Fehlerhaft gezählt 5-139, 150-259 (Sprung in der Zählung); das Kanonblatt ein eingeklebtes Einzelblatt: Bl. 138. – Quinionen, vor Bl. 5 fehlen vier Blätter (Textverlust).
Das wenig sorgfältig in Braun gezeichnete Fleuronnée besteht vorwiegend aus Garben großer, punktförmig gekernter Knospen bzw. stilisierter Blätter mit gestricheltem Rand und Besatz aus kleinen Perlen. Der Dekor stammt zweifellos von einem Mondseer Florator. – Die unfigürlichen Deckfarbeninitialen von 1498 gehören derselben Stilgruppe an wie die eingeklebte Zierletter B in Wien, ÖNB, Cod. 4060 (21r) sowie die Initialen in den beiden Mondseer Inkunabeln ÖNB, Ink 23.B.14 und Linz, Oberösterr. Landesbibl., Ink.-560 (siehe Hranitzky–Schuller-Juckes–Rischpler 2018, 128-131). – Das in den Codex eingeklebte Kanonblatt mit dreifiguriger Kreuzigungsdarstellung (diese mit Rahmen 230×160 mm groß) ist wesentlich früher, um 1430, zu datieren und wurde höchstwahrscheinlich in Salzburg bzw. von einem Illuminator aus Salzburg geschaffen (siehe schon Holter 1981, 457 f. [828 f.], Nr. 11.29, hier S. 457 [828] als "sich in die Entwicklung in der Metropole [Salzburg] um 1430 ein[reihend]" bezeichnet, ohne Nennung von Vergleichswerken). Für eine Lokalisierung nach Salzburg sprechen allerdings vorerst nur ganz allgemein die malerische Qualität des Bildes und der Umstand, dass "geschulte" Mondseer Buchmaler aus dieser Zeit nicht bekannt sind. Einen konkreteren Hinweis auf Salzburg geben die Ranken, die den Seitenrand bedecken; allerdings könnten sie erst in der zweiten Jahrhunderthälfte zur Kreuzigung hinzugefügt worden sein (siehe Kunsthistorischer Kommentar). Siehe auch MeSch VI, Einleitung Mondsee.
Kunsthistorischer Kommentar:
Kanonbild 138v
Die Figuren mit ihren vergleichsweise großen Köpfen puppenhaft und in feste, leicht kurvig bis gerade verlaufende Konturen eingespannt. Maria und der weit durchhängende Christus, dessen Arme einen Segmentbogen beschreiben, jeweils mit leichtem Körperschwung, Johannes mit etwas unsicherer Fußstellung. Standfestigkeit erhalten die beiden Trauernden jeweils durch die seitlich auf dem Boden auslaufenden, geschwungenen bzw. weich umknickenden Zipfel ihrer Gewänder. Die Gewänder vorwiegend in leicht eingeknickte Schlauch- und V-förmige Falten gelegt, das Faltenrelief sogar etwas scharfkantig, die Saumlinien innerhalb der Körperkonturen jedoch dekorativ-kurvilinear verlaufend, auch beim feinem, transparenten Schamtuch Christi. Ebenso wie die bogenförmigen Stoffzipfel sind diese mäandernden Saumgekräusel Reminiszenzen an den "Schönen Stil" der Zeit um 1400. Präzise Modellierung des relativ tiefen Faltenreliefs, unter dem die Rundungen der Körper kaum spürbar werden, und kräftige Schattengebung auch bei Inkarnat und felsigem Terrain. Feinstrichelnde, sorgfältige Malweise. Als Hauptfarben wurden ein leuchtendes, helleres Blau, ein mittleres Grün, ein helles Rot, Hellviolett, ein golden schimmerndes Ocker sowie ein kräftiges gelbliches Hellbraun für das parallelperspektivisch dargestellte, braun gemaserte Kreuz, des Weiteren Graugrün für das Terrain und ein dünn aufgetragenes Weinrot für den Hintergrund verwendet. Dieser mit feinem Filigran in Pinselgold übersponnen. Für Inkarnat und Details kamen außerdem Brauntöne, Weiß und Gelb zum Einsatz. Das Rot des aus den Wunden des Gekreuzigten reichlich fließenden Bluts auffallend dickflüssig aufgetragen – möglicherweise ein Nachtrag (?). Angesichts der feinen Ausführung der Miniatur überraschend derb gemalter plastischer Rahmen in "Kupfergrün" mit Gelbhöhung.
Rankenwerk 138v
Die Miniatur symmetrisch von Ranken umgeben, die an vier kugelförnigen Manschetten an den Ecken des Bildfeldes ansetzen. Dreiteilige Blätter aus zwei eckigen seitlichen Blattzähnen und einem abgerundeten mittleren Blattlappen mit tropfenförmiger, blasenartiger Erhöhung. Letzterer kann auch verlängert und hakenförmig umgebogen sein. Rippung der Rankenstiele. An den Rankenenden Fibrillen, ebenfalls mit hakenförmigem Ende. Zwischen den Rankenarmen breite Zwickeltropfen in Blattgold mit an der Außenseite braun gestricheltem Rand. – Von demselben Illuminator ausgeführte Ranken finden sich in dem kleinformatigen Brevier Salzburg, Nonnberg, Benediktinerinnenstift, (23 A+ 2 [früher: 27 a II 33, 26 B 29]), das vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden ist. Einen terminus ante quem liefern die Nachträge von 1478-1481 mit Bezug zum Salzburger Dompropst Christoph Ebran; die genaue zeitliche Einordnung des Breviers bleibt jedoch noch zu prüfen. Das Wappen auf 141r gehört zur Grundausstattung dieser Handschrift, es ist einem bislang nicht identifizierten Vorbesitzer zuzuweisen. Der Vergleich mit dem Brevier in Nonnberg scheint darauf hinzudeuten, dass die Ranken auf dem Kanonblatt in Cod. 1796 erst nachträglich, etwa im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts, zum Kreuzigungsbild hinzugefügt wurden. Allerdings stimmen Rankenwerk und Darstellung farblich weitgehend überein, während sich der grobe Rahmen eher als Fremdkörper im Gesamtbild des Kanonblattes ausnimmt.
Einband: Mondsee bald nach 1498 Gotisch Streicheisenlinien Blindstempel Rolle
Einband restauriert
Einbandfragment oder Abklatsch vorhanden
Braunes Leder über Holzdeckeln. (Das Leder beschädigt, bei der Restaurierung teilweise mit neuem Leder hinterlegt.) Spuren von zwei Hakenschließen. Blattweiser aus braunem (verziertem) Leder. Kapitale weiß-grün umstochen. – Zu den Einzelstempeln und der Rolle siehe Holter 1984, 52-57 (500-505): Stempel 10, 26, 31, 33 und Rolle 7 (S. 56 [504]: "Jagdfriesrolle", "ohne Jäger"). – 14 abgelöste Fragmente in der ÖNB als Fragm. 107 aufbewahrt (zum Dekor eines zugehörigen Fragments s. Roland/Pirker-Aurenhammer 2000, 11 [bei Wien, ÖNB, Cod. 3659]). – Der Rücken ehemals mit weißem Papier überklebt (Mondsee, 17. Jh.), dieses bei der Restaurierung entfernt, dabei Titelaufschrift samt Formatangabe (Missale Q) erhalten und auf neues Papier aufkaschiert, danach zusammen mit den abgelösten Signaturschildern (die drei Mondseer ehemals aufeinandergeklebt) auf den HDS geklebt.
Vorbesitzer 1: Mondsee, Benediktinerkloster St. Michael (748-1791), 1498, 22 / 108 / 134 Vorbesitzer 2: Wien, Hofbibliothek, spätes 18. Jh., Lunael. f. 134 Nach der Aufhebung des Stiftes Mondsee gelangte Cod. 1796 in die Hofbibliothek. Hier erhielt er zunächst die Signatur Lunael. f. 134. Eine Auswahl des Mondseer Bestandes, darunter Cod. 1796, wurde anschließend in die Recentes-Signaturenreihe überführt.
Martin Roland (Forschungsstand 2015, MeSch VI; Redaktion Katharina Hranitzky 2022, mit Ergänzungen)
Einblattdruck: Messoffizium zum Fest des hl. Livinus von Gent (Augsburg, Johann Otmar, um 1515; Identifikation des Drucks durch Falk Eisermann und Oliver Duntze, Berlin; vgl. die Drucktypen in VD 16, G 776, die Initialen in VD 16, R 134).
(5r-245v)
Missale, Anfang und Ende fehlen.
1
129r
Expl. ... (Datierung) 1498
(138r)
Leer.
(138v)
Kanonbild.
(HDS)
Aufgeklebte Signaturschilder und Fragment vom ehem. Papierrücken (Titel).