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Wien, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Cod. 496
THEODORICUS DE NIEM
Olim: Hist. prof. 648    Pergament   I, 95 Bl.   250×170/175   Mariazell, 1441
Provenienz/Letztbesitzer: Wien, Hofbibliothek
 VIVARIUM — images (HMML)
Literatur zur Handschrift: CMD-A II 19, Abb. 398 (online).
Lagen: II + 11.IV88 + III94 + I95. Gegenblätter zu Vor- und Nachsatzblatt (I, 95) sind VDS und HDS. Kustoden in den Lagen 1 und 2 (8v, 16v), Reklamanten in den Lagen 5-11 (40v, 48v, 56v, 64v, 72v, 80v, 88v), jeweils mittig; 24v, 32v keine Kustoden/Reklamanten. Lagensignaturen in arabischen Ziffern rechts unten auf den Rectoseiten z. T. erhalten, z. B. 81r-84r, 89r-91r in Tinte.
Lagen: II + 11.IV88 + III94
Schrift: 2 verschiedene Schriften/Schreiber
Schrift 1(1r-92r) Schriftraum: 170 × 95    Spaltenzahl: 1    Zeilenzahl: 28   
Schriftart: Textualis
Schrift 2(92r) Schriftart: Bastarda
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Deckfarbeninitiale(n)   Ranke(n)/Bordüre(n)   Wappen   Goldverwendung   
(1r) Unfigürliche Deckfarbeninitiale mit Ranken, im Bas-de-page Wappen. Der Buchstabenkörper mit einem gedrehten Blattfries verziert, dessen einzelne Blattabschnitte dreipaarig umgebogene Blattspitzen aufweisen. Blattgoldgrund ohne Rahmen. An den Buchstabenkörper schließen oben eine kurze und unten eine lange, den Schriftspiegel begleitende Ranke an. Der oberen entwachsen symmetrische Blätter aus je einer langen und zwei flankierenden kürzeren Blattzungen sowie einem kurzen eckigen Blattzahn an jeder Seite des Stängels. Die längere Ranke treibt auf dem linken Seitenrand zwei zweiteilige Blätter und im Bas-de-page mehrere Seitenarme, die sich zu fünf kreisrunden Medaillons einrollen und deren Enden sich zu dreiteiligen Blättchen umbiegen, Goldperlen umschlingen oder schmucklos auslaufen; auf dem rechten Rand endet die Ranke in einem Blütenkelch, aus dem ein menschliches Gesicht hervorlugt. Zwischen Blättern und Rankenstamm können Goldtropfen eingesetzt sein, und zwischen den tropfen- oder dreiecksförmig zueinander gebogenen Ausläufern der Rankentriebe, die die Medaillons bilden, sind Goldperlen eingestreut. Die Medaillons enthalten Wappen: das Reichswappen sowie Böhmen, Alt-Ungarn, Mähren und Österreich. – Farben: Grün mit gelben Höhungen, Altrosa, Blau und Grau mit weißen Höhungen und ein nicht modelliertes Ocker. In den Wappen kommen zusätzlich Schwarz, ein helles Gelb und ein leuchtendes Rot vor. – Ältere, fragliche Zuschreibung an den Illuminator Veit, nach neuerer Erkenntnis sind jedoch eher Salzburger Einflüsse in der Ornamentik festzustellen. – Der Schreiber hat die Ausstattung des Textanfangs mit einer illuminierten Initiale weder durch Aussparung des notwendigen Leerraumes noch durch Weglassen des ersten Buchstabens vorbereitet, deshalb musste die Initiale außerhalb des Textspiegels platziert werden und wiederholt den Anfangsbuchstaben, statt ihn zu ersetzen.


Hs. enthält 1 Fragment
NS95-HDS   Pergament   Österreich, vor 1441
Lagen: IHDS
Fragment eines Missales, Blatt beidseitig beschrieben, die obere Blatthälfte quer auf den HD geklebt. – (95r) rechts, quer zum Text des Fragments geschrieben, Kolophon zum Haupttext (Mariazell, 1441). Fraglich ist, ob der Text des Fragments und der Kolophon von derselben Hand stammen und ob diese eventuell sogar mit dem Schreiber des Haupttextes zu identifizieren ist.
Schrift:
(1rv) Schriftraum: 237 × 148/150    Spaltenzahl: 1    Zeilenzahl: 23   
Schriftart: Textualis
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Federzeichnung(en)   
Rote Überschriften. Vorzeichnung für eine Deckfarbeninitiale, möglicherweise von demselben Illuminator wie der Schmuck des Hauptteils: Die gut erkennbare Gliederung der Akanthusblätter stimmt überein, allerdings war eine andere Blattform für die Verzierung des Buchstabenkörpers vorgesehen.

Einband: Österreich     2. Viertel 15. Jh.     Gotisch     Streicheisenlinien        
Rötlich-hellbraunes Rauleder. (VD, HD) jeweils Rechteck mit Diagonalen aus dreifachen Streicheisenlinien, verflacht; Spuren von je fünf Buckeln und zwei Schließen, auch Rostspuren auf den ersten und letzten Blättern sowie auf dem Längsschnitt. – (VD) Papierschild des 17. Jahrhunderts mit Aufschrift No. 17 Viridarium Imperatorum auf Perga... – (Rücken) auf dem obersten Feld Reste eines Signaturschildes aus Papier, im dritten Feld Reste der Nummer 141, auf dem untersten Feld gedrucktes Signaturschild der Hofbibliothek: CODEX MS. HIST. PROF. N. DCXLVIII. Olim 141.


Die Handschrift wurde im Jahr 1441 offenbar im Auftrag des St. Lambrechter Abts Heinrich II. Moyker (1419-1455; s. MBKÖ III, 78) hergestellt: siehe auf 95r den Kolophon und das darüber gezeichnete Wappen (großer Buchstabe L für das Stift und kleiner Buchstabe h darunter für Abt Heinrich). Der im Kolophon angegebene Wallfahrtsort Mariazell unterstand dem Stift St. Lambrecht. Die Buchstabenfolge aeiou mit der charakteristischen Schlinge, die über dem Wappen Heinrich Moykers angebracht wurde, belegt des Weiteren, dass sich die Handschrift später im Besitz Kaiser Friedrichs III. befand. Die fünf Wappen auf 1r standen jedoch dem bereits 1439 verstorbenen König Albrecht II. (1438-39) zu, der sie seit 1438 führen durfte: vgl. die Wappen in dessen Gebetbuch in Melk, Benediktinerstift, Cod. 1080, 1v (Regina Cermann). Daher wurde von Alphons Lhotsky angenommen, dass die Arbeit an der Abschrift des Textes bereits 1438 im Auftrag Albrechts begann, nach dessen Tod unterbrochen, schließlich 1440 im Auftrag Friedrichs III. fortgesetzt und 1441 beendet wurde (MGH Staatsschr. 5,1, IX f.). Die Handschrift könnte aber wie die im Benediktinerstift Melk geschriebene Grammatik Wien, ÖNB, Cod. 23* als Lehrbuch für den Sohn Albrechts, Ladislaus V. Postumus (1440-1457), angefertigt worden sein. Sie wäre dann, wie einige andere Bücher auch, noch während der Minderjährigkeit von Ladislaus in den Besitz seines Vormundes Friedrich III. übergegangen (zu den Bücherrückgabeforderungen von Ladislaus an Friedrich III. s. Stummvoll 1968, 9). (Christine Beier)
Vorbesitzer 1: Albrecht II., König (1397-1439) (?)
(1r) Wappen Albrechts II. im Bas-de-page: Reichswappen, Böhmen, Alt-Ungarn, Mähren, Österreich.
Vorbesitzer 2: Ladislaus Postumus, König (1440-1457) (?)
Vorbesitzer 3: Friedrich III., Kaiser (1415-1493)
(95r) Devise a.e.i.o.v., darunter die "zugehörige Schlinge" (Lhotsky 1952, 156 u. a.)
Vorbesitzer 4: Wien, Hofbibliothek, 16. Jh., 4046
(HDS) Die von Hugo Blotius 1576 vergebene Signatur 4046 (HDS) belegt die frühe Aufbewahrung des Codex in der Hofbibliothek (s. Menhardt, Blotius, 109). – Spätere Signatur N 141 (1r, Einbandrücken). – Am VDS unten kleines Schild mit Signatur 43 (?).
Christine Beier (Forschungsstand 2016, MeSch VI; Redaktion Katharina Hranitzky 2021/2022); Ergänzungen Regina Cermann
"CMD-A II", "Oettinger, Veit", "Schmidt 1963", "Unterkircher 1957", "Stange", "Holter 1955", "Schmidt 1989", "MBKÖ III", "MGH Staatsschr. 5,1", "Stummvoll 1968", "Lhotsky 1952", "Menhardt, Blotius", "MeSch VI"
alle Initien
(Ir) Vorsignaturen in Bleistift.
(Iv) Leer.
(1r-92r) Theodoricus de Niem Viridarium imperatorum et regum Romanorum extractum de memorialibus gestis aliquorum Germanorum, qui rei publice presederunt editum et completum Rome anno a nativitate domini MoCCCCoXIo circa principium mensis Octobris feliciter [Rom, 1411] (Ed. MGH Staatsschr. 5,1).
(92r) Rezept Contra venenum (abgedruckt in MGH Staatsschr. 5,1, VIII).
(92v-94v) Leer.
(95r-HDS) Missale-Fragment. Anfang der Messtexte für den ersten Sonntag nach Pfingsten.
(95r) Kolophon, mit Wappen.
   1
95r (Lokalisierung, Datierung) Scriptum in Cellis beatissime virginis Marie. Anno Domini millesimo quadringentesimoquadragesimoprimo [Mariazell, 1441]. – Wappen von St. Lambrecht (L) mit Buchstaben h [Abt Heinrich Moyker]. – "Devise" Friedrichs III. a.e.i.o.u. samt Schlinge.