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Wien, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Cod. 2329
GEORGIUS TRAPEZUNTIUS
Olim: Philol. 34    Pergament   184 Bl.   305/310×210/215    Basel, 1434
Provenienz/Letztbesitzer: Sambucus, Johannes
Literatur zur Handschrift: CMD-A II 34, Abb. 308 (online).
Lagen: 14.VI168 + 2. IV184. Reklamanten; häufig Zählung der Doppelblätter innerhalb der Lagen, z. B. 109r-114r: k(1)-k6.
Schrift:
Schriftraum: 205 × 125     Spaltenzahl: 1    Zeilenzahl: 40   
– Glossen
Mischschrift ("Gotico-antiqua"): Von den Humanistenschriften wird die durchgehende Verwendung des langen s (auch am Wortende) übernommen, die Verwendung von Bastarda-a, und rundem r sind jedoch gotische Schriftmerkmale. Weder das Fehlen von e-caudata oder æ noch der Sprachstand (ch statt h; zusätzliches h, z. B. bei "prohemium") ist ungewöhnlich für die Überlieferung der Werke des Georg von Trapezunt (vgl. Monfasani 1984, XVII). – Glossenschriften.
Ausstattung: Illuminiert   Rubriziert   Fleuronnéeinitiale(n)   Deckfarbeninitiale(n)   Ranke(n)/Bordüre(n)   Figürlicher Buchschmuck   Goldverwendung   
(1r) rote Überschrift, rote und blaue Paragraphzeichen. – (3r, 15v, 27v) drei kleine Fleuronnéelombarden. Im Binnenfeld gekräuselte Blattformen vor schraffiertem Grund (3r) bzw. Knospenähren. Durch Perlenleisten gerahmtes Initialfeld; Ecken (und Mitten) durch größere Perlen akzentuiert. Frei ausschwingende Fadenfortsätze.– (1v, 60v, 98v, 130r) vier Goldlombarden auf Deckfarbengrund. Altrosa oder blaues Binnen- bzw. Initialfeld, jeweils mit feinem weißem Filigran überzogen (98v ein Fleur-de-lis-Motiv). An den Ecken der Initialfelder eingezogene Ellipsen, 1v unregelmäßiger Umriss. – (1r) zu Beginn des Prologs historisierte Deckfarbeninitiale mit Autorbild (46 mm hoch).
Der schmale blaue Buchstabenkörper, der mit einem Blattfries mit gebuchtetem Rand belegt ist, wird von einem schwarz konturierten Blattgoldgrund mit eingezogenen Ellipsen an den Ecken hinterfangen. Im Binnenfeld ist der Autor als leicht nach rechts gedrehte Halbfigur dargestellt. Er hebt seinen Kopf leicht an, als blicke er zum Titel des Werks auf dem oberen Seitenrand hinauf, und streckt beide Hände vor sich aus, dabei mit seinen überlangen und detailliert wiedergegeben Fingern Zeige- bzw. Regegesten vollführend; seine über den Umriss des Buchstabens hinausragende Linke berührt dabei fast die erste Textzeile. Der Eindruck, dass der Autor des Werks im Sprechen begriffen sei – etwa an einem (nicht dargestellten) Rednerpult – wird dadurch verstärkt, dass er seinen Mund leicht geöffnet hat. Die Figur ist in eine rote Robe mit Hermelinaufschlägen am Kragen und an den Ärmeln gekleidet. Über ihre rechte Schulter hängt ein hellvioletter Umhang, auf dem Kopf trägt sie eine rote Kappe, die ihre Ohren verdeckt ("Gelehrtenkappe"). – Von der Initiale geht ein wie das Initialfeld mit Goldgrund ausgelegter und schwarz konturierter, senkrechter, schriftspiegelbegleitender Streifen aus, der mit einer um einen dünnen Goldstab gewundenen Akanthusranke gefüllt ist. Die Vorderseite der Ranke ist in Altrosa, ihre Rückseite in Blau gehalten. Die Rankenblätter setzen sich aus mehreren unterschiedlich langen, relativ breiten, leicht gewellten Blattlappen zusammen und sind durch auffallend kräftige, plastische Blattrippen strukturiert.
Zur Lokalisierung des Buchschmucks nach Basel und zu dessen niederländischen Stilwurzeln, die insbesondere in der Werkgruppe zu suchen sind, die unter dem Namen "Meister des Zweder van Culemborg" subsumiert wird (zu diesem siehe Pächt/Jenni 1975, 22 und Goldene Zeit 1990, 97-116, Kap. IV), sei auf die ausführliche Untersuchung des Cod. 2329 durch Martin Roland (Roland 2010) verwiesen. Mit der vorliegenden Handschrift hängt der erste, 1435 datierte Band der sogenannten Vullenhoe-Bibel (Basel, UB, Cod. B I 3 – Literatur zu diesem Codex bei Roland 2010, 97, Anm. 34) eng zusammen. Diese ursprünglich vierbändige Bibel (drei Teile haben sich erhalten) wurde zwischen 1435 und 1445 vom dem vermutlich aus Vollenhove bei Zwolle in Holland stammenden Heinrich von Vullenhoe (1427 Profess der Basler Kartause, † 1467 in Basel, siehe z. B. Historisches Lexikon der Schweiz) geschrieben. Es finden sich in Cod. B I 3 unmittelbare Vergleiche für das Fleuronnée des Cod. 2329 (vgl. Cod. 2329, 27v und Cod. B I 3, 9r; Abb. 6 und 7 bei Roland 2010, hier auch ein Verweis auf das Fleuronnée in Wien, ÖNB, Cod. 3281), aber auch enge Parallelen zu dessen Deckfarbenornament und Figurenstil. Eine enge Stilverwandtschaft (mit Ausnahme des Fleuronnées) besteht schließlich auch zwischen Cod. 2329 und Wien, ÖNB, Cod. 3145 (aufgrund der Wasserzeichen um 1435/1445 zu datieren).

Einband: Wien (Hofbibliothek)     1720     Barock     Streicheisenlinien   Rolle   Supralibros        
Helles Leder über Pappe. Streicheisengliederung, Rollenstempel. In Goldprägung im Mittelfeld kaiserliches Supralibros (Doppeladler mit Brustschild, darauf die Initialen C[arolus] VI); oben die Abkürzung für die Bibliothek: E. A. B. C. V. (Ex Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi); unten die Initialen des Präfekten der Hofbibliothek Johann Benedikt Gentilotti I. B. G. A. E. B. (Iohannes Benedictus Gentilotti ab Engelsbrunn Bibliothecarius), umrahmt von der Datierung 1720.


Cod. 2329 ist das älteste datierte von insgesamt 24 erhaltenen handschriftlichen Exemplaren des Textes (vgl. Monfasani 1984, 361-364). Monfasani 1976, 26, belegt, dass der Text nicht vor der Mitte des Jahres 1433 entstanden sein kann. Andererseits ergibt sich aus einer postwendend verfassten Antwort des Autors (Monfasani 1984, 381-411) auf einen Brief des Guarino da Verona vom 15.3.1437 (Monfasani 1984, 364-376), dass er diesem den Text zwei Jahre zuvor übersandt hatte (Monfasani 1976, 26, Anm. 115, und 30; Monfasani 1984, 386 f.). Genau in dieser Zeitspanne (Mitte 1433 bis März 1435) liegt das im Cod. 2329 überlieferte Datum (22.9.1434). Da der Kolophon mit seiner Datierung sonst in keiner Abschrift vorkommt (vgl. Monfasani 1984, 459 und die Handschriftenliste 3-78), ist davon auszugehen, dass er nicht mit dem ursprünglichen Text überliefert wurde, sondern sich auf die Abschrift bezieht. Aufgrund einiger abweichender Lesarten (schwerwiegend v. a. auf 147v: Gaiarini statt "Guarini" – vgl. Monfasani 1984, 361, Absatz 1, Anm. 3) steht außerdem fest, dass Cod. 2329 nicht das Autorenexemplar gewesen sein kann. Andererseits enthält Cod. 2329 eine Textform, die später (im Codex am Rand) noch verändert wurde (Monfasani 1984, 361). – Dass die Handschrift in Basel während des Konzils entstanden sei (siehe die Ausstattung), scheint auch in Hinblick auf die Schrift (eine "Gotico-antiqua", die ohne das Vorbild italienischer Humanistenminuskeln nicht vorstellbar ist) glaubwürdig, da dort zweifellos italienische bzw. stark italienisch beeinflusste Schreiber tätig waren. (Steinmann 1976, 392 f. und Abb. 11 f.) verweist etwa auf einen Band mit Konzilsakten, Basel, UB, Cod. A I 32, dessen Schrift mit derjenigen von Cod. 2329 zwar keineswegs identisch, aber im Charakter doch gut vergleichbar ist.)
Vorbesitzer 1: Sambucus, Johannes (1531-1584) , vor 1578
Die Signatur 462 auf 184v belegt, dass der Codex im Jahr 1578 von Sambucus an die Hofbibliothek verkauft wurde (Gerstinger 1926, 255, 391 [z. T. irrig]; Menhardt, Blotius, 21 f.). – Gerstinger 1926, 346 f., 372, weist nach, dass Sambucus auch einen Autographen der von Georg von Trapezunt verfertigten Übersetzung der Historia animalium des Aristoteles, den er 1574 verborgte und nie zurückbekam (das Buch ist offenbar verloren, vgl. Monfasani 1984, 298, 706), und einen griechischen Codex aus dem Besitz des Georg von Trapezunt (heute Wien, ÖNB, Cod. Phil. gr. 220; Monfasani 1984, 79: "Cod. Philos. et philol. gr. 220") besaß.
Vorbesitzer 2: Wien, Hofbibliothek, 1578, 462 / N 67
(1r) Tengnagel-Signatur No. 67.
Martin Roland (Forschungsstand 2015, MeSch VI; Redaktion Katharina Hranitzky 2022)
"CMD-A II", "Monfasani 1984", "Pächt/Jenni 1975", "Goldene Zeit 1990", "Roland 2010", "Monfasani 1976", "Steinmann 1976", "Gerstinger 1926", "Menhardt, Blotius", "MeSch VI"
alle Initien
(1r-183v) Georgius Trapezuntius Libri rhetoricorum quinque (Monfasani 1976, 261-289 [hier 370-372: Ed. des Prologs]; Monfasani 1984, 75, 321, 361-364 [Ed. der Invektive gegen Guarino da Verona], 459-461).
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1r Tit.: (Oberer Seitenrand, rot) Georgii Trapezontii rhetoris eloquentissimi in libros suos rhetoricos prohemium feliciter incipit.
183v Expl.   ... (Explicitvermerk, Datierung) Georgii Trapezontii Cretensis quinque Rethoricorum [!] Libri Expliciunt Feliciter. Anno. etc. 1434. xxii. die mensis septembris. etc. [22.9.1434].
(147v-149r) Invektive gegen Guarino da Verona.
(184r) Leer.
(184v) Schema zur Rhetorik, mit Begleittext. Nachtrag.
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184v Autem de facto, autem de nomine, autem de quantitate ... Negotialis constitutio est in qua quaeritur an faciendum sit ...