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Wien, Dominikanerkonvent, W 177
LAVACRUM CONSCIENTIAE SACERDOTUM (ADLIGAT). ANTIPHONAR (FRAGMENT)
Olim: k 30, k 11    Papier   II, 1, 2, 50 Bl.   295×205/210   Niederösterreich (Göttweig?), 3. Viertel 15. Jh. (Fragment: 1. Viertel 14. Jh.)   
Provenienz/Letztbesitzer: Klosterneuburg
Handschrift aus 2 Teilen zusammengesetzt: 1  (1-332); 2  (333-382) Niederösterreich (Göttweig) ?, 3. Viertel 15. Jh.
 Volldigitalisat



Literatur zur Handschrift: CMD-A V 187, Abb. 479 (online).
Der Band umfasst einen um mehrere handgeschriebene Seiten (Ir-IIr, 143rv, 331v-332v) ergänzten Wiegendruck sowie ein handschriftliches Adligat (333-382). Durch das Einfügen von Bl. 143 (beschrieben) und 144 (leer) weicht die Foliierung des Druckexemplars in W 177 (1-331) ab 143 gegenüber der korrekten Blattzählung der Ausgabe um zwei Zahlen ab; Bl. 329 (letztes bedrucktes Blatt der Inkunabel) ist daher hier als 331 bezeichnet. Bl. 382 (leer) ist zugleich der HDS.

Teil 11-332   Papier   
Inkunabel
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Fleuronnéeinitiale(n)   
Gelbe Füllung von Majuskeln und Hervorhebung von (gedruckten) Überschriften. – Rote Paragraphzeichen und Lombarden. – Von diesen einige mit braunem Fleuronnéedekor, vor allem: (29r) im Binnenfeld längliche Halbpalmetten mit kreisförmigem Kern, die zwei von der Blattspitze ausgehende dünne Linien wie Vogelköpfe wirken lassen, und als Besatz größere Perlen, ebenfalls kreisförmig gekernt, mit längeren "Dornen"; (213v [recte: 211v]) Halbpalmetten und eine Rosette, die Zwischenräume mit kleinen Kreisen gefüllt; darüber hinaus mehrere einfachere Fleuronnéelombarden mit Knospenähren im Binnenfeld; (143r) von derselben Hand (handbeschriebenes Blatt).
Teil 2333-382   Papier   Niederösterreich (Göttweig) ?, 3. Viertel 15. Jh.
Schrift: 2 verschiedene Schriften/Schreiber
Schrift 1(333r-381r) Schriftraum: Spaltenzahl: 2    Zeilenzahl: 35/39   
Schreiber: Udalricus Kerssel – Schriftart: Bastarda
(381r) Schreibernennung. Ein Udalricus Kerssel schrieb, in einer stark abweichenden Schrift, auch Teil 5 der in das dritte Viertel des 15. Jahrhunderts datierbaren Handschrift Göttweig, Benediktinerstift, Cod. 272 (236ra) – ebenfalls eine Abschrift des Lavacrum conscientiae sacerdotum. Möglicherweise kopierte der Schreiber des Adligats von W 177 den zweifellos älteren Göttweiger Codex und übernahm dabei auch den Schlussvermerk mit dem Schreibernamen (?).
Schrift 2(381v-382r) Schriftraum: Spaltenzahl: 2   
Schriftart: Bastarda

Hs. enthält 1 Fragment
VDSVDS   Pergament   Niederösterreich, 1. Viertel 14. Jh.
Lagen: 1 Blatt der makulierten Handschrift. Um das Doppelblatt I/II gelegt.
Maße: 290/295x205 (Breite mit Falz: 220).
Schrift:
(VDS) Schriftraum: 250 × 160    Spaltenzahl: 1    Zeilenzahl: 22   
Schriftart: Textualis – Neumen
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Deckfarbeninitiale(n)   
Rote Überschriften, rote Unterstreichungen der Noten. Einzeilige rote und blaue Lombarden, zum Evangelium 'Cum esset desponsata mater' zweizeilig. Zum Responsorium 'Hodie nobis caelorum rex' fünfzeilige Deckfarbeninitiale. Der Schaft als flaches Band mit eingeschriebenen Vierblättern gestaltet, der Bogen von modellierten Randleisten eingefasst und zwischen diesen mit feinem weißem Dekor aus Kreisen und Rauten verziert. Verbindung des Bogens mit dem Schaft durch eine dem ersteren entwachsende geschwungene Ranke, die im Binnenfeld in spitzovalen, kreuzschraffierten Früchten und in längeren, plastisch modellierten Blättern ausläuft; diese durch längere in Punktverdickungen endende Strichel palmettenartig gehöht. Eines der Blätter mit gezacktem Rand. Der Binnenfeldgrund und der Außengrund einfarbig gehalten und mit feinem weißen Liniendekor verziert; in den Ecken des Außengrundes dreilteilige kleine Silhouettenblättchen.
Wie Alois Haidinger (Kat. Kuenringer 1981, 176, 182) erkannte, ist die in Motivik und Malweise deutlich auf italienische Vorbilder rekurrierende Initiale des Fragments in Ink. W 177 stilistisch der Gruppe um die zweibändige Bibel Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift, Cod. 2 und Cod. 3 zuzuordnen, der auch Melk, Benediktinerstift, Cod. 461 angehört (Kat. Kuenringer 1981, 176). 1998 fügte Haidinger dem Konvolut noch die eingeklebte Initiale in Melk, Cod. 901 sowie Ms 266 der UB Graz hinzu (Haidinger 1998, 25).
Tatsächlich finden sich in der Klosterneuburger Bibel nicht nur dieselben auffälligen. kreuzschraffierten, länglichen "Früchte" im Binnenfeld der Initiale auf dem Fragment wieder (z. B. Cod. 2, 25v, 50v, 57v, 93r, 105r, 169r, 238r oder 254r), sondern auch Palmetten, deren Ränder durch weiße Strichel mit kleinen Punktverdickungen gehöht sind (z. B. Cod. 2, 8v, 9r, 23r, 24rv, 25r, 27v, 52r, 67r oder 75r; in Klosterneuburg sind die Palmetten unterschiedlich gestaltet). Auch der für das Ornament der Gruppe um Cod. 2 und Cod. 3 charakteristische gezackte Akanthus klingt in Wien (links oben im Binnenfeld) an. Des Weiteren stimmen in Bibel und Fragment die einfärbig, blauen oder weinroten, mit feinem weißen Deckweißdekor verzierten Initialgründe überein. Und schließlich trifft man bei den Initialen in der zweibändigen Klosterneuburger Handschrift, deren Schäfte und Bögen fast immer stark plastisch modelliert und häufig von dreidimensionalen Manschetten und Knoten umgeben sind, gelegentlich auch auf plane Buchstabenschäfte, die von schmalen Randleisten begrenzt und mit feinem Binnendekor, etwa kleinen Kreisen und Rauten, verziert sind (z. B. Cod. 2, 76r, 248r, 281v). Für den mit Vierblättern gefüllten, bandartig flachen Schaft des h auf dem Wiener Fragment findet sich in Klosterneuburg hingegen keine unmittelbare Entsprechung. – In Melk, Cod. 461 standen ausschließlich von Randleisten eingefasste Buchstabenschäfte mit feinem geometrischen Dekor in Gebrauch: vgl. z. B. die Initiale auf 125r, bei der gleichartige kreuzschraffierte Früche und Palmetten verwendet wurden wie in W 177, oder diejenige auf 172v, wo der plane Schaft ähnlich wie auf dem Fragment mit einer geschwungenen Ranke kombiniert wurde (in W 177 verbindet diese Bogen und Schaft des h miteinander, in Melk füllt sie das Binnenfeld, wobei sie anders als in Wien in "Ahornblättern" ausläuft; vgl. auch 1r).

Einband: Niederösterreich (Göttweig)     3. Viertel 15. Jh.     Gotisch     Streicheisenlinien   Blindstempel        
Einbandfragment oder Abklatsch vorhanden
Die Blindstempel sind der Göttweiger Buchbinderwerkstatt zuzuweisen, siehe die Stempelabreibungen in Fingernagel/Simader, Ergänzungen (unter Göttweig, Einleitung). Auf dem Einband von W 177 wurden unter anderem verwendet: Nr. 11, 15 (Schriftband mit Aufschrift kodwic), 18, 21 (?). – Reste von (erneuerten?) Schließenbändern. – (VD) neues Titelschild. – Braune Blattweiser; der Schnitt gelb gefärbt. – HDS=382.


Vorbesitzer 1: Göttweig, Benediktinerstift, 3. Viertel 15. Jh.
Die Herkunft von W 177 aus Göttweig belegen die Stempel des Einbandes.
Vorbesitzer 2: Klosterneuburg, Chorherrenstift, 15. Jh. (?) , k 30, k 11
Noch im 15. Jahrhundert (?) scheint der Band nach Klosterneuburg gekommen zu sein: siehe auf dem VDS oben rechts die Signatur k. 30. in Rot, auf dem unteren Seitenrand in Braun, k 11. Im 17. Jahrhundert befand er sich noch in Klosterneuburg: siehe oben auf dem VDS den Besitzvermerk Sum ex libris canonicorum regularium bibliothecae Claustroneoburgensis 14 augusti 1656.
Katharina Hranitzky (20.11.2023)
"CMD-A V", "Kat. Kuenringer 1981", "Haidinger 1998", "Fingernagel/Simader, Ergänzungen", "GW"
alle Initien
(VDS) Antiphonar-Fragment. In vigilia nativitatis Domini und In nativitatis Domini, jeweils unvollständig.
   2
VDS [Iudaea et Ierusalem nolite timere] cras egrediemini. Gloria ... Cum esset desponsata mater ... — ... Completi sunt dies Mariae ut pareret filium suum primogenitum.
VDS Christus natus est nobis ... Dominus dixit ad me ... Hodie nobis caelorum rex ... — ... Hodie nobis de caelo pax vera descendit hodie per totum [mundum melliflui facti sunt caeli].
(Ir-IIr) 2 Sermones in dominica tertia post epiphaniae.
   1
Ir Thema dominicae tertiae post epiphaniae ascendente Ihesu in naviculam Mt. 8. Licet mundus iste primo appareat valde amicus tranquillus ...
(IIv) Leer.
(1r-331r [329r]) Iohannes Nider OP Praeceptorium divinae legis; Inkunabel (GW M26903: Basel, Berthold Rupper, nicht nach 1474).
(143r-143v) Handschriftliche Ergänzung.
(144r-144v) Leer.
(331v-332v) Verzeichnis der Exempla des folgenden Texts.
(333r-381r) Lavacrum conscientiae sacerdotum.
   1
381r Expl.   ... propheta dominus sollicitus est mei. (Schreibername) Per me Udalricum Kerssel.
(381v-382r) Reinerus de Pisis Pantheologia, Auszug. Titulus II, caput VII.
   1
381v Conveniens fuit quod Christus resurgeret cum cicatricibus et praecipue propter quinque rationes ... — ... (382r) corporis pulchritudo fulgebit. In tertia parte Summae quaestione liiii articulo quarto per totum. – (Schlussschrift) Hoc de panthologia ubi tracatus de resurrectione capitulo vii.