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Wien, Dominikanerkonvent, Cod. 415/212
SOG. HEUNER-MISSALE (BD. I)
Pergament   1 Bl., 534 S., 1 Bl.   394×295   Österreich (Wien), 1476-1477
 Volldigitalisat



Literatur zur Handschrift: CMD-A V 77 f., Abb. 359 (online).
Paginiert. Ab Bl. 355/356 mittelalterliche Foliierung in roten römischen Ziffern. – Lagen: (III+1)11/12 + (IV-2)23/24 + IV39/40 + (IV-2)51/52 + 18.IV339/340 + (IV-1)353/354 + 5.IV433/434 + (IV-1)447/448 + 4.IV511/512 + (IV-1)525/526 + (II+1)I*. Ein Vorsatzbatt (ohne Blattbezeichnung) zur ersten Lage, ein Nachsatzblatt (dieses hier als "I*", in der Handschrift jedoch nicht bezeichnet) zur letzten Lage hinzugebunden. Sieben fehlende Blätter, jeweils Text- und/oder Bildverlust: 2 Bl. vor 13; 1 Bl. zw. 44 und 45; 1 Bl. nach 52; 1 Bl. (Kanonblatt) vor 341; 1 Bl. zw. 436 und 437 (mittelalterliche Zählung springt von xli auf xliii); 1 Bl. vor 513 (mittelalterliche Zählung springt von lxxx auf lxxxii).
Schrift:
(1-534) Schriftraum: Spaltenzahl: 2   
Schriftart: Textualis formata (Textura)
Ein Schreiber. Drei Schriftgrößen für gesungene und gelesene Texte und für den Kanon. Schriftverzierungen: am Zeilenende kurze Fadenbüschel bzw. Fäden mit Fiederung oder in charakteristischer Weise (meistens je einmal sichel- und einmal halbkreisförmig oder auch zweimal halbkreisförmig) geschwungene Fäden, die Blattränder suggerieren; (16, 107) jeweils zwei verlängerte Unterlängen in der letzten Zeile durch bandartige Streifen zickzackförmig umwunden. – (1-12) Kalender; (341-345, 534) einspaltig (Kanon bzw. Widmung). – Zeilengerüst in Rot.
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Fleuronnéeinitiale(n)   Deckfarbeninitiale(n)   Ranke(n)/Bordüre(n)   Figürlicher Buchschmuck   Wappen   Goldverwendung   Punze(n)   
Buchmaler: Meister des Friedrichsbreviers
Zum Illuminator siehe Kunsthistorischer Kommentar.
Buchmaler: Meister des Engelbrecht-Graduales
Zum Illuminator siehe Kunsthistorischer Kommentar.
Rote Strichelung von Majuskeln, rote Überschriften und Kalendereinträge, (534) die Widmung in Rot geschrieben. Einzeilige rote und blaue Lombarden, im Kanon mit Fleuronnée; (354) zu Placeat tibi zweizeilige Goldlombarde mit zweifarbigem Fleuronnée. Zu den Orationen und Lesungen (sowie Hymnen u. a.) zahlreiche zweizeilige Deckfarbeninitialen oder Fleuronnéeinitialen (diese nur zu Lesungen). Zu den Messanfängen zwei- bis dreizeilige Deckfarbeninitialen; diese beim Meister des Friedrichsbreviers zu jedem Fest- und Wochentag mit kurzen Blattranken, beim Meister des Engelbrecht-Graduales vor allem die dreizeiligen und höheren Initialen, jedoch unsystematisch; zudem beim Meister des Friedrichsbreviers die Deckfarbeninitialen z. T. figürlich (zu den beiden Illuminatoren siehe unten). (335a) am Beginn der Präfationen fünfzeilige unfigürliche VD-Ligatur, (534) zur Widmung vierzeilige Initiale. – Zu Hauptmessen zwölf große historisierte Deckfarbeninitialen mit üppigerem Randdekor erhalten (von ehemals vermutlich 15). – Mit der Deckfarbenausstattung wurden der Meister des Engelbrecht-Graduales und der Meister des Friedrichsbreviers betraut, die jeweils auch das Fleuronnée in den von ihnen illuminierten Lagen ausführten. Die beiden Buchmaler wechselten einander meistens lagenweise ab, nur in Ausnahmefällen (Lagen 6, 35) teilten sie sich die Arbeit an einer Lage, und zwar in der Regel so, dass jeder von ihnen ein oder zwei Doppelblätter dieser Lage ausschmückte; nur das Blatt 529/530 wurde auf der Restoseite vom Meister des Friedrichsbreviers, auf der Rückseite vom Meister des Engelbrecht-Graduales illuminiert (siehe Kunsthistorischer Kommentar, Arbeitsteilung). Die kleineren figürlichen Initialen stammen sämtlich vom Meister des Friedrichsbreviers.
Verloren gegangener Buchschmuck: Durch Heraustrennen von sieben Blättern fehlen unter anderem drei große, zweifellos historisierte Deckfarbeninitialen und das Kanonbild.



Einband: Wien     18. bis 19. Jh. (?)      Streicheisenlinien   Rolle        
VDS, VS, NS und HDS aus dünnem dunkelbraunen Papier.


Stifter
Der 1476-1477 entstandene Winterteil des sogenannten Heuner-Missales wurde dem Dominikanerkonvent zusammen mit dem 1477 datierten Sommerteil (Cod. 416/213) vom Wiener Bürger Stephan Heuner für eine von ihm renovierte und ausgeschmückte Heiliggeist-Kapelle gestiftet: in Cod. 415/212 auf 533 rot geschriebene Widmung, auf 407 auf dem Seitenrand Heuners Wappen; in Cod. 416/213 auf 573 gleichlautende Widmung, auf 475 Darstellung des Stifters samt seinem Wappen, 203 auf dem Seitenrand wiederum Heuners Wappen. – Stephan Heuner hatte um 1465/1466 bereits drei prunkvoll ausgestattete Lehrbücher für den späteren Kaiser Maximilian I. finanziert (Wien, ÖNB, Cod. 2289, Cod. 2368, Cod. Ser. n. 2617). Sein Wappen findet sich des Weiteren im 1471 datierten Cod. 33/33 der Dominikanerbibliothek. Zur Person des Stephan Heuner siehe zuletzt zusammenfassend Tif 2023, mit der älteren Literatur.

Kalenderfeste
In Rot u. a. die folgenden Feste mit ihrem Festgrad eingetragen: 7.3. Thomae doctoris ordinis praedicatorum, totum duplex; 29.4. Petri martiris, totum duplex; 24.5. Translatio sancti Dominici confessoris, totum duplex; 3.8. Inventio sancti Stephani protomartiris, simplex; 5.8. Dominici confessoris, totum duplex; 12.8. Octava sancti Dominici confessoris, simplex; 13.8. Yppoliti et sociorum eius, simplex; 4.10. Francisci confessoris, simplex. In Braun u. a.: 7.5. Translatio Petri martiris, totum duplex; 8.5. Apparitio Michaelis, totum duplex.

Obiitvermerke
Der Kalender enthält drei Obiitvermerke. Am 15.7. ein pater frater Jacobus de Veltsperg ordinis predicatorum eingetragen, der vermutlich, trotz Divergenz der Daten, mit dem am 12.8.1342 verstorbenen Konventualen von Retz und ehemaligen Provinzial der Ordensprovinz Teutonia Jakob von Feldsberg identisch ist (siehe Brunner 1867, 42: "Jacobus de Feltzberg"). Mit diesem gleichzusetzen ist der zeitweilige Prior von Wien und Provinzial Jakob von Feldsberg, der aus "dem niederösterreichischen Ort Feldsberg", heute Valtice, Tschechien, stammte (Frank 2016, 43, mit Anm. 101; hier auch der Hinweis, dass es in den 1320er Jahren im Dominikanerkloster in Straßburg "zu einer nicht alltäglichen Ausschreitung" gegen ihn kam). Jakob von Feldsberg wurde "durch mehrere Jahre hindurch in diesem Amt (des Provinzials) bestätigt (1316-1323, 1330-1340)" (Frank 1968, 18). "Am 21. März 1342 urkundet er wieder als Prior von Wien" (Frank 1968, 48; hier auch weitere Details, unter anderem der Hinweis auf eine Notiz in Cod. 71/295, betreffend die Bestätigung Jakobs als Provinzial im Jahr 1334; laut derselben Notiz lag dieser in der Wiener Dominikanerkirche vor der Sakristei begraben).
Des Weiteren eingetragen sind, am 28.4., eine Dominikanerin namens Jutta (Soror Jeutta ordinis praedicatorum) sowie, am 8.12., Gisela, Priorin des Dominikanerinnenklosters Imbach in Niederösterreich (Soror Gisla priorissa in Minnbach). Bei der letzteren handelt es sich zweifellos um die zwischen 1332 und 1345 nachweisbare Priorin Gisela von Winkl, die möglicherweise die Tochter des Ortlieb IV. von Winkl und dessen Frau Gisela von Feldsberg und somit die Enkelin von Albero, Truchseß von Feldsberg, und dessen Frau Gisela von Ort, den Gründern des Klosters Imbach (1269), war (siehe z. B. Marian 2015, 70 f.; Marian 2017, 74, 382). – Die Dominikanerin Jeutta konnte dagegen bislang nicht ganz zweifelsfrei identifziert werden. Am wahrscheinlichsten ist, dass hier "Juta"/"Tuta", die erste bekannte Priorin des Klosters Imbach, gemeint ist, die im Jahr 1285 fassbar wird (siehe Fux 1989, 34, 186, 200; Zajic 2007, 65, mit Quellenangabe und Literatur); allerdings wird Jeutta im Kalender nicht als Priorin bezeichnet. (Eine Imbacher Nonne namens Jutta, die wie die beiden anderen Genannten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebte, ist nicht bekannt, ebensowenig lässt sich unter den Priorinnen des zweiten im nördlichen Niederösterreich gelegenen Dominikanerinnenklosters, jenes in Tulln, eine Jutta nachweisen [siehe die Liste bei Dolezal 1970, 123-125], und eine andere österreichische oder südmährische/südböhmische Dominikanerin dieses Namens [Jeutta, Jut(t)a, Tuta, Guta/Gutha/Guthe, Judith/Juditha, Jitka/Jutka] kann ebenfalls vorläufig nicht namhaft gemacht werden.)
Es ist bemerkenswert, dass die genannten Obiitvermerke Eingang ins Heuner-Missale fanden. Möglichweise wurden sie aus einem älteren, als Vorlage dienenden Missale übernommen. Ein besonderer Bezug des Stifters, Stephan Heuner, zu Imbach bzw. der Familie Feldsberg ist nicht nachzuweisen.

Der erste Band des Missales wurde ebenso wie der zweite eines Teils seines Schmucks beraubt. Es fehlen neben etlichen kleineren Initialen drei große historisierte Deckfarbeninitialen sowie das Kanonbild.
Katharina Hranitzky (2.6.2023/6.5.2024/13.5.2025)

"CMD-A V", "Schmidt 1967", "Schmidt 2006", "Schmidt 2011", "Haidinger 1998", "Beier 2010", "Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018", "Pfändtner 2011", "Tif 2023", "Brunner 1867", "Frank 2016", "Frank 1968", "Marian 2015", "Marian 2017", "Fux 1989", "Zajic 2007", "Dolezal 1970", "Chevalier", "AH 10", "AH 9", "AH 54", "AH 8", "AH 55", "AH 53"
alle Initien
Missale dominicanum: Pars hiemalis. Unvollständig.
(VSr-VSv) Leer.
(1-12) Calendarium. Mit Obiitvermerken von der Hand des Schreibers.
   3
4 (28.4.) Obiit soror Jeutta ordinis predicatorum [Juta/Tuta, die erste, 1285 nachweisbare Priorin von Imbach?].
7 (15.7.) Obiit venerabilis pater frater Jacobus de Veltsperg [Jakob von Feldsberg/Valtice, ČR, Prior von Wien, Provinzial der Teutonia, Konventuale in Retz, †1342].
12 (8.12.) Obiit soror Gisla priorissa in Minnbach [Gisela von Winkl, 1332-1345 Priorin von Imbach, Niederösterreich]
(13-331) Temporale. Anfang fehlt (setzt mit Mt 21,8 ein); weiterer Textverlust.
   1
13 [...] Alii autem cedebant ramos ... — ... (331a, rot) Deinde sequitur summum officium in die sancto reverte in alio libro etc.
(331-334) Ordo missae. Aufer a nobis, Suscipe sancta trinitas, In spiritu humilitatis, Orate fratres ut meum, Gloria, Gloria Marianum, Credo.
(335-339) Praefationes. Sanctus.
(340) Leer.
(341-354) Canon Missae. Davor fehlt vermutlich das Kanonbild.
   2
341 (Datierung, auf dem Goldgrund der Initiale) 1477.
354 Expl.   ... (Datierung, rot) 1476.
(355-436) Sanctorale. Andreas bis Georgius. Schluss fehlt: bricht in der Oratio ab.
   1
436 Expl.   ... concede propitius ut qui tua per eum bene[ficia, bricht ab]
(366-367) Sequenz In conceptione BMV (Chevalier, Bd. 2, 120, Nr. 11747 und AH 10, 64, Nr. 75, jeweils mit dieser Handschrift).
   1
366 Tit.: Sequentiam sub nota sancti Dominici
(404-405) Sequenz In translatione sancti Thomae Aquinatis (AH 9, 255 f., Nr. 349, mit dieser Handschrift).
(437-461) Lectiones in communi sanctorum. Anfang fehlt: setzt ein in Rom 8,34. Es folgen: In communi unius martiris, plurimorum martirium, unius confessoris et pontificis, unius virginis.
   1
437 [... im]mo qui et resurrexit qui est ad dexteram Dei ...
(461-492) Missae communes, Marienmessen, Messe des hl. Dominikus, Votivmessen. De sancta trinitate, De sancto spirito, De sancta cruce; Marienmessen; De sancto Dominico; De omnibus sanctis (Messgebete); Pro tribulatione; Pro papa nostro, Pro tribulatione ecclesiae, Pro peccatis, Pro praedicatoribus, Pro familiaribus, Pro pace, Pro iter agentibus, Pro infirmis, Ad petendam pluviam, Pro serenitate, Pro praelatis, Pro rege nostro, Contra temptationes carnis, Ad invocationem sancti spiritus, Contra temptationes carnis, Pro pugnatoribus (jeweils Messgebete).
(476-477) Sequenz De sancto Dominico (Chevalier, Bd. 2, 31, Nr. 10395 und AH 54, 133 f., Nr. 115, Abschn. 17-20).
(492-505) Totenmessen.
(505-512) Verschiedene Messen. De aeterna sapientia, De sancta Genovefa (Messgebete), De quattuordecim adiutoribus, De sancta Katherina de Senis.
(513-532) Sequenzen (u. a.: Chevalier, Bd. 1, 438, Nr. 7316 und AH 54, 129-131, Nr. 89 [De sancto confessore / Valentinus]; Chevalier, Bd. 1, 539, Nr. 9006 und AH 8, 103 f., Nr. 129 [Antonius Abbas]; Chevalier, Bd. 2, 8, Nr. 10035 und AH 55, 382 f., Nr. 342 [Vincentius Caesaraugustanus]; jeweils mit dieser Handschrift). Anfang fehlt: setzt ein in der Sequenz zu Nativitas domini, AH 53, Nr. 15.
   1
513 [Natus ante saecula ...] claritas militum dei. Gaude dei genitrix ...
(533) Widmung.
   1
533 (Datierung, Auftraggeber, Lokalisierung, rot) Anno a Nativitate Domini Millesimo Quadringentesimo Septuagesimo Septimo [1477] Sixto Quarto pontifice maximo. Ac divo Federico Tercio Romanorum Imperatore ecclesie gubernacula tenentibus. Spectabilis ac circumspectus vir Dominus Stephanus Heyner civis Wiennensis [Stephan Heuner, Bürger von Wien] singulari zelo et devocione motus sibi Monasterium beate virginis Marie Fratrum ordinis predicatorum [Wien, Dominikanerkonvent] deligens. Unum de confratribus eiusdem Monasterii sese devovit. Et in basilica ibidem Capellam Sancti spiritus ante hac fere neglectam rursus opera et impensis propriis instauravit et ornavit. Ac eidem Capelle Ingens hoc volumen addicavit. Ut idipsum foret religionis et pietatis sue signum atque memoria perpetua. Quo eciam dicti fratres tanto munere donati essent obligati pro dicti Stephani confratris tociusque domus sue salute ad deum altissimum devotas fundere preces.
(534) Leer.
(NSr-NSv) Leer.