarbe abschattiert: Rotbraun bei fleischfarbenem Inkarnat (hier teilweise auch schwarze Akzente bei Augen, Mündern, Nasen etc.), Mittelbraun bei Ockergelb, Blaugrün bei Kupfergrün, des Weiteren bräunliches Rot und Ocker, Mittelblau, Schwarz/Grau und Graubraun. Das gedeckte Kolorit enthält viel komplementäres Rot und Grün; durch großflächig freigelassenen Papiergrund als Lichthöhungen wird starke Plastizität erzielt. Auf 7v, 9r-10r im Detail graphischerer Duktus (bei Konturen, Binnenzeichnung, Faltenzügen), worin entweder der künstlerische Spielraum derselben Hand oder das Mitwirken eines Gehilfen gesehen werden kann. Eine für den Hauptmeister charakteristische Strichführung oder Schattierungstechnik zeigen noch besonders 14v, 26r, 27r, 37r, 38r, 44r, 60r, 62r 62v, 77v, 85v, 87v-88r.
In weiterer Folge sind die Zeichnungen großteils flüchtiger ausgeführt und inhomogener. Bereits 11r ist geprägt von einer stärkeren graphischen Durchzeichnung. Schwarze, in kurzen Strichen hingesetzte Konturlinien und die häufigere einheitliche Farbgebung ohne Modellierung (oft Olivgrün oder stumpfes Rot) ergeben einen flächigeren Gesamteindruck. Die Figuren sind durchwegs kleiner im Maßstab, zumeist zarter im Körperbau, wirken beweglicher und durch eine kontrastreichere Gesichtszeichnung etwas pointierter im Ausdruck – typisch die schwarzen Augenpunkte mit dünnem Lidstrich. Daneben kommen auch stärkere Schattierungen vor – häufig Grau bei rötlich-braunem Inkarnat oder als starke Abdunkelung von stumpfem Gelb, Mittelrot und Olivgrün, wobei Partien mitunter unkoloriert belassen werden (z. B. 22r, 23r, 32r, 34v, 46v). Noch skizzenhafter ist der Eindruck bei mehreren besonders flüchtigen, nur spärlich in den Grundfarben kolorierten Illustrationen (z. B. 27v, 28r, 30r, 43r, 44v). Mit Lage 5 (47-58) erfolgt ein leichter Wechsel des Kolorits. Hier und in Lage 7 (71-82) findet sich ein kräftiges Hellrot, das das Inkarnat von markanten Gesichtern mit ausgeprägtem Kinn und stechenden Knopfaugen (z. B. 50r, 50v-52r, 79v, 82rv) sowie die Konturierung roter bzw. ins Hellgelb changierender Partien bestimmt; häufig nun auch ein stark aufgehelltes Mittelblau mit blauen, kräftigen Konturlinien. Vornehmlich in den Lagen 5 und 6 (59-70) kommt ein gedecktes Lila zu einer wiederum etwas stumpferen Palette hinzu; auch hier z. T. lokalfarbige Konturen und ein größerer Anteil an aufgehellten Tönen. Die Figuren sind relativ ausgewogen proportioniert, besitzen typische große Augen und rot kolorierte Münder (z. B. 54v-55v, 56r, 59rv, 67v). Mit Lage 7 (71-82) wechselt das Terrain von leichten Bodenwellen und rundlichen Felsformationen zu Schollen mit zerklüfteten Felsrändern, die oft stark in Aufsicht zur Präsentation von diagonal gelagerten Kampfwagen wiedergegeben sind (z. B. 71v). Diese in Gelb und Orangebraun (statt einfarbig Gelb), das Terrain eher Kupfergrün (statt Olivgrün) und das Blau für die Eisenteile der Geräte stärker schattiert als das matte Graublau der vorigen Lage. Die letzten Bilder sind wiederum geprägt von einer nuancierten Modellierung, was besonders in den monochromen Darstellungen auf 85v-88v zu Geltung kommt. Es überwiegen gedeckte, stark mit Grau versetzte Farben (Lila, Steingrün, Blau, Gelb/Braun, Grau/Schwarz, Mittelrot, grünliches Ocker), wobei der Grad der malerischen Wirkung differiert. So ist auf 86v die Architekturrahmung nicht vollständig schattiert, und auf 87r ergibt sich eine stärker graphische Wirkung durch die schwarze Zeichnung auf Gelb.
Einordnung
Das 1411 datierte Wiener Büchsenmeisterbuch wurde bislang (Stand 2006) kunsthistorisch noch nicht untersucht. Eine Lokalisierung nach Süddeutschland (CMD-A II) oder Ostschweiz ergibt sich aus der Dialektmischung von Alemannisch mit bairischem Einschlag. Die Schriftsprache der Parallelhandschrift München 600 – in Schneider 1978 als "bairisch, anfangs südwestdeutsch beeinflußt" bestimmt – weist ebenfalls in die westliche Sprachraumgrenze des Bairischen. Die übereinstimmende Ikonographie beider Handschriften und ihre stilistische Verwandtschaft machen einen Werkstattzusammenhang wahrscheinlich. Die gleichfalls einheitlich rot gerahmten und in derselben, fortschrittlichen Technik der Pinselzeichnung ausgeführten Illustrationen in München 600 stammen jedoch von einer deutlich schwächeren Hand. Sie sind kleiner in Format und Bildausschnitt, in der Regel etwas kleinteiliger koloriert und durchgezeichnet, weisen z. B. häufiger Farbteilungen bei Gewändern und Beinkleidern (vgl. München 600, 18r mit Cod. 3069, 22r) sowie mehr kritzeliges Faltenwerk und grob linierte Binnenrahmen auf. Diese können mitunter auch unlogisch angebracht sein, etwa ein Schulterbogenrahmen bei einem Schützen im freien Gelände (München 600, 6r; vgl. dagegen Cod. 3069, 10r). Im Wiener Codex sind die Kompositionen und das lokalfarbige, dekorativ eingesetzte Kolorit trotz besagter Beteiligung mehrerer Hände vergleichsweise ausgewogener, die Modellierung ist in der Regel gekonnter ausgeführt und stärker umrissbetont. Die Figuren agieren in größeren, weit weniger einengenden Bildräumen und besitzen mehr Volumen, was etwa an dem breit und schwer fallenden Mantel der linken Gestalt auf 1r (vgl. München 600, 1v) und an den wie aufgebläht wirkenden Wämsern oder Stoffbäuschen der Turbanhauben deutlich wird. Sie weisen überzeugendere Standmotive auf (wie etwa die bemerkenswert 'realistischen' Aktfiguren), wirken in summa zwar etwas weniger beweglich, doch 'biegsamer' aufgrund ihrer ausgesprochen rundlichen Gestaltung. Diese zeigt sich etwa auch an weich gekurvten Stoffdraperien oder an den pausbäckigen Gesichtern, deren runde Form oft durch das Fehlen von Haaren betont wird. Dieser Tendenz zu glatten, geschlossenen Konturen entsprechen schließlich auch die blockhaft vereinfachten Architekturen und Bildgegenstände, das hügelige, sich bisweilen zu welligen Felsformationen auftürmende Terrain oder die Bäume mit kugeligen Kronen.
Insgesamt wirkt die kompakte Formgebung von Cod. 3069 künstlerisch ausgereifter und stilistisch fortschrittlicher, so dass München 600 früher entstanden zu sein scheint. Andererseits sprechen die WZ (nach Schneider 1978 einem Ochsenkopf-Typus von 1415–18 ähnlich) eher für eine etwas spätere Entstehung. Leng 1996 setzte die Handschrift noch um 1415 an, bei Leng 2000 und Leng 2002 wieder mit Schneider 1978 in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts datiert. Anhand der doch sehr groben Zeichnungen lässt sich diese Frage allerdings kaum entscheiden.
In Ermangelung konkreter Hinweise und weiterer Arbeiten lässt sich die Werkstatt nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht genau orten. Vor allem der stilistisch besser zu beurteilende Cod. 3069 gibt ostschweizerische und norditalienische Einflüsse zu erkennen, die mit seiner dialektgeographischen Einordnung in den alemannisch-bairischen Grenzraum gut vereinbar sind.
Typenmäßig bieten oberitalienische Bilderhandschriften in der Art des Tacuinum Sanitatis die Voraussetzung für das regelmäßige Layout von fast seitenhohen, rot gerahmten Bildern und für die anschaulichen, sich im Freien oder in Kastenräumen (den Handwerkerbuden) abspielenden Inszenierungen vor neutralem Hintergrund – siehe vor allem Wien, Cod. Ser. n. 2644 vom Ende des 14. Jahrhunderts. Beachtenswert hier auch die typisch zerklüfteten Bodenstreifen, die sich gelegentlich in Cod. 3069 – freilich stark vergröbert – wiederfinden (z. B. 71v). Selbst die ausgesprochen starke Neigung zu einer monochromen Kolorierung, die sogar ganz konsequent ausgeführt sein kann (z. B. 88r), setzt die Kenntnis oberitalienischer, trecentesker Werke voraus – man vgl. dazu etwa auch die grünlich-ockerfarbene Figur und Landschaft auf 88v mit den gelegentlich in einem Farbton gehaltenen bzw. farblich stark reduzierten Miniaturen in Cod. Ser. n. 2644 (z. B. 90r).
In der gedrungenen Figurentypik, den blockhaften Architekturen und den rundlichen, geradezu amorph wirkenden Felslandschaften besitzt der 'schwere Stil' des Cod. 3069 eine gewisse Ähnlichkeit mit der Toggenburg-Weltchronik (Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Cod. 78 E 1, Weltchronik des Rudolf von Ems, siehe den Handschriftencensus, Nr. 8817). Grundsätzlich vergleichbar sind auch die weiche, füllige Gewandbehandlung und das gelegentliche Vorkommen kahler Köpfe oder hochsitzender Frisuren, bei denen die Ohren freiliegen (z. B. 66v, vgl. z. B. auch Anzelewsky 1970, Taf. 1, 5, 12, 18). Die für den Grafen Friedrich VII. von Toggenburg und seine Gemahlin in Lichtensteig in der Nordostschweiz geschriebene und gleichfalls 1411 datierte Pergamenthandschrift ist künstlerisch anspruchsvoller als Cod. 3069 und auch stilistisch nicht eng genug mit der Wiener Handschrift verwandt, dass diese eindeutig in den Bodenseeraum lokalisiert werden könnte (zur Einordnung der Toggenburg-Chronik siehe zusammenfassend Günther 1993, 87 ff.).
Einband: 15. Jh. Gotisch Streicheisenlinien
Einbandfragment oder Abklatsch vorhanden
Originaleinband. Rotes Leder über dicken, an den Kanten abgeschrägten Holzdeckeln. Streicheisenlinierung, von Doppellinien gerahmtes Mittelfeld, durch doppelte Diagonalen und Kreuzlinien geteilt. – Spuren von je fünf Buckeln und zwei Langschließen. – Auf dem Rücken Signaturschild der Hofbibliothek (Philos. 182).
Schreibsprache: Alemannisch (Menhardt II, 858). Nach Prof. Peter Wiesinger (Wien) alemannisch mit bairischem Einschlag, was auf einen alemannischen Schreiber im bairischen Raum oder auf eine alemannische Vorlage, die von einem bayerischen Schreiber kopiert wurde, hinweisen könnte. – (Ir) über dem Inhaltsverzeichnis Vermerk über den Beginn von Schreib- und Malarbeit am 1.3.1411: Got Almechtiger zu/o kum uns din hilf amen. [D]o man zalt von gottes gepurt tusent vierhundert und einliff jar an dem ersten tag mertzen So heb ich dis pu/och an ze scriben und ze malen so ich denn pest kan ze einer bedutnws eins andarn pu/ochs und zu/o einer angedenknus und wil uch die stuk von erzellen die ich hie nach mu/ot han ze scriben. – Keine mittelalterlichen Provenienzhinweise. Vermutungen, dass sich der Codex bereits vor 1450 in habsburgischem Besitz befunden hätte (Leng 2000, 26) oder über Erzherzog Ferdinand von Tirol (1529-1595) nach Ambras gelangt wäre (Hundert Handschriften 1966), lassen sich nicht verifizieren. Vorbesitzer 1: Schloss Ambras, vor 1665 Vorbesitzer 2: Wien, Hofbibliothek, 1665, Ms. Ambras. 231
Schulte, Heinrich: Konkordanzlisten (Wien, Mai 1909).Doppelblatt aus Papier auf VDS geklebt.
(Ir)
Ambraser Vorsignatur.
(Ir)
Vorbemerkung mit Datierung.1.3.1411 (Beginn von Schreib- und Malarbeit).
(Ir-IIv)
Inhaltsverzeichnis.Auflistung von 95 Titeln, gegenüber dem Bilderzyklus unvollständig.
(1r-95v)
Büchsenmeisterbuch, 'Primitive types'-Gruppe (siehe Handschriftencensus, Nr. 11550 und KdiH digital, Nr. 39.1.10 [Rainer Leng]; Zuschreibung an Johannes Hartlieb (Menhardt II u. a.) seit Schmitt 1962 überholt; bei Schmidtchen 1981 "(Pseudo)-Hartlieb, Johannes"; nahezu bild- und textidentisch München 600). Bilderhandschrift, unvollendet: Begleittexte nur 1r-10v; 92r-95v nur Rahmen für Bilder bzw. nachträglich darin eingefügte Illustrationen.