Konkordanz der Bildseiten der Handschriften von
Udalricus Campililiensis (Ulrich von Lilienfeld), Concordantiae caritatis
Zusammengestellt von Martin Roland
New York, Pierpont Morgan Library, M 1045
Die stilistische Ableitung des Hauptmeisters
Eine ausfuehrliche stilistische Ableitung der Maler bzw. des Zeichners
wurde von mir in einer gemeinsam mit Ferdinand Opll verfassten Publikation vorgeschlagen (link).
Dort werden zuerst die Buchmalerei
Wiens und Niederösterreichs, dann die
entsprechenden Bestände an Tafelmalerei untersucht. In einem nächsten Schritt werden andere
Kunstlandschaften, vor allem der Bereich Salzburg–Bayern–Tirol besprochen.
Im Bereich der Wiener Buchmalerei bestehen kaum Anknuepfungspunkte (vgl. den Ueberblick ueber dieses Material bei Roland 2003).
Bei der Wiener Tafelmalerei
sind die Vergleichsmöglichkeiten trotz des sehr dezimierten
Bestandes bezeichnender Weise groesser. Ausgangspunkt muß der um
1335/40
entstandene Albrechtsaltar in Stift Klosterneuburg sein, der die neuen
Entwicklungen der
niederlaendischen Malerei kennt, diese jedoch sehr individuell umsetzt.
Für uns sind die Raumhaltigkeit der Landschaften der
Werktagsseite und die raumschaffenden Figuren interessant. Von
demselben
Meister stammt das Geuss-Epitaph von 1440 (Wien, Dom- und
Dioezesanmuseum); die Figur des Schmerzensmannes steht
breitbeinig im Raum, seine Beine werfen Schatten auf den dunklen Boden.
Ein
Vergleich mit dem ersten Typus auf fol. 104v ist durchaus zulaessig.
Im Bereich der westoesterreichischen Buchmalerei ist auf eine Renner-Handschrift in New York zu verweisen (Roland 2003,
S. 529, mit Abb.). Die Abbildung zeigt einen von hinten zu sehenden
Nackten, der von einem Mildtaetigen ein
Gewand uebergezogen bekommt. Diese Figur ist mit jenem Nackten
durchaus
vergleichbar, der auf fol. 193v der New Yorker Concordantiae vorkommt.
Da jedoch der New Yorker Renner ebenfalls weder datiert noch
lokalisiert ist, haben wir in ihm zwar ein Werk gefunden, das mit den
Zeichnungen des Hauptmeisters gut vergleichbar ist, einer Einordnung
sind wir jedoch nicht naeher gekommen (weitere Vergleiche bei Opll–Roland 2006, S. 47–59).
Die Tafelmalerei Salzburgs bietet – vielleicht mit
Ausnahme des Meisters von St. Leonhard bei Tamsweg – keine
tiefergreifenden Vergleichsmoeglichkeiten.
Die Malerei Bayern
haelt einen bemerkenswerten Vergleich bereit: die 1439 bzw. 1441
datierten Pollinger Tafeln (Kremsmünster, Stiftssammlungen, bzw.
München, Alte
Pinakothek: A. Stange, Deutsche Malerei der Gotik 10 (Berlin 1960), S.
61–63, Abb. 92–95). Unmittelbar mit diesen Tafeln haengt
naemlich das Kanonbild
des Clm 11.317, fol. 27v, der Bayerischen Staatsbibliothek in
München zusammen.
Man vergleiche Details wie die gemalten Glanzlichter, die Goldgrund bei
Heiligenscheinen imitieren oder grundsätzliche
Gestaltungsprinzipien wie die
nervös geknautschten Falten, die in seltsamem Gegensatz zu den
massigen Figuren
stehen, die sie umgeben. Der nackte Koerper Christi ist gut modelliert,
die Schatten
betonen die einzelnen Muskelpartien. Alle genannten Merkmale treffen
auch auf die vom Hauptmeister der New Yorker Concordantiae
gemalten Miniaturen zu: Wie eng die Beziehungen sind, zeigen die
geschwisterlich verwandten Gesichtszuege Jesu im Kanonbild in Muenchen
und fol. 106v der New Yorker Concordantiae).
Von entscheidender Bedeutung sind die Beziehungen zur gut erforschten Entwicklung der Tafelmalerei in Tirol
waehrend des 3. Viertels des 15. Jahrhunderts (vgl. Michael Pacher und
sein Kreis. Ein Tiroler Künstler
der europäischen Spätgotik 1498–1998. Ausst.-Kat.
Neustift 1998). Der Meister von Uttenheim und der fruehe Michael Pacher
vermitteln offenbar unserem Hauptmeister jenes Gefuehl fuer
perspektivisch dargestellten Raum und plastisch durchgebildete, frei
im Raum bewegte Figuren, das diese durch ihre Kenntnis der
oberitalienischen Malerei fuer den mitteleuropaeischen Raum erschlossen
hatten. Diese Beziehungen sind deshalb besonders aufschlussreich, da
der Hauptmeister Entwicklungen von ca. 1450 bis um 1470 verarbeitet und
so eine Zeitgrenze sichtbar wird, die fuer die Datierung der New Yorker
Concordantiae von grosser Bedeutung ist.
Alle Merkmale des Hauptmeisters sind so
freilich nicht erklaerbar; vor allem entwickelt er in seine Zeichnungen eine Formensprache, die ohne Anregungen aus dem südwestdeutschen Raum nicht
vorstellbar ist. Hier ist vor allem an den reichen Bestand an Graphik (Handzeichnungen
vor allem aber auch Druckgraphik) zu erinnern. Sowohl die sich
am Boden ausbreitenden Knitterfalten als auch die stämmigen
Männergestalten
können so – nicht jedoch aus der Tiroler Entwicklung –
erklärt werden. Die Apostelgestalten des Meisters E. S. seien – da
sie als Kupferstiche weit verbreitet waren – genannt.
Fuer die Frauengestalten nenne ich eine als
eigenhändig
geführte Zeichnung des Meisters E. S. im Städel in Frankfurt
(Inv.-Nr. 734), die auf Grund des Wasserzeichens sicher um 1462
datierbar ist. Die schlanke Dame steht sicher (auch wenn ihre
Füße
zuerst unter dem ueppigen Gewand gar nicht auffallen). Nach rechts
breitet sich
das Gewand aus. Anders als bei vielen Drucken und vielen Werken der
Nachfolge
sind die Knitterfalten hier nicht messerscharf, sondern bilden weiche
Kanten
aus; ein Phaenomen, das wir auch bei den Zeichnungen der Concordantiae
beobachtet haben.
Zusammenfassend
tritt und im Hauptmeister ein Kuenstler entgegen, der in der Lage war,
die aktuellen Neuerungen zu verarbeiten und aus vielfaeltigen
Anregungen einen eigenen, durchaus bemerkenswerten Stil zu formen.
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